15.42

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Es geht hier nicht darum, die Taten von Herbert Kickl oder seine Politik gutzuheißen, und ich tue das auch nicht. Es geht bei der Frage der Immunität auch nicht darum, ob Herbert Kickl diese Strafe zahlen wird – das hat Kollege Ofenauer offensichtlich noch nicht verstanden –, die Immunität hemmt die Strafverfolgung, er wird seine Strafe zahlen, nur nicht jetzt.

Bei der Immunität geht es einzig und allein darum, dass man Abgeordnete vor der Willkür von Regierenden schützt, und es geht – Kollege Schrangl hat das schon ange­sprochen – um die Funktionsfähigkeit dieses Vertretungskörpers hier, dieses Parlaments. Wir müs­sen einzig und allein beurteilen, ob eine Handlung eines Abgeordneten offenkundig in keinem Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit steht (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ), und wenn das so ist, dann müssen wir ihn ausliefern.

Es geht auch nicht darum – weil Kollege Bürstmayr das angesprochen hat –, dass man irgendeinen Freibrief hat und als Politiker auf einer Demo, bei einer Wahlkampf­ver­anstaltung machen kann, was man will, willkürlich Menschen gefährden. Natürlich gibt es da Grenzen. Die Grenze, und das ist das, was geschützt ist, ist einzig und allein die politische Tätigkeit des Abgeordneten.

Ich habe mir ein paar Beispiele aus den letzten Jahren angeschaut: Ein Abgeordneter, der zu schnell zu einer Wahlkampfveranstaltung fährt, ist natürlich nicht durch die Immunität geschützt. Wenn man aber, so wie Rudi Vouk das gemacht hat – er war kein Abgeordneter, nehmen wir aber an, er wäre einer –, zu schnell im Ortsgebiet fährt, um darauf aufmerksam zu machen, dass die zweisprachigen Ortstafeln nicht angebracht sind, dann wäre man natürlich durch sie geschützt.

Wenn die FPÖ bei einer Wahlkampfveranstaltung ein Lied abspielt, von dem sie keine Urheberrechte hat, dann ist das natürlich nicht von der Immunität geschützt. Wenn sie in dem Zusammenhang aber auf das veraltete Urheberrecht aufmerksam hätte machen wollen, dann wäre das wohl geschützt gewesen.

Wenn Abgeordnete der Grünen eine Sitzblockade machen oder irgendwo auf Kränen herumturnen und das politisch motiviert machen, dann ist das natürlich durch die Immu­nität geschützt, und genauso ist es durch die Immunität geschützt, wenn ein Abgeord­neter seinen Hauptwohnsitz im Wirtschaftsministerium anmeldet, um darauf aufmerk­sam zu machen, dass dieses System nicht funktioniert. (Heiterkeit bei Abgeordneten von NEOS und FPÖ.)

Herbert Kickl hat gegen die Maskenpflicht demonstriert, hat seine Meinung geäußert, und das Ganze ohne Maske und Abstand. Herr Kollege Bürstmayr, Sie wissen, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sieht die Mei­nungsäußerungsfreiheit sehr weit, auch bei solchen Zeichen. Und wenn Sie von unbeteiligten Dritten sprechen, dann ist das einigermaßen skurril, denn ich nehme an, dass die Menschen, die auf die Demo der FPÖ gehen, nicht unbeteiligt sind, sondern freiwillig dort auftauchen und genauso diese Regelungen nicht einhalten. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Bürstmayr.)

Ein Abgeordneter einer Parlamentspartei organisiert eine Demo, geht dort hin, äußert dort seine Meinung, und Sie sind der Meinung, dass das offenkundig nicht in Zusam­menhang mit seiner politischen Tätigkeit steht. Ich frage Sie: Was ist denn Ihrer Meinung nach in diesem Zusammenhang dann überhaupt noch möglich und durch die Immunität geschützt? (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

Sie öffnen – ich komme zum Schlusssatz – damit der Willkür Tür und Tor. Sie ermög­lichen es, dass man als Abgeordneter willkürlich verfolgt wird. Und ich sage Ihnen eines: Schauen Sie in die Länder, wo das passiert ist! Schauen Sie in die Länder, in denen die Immunität der Abgeordneten willkürlich den Regierenden zur Verfügung gestellt wurde, in denen sie missbraucht wurde, und schauen Sie, was in diesen Ländern mit der Demokratie passiert ist! Schauen Sie, was mit dem Parlament passiert ist, und überlegen Sie vielleicht noch einmal, ob die Entscheidung, die Sie heute treffen, eine intelligente Entscheidung ist! (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

15.46

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Reifenberger ist zu Wort gemel­det. – Bitte.