20.02

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es ist schon erwähnt worden, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte bestimmt: „Alle Menschen sind frei und gleich an [...] Rechten ge­boren.“ – Das ist ein wunderbarer Satz, und wir wissen, wie sehr er weltweit jeden Tag verletzt wird. In diesem Sinne bin ich auch sehr dafür, dass jede Möglichkeit, auch jede juristische Möglichkeit zur Wahrung der Menschenrechte natürlich gewahrt wird, und deswegen sind wir auch sehr wohl dafür, dass auch die Europäische Union der Europäi­schen Menschenrechtskonvention – die ja in Österreich im Verfassungsrang ist, was ich auch für sehr gut halte – beitritt.

Damit komme ich zum Thema Uiguren, aber es geht ja um mehr als die Uiguren, es geht um die Region Xinjiang. Für alle, die sich nicht damit beschäftigt haben: Fast 20 Prozent der Fläche von China ist Xinjiang, aber dort leben nur 25 Millionen Menschen. Das ist natürlich eine kleine Minderheit, und es sind nicht nur die Uiguren, es sind auch die Ka­sachen und andere Turkvölker. Dieses Buch (das Buch „Die Kronzeugin“ von Sayragul Sauytbay und Alexandra Cavelius in die Höhe haltend) kann ich einerseits sehr empfeh­len, und ich sage andererseits, dass man es nicht sehr leicht liest, weil einem bei dem, was die Kronzeugin Sayragul Sauytbay darin beschreibt, die Tränen kommen. Das ist eine Frau aus einer kasachischen Familie. Sie ist eigentlich als Nomadin aufgewachsen, hat dann aber eine hervorragende Ausbildung als Ärztin bekommen, hat auch als Ärztin gearbeitet, aber weil sie eben einer Minderheit, der kasachischen Minderheit, angehört, wurde sie dann sogar als Lehrerin in einem dieser Umerziehungslager eingesetzt. Das hat im Jahr 2014 begonnen, Präsident Xi hat damals die Region besucht, hat gesagt, ja, da gibt es ja Terroristen, da gibt es Leute, die eine Abspaltung dieser Region – die eben für die Turkvölker Ostturkistan ist – wünschen, und deswegen muss man da massiv vor­gehen.

Ich weiß, dass die chinesische Regierung es leugnet, sagt, es gäbe diese Arbeitslager, Umerziehungslager nicht, aber es gibt halt auch sehr genaue Dokumentationen darü­ber – das kann man sich anschauen – in Satellitenbildern, und es gibt vor allem die Er­zählung dieser Frau. Das alles ist, wie gesagt, ganz erschreckend. Was sie aber auch schreibt – weil es nämlich auch schon um Wirtschaftssanktionen ging –: Während wir hier sitzen, betreiben auch große Firmen aus dem Westen lukrative Geschäfte im Nord­westen Chinas, während dort gleichzeitig in den Firmengebäuden Kinder, Frauen, Män­ner, Junge, Alte auf engstem Raum wie Tiere zusammengepfercht sind. Das müssen wir wissen.

Wir müssen allerdings sehr ernsthaft auch mit der Bundesregierung, mit dem Herrn Au­ßenminister sprechen, denn natürlich stimmen wir diesem Antrag zu, gleichzeitig aber sage ich, dass dieser Antrag doch relativ weich formuliert ist, und ich glaube, die chine­sische Regierung hält es schon aus, wenn wir ihr unsere Meinung sehr deutlich sagen.

Ich kann sagen, ich habe vor wenigen Tagen ein Gespräch mit dem chinesischen Bot­schafter in Wien gehabt. Es war als Vieraugengespräch natürlich vertraulich vereinbart, es gab allerdings einen Punkt, betreffend den ich ihn nachher gefragt habe: Herr Bot­schafter, darf ich das auch öffentlich, darf ich das hier im Nationalrat sagen? – Ich habe ihn nämlich gebeten, ich habe gesagt, ich möchte, dass wir – österreichische Abgeord­nete, europäische Abgeordnete – die Chance haben, einen Besuch in dieser Region zu machen, und er hat gesagt, ja, er versteht das und er wird sich auch dafür einsetzen.

