14.18

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass ich direkt nach Abgeordneter Petra Steger zu reden komme. Warum? – Weil man der Verunsicherung der österreichi­schen Steuerzahler rasch ein Ende bereiten muss. Ihre Verunsicherung entbehrt jeder Grundlage. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: ... EU-Jesuiten so!)

Warum? – Sie müssen nur zuhören. Kollege Kickl (Abg. Kickl: EU-Jesuit!), 2008 haben Sie vom Rednerpult im Parlament aus schon das Ende des Euro gesehen und lautstark verkündet. Heute sehen Sie den Einstieg in die Schuldenunion. Beides ist gleich unrichtig. (Abg. Kickl: Künstliche Lebensverlängerung!) – Kollege Kickl, beides ist gleich unrichtig!

Warum kann ich das jetzt so vollmundig sagen? – Solange es einen Bundeskanzler Kurz, einen Finanzminister Blümel geben wird (Abg. Wurm – erheitert –: Ist alles gut!), wird es mit uns keine Schuldenunion geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Warum kann ich das sagen? – Weil es auf EU-Ebene Einstimmigkeit braucht, um eine Schuldenunion zu schaffen, was Sie uns heute hier einreden wollen. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Ja, Sie haben recht, die Antwort auf die Covid-Krise ist Neuland, das die Europäische Union da betreten hat, im doppelten Sinn (Abg. Wurm: Aha! Aha!) – Sie haben es ange­sprochen: In den USA hat man in einem viel größeren finanziellen Ausmaß reagiert als in der Europäischen Union. Man muss viel Geld in die Hand nehmen, um die Wirtschaft möglichst rasch wieder voll zum Laufen zu bringen. Es ist ohnehin erstaunlich, wie stark sich die Wirtschaft innerhalb kurzer Zeit auch in Österreich schon erholt hat. Die Wirtschaft ist entsprechend zu stützen, und daher hat die Europäische Union da etwas gemacht, was Neuland ist: Es werden von 2021 bis 2026 390 Milliarden Euro, eine rie­sige Summe an nicht rückzahlbaren Zuschüssen gegeben. Das ist das eine, und das Zweite: Die Eigenmittel haben in der EU bisher kaum eine Bedeutung gehabt, und jetzt gibt es diesen Beschluss, Eigenmittel der EU für die Rückzahlung von 2028 bis 2058 erstmals zur Verfügung zu stellen.

Ja, Sie haben recht, was die Aufteilung des Geldes betrifft: Man hat nicht nur die Betrof­fenheit durch die Covid-Krise als Parameter herangezogen (Zwischenruf der Abg. Steger), sondern es bekommen von diesen 390 Milliarden Euro, die zur Auszahlung kommen, natürlich die Staaten, die schon vor der Krise ärmer waren, mehr und jene, die eine höhere Arbeitslosigkeit hatten, noch einmal mehr. (Abg. Wurm: Also alles richtig, oder?) Das ist gelebte Solidarität in der Europäischen Union (Abg. Kickl: Aha, aha!), und das lehnen Sie ab! (Abg. Kickl: Mit unserem Steuergeld spielen Sie den Samariter!)

Diese Europäische Union lebt von zwei Grundsätzen: Das eine ist Solidarität und das andere ist, einen Kompromiss zu finden. Es ist vom Finanzminister, vom Bundeskanzler hart gekämpft worden, um die Interessen der österreichischen Steuerzahler auch zu berücksichtigen (Zwischenruf der Abg. Steger), aber wir brauchen innerhalb der Euro­päischen Union diese Solidarität! Ihnen ist das fremd – uns nicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir waren auch in Österreich mit vielen Gruppen solidarisch. (Abg. Wurm: Soli­dar­ność!) – Nicht Solidarność, obwohl das eine gute Bewegung war, denn die hat zur Freiheit in Polen geführt und das kommunistische System überwunden! Ich hoffe, we­nigstens das ist den Freiheitlichen recht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Nichts Schlechtes, Solidarność! (Abg. Kickl: Mit der Kirche waren Sie nicht so solidarisch!)

Diese 390 Milliarden Euro sind in Wirklichkeit eine Fortsetzung der Kohäsionspolitik. Dieser Kohäsionspolitik muss man nicht in allem mit großer Begeisterung seine Zustim­mung geben. Ich habe mir mehrere Studien angesehen, und ich nehme den deutschen Bundesrechnungshof sehr, sehr ernst, der in seinem Bericht ausführt, dass er erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit des Einsatzes der bisherigen Kohä­sionsmittel hat.

