13.39

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Alle im Saal wissen, was das Gesundheits- und Krankenpflegepersonal – stellvertretend ist der Herr Bundesminister da – in den letzten Jahrzehnten und insbesondere während der Pandemie geleistet hat. Alle, die hier sitzen, haben einmal geklatscht oder Danke gesagt. Die Kollegin Ribo hat heute auch wieder Danke gesagt, aber warum sagen Sie nur Danke oder klatschen Sie, aber schützen diese Gruppen nicht? (Abg. Ribo: Das stimmt nicht!) Warum? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Ribo: Das stimmt nicht!)

Warum schauen Sie nicht, dass diese arbeitenden Menschen, die Sie beklatschen, auch die Möglichkeit haben, so lange wie möglich gesund zu bleiben und eine Pension zu bekommen? (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Warum, liebe ÖVP, Kollegen des ÖAAB, schauen Sie zu, wenn manche Gruppen der im Pflegebereich arbeitenden Menschen unfairerweise nicht die Zeitguthaben erhalten, die ihnen nach dem Nachtschwerarbeitsgesetz zustehen, und vertagen unsere Anträge? Warum?

Ich sage Ihnen offen, die Antwort kenne ich, ich sage sie Ihnen auch: Sie alle spielen auf Zeit, Sie spielen auf Zeit! Die ÖVP spielt auf Zeit, weil sie von einer Umfrage in die nächste geht, und die Grünen spielen auf Zeit, weil sie irgendeinen Bundesminister su­chen, der endlich das Pflegekonzept umsetzt. (Abg. Ribo: Geh bitte!) Das, bitte, sind aber nicht die Signale und Hoffnungen, die die Menschen jetzt brauchen.

Kollegin Ribo, Sie sagen Danke – da bin ich dabei! –, nur wie danken Sie heute mit die­sem Antrag, mit diesem Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, denjenigen Personen, die eigentlich darauf vertraut haben, dass mit 30.6.2021 endlich die 48-Stunden-Arbeitswo­che kommt? Danken Sie ihnen damit, dass Sie sagen: Nun geht’s weiter! Bis 2025 sind 55 Stunden erlaubt, und bis 2028 sind 52 Stunden erlaubt! – Ist das Ihr Dank? (Zwi­schenruf der Abg. Ribo.)

Wir danken nicht so; wir sind auch dagegen. Wir sehen sehr wohl ein, dass die Pandemie gewisse Notwendigkeiten vorsieht, aber nicht, dass es notwendig ist, dass grundsätzlich sieben Jahre lang wiederum Menschen, die in den letzten Jahren schon davon aus­gezehrt wurden, diese Arbeit weiterhin leisten müssen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Kaniak.)

Ich gebe den Regierungsparteien weitere Beispiele: Ich spreche von im Gesundheits- und Pflegebereich arbeitenden Menschen, von Ärzten, Gesundheits- und Krankenpfle­gern, MTT-Personen, Hebammen und so weiter. Diese sind erschöpft – emotional, aber auch körperlich. Nach einer Studie brauchen sie viel mehr Psychotherapie, auch Folgen von Covid sind gegeben, und im Endeffekt gibt man ihnen nur die Antwort: Wir vertagen, wir schauen einmal!

Also das ist nicht die Antwort, die wir geben wollen; wir wollen klare Signale geben! Die letzten Anträge wurden vertagt: Vertagt wurde die Schwerarbeitspensionsregelung, ver­tagt wurde die Nachtstundenschwerarbeitsregelung, heute wiederum gibt es dieses Dankeschön, dass es länger wird und dauert, bis die Arbeitszeit verkürzt wird. Das ist nicht die Antwort! Die brechen weg! (Zwischenruf der Abg. Ribo.)

Ich persönlich kann Ihnen aufgrund einiger Gespräche sagen, dass die Leute bereits kündigen, sie lassen sich versetzen. Das ist nicht die Lösung, wie wir einen Pflegenot­stand verhindern, sondern wie wir grundsätzlich einen Pflegenotstand auch noch produ­zieren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Kaniak und Ries.)

