11.25

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ja, ich bin ein bisschen ver­wirrt – verwirrt deshalb, weil das, was Sie, Herr Bundeskanzler, im österreichischen Parlament und den österreichischen Bürgern gegenüber sagen, und das, was Sie dann tatsächlich auf europäischer Ebene umsetzen, das eine oder andere Mal so überhaupt nicht zusammenpassen.

Es ist klar und bekannt, dass die SPÖ und auch die NEOS – Kollegin Gamon hat es ja schon dokumentiert – ganz eindeutig für eine politische Union, für einen europäischen Zentralstaat et cetera sind.

Bei der ÖVP ist es so, dass das in Österreich, auch durch Sie, immer so dargestellt wird: Wir wollen keine Schuldenunion, und das ist auch keine Schuldenunion! – Selbstver­ständlich ist das eine Schuldenunion, wenn man 750 Milliarden Euro gemeinsame Schulden aufnimmt und Haftungsbestimmungen hat, die vorsehen, dass Österreich für den Fall, dass andere nicht zahlen können, einspringt. Was ist das anderes als eine Schuldenunion?

Wenn Sie da mit dem Verhandlungsergebnis so zufrieden sind, das so ausschaut, dass wir 3,7 Milliarden Euro bekommen und jetzt schon 12 Milliarden Euro zurückzahlen müssen, dann weiß ich nicht, was an diesem Verhandlungsergebnis so toll sein soll. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Draghi kann mit dem Verhandlungsergebnis durchaus zufrieden sein. Der bekommt nämlich an die 190 Milliarden Euro jetzt schon, sofort von der Europäischen Union überwiesen. Also es ist toll, dass wir da Italien finanzieren.

Dasselbe gilt für die Aussage: Wir wollen keine EU-Steuern! – Warum stimmen Sie dann dem Eigenmittelsystem, das de facto EU-Steuern bedeutet, zu?

Oder: Wir wollen eine strengere Migrationspolitik! – Warum pushen Sie dann den EU-Migrationspakt, der das Gegenteil einer strengeren Migrationspolitik ist?

Wir wollen mehr Subsidiarität! – Warum unterstützen Sie dann alle Bewegungen, die die Kompetenzen immer mehr in Richtung Brüssel, in Richtung Europäische Union ver­schieben?

Ich kenne mich also nicht aus, auf wessen Seite Sie tatsächlich stehen – auf der Seite der Schäubles, der Merkels, der Macrons, der von der Leyens, also europäischer Zentralisten, die ganz klar sagen, sie wollen einen europäischen Zentralstaat mit einer Geldpolitik, Steuerpolitik, Sozialpolitik, Migrationspolitik?

Das Ganze muss man aber zu Ende denken: Das bedeutet dann auch das Ende selbstständiger Nationalstaaten in Europa. Das wollen die, wir wollen das nicht. Wir wollen einen selbstbewussten, selbstständigen, mit Kompetenzen und Mitteln ausgestat­teten Staat Republik Österreich, neben vielen anderen Nationalstaaten in Europa, dessen Regierung zuallererst die Interessen seiner Staatsbürger vertritt (Beifall bei der FPÖ) – selbstverständlich eingebettet in eine europäische Wirtschaftsunion.

Das ist aber bitte etwas anderes als eine politische Union, ein europäischer Superstaat. Wir waren immer für eine europäische Wirtschaftsunion mit Freihandel et cetera inner­halb der europäischen Länder, das ist doch völlig klar. Das ist aber etwas völlig anderes als eine politische Union, die jetzt – in Wahrheit seit 1992, seit dem Vertrag von Maastricht, da sind wir auf europäischer Ebene ein bisschen falsch abgebogen – voll in Richtung eines europäischen Zentralstaats geht. Das wollen wir nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Frage ist: Was wollen Sie? Was will die ÖVP? Bei SPÖ, NEOS und Grünen ist das klar, bei der ÖVP ist das nicht klar. Kollege Karas ist da durchgängiger und schlüssiger, bei dem ist das auch klar. Der redet in Österreich auch so, wie er in Brüssel dauernd agiert, aber bei Ihnen und der ÖVP kenne ich mich nicht aus.

Abschließend noch ein Wort zu dem Vorwurf an die Freiheitlichen, wir seien keine Euro­päer, oder was auch immer: Wir sind kritisch gegenüber der Europäischen Union und der Entwicklung der Europäischen Union in Richtung Zentralstaat. Das wollen wir nicht! Wir sind selbstverständlich offen für eine Wirtschaftsunion, für einen großen Wirt­schaftsraum, überhaupt keine Frage. Wir sind glühende Europäer, wenn es darum geht, die europäische Vielfalt, die Vielfalt der Staaten, der Nationalstaaten zu erhalten. Wir sind glühende Europäer in der Migrationsfrage, wenn es darum geht, die Interessen der Einheimischen zu vertreten, und selbstverständlich sind wir glühende Europäer, was die europäische Wirtschaft betrifft. Die schafft nämlich Wohlstand und Arbeitsplätze.

Das allerdings, was momentan unter anderem auch mit diesem Green Deal Ihrer Par­teifreundin von der Leyen läuft, ist ja alles andere als die Stärkung der europäischen Wirtschaft, sondern, würde ich sogar sagen, ein bewusster Angriff insbesondere auf die europäische Automobilindustrie mit Tausenden, Hunderttausenden, Millionen Arbeits­plätzen. Da werden wir uns dann noch anschauen, wie sich das tatsächlich entwickeln wird.

Wir haben da überhaupt kein gutes Gefühl, was die ganze europäische Klimapolitik betrifft, die ja von Ihrer Seite offensichtlich auch voll unterstützt wird. Es gibt ja jetzt das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, wir wissen, das Klimaschutzgesetz ist in Vorberatung, und da stehen ja Grausamkeiten drinnen. Das werden wir in den nächsten Monaten noch genau anschauen, insbesondere Ihr Verhalten als Wirtschaftspartei ÖVP in diesem Zusammenhang. (Beifall bei der FPÖ.)

11.30

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Europaparlamentarier Thomas Waitz zu Wort gemeldet. – Bitte.