9.07

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Einen wunderschönen guten Morgen! Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer und Unternehmerinnen und Unter­nehmer, die heute einen sehr freudigen Tag haben! Es hat heute schon zahllose Ge­spräche gegeben, Kolleginnen und Kollegen haben gesagt, sie waren schon auf einen Kaffee, sie haben mit einem Cafetier gesprochen, sie waren schon in einem Lokal. Das ist natürlich für viele ein wirklich sehr freudvoller Tag, nach so langer Zeit des Lockdowns endlich wieder die Pforten öffnen zu können, und auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, endlich wieder tatkräftig anpacken zu können. – Alles Gute heute! (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich bin richtig aufgeregt, ich werde heute mittagessen gehen, es wird richtig aufregend werden.

Meine Damen und Herren, es gibt sehr viel zu tun. Die aktuelle Krise, die ÖVP-Krise in unserem Land sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sehr viel Arbeit zu erledigen ist – gerade jetzt, vielleicht gerade zum idealen Zeitpunkt, dem Tag der Öffnungen. Ich habe in den vergangenen Tagen sehr viele Appelle gehört, man möge doch bitte zur Sachpolitik zurückkehren. Da kann ich Ihnen sagen: Die Sachpolitik haben wir nie ver­lassen (Abg. Gödl: Anzeigen über Anzeigen! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), wir haben kontinuierlich Vorschläge eingebracht. (Beifall bei den NEOS.)

Heute wieder: Heute geht es darum, tatsächlich darauf zu schauen, was die Wirt­schafts­politik in Österreich braucht. Es ist sehr spannend, denn ich war vor Kurzem in einer Runde von Journalistinnen und Journalisten, wir haben so ein bisschen diskutiert, und dann war die Frage, was ich eigentlich von der Wirtschaftspolitik der Regierung halte. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich konnte nicht sagen, welche Wirtschaftspolitik. Es findet in meinen Augen keine Wirtschaftspolitik statt – und das ist nicht nur der Pandemie geschuldet. Das ist nicht nur eine Lähmung der letzten Monate, sondern das ist eine Lähmung der vergangenen Jahre, da Sie eigentlich niemals eine tatkräftige Wirtschafts­politik in unserem Land gemacht haben.

Jetzt ist die Rede von einem Comeback, und das klingt ja toll, oder? Comeback – man erinnert sozusagen an gehabte schöne Zeiten. Es ist aber genau der falsche Weg, zu sagen: Wir kehren zurück zum Alten! Wann, wenn nicht jetzt? Wann, wenn nicht jetzt ist der Zeitpunkt, tatsächlich über einen Neustart nachzudenken und die vielen offenen Baustellen in unserem Land endlich anzugehen, gerade auch in der Wirtschaftspolitik?

Ich weiß, Sie rühmen sich sehr gerne, dass Österreich so gut durch die Krise gekommen sei. Das ist Humbug, das ist einfach nicht wahr – weder gesundheitlich, wenn Sie auf die Übersterblichkeit schauen, noch wirtschaftlich. Wir stecken noch immer in einer tiefen Rezession, Österreich hat eine der größten Rezessionen in Europa. Wir sind das viert­schlechteste Land, hinter uns sind nur Italien, Spanien und Malta. Vergleichbare Volks­wirtschaften haben es wesentlich besser durch die Krise geschafft.

Jetzt kommt sozusagen das zweite Problem: Sie rühmen sich, so viel Geld in die Hand genommen zu haben. Das stimmt, Österreich ist ausgabenseitig, was die Ausgaben zur Bekämpfung der Pandemie angeht, unter den Spitzenreitern. Das ist aber keine gute Nachricht, meine Damen und Herren, insbesondere von der ÖVP, weil es ja nur eines zeigt: dass Ihre Wirtschaftshilfen nicht treffsicher, nicht effizient und definitiv nicht wirk­sam eingesetzt wurden. (Beifall bei den NEOS.)

