12.00

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, wenn das Leben so einfach wäre, Frau Kollegin Steger: Wir haben das Bargeld und damit die Freiheit in Österreich. – Ich fürchte, so einfach ist es nicht. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Es ist auch nicht so, dass man sagen kann, wir sind freie Bürger in einem freien Österreich. Ja, das ist schon so, aber wenn wir es erhalten wollen, freie Bürger in einem freien Österreich zu sein, dann müssen wir freie Bürger in einem einigen und freien Europa werden.

Das ist unsere einzige Chance. Wenn Sie sich die Weltgeschichte und die Weltpolitik im Moment ansehen, dann erkennen Sie, dass wir nur zwei Möglichkeiten haben: Objekt dieser Veränderungen zu werden, die wir beobachten können, oder als starke Europäer gemeinsam in Europa Subjekt dieser Geschichte zu sein.

Ich möchte jetzt ein bisschen aus diesem Klein-Klein in die Weltpolitik hinausgehen. Wir hatten gerade die Veranstaltung in Cornwall, und der Auftritt von Präsident Biden war natürlich sehr positiv, weil er zu Multilateralismus gestanden ist, weil er wieder zur Freundschaft zu Europa gestanden ist und weil wir den Eindruck hatten, dass wir mit diesem Präsidenten als Europäer anders, positiv arbeiten können.

Es gab aber auch eine wesentliche Differenz. Bei der Art und Weise und der Aggres­sivität, die er gegenüber China ausspricht, müssen wir schon fragen: Ist es das, was wir wollen? Wollen wir nicht als Europäer unsere eigene Chinapolitik haben? Die kann natürlich nicht so ausschauen, dass wir sagen: Ihr schafft an, und wir machen alles! – nein –, sondern indem wir auf Augenhöhe auch mit den Chinesinnen und Chinesen reden, indem wir unsere Bedingungen stellen, durchaus auch was Lieferketten betrifft, was Menschenrechte, was Kinderarmut betrifft. Das müssen aber wir entscheiden, das müssen wir hier entscheiden. Dabei können wir uns auch nicht auf die Amerikaner verlassen, sondern da heißt es schon: Wir gemeinsam in Europa.

Oder Umweltpolitik: Ich bin für jede Maßnahme in Europa und in Amerika, aber wenn wir den CO2-Ausstoß wirklich weltweit reduzieren wollen, müssen wir schon schauen, dass die Zahl chinesischer Kohlekraftwerke reduziert wird. Das werden wir auch nur in ge­meinsamen Verhandlungen erreichen und nicht, indem wir einfach wegschauen.

Damit bin ich beim Thema Russland. Ja, Herr Bundeskanzler, ich bin sehr dafür, dass wir natürlich mit den Russen reden. Es ist ein wichtiger Partner, es ist ein europäischer Partner. Ganz Europa hat aber sehr aufmerksam zugeschaut, dass ausgerechnet Sie gemeinsam mit dem Emir von Katar – wie die Menschenrechte dort gewahrt werden, wissen wir – bei diesem Sankt Petersburger Wirtschaftsgespräch aufgetreten sind.

Deswegen habe ich ein Buch mitgebracht (das Buch „Putins Russland“ von Angela Stent in die Höhe haltend), es ist wirklich wichtig, es geht nicht um Russland, sondern es geht um Putins Russland. Ich würde Sie dringend bitten, ein paar Fototermine abzusagen und ein paar Kapitel in diesem Buch zu lesen oder zumindest diesen einen Satz zu hören, Herr Bundeskanzler: Russland will gegen ein gespaltenes Europa die eigenen Interes­sen durchsetzen. – Zitatende. Der österreichische Bundeskanzler sollte das wissen, sollte mit den anderen Europäern gemeinsam auftreten, dann mit Russland verhandeln und sich nicht unterkriegen lassen. (Beifall bei den NEOS.)

Wir wollen das Europa der Werte. Was sich in Ungarn gerade abspielt, verstößt gegen die europäischen Werte. Wenn man dort nach der sexuellen Orientierung beurteilt wird, ausgeschieden, benachteiligt wird, dann müssen wir aufstehen und sagen: Nein, das lassen wir uns nicht gefallen! Kollege Yannick Shetty wird noch einen Antrag dazu einbringen.

Es ist auch das schon gesagt worden: Natürlich geht es auch um die Justiz, es geht auch um den Rechtsstaat. Damit haben wir in einigen europäischen Ländern Probleme, leider auch in Österreich. Wunderbar, jetzt gibt es ein Antikorruptionsvolksbegehren! Ich bin sehr dankbar, wenn verschiedene Kolleginnen und Kollegen – auch der Herr Bundes­kanzler – sagen, sie unterstützen das. Ich werde das böse Wort nicht verwenden, aber wenn Sie nicht das eine sagen und das andere tun wollen, dann müssen Sie schon sehr konsequent sein und diese unfassbaren Attacken gegen einzelne Staatsanwältinnen und Staatsanwälte endlich beenden. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Frau Jilek ist im „Standard“ aufgetreten und hat erklärt, wie sie behandelt wurde, wie man alles dafür getan hat, dass sie nicht weiter Untersuchungen macht. Martin Kreutner sagt – das ist ein wichtiger Satz –: „Wenn eine Gewalt damit beginnt, die anderen Gewal­ten permanent anzukleckern, zu unterminieren oder infrage zu stellen, dann wird irgend­wann der Staat zusammenstürzen.“

Dann haben wir auch nichts mehr von dem vereinten Europa, aber das brauchen wir: ein freies Österreich, ein anständiges Österreich in einem vereinten Europa! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.05

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.