20.11

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Lassen Sie mich viel­leicht eingangs noch auf Kollegin Smodics-Neumann antworten! Sie haben hier nicht wortwörtlich, aber sinngemäß gesagt, Sie respektieren so quasi alles, was nicht hetero­sexuell ist, solange man nicht mit dem Strafrecht in Berührung kommt, und merken dabei gar nicht, dass Sie mit dieser Kontextualisierung ja genau das in Berührung bringen. Und das finde ich wirklich letztklassig – letztklassig! –, und es offenbart eine Haltung. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kopf: Diese Selbstgerechtigkeit ist nicht mehr auszuhalten!)

Um jetzt zum vorliegenden Antrag zu kommen, der in erster Lesung hier zur Debatte steht: Wissen Sie, was die häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen im Allgemeinen ist? Das wissen viele nicht. Viele glauben, Unfälle, Ertrinken oder andere Todesursachen. Nein, die häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen ist Sui­zid. Das wird selten ausgesprochen, obwohl es mittlerweile wissenschaftliche Studien gibt, dass über Selbstmord reden eben nicht zu mehr Selbstmorden führt, sondern viel­leicht den gegenteiligen, den sogenannten Papagenoeffekt haben kann. Aber es ist auf jeden Fall eine Tatsache.

Wissen Sie, wie sich die Neigung zu Selbstmord, also Suizidalität, bei LGBTIQ-Jugend­lichen im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung der jungen Menschen verhält? – Sie ist fünfmal so hoch. Verfünffacht! Fünfmal so viele LGBT-Jugendliche nehmen sich das Le­ben im Vergleich zu ihren heterosexuellen Mitmenschen. Ich finde das extrem schockie­rend. Ich finde, dass uns das alle schockieren und aufrütteln muss. Und ich finde, wir müssen alles tun, wir müssen viel mehr tun, dass LGBT-Kids, die sich in einer unglaub­lich schwierigen Phase befinden, mehr geschützt werden.

Viele von Ihnen haben doch Kinder. Wenn wir sagen, 10 bis 15 Prozent der Kinder sind nicht heteronormativ, dann muss es doch unsere gemeinsame Anstrengung sein, dass wir all diese Kinder bestmöglich schützen. Deswegen befassen wir uns heute auch mit einem Thema, bei dem es genau darum geht, eben Kindern, die besonderen Schutz benötigen, diesen auch zu geben – mit einem Thema, das eigentlich für uns als Parla­ment beschämend ist; beschämend, weil wir uns mit diesem Verbot von Umpolungs­therapien, also eigentlich Pseudotherapien an Kindern und Jugendlichen, in deren Rah­men die sexuelle Orientierung oder sexuelle Identität umgepolt werden soll, weil wir uns mit diesem Thema eigentlich hier schon beschäftigt haben. Kollege Mario Lindner hat es ausgesprochen: Es gibt einen einstimmigen Beschluss hier im Nationalrat, aber seitdem ist nichts passiert.

Ich finde es ganz unabhängig von unserer Beschlusslage krank, dass wir uns im 21. Jahrhundert noch immer mit solchen Therapien oder einem Verbot dieser Therapien beschäftigen müssen.

Es ist seitdem nichts passiert. Ich finde es auch enttäuschend, dass Anfragebeantwort­ungen der Bundesregierung ergeben haben, dass sie eigentlich auch keine Notwendig­keit sieht, hier etwas zu tun. Deswegen freut es mich sehr, Ewa (in Richtung Abg. Ernst-Dziedzic), dass du heute auch angesprochen hast, dass vonseiten der Grünen hier auch mehr Anstrengungen unternommen werden sollen. Vielleicht schaffen wir es ja im Pride-Monat, da weiterzukommen und mehr zu erreichen. Auf jeden Fall vielen Dank an dich, Mario Lindner, dass du hier wieder die Initiative ergriffen hast. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Konversionstherapien werden auch als sogenannte reparative Therapien oder Umpo­lungstherapien bezeichnet. Damit wird suggeriert, irgendetwas stimmt nicht, wir müssen irgendetwas reparieren, wir müssen irgendetwas umkehren, umpolen.

Wenn Sie jetzt sagen, ich kann mir nicht vorstellen, dass es das bei uns noch gibt, dann sage ich Ihnen, schauen Sie sich zum Beispiel eine sehr aktuelle Dokumentation des ZDF an, in der Journalisten mit versteckter Kamera bei Ärzten, bei Psychotherapeuten in Therapie sind, wo die ihnen erklären, wie sie in den nächsten fünf Sitzungen umgepolt werden, wie sie ihnen das in Rechnung stellen werden. Das ist Realität. Wenn man sich das ausführliche Gutachten der deutschen Bundesstiftung Magnus Hirschfeld  für den deutschen Bundesgesundheitsminister anschaut, dann sieht man auch, dass das ein­fach ein sehr aktuelles Thema ist.

Die Konsequenzen solcher Konversionstherapien sind für die Betroffenen verheerend: Selbststigmatisierung, ein gesteigertes Suizidverhalten, Depression, Selbsthass, Identi­tätsverlust. Man kann es sich, glaube ich, in Ansätzen vorstellen. Gerade bei Kindern und Jugendlichen, glaube ich, müssen wir dafür sorgen, dass kein einziges Kind, kein einziger Jugendlicher in Österreich in so eine Konversionstherapie geschickt wird.

Deutschland hat vorgezeigt, wie es gehen kann. Dort gibt es seit 2020 ein gesetzliches Verbot der Konversionstherapie. Wissen Sie, liebe Kollegen von der ÖVP, wer das dort in die Wege geleitet hat? – Der konservative deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn. Er hat dieses Thema sehr mutig auch innerparteilich vorangetrieben, obwohl es da auch Gegner gegeben hat. Er hat, wie ich finde, ein vergleichsweise sehr gutes Gesetz auf den Weg gebracht.

Ich möchte, weil ich noch ein bisschen verbliebene Restredezeit habe, noch ganz kurz darauf eingehen, was in Deutschland genau verboten wurde. Dort wurde ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Konversionsbehandlungen an Minderjährigen generell und an Volljährigen, deren Einwilligung auf einem Willensmangel beruht, wenn der Behand­ler sie beispielsweise nicht über die Schädlichkeit der Behandlung aufklärt, verbietet. Das Bewerben, Anbieten und Vermitteln solcher Behandlungen wurde ebenfalls verbo­ten. Verstöße gegen dieses Gesetz werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr und Verstöße gegen das Verbot der Werbung mit einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro bestraft. So einfach kann es gehen.

Abschließend: Der Weltärztebund hat 2013 sogenannte Konversionstherapien als Men­schenrechtsverletzung, als mit der Ethik ärztlichen Handelns unvereinbar verurteilt. Der Deutsche Ärztetag hat auch schon 2014 vor den negativen Auswirkungen gewarnt.

In Österreich ist dieses Therapieren im Rahmen von freikirchlichen Settings, im Rahmen von Psychotherapie oder medizinischen Settings noch immer nicht unter Strafe. Wir wer­den jedenfalls gemeinsam weiterhin mit Nachdruck dafür kämpfen, dass so ein Verbot kommt und dass solche Umpolungen von Kindern und Jugendlichen in Österreich der Vergangenheit angehören. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.17