Geld scheint sowieso abgeschafft zu sein. Da braucht es nicht die ÖVP in der Regierung, das könnte man mit einer linken Regierung genauso haben. Der Schuldenstand ist durch diese Krise um zusätzliche 7 000 Euro pro Kopf angewachsen – ein Schuldenberg, der abgetragen werden muss. Das wird mit einem Comeback sicherlich nicht passieren, das wird sicherlich nur passieren, wenn Sie die Ärmel hochkrempeln und endlich wirklich Reformen angehen. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Ich möchte Ihnen ein paar Leitgedanken mitgeben, die unserer Meinung nach – das ist natürlich eine liberale Überzeugung – wesentlich für einen Neustart sind. Das ist zum einen das Thema Eigenverantwortung. Ich glaube, gerade die letzten Monate haben gezeigt, dass diese Regierung – erstaunlicherweise auch die ÖVP – einen sehr stark bevormundenden Von-oben-herab-Ansatz fährt. Diese monatelange Bevormundung kann sich natürlich niederschlagen, darf es aber nicht. Unser Land lebt von den groß­artigen Menschen mit ihrem Engagement und von der Eigenverantwortung der Men­schen, die dieses Land tragen. Das wieder zu stärken wird eine der ganz zentralen Auf­gaben sein.

Der zweite Leitgedanke, den ich Ihnen mitgeben möchte, ist, dass Sie endlich von die­sem Klientelismus, diesem Klientelprotektionismus, den die ÖVP jahrzehntelang an den Tag gelegt hat, abkehren. Damit muss Schluss sein, gerade wenn man darauf schaut, wo man den Staat noch so massiv drinnen hat. In der Frage der Hilfen muss man doch genau und präzise – messerscharf – analysieren, wo diejenigen sind, die die Leidtra­genden der Krise waren, und wo man einfach mit der Gießkanne – insbesondere in Rich­tung Ihrer eigenen Klientelen – Begünstigungen vergibt.

Der dritte Leitgedanke ist der Wettbewerb. Wettbewerb ist etwas ganz Wesentliches, um unsere Wirtschaft nach vorne zu bringen, und auch da sind protektionistische Tendenzen und Abschottungstendenzen nicht gut. Frau Minister, gerade in Ihre Richtung – wir haben das schon ein paarmal diskutiert, zum Beispiel auch beim Investitions­schutzge­setz –: Die Abschottung Österreichs, einer Wirtschaft, die so offen ist, die so nach außen gerichtet ist, wo es so viel Export gibt, ist genau das Falsche. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Ein Bekenntnis zu Internationalität und damit auch zu den Instrumenten der inter­nationalen Handelspolitik, wie zum Beispiel Handelsabkommen, tut not. (Beifall bei den NEOS.)

Ein weiterer Gedanke ist die notwendige Liberalisierung: Wann, wenn nicht jetzt? Ich gebe Ihnen auch ein Beispiel mit, die Gewerbeordnung: Wie viel Engagement, wie viel Eigenverantwortung, wie viel Risikoaffinität würgen Sie mit einer Regulierung, die zuschnürt, die es nicht ermöglicht, den Menschen den Weg zu ebnen, selbstermächtigt etwas zu schaffen, ab?

Die Gewerbeordnung gehört schon lange reformiert, das wissen Sie. Sie packen es nie an, weil Sie auch da durch Ihren Klientelismus gebunden sind. Das muss reformiert werden. Jetzt sind die nötigen Liberalisierungsschritte zu setzen, weil wir diese Men­schen brauchen, weil wir das Engagement und die Eigenverantwortung dieser Men­schen brauchen. Sie werden uns nach vorne bringen. Es sind nämlich nicht Sie, die Regierung, die unser Land nach vorne bringt, sondern die Menschen in Österreich. (Abg. Hörl: Immer wieder diese ...!)

