12.48

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir stehen vor der Situation, dass wir ein Gesetz beschließen müssen, bei dem es darum geht, die Sicherheit in den Gerichtsgebäuden zu erhöhen. Das ist ein Anliegen, das durchaus unterstützenswert ist, eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen.

Nur: Für mich stellt sich da immer eine Frage. Ich bin jetzt seit über 30 Jahren als Rechtsanwender, als Systempartner der Justiz tätig und frequentiere seither regelmäßig Gerichtsgebäude in ganz Österreich. Früher war es halt so, dass man in jedes Gerichts­gebäude hineingekommen ist, es waren alle Türen offen, teilweise gab es sogar mehrere Zugänge. Das Gerichtsgebäude in Innsbruck zum Beispiel hatte einen Zugang in der Schmerlingstraße, in der Maximilianstraße und in der Fallmerayerstraße – es war ein offenes Haus. Es gab sozusagen einen leichten Zugang zum Recht, die Gebäude waren für jeden Bürger und für jede Bürgerin leicht zugänglich.

Jetzt sind die Eingänge verbarrikadiert, man muss sich strengen Sicherheitskontrollen unterziehen. Das wird wohl alternativlos sein, nur muss man sich wirklich die Frage stellen, wo es doch in vielen Jahrzehnten vorher ohne diese Sicherheitsmaßnahmen gegangen ist: Wurde der Mensch um so viel schlechter oder was ist die tiefere Ursache dafür, dass sich die Gerichte jetzt so sehr schützen müssen?

Diese Frage müssen wir uns stellen, und ich glaube, die Antwort auf diese Frage wird nicht ganz einfach sein, sondern vielschichtig. Das wird aber möglicherweise auch damit zu tun haben, dass es halt doch immer wieder sogenannte Justizopfer gibt, Menschen, die einfach aus ihrer subjektiven Wahrnehmung heraus glauben, dass ihnen vor Gericht Unrecht angetan worden ist: Man hat einen Prozess verloren, obwohl man hundert­prozentig überzeugt war, dass man ihn gewinnt. Oder ein Verkehrsunfall, ein einfacher Verkehrsunfall: Man weiß selber ganz genau – und sagt das auch –: Ich bin mit meinem Auto gestanden!, und der Sachverständige im Prozess rechnet dann vor und sagt: Sie müssen noch mindestens mit 4 oder 5 km/h gefahren sein!, und der Richter stellt das entsprechend fest. Der Richter war nicht dabei, der Sachverständige war nicht dabei, die beiden Anwälte waren nicht dabei. Der Unterlegene kriegt also jetzt ein Urteil, er verliert, es steht auf dem Urteil unglaubwürdig – das macht natürlich böses Blut.

Es gibt eben Menschen, die mit einer solchen Situation sehr schwer zurechtkommen, und ich denke schon, ob es nicht überlegenswert wäre, auch im Bereich der Verfahrens­rechte Maßnahmen zu setzen. Unsere Zivilprozessordnung ist über 100 Jahre alt, war damals an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein Meilenstein der Gesetzgebung, ein modernes Gesetz. Heute wissen wir aus der Wahrheitspsychologie und aus vielen anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass es vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss ist, festzustellen: Du hast unrecht, du hast recht!, denn das Ganze ist sehr vergangenheitsbezogen; man versucht immer, zu rekonstruieren, was war. Meines Er­achtens sollte zivilprozessuale Konfliktlösung viel eher auf das gerichtet sein, was sein wird – zukunftsorientiert, Mediation, das sind die Themen. Ich denke, wenn man dies noch verstärkt forciert, dann wird es vielleicht einmal möglich sein, dass man die Sicherheitsvorkehrungen bei Gericht wieder etwas lockert. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.51

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte.