10.31

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Ich darf nun zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 5 Stellung beziehen (eine Tafel mit der Aufschrift „40.000 Jobs in Gemeinden und sozialen Einrichtungen“ mit einer Flasche Desinfektionsmittel stabilisierend auf das Rednerpult stellend). – Praktiker! – Es geht um Arbeitslosigkeit (Heiterkeit des Abg. Scherak – Abg. Kickl: Jetzt sieht man dich nicht mehr!), es geht um die Notstandshilfe betreffend Aufstockung. (Das Desinfek­tionsmittel und die Tafel fallen vom Rednerpult. – Heiterkeit und Rufe bei ÖVP und FPÖ: Praktiker! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS. – Der Redner stellt die Tafel neuerlich auf das Rednerpult und hält sie mit einer Hand fest.)

Das Thema ist eigentlich nicht zum Lachen, weil seit Beginn der Pandemie die Zahl der Arbeitslosen, vor allem bei der Langzeitarbeitslosigkeit, massiv ansteigt, Herr Bun­desminister, von 105 000 Langzeitbeschäftigungslosen auf knapp 147 000, und sie wird auch weiter ansteigen. Seit Monaten bringt die SPÖ Vorschläge ein, um die Regierung zu überzeugen, endlich Maßnahmen zu setzen. (Beifall bei der SPÖ. – Abgeordnete der SPÖ halten Tafeln mit den Aufschriften „Her mit der Aktion 40.000“, „Neue Jobs schaffen statt PR-Shows für Kanzler Kurz!“, „40.000 Jobs in Gemeinden und sozialen Ein­richtungen“ und „146.000 Langzeitarbeitslose sind zu viel. Her mit der Aktion 40.000!“ in die Höhe.)

Es ist uns leider bis dato nicht gelungen, die Regierungsparteien davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, dass wir jetzt schon Maßnahmen diskutieren, jetzt schon Maßnahmen erarbeiten, um diese langzeitbeschäftigungslosen Menschen endlich wieder in Jobs zu bringen. Sie haben zwar jetzt in der Regierungsklausur ein Programm, Sprungbrett, präsentiert, aber es war wieder nur eine Überschrift. Herr Bundesminister, es ist nichts Konkretes. Seit Monaten bringen wir als SPÖ Vorschläge ein, seit Monaten werden diese vertagt, werden diese abgelehnt, und das ist gegenüber diesen Menschen, die es da getroffen hat, nicht würdig. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir von der Aktion 40 000 sprechen, weichen Sie immer gleich in die Aktion 20 000 ab. Die Aktion 40 000 ist etwas anderes als die Aktion 20 000, denn da geht es darum, Menschen unter neuen Richtlinien und Kriterien endlich auch im öffentlichen Bereich Jobs anzubieten, in dem Hilfsorganisationen, soziale Einrichtungen und Gemeinden einen Bedarf haben. Reden Sie mit den Bürgermeistern, ob sie nicht gerade jetzt in dieser Pandemie zusätzliches Personal brauchen, aufgrund all der Maßnahmen, die sie im Zuge dieser Pandemie zusätzlich zu leisten haben!

Es geht aber auch um Folgendes – weil auch die Kritik gekommen ist, warum nur in den öffentlichen und nicht auch in den privaten Bereichen –: Wir werden heute als SPÖ einen Unselbständigen Entschließungsantrag einbringen, den wir wirklich mit Ihnen, Herr Bundesminister, und mit allen Parteien diskutieren wollen. Es geht dabei um einen Coronabeschäftigungsbonus. Es geht darum, dass wir auch für Firmen in der Privat­wirtschaft Anreize schaffen, Langzeitarbeitslose zu beschäftigen. Dazu braucht es An­reize, dazu braucht es ein Modell, und einen Vorschlag für dieses Modell werden wir heute einbringen. Diesen wollen wir mit Ihnen diskutieren – zwei ganz konkrete Vor­schläge, zwei ganz konkrete Maßnahmen dafür, wie wir diese Menschen in Jobs bringen können und wollen und werden.

Herr Bundesminister, was ich wirklich kritisieren muss – Sie sind zwar erst seit Jänner im Amt –: Seit Monaten fragen wir die Regierungsparteien und die Bundesregierung: Wo ist Ihr Fahrplan zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit? Wo sind Ihre Konzepte – außer Überschriften? Wo sind überhaupt Ihre Emotionen zu diesem Thema? – Die sind überall nicht da. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie lassen da eine Gruppe zurück. Das Einzige, das Sie machen: Wenn die SPÖ immer wieder Druck macht und sagt: Vergesst bitte nicht auf diese Gruppe, auf diese Betroffenen!, dann gibt es befristete Maßnahmen wie zum Beispiel die Erhöhung oder die Aufstockung der Notstandshilfe auf das Arbeitslosengeld. (Ruf bei der ÖVP: Das haben wir ja eh gemacht!) Das haben wir im März bereits gefordert. Herr Bundesminister, warum nicht gleich? (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Die Menschen müssen mit 27 Euro Notstandshilfe am Tag auskommen – 27 Euro am Tag!