Deswegen, in diesem Sinne: Ja, ich bin natürlich für Dialog, aber ich bin auch dafür, dass wir die Dinge deutlich aussprechen, und ich würde mich sehr freuen – er hat gesagt, er wird unsere Bitte in Peking vortragen –, wenn wir diese Möglichkeit bekommen, denn ich halte es für wichtig, dass wir hinfahren, dass wir uns das ansehen und dass die Regie­rung in Peking merkt, es gibt den Druck nicht nur vom kleinen Österreich, sondern von der Europäischen Union, und ich halte es auch für wichtig, dass wir nicht nur hinschauen, nicht nur kritisieren, sondern auch sagen, dass wir unter gewissen Bedingungen dann sehr wohl auch Sanktionen anwenden würden. (Beifall bei den NEOS.) – Danke.

Das führt mich zu einem zweiten Punkt, über den ich auch noch sprechen wollte, und da kommen wir zu Russland: Während wir hier sprechen, werden, wie wir wissen – das „Wall Street Journal“ hat das heute veröffentlicht – gerade massiv Truppen in der Nähe der Ukraine massiert, gleichzeitig auch auf der Krim. Es stehen heute doppelt so viele Truppen und doppelt so viele Kampfflugzeuge der Russen sowohl auf der Krim als auch in der Ostukraine, und es wird massiv Druck auf die Ukraine ausgeübt. Das wissen wir. Und wie reagieren wir darauf? – Indem wir sagen: Ja, wir reden eh mit Ihnen! Das wird zu wenig sein. Gerald Knaus, der Chef des Thinktanks ESI, hat, ich glaube, heute oder gestern, ein interessantes Interview gegeben, in dem er gesagt hat: Ich glaube, Europa muss sehr wohl die Frage überlegen, wie wir mit Sanktionen drohen.

Es gibt Nord Stream, es gibt Nord Stream 2, das ist den Russen extrem wichtig, und ich glaube schon, dass man einem Herrn Putin auch erklären kann: Wenn du mit Österreich und mit der EU weiter Handel treiben willst, dann wirst du gewisse Dinge akzeptieren müssen, etwa dass es Grenzen gibt, die du nicht überschreiten darfst. – Er wird uns aber nur ernst nehmen, wenn wir einig als Europäische Union auftreten, aber auch, wenn wir sehr deutlich auftreten. Da habe ich allerdings schon immer wieder den Eindruck, dass wir das eben nicht tun.

Dasselbe gilt übrigens auch für Nawalny, und, Kollege Troch, das möchte ich auch noch sagen: So wie ich das Relativieren betreffend Nawalny nicht verstanden habe – denn ich bin zwar mit seinen politischen Meinungen oft überhaupt nicht einverstanden, aber dass er ohne Prozess oder aufgrund eines Scheinprozesses eingesperrt wird, das geht nicht ‑, muss ich schon auch sagen, wenn ich jetzt auf Xinjiang zurückkomme, dass der Ver­gleich mit Katalonien halt auch nicht funktioniert.

Herr Puigdemont ist die eine Sache, aber das, was wir in diesen Büchern, was wir auch in den Berichten, die Kollegin Ernst-Dziedzic vorgetragen hat, lesen, ist etwas völlig an­deres. Und wenn wir bei diesem Satz, dass alle Menschen frei und gleich an Rechten sind, bleiben, dann heißt das auch, dass wir diesen Regimen deutlich gegenübertreten müssen und dass wir da vielleicht, wenn es nicht anders geht, auch einmal in Kauf neh­men müssen, dass wir einen wirtschaftlichen Nachteil erleiden. Wenn die Menschen­rechte das sind, was die Europäische Union, was uns in Europa ausmacht, dann dürfen wir da keine Kompromisse machen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Kucher.)

20.09

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Martin En­gelberg. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Zwischenruf des sich auf seinen Sitzplatz begebenden Abg. Brandstätter. – Zwischenruf des Abg. Kucher. – Abg. Engelberg – bereits am Rednerpult stehend –: Darf ich kurz stören? – Heiterkeit.)