Ein weiterer Leitgedanke ist jener der Nachhaltigkeit, und der hat für uns zwei Tangen­ten. Da geht es zum einen – das habe ich schon angesprochen – um die Schuldenberge, die Sie den kommenden Generationen hinterlassen. Irgendwann werden Sie sich die Frage stellen müssen, wie Sie ausgabenseitig weitertun sollen. Es ist dringend notwen­dig, Reformen anzugehen – das hat die ÖVP versprochen, aber niemals eingehalten –, in Bezug auf die Nachhaltigkeit und auf die Finanzierbarkeit unseres so wichtigen Sozial­systems, aber selbstverständlich auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit in ökologischen Fragen. Das muss zusammenpassen: Wirtschaft und Umwelt zu verbinden ist unsere Überzeugung. (Beifall bei den NEOS.)

Kommen wir zu den To-dos: Ich habe die Gewerbeordnung schon angesprochen, Sepp Schellhorn wird im Detail darauf eingehen, welche Themen da am Tisch liegen, doch auch hier skizziere ich die wesentlichen Bereiche.

Es braucht, Frau Minister, dringend eine Neuordnung der Hilfsmaßnahmen. Es ist ein Stückwerk, und nicht wenige Unternehmer sagen Ihnen – nicht einmal mehr hinter vorgehaltener Hand –: Während Sie am Beginn der Krise mit Bürokratismus und der Angst vor Mitnahmeeffekten alles verhindert haben, damit man wirklich rasch und unbürokratisch hilft, haben Sie im Herbst das Füllhorn ausgeschüttet. Das hat in manchen Bereichen natürlich zu einer Überförderung geführt.

Treffsicherheit: Es gibt Branchen, die mehr als gut durch die Krise gekommen sind, die geradezu boomen, aber es gibt Bereiche, die wirklich hart getroffen sind. Diese Treff­sicherheit muss wiederhergestellt werden.

Das zweite Thema, das ich ansprechen möchte, ist Eigenkapitalausstattung. Frau Minis­ter, wie viele Monate – in Wahrheit: wie viele Jahre – reden wir Liberale davon, wie wich­tig es ist, dafür zu sorgen, dass die Eigenkapitalbasis unserer Unternehmen eine bes­sere wird, dass es möglich sein muss, entsprechende Maßnahmen zu setzen, damit es Anreize gibt, dieses Eigenkapital auch aufzubauen? Tun Sie etwas, anstatt ständig nur Schlagzeilen zu produzieren! Das, was Sie machen, ist keine Politik, sondern eine Schlagzeilen- und PR-Politik. (Beifall bei den NEOS.)

Damit einhergehend braucht es auch eine Reform des Insolvenzrechts: eine zweite Chance ermöglichen, sanieren statt schließen. Sie haben jetzt die Chance dazu, es steht ja auch eine Novelle an. Nehmen Sie sich das Chapter 11 der USA zum Vorbild! Geben wir Menschen und Unternehmen, Betrieben, die an sich gesunde Unternehmen waren und nur durch Ihre Maßnahmen der Pandemiepolitik an den Rand des Ruins gedrängt worden sind, eine zweite Chance!

Last, but not least: Die Langzeitarbeitslosigkeit wird uns noch viele, viele Jahre begleiten, und das ist dramatisch. Sie ist gestiegen und sie ist weitaus diverser, als sie es bisher war. Wir haben dazu einen ganz konkreten Vorschlag auf den Tisch gelegt, die Job­offensive Neustart für bis zu 50 000 neue Arbeitsplätze. Es ist nicht ganz unähnlich dem, was von Martin Kocher präsentiert wurde, aber es ist doch ein bisschen anders, weil wir uns auch um jüngere Langzeitarbeitslose kümmern und darum, ihnen den ersten Job zu ermöglichen. Packen wir dieses wesentliche Thema gemeinsam an! Auch da müssen Sie handeln und nicht nur reden! – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

9.17

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Schramböck. Bei ihr steht das Wort. – Bitte sehr.