Wir haben Sie im März gefragt: Wird das jetzt verlängert oder nicht?, und Sie brauchen wieder Wochen, um eine Entscheidung zu treffen, dass es befristet bis Ende Juni verlängert wird. Wir hätten Ihnen da auch unser ganzes Vertrauen entgegengebracht, Herr Arbeitsminister, indem wir gesagt hätten: Machen wir es gleich per Verordnung, damit Sie es verlängern dürfen – nicht dass die Leute wieder zittern müssen, ob das dann am 30. Juni zu Ende ist und ihr euch vielleicht dann einmal im Juli bewegt und wieder einen neuen Antrag beschließt! So geht man mit diesen betroffenen Menschen nicht um! (Beifall bei der SPÖ.)

Jenen Menschen, die nun arbeitslos geworden sind, geht es nicht gut; sie sind seit Monaten in Arbeitslosigkeit und sie müssen mit dem Arbeitslosengeld auskommen. Wissen Sie, wir werden nicht müde werden, Sie davon zu überzeugen, dass es eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes braucht! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn gestern der Präsident der Caritas in der „ZIB Nacht“ ganz klar gesagt hat: Wir brauchen eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes!, muss man sagen, geht es nicht darum, welche Partei das zuerst gefordert hat, sondern es geht darum, dass wir der Sozialkrise zu begegnen haben. Das ist die Botschaft.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der eine Er­höhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des zugrundeliegenden Einkommens erfolgt. Weiters soll mit Stichtag des Inkrafttretens auch eine Neuberechnung für alle BezieherInnen bereits laufender Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erfolgen.“

*****

Wenn Ihnen diese Menschen wirklich wichtig sind, wenn Ihnen diese Menschen nicht egal sind, dann stimmen Sie heute bitte unserem Antrag zu. (Beifall bei der SPÖ.)

10.37

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 3 Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1477/A der Abgeordneten August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosen­versicherungsgesetz 1977 geändert wird (792 d.B.)

Rund 460.000 Menschen waren Ende März in Österreich arbeitslos. Ihr durch­schnitt­liches Arbeitslosengeld liegt bei rund 30 Euro am Tag, das sind zirka 900 Euro im Monat – oft ist es auch weit darunter.

Darüber hinaus steigt die Langzeitbeschäftigungslosigkeit. Etwa 150.000 Personen, mehr als die Hälfte als vor der Corona-Pandemie, sind bereits länger als 12 Monate arbeitslos. Dazu kommen noch rund 40.000 Langzeitarbeitslose in Schulungen. Öster­reich hat somit rund 190.000 Langzeitbeschäftigungslose. Ein Höchststand!

Diese Menschen müssen mit weniger als der Hälfte ihres aktiven Einkommens aus­kommen.

Der durchschnittliche Bezug ist auch deshalb so niedrig, weil in der Corona-Krise vor allem Menschen ihren Job verloren haben, die ohnehin schon wenig verdient haben: Jobs wurden vor allem in der Gastronomie, im Tourismus und im Handel gestrichen. Auch viele Reinigungskräfte haben ihren Job verloren.

Das Durchschnittseinkommen im Handel liegt bei rund 1.500 Euro, im Tourismus und der Gastronomie überhaupt nur bei 750 Euro, wie das Momentum Institut errechnet hat. Diese Menschen haben schon Geldsorgen, wenn sie Arbeit haben – wenn sie die Arbeit verlieren, reichen 55 Prozent des letzten Einkommens bei weitem nicht mehr aus, um die wichtigsten Kosten des Lebens abzudecken.

Bei 1.500 Euro netto Letzteinkommen bleibt ein Arbeitslosengeld von etwa 825 Euro übrig. Davon ist es schwer, die Miete, das Essen und Reparaturen zu bezahlen oder gar Kreditraten auf die Wohnung oder das Haus.

Seit über einem Jahr fordern Gewerkschaften, SPÖ, FPÖ und Arbeitsmarkt-ExpertInnen daher die Erhöhung des Arbeitslosengelds auf 70 Prozent des Einkommens. Denn von 900 Euro oder weniger im Monat kann niemand leben – besonders dann nicht, wenn die Arbeitslosigkeit völlig unvorhergesehen auf einen zukommt, wie es in der Corona-Krise bei vielen der Fall war. Die niedrige Ersatzrate von 55 Prozent in Österreich stammt aus einer Zeit der Vollbeschäftigung, als Menschen nur sehr kurz arbeitslos waren. Für längere Phasen der Arbeitslosigkeit ist der Satz zu niedrig.

Andere europäische Staaten, wie die Schweiz (79%), Portugal (76%), Dänemark (74%) oder die Niederlande (74%), haben deutlich höhere Nettoersatzraten.

Entgegen aller Bedenken überlegen die Regierungsparteien weiterhin schrittweise Kürzungen des Arbeitslosengeldes einzuführen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des zugrundeliegenden Einkommens erfolgt. Weiters soll mit Stichtag des Inkrafttretens auch eine Neuberechnung für alle BezieherInnen bereits laufender Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erfolgen.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zopf. – Bitte sehr.