10.55

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man die Rede des Bundeskanzlers zusammenfassen mag, so, würde ich sagen, geht das so: In Österreich fließen Milch und Honig, allen geht es gut, und das ist das alleinige Verdienst der ÖVP. (Abg. Hörl: Richtig!) – Das ist nur leider nicht so, geschätzte Damen und Herren, es ist nicht so.

Wir haben immer noch Hunderttausende Arbeitslose in Österreich, wir haben Menschen, die um ihre Existenz bangen, wir haben Menschen, die ihre Betriebe verloren haben, wir haben Menschen, die in der Nacht nicht schlafen können, weil sie ihre Schulden nicht mehr zahlen können. Wir haben die größte Wirtschaftskrise seit 1945, und da gibt es nichts schönzureden, Herr Bundeskanzler! Das hat die ÖVP in diesem Land verursacht. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade jetzt, wenn wir zur europäischen Ebene kommen, braucht es etwas, was ich bei Ihnen wirklich vermisse. Sie haben sich jetzt wieder hingestellt und gesagt: Ja, wir sind da die Besten, wir sind dort die Besten, wir sind überhaupt Weltmeister!, obwohl es nicht stimmt, wie man beispielsweise beim grünen Pass sieht. Herr Bundeskanzler, was ist? – Der hätte ja schon längst gelten müssen, der wäre ja schon eingeführt. Wo ist der grüne Pass jetzt? Was ist mit den Geimpften? – Die kriegen keinen grünen Pass. War das der Plan, Herr Bundeskanzler?

Da sieht man den Unterschied zwischen Show und Realität. Blöderweise überwiegt bei Ihnen immer die Show, und das ist für die Menschen im Land sicherlich nicht gut. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ich aber eigentlich ansprechen wollte: Europäische Politik heißt nicht, sich immer hinzustellen und zu sagen: Wir sind die Besten und alle anderen interessieren uns nicht!, nein, europäische Politik heißt zusammenhalten, zusammenstehen, für den anderen ein­stehen, sich um den anderen kümmern. Das ist wirklich europäische Politik, geschätzte Damen und Herren! Wenn etwas in der österreichischen Europapolitik abgeht, dann ist es genau das: für andere einzustehen und nicht egoistisch zu sein. Das prägt aber Ihren Politikstil nicht nur in der Europapolitik, Herr Kurz, sondern insgesamt. (Beifall bei der SPÖ.)

Was das Land wirklich braucht – die Vereinigten Staaten haben es vorgelebt –, ist eine Investitionsoffensive. Joe Biden hat gezeigt, wie man es macht, hat gezeigt, wie viel man investieren muss, damit ein Land vorwärtsgebracht werden kann. (Abg. Steger: Die haben doch keine Coronamaßnahmen!) In Österreich wären das 40 Milliarden Euro, die notwendig wären, 40 Milliarden Euro müssten investiert werden, um die Wirtschaft zu stärken, um Arbeitsplätze zu sichern, um unser Land wieder vorwärtszubringen, aber davon ist nichts zu sehen, Herr Bundeskanzler. Was man sieht, sind Showpresse­kon­ferenzen am laufenden Band. Was für unser Land gefragt wäre, wäre ehrliche Arbeit, und die vermisse ich bei Ihnen auf österreichischer und auf europäischer Ebene ganz massiv. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn es die Chance gibt, auf europäischer Ebene für Österreich einzutreten – und das ist besonders enttäuschend, Herr Bundeskanzler! –, dann tun Sie es nicht. Dann tun Sie es einfach nicht. Wer außer Ihnen und Herrn Kocher versteht, dass man nicht für einen europäischen Mindestlohn sein kann? Wer versteht denn das, geschätzte Damen und Herren? – Niemand versteht das. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir erleben gerade, was es heißt, dass es so große Lohnunterschiede in der Europäischen Union gibt. (Abg. Ottenschläger: ... Sozialpartnerschaft ablösen? – Abg. Pfurtscheller: ... Sozialpartnerschaft!) Was ist mit ATB? Warum sind die aus der Obersteiermark in ein Land abgewandert, wo billiger produziert werden kann? Was ist mit MAN? – Dasselbe Problem!

Wenn es in Europa nicht an ein einheitliches Niveau herangeführte Löhne gibt, wenn es nicht irgendwann einmal ein einheitliches Lohnniveau gibt, wenn man nicht einmal be­ginnt, über Mindestlöhne zu reden, bedeutet das, dass Arbeitsplätze aus Österreich verschwinden (Abg. Salzmann: Was ist mit der Sozialpartnerschaft?), dass die Armut nach Österreich kommt und dass immer mehr Leute in Österreich um ihre Existenz bangen müssen. (Abg. Pfurtscheller: Wir haben einen Mindestlohn!) Das ist das Resul­tat Ihrer Politik, Herr Kurz, und dem treten wir sicherlich entgegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kurz, in der Europapolitik geht es um Zusammenhalt und nicht um gegenseitiges Ausspielen. Es geht nicht um großspurige Ankündigungen, es geht ums Umsetzen.

Herr Kurz, wenn man sich Ihre bisherige Europapolitik ansieht, so sieht man eines: Die Showpolitik, die nicht einmal mehr in Österreich funktioniert, ist an der harten Realität gescheitert – in Europa und in Österreich –, und darunter leiden die Menschen in unse­rem Land, Herr Bundeskanzler. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.00

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mayer, Mitglied des Europäischen Parlaments. – Bitte, das Wort steht bei Ihnen.