In dem Sinne: Die Lösung ist, diese Personen, die arbeiten und beklatscht werden, nicht noch weiter körperlich und emotional auszubeuten, die Lösung ist mehr Personal, die Lösung ist bessere Ausbildung und die Lösung ist im Endeffekt die Bekämpfung des Personalmangels im Gesundheitswesen. Darum bringe ich auch einen Entschließungs­antrag meiner Fraktion ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bekämpfung des Per­sonalmangels im Gesundheitswesen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend ein Maßnahmenbündel bestehend aus Verbesserungen im Bereich der Ausbildung und im Bereich der Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal, insbesondere für Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflege­personal, zu erarbeiten und noch heuer zur Umsetzung zu bringen.“

*****

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Bitte hört uns an! Seid auf unserer Seite! Wir schützen die ArbeitnehmerInnen! In diesem Sinne: Danke für die Auf­merksamkeit, und kämpfen wir gemeinsam für diese Gruppe, die das nötig hat! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Kaniak und Ries.)

13.44

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kucher, Mag. Drobits,

Genossinnen und Genossen

betreffend Bekämpfung des Personalmangels im Gesundheitswesen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1547/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Ar­beitszeitgesetz geändert wird (838 d.B.) TOP 8

An einer von der Ärztekammer Wien in Auftrag gegebenen Umfrage unter Ärztinnen und Ärzte in den Spitälern beteiligten sich 1.765 Personen, was einer Quote von 21,5 Prozent entspricht. Die Ergebnisse sind durchaus dramatisch. Mehr als die Hälfte ist körperlich oder emotional erschöpft. Mehr als ein Viertel der Betroffenen fühle sich zudem oft allein gelassen, 14 Prozent haben bereits oft daran gedacht, an einem Burnout zu leiden.

Als Konsequenz haben offenbar nicht wenige Wiener Spitalsmediziner*innen bereits erwogen, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. 54 Prozent überlegen dies – wobei es 31 Prozent bereits getan haben. Doch auch eine Veränderung der belas­tenden Situation wird nicht ausgeschlossen. 52 Prozent der Spitalsärzt*innen haben laut der Umfrage bereits überlegt, den Job zu wechseln bzw. zu kündigen, knapp ein Fünftel denkt darüber sogar oft oder sehr oft nach.

Nicht nur Ärztinnen und Ärzte sind am Limit angelangt. Auch das Pflegepersonal, das im letzten Jahr besonders gefordert war, ist erschöpft und ausgelaugt. In Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen oder anderen in der mobilen Pflege fehlt oftmals die Zeit, um Patient*innen angemessen zu betreuen. Das Personal ist überlastet und fühlt sich von der Politik übersehen. Natürlich bringt die Coronakrise das sowieso schon übervolle Glas auch noch zum Überlaufen. Wichtig ist es dem Pflegepersonal aber vor allem, dass sie gehört und nicht mehr ignoriert werden, dass sie einbezogen und nicht ausgegrenzt werden.

Diese Situation muss doch Jedem zu denken geben. Aber nein, die Regierungsfrak­tionen legen noch eine weitere Belastung oben drauf. Die derzeit hohen Arbeitsstunden für das Krankenanstaltenpersonal von bis zu 55 Wochenstunden, die mit 30. Juni 2021 eigentlich Geschichte sein sollten, werden um weitere 4 Jahre verlängert. Danach folgt ein Zeitraum von drei Jahren, in denen bis zu 52 Stunden gearbeitet werden soll.

Das ist nicht nur unmenschlich, es ist vor allem ein komplett falscher Zugang um Ge­sundheitsberufe, die wir so dringend benötigen, attraktiver zu gestalten. Obwohl das Auslaufdatum der Arbeitszeitregelungen in Krankenanstalten den Verantwortlichen be­kannt und bewusst war, wurden keinerlei Maßnahmen getroffen um den Personalmangel zu beseitigen. 5 nach 12 kommt die Regierung plötzlich drauf, dass es nicht genug Ärzt*innen oder Pflegepersonal gibt, damit die dringend notwendige Absenkung der Ar­beitszeit umgesetzt werden kann.