Selbst das Europäische Parlament, das für noch mehr finanzielle Mittel war, hat einen Auftrag an ein unabhängiges Institut, an das Bruegel-Institut, vergeben, um das zu unter­suchen. Auch dieses Institut kommt zum Ergebnis, dass man eigentlich kein Ergebnis in Bezug auf die Schlüssigkeit, was Kohäsionsmittel bewirken, erkennen kann. Es gibt Bereiche, in denen das sehr positiv wirkt, sagt das Institut. Es gibt Bereiche, wo man das neutral sehen kann. Es gibt aber auch Bereiche, wo leider Geld verloren gegangen ist.

Und dann kommt noch etwas Neues dazu, und das soll einmalig bleiben: Die Euro­päische Union gibt tatsächlich nicht rückzahlbare Zuschüsse. Für uns soll das keine Dauereinrichtung bleiben. Da unterscheiden wir uns vom französischen Präsidenten Macron. Auf der anderen Seite hat die Europäische Union jetzt durch diesen Beschluss, der im Juli 2020 von den Staatschefs gefasst worden ist, eine Grundlage, um Abgaben einzuheben: Plastikabgabe, CO2-Grenzausgleich, Digitalabgabe, EU-Emissionshan­delssystem, Finanztransaktionssteuer, Binnenmarktabgabe.

Ob das tatsächlich kommen wird, wissen wir nicht, denn auch da braucht es Einstim­migkeit. Wenn ich mir zum Beispiel die großen Konzerne ansehe, wo die Kommission jetzt versucht hat, mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen, da es Ungleichheiten gibt, aber zweimal vor dem Europäischen Gerichtshof damit gescheitert ist, wenn ich an Irland und Google denke oder an Luxemburg und die Besteuerung von Amazon, dem großen Gewinner in der Covid-Krise, dann muss ich festhalten, dass die Europäische Union, das heißt die Kommission, machtlos ist, weil eben im Finanzbereich die Nationalstaaten in ihrer Rechtsetzung sehr, sehr stark sind.

Das hat Vorteile, eben in dem Sinn, wie ich es gerade vorher gesagt habe: Mit uns wird es keine Schuldenunion geben, ganz sicher nicht! (Heiterkeit des Abg. Kickl.) Es hat aber auch Nachteile, nämlich dann, wenn einzelne Staaten – und ich bleibe bei diesen Beispielen Irland mit Google, Luxemburg mit Amazon – überhaupt nicht bereit sind, jene Solidarität aufzubringen, die wir als Österreicher sehr wohl leisten.

Also: Mit dem heutigen Beschluss, der hier gefasst wird, gibt es eine einmalige finanzielle Kraftanstrengung, um eben diese Krise zu bewältigen, mit hoffentlich besseren Ergeb­nissen, als wir sie bei den Kohäsionsmitteln hatten. Das werden wir ganz massiv von der Kommission einfordern, dass die Mittel tatsächlich zu dem führen, was wir alle wollen, nämlich wirklich einen großen Schritt nach vorne zu machen, wenn es um unsere Umwelt geht, wenn es um den Klimawandel geht, auch wenn es darum geht, dass Europa nicht den Anschluss bei der Digitalisierung verliert. Es geht darum, dass wir das schaffen. Wir sollten uns nicht immer beklagen, dass China und die USA hier dominant sind, sondern wir müssen da alles uns Mögliche machen und viel Geld einsetzen, dass wir wieder vorne mit dabei sind. Das ist es, worum es geht.

Das ist kein Einstieg in die Schuldenunion, sondern eine Chance, Europa fit zu machen, vor allem im Umweltbereich und im digitalen Bereich! (Zwischenruf der Abg. Steger.) – Sie sind schon beim Ende des Euro falsch gelegen, Kollegin Steger, Sie liegen auch heute falsch, wenn Sie die Schuldenunion ausrufen. Das ist kein Einstieg in die Schuldenunion! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Steger.)

14.26

Präsidentin Doris Bures: Ich muss mich selber tatsächlich berichtigen: Ich habe vorhin Frau Kitzmüller mit dem falschen Vornamen angesprochen. Sie heißt natürlich Anneliese Kitzmüller. Entschuldigen Sie vielmals!

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.