Die Pandemie hat auch noch einmal aufgezeigt, dass es sofort Maßnahmen zur Beseiti­gung des bereits bestehenden und weiterhin drohenden Personalmangels im Bereich der Ärzt*innen und des Pflegepersonals braucht und nicht eine weitere 7-jährige Aus­beutung des Krankenhauspersonals.

Ärztemangel – es braucht ein Bündel an Maßnahmen:

•           Zusätzliche Studienplätze, die daran geknüpft werden, nach Abschluss der Aus­ bildung im öffentlichen Gesundheitsbereich und/oder im Sachleistungsbereich für    eine bestimmte Zeit tätig zu sein.

•           Weitere Anreize für Medizinstudent*innen und Ärzt*innen nach der Ausbildung   auch im Land zu bleiben und im öffentlichen Sektor und/oder im Sachleistungs­       bereich tätig zu sein (zB Studienförderung, Förderungen bei Praxisgründung).

•           Erhöhte Praxiserfahrung in der Ausbildung. Dazu gehört u.a. ein verstärkter Fo­  kus auf Praktika.

•           Eine Reduzierung der Belastung von Ärzt*innen in Krankenanstalten durch Dele­ gierung von Tätigkeiten an das Gesundheitspersonal.

•           Digitalisierungsoffensive.

•           Bessere Arbeitsbedingungen: z.B. weniger „Einzelkämpfertum“, weniger belas­   tende Arbeitszeiten und Bereitschaftsdienstregelungen, attraktive Arbeitsinhalte,         Entbürokratisierung, Teilzeitmöglichkeiten und Kinderbetreuungseinrichtungen.

Pflegepersonalmangel – zwei Aufgaben müssen rasch gelöst werden, damit in naher Zukunft ausreichend Menschen in den Pflegeberufen arbeiten wollen:

•           Gut ausgebaute Wege in die Pflege durch attraktive Ausbildungen und

•           attraktive Arbeitsbedingungen, damit die Wege nicht gleich wieder aus den Pfle­  geberufen hinausführen.

Daher braucht es auch für diese Gesundheitsberufe zahlreiche Maßnahmen:

•           Ausbildungsplätze aufstocken.

•           Die derzeit laufenden Schulprojekte (HTL bzw. HBLA für Pflegeberufe – 5-jährige          Ausbildung mit Matura) in den Regelbetrieb übernehmen.

•           Massiver und unbefristeter Ausbau des Fachkräftestipendiums.

•           Pflegestiftungen der Länder massiv aufstocken.

•           Studiengebühren für FH Gesundheitsberufe abschaffen.

•           Existenzsichernde Absicherung: Angesichts konkurrierender Ausbildungsange­   bote, wie etwa die Polizeiausbildung, bei der man im ersten Ausbildungsjahr brut­      to 1.690,- Euro verdient (Stand 2019), muss auch an der finanziellen Schraube      gedreht werden.

•           Attraktive Arbeitsplätze durch bessere Arbeitsbedingungen: Neben ausreichen­   dem Personal, sind faire Bezahlung und langfristig lebbare Arbeitszeitmodelle             zentral um Menschen für diese Berufe zu gewinnen und zu halten (z.B.: Bonus           für schlechte AZ-Lage, 6. Urlaubswoche ab 40. Lebensjahr).

•           Entwicklung und Einführung einer bundesweit einheitlichen, verpflichtenden und             bedarfsorientierten Personalberechnung für den intra- als auch den extramuralen           Bereich des Gesundheitswesens und der Langzeitpflege.

Nur durch schnelles und konsequentes Handeln kann nachhaltiger Schaden an unserem Gesundheitssystem abgewendet werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend ein Maßnahmenbündel bestehend aus Verbesserungen im Bereich der Ausbildung und im Bereich der Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal, insbesondere für Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflege­personal, zu erarbeiten und noch heuer zur Umsetzung zu bringen.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Smolle. – Bitte.