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Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Hohes Haus! Ich bin jetzt ehrlich gesagt ein bisschen baff, weil ich denke: Selber 5 Minuten zu nutzen und nicht ein einziges Mal zum Thema zu machen: Wohin wollen wir? Wo ist die Zuversicht? Wo gehen wir mit Europa hin?, sondern nur über die ÖVP und den Kanzler abzulästern, ist völlig absurd. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Zukunftskonferenz Europas heißt das Thema! Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, die NEOS sind wirklich schon lange nicht mehr das, was sie waren. Ich glaube, dass das Matthias furchtbar wehtut, aber ich sage dazu jetzt gar nichts mehr weiter. (Abg. Matznetter:  ...von der ÖVP ...!)

Konferenz, conferre: Das Wort conferre kommt aus dem Lateinischen und heißt: zusam­mentragen, einander nahebringen, beitragen. Der Dialog, in den wir jetzt treten, ist ein offener Dialog mit den Menschen in ganz Europa, und es sollen sich alle bewusst ein­geladen fühlen. Ich freue mich ganz besonders, dass auch MEPs, also Europaabgeord­nete, hier sind, weil das wirklich zu selten vorkommt. Ich glaube, dass wir uns so auch besser mit den Themen identifizieren können und selbst ein bisschen in den Dialog kommen.

Ich möchte betreffend diesen Dialog heute drei Fragen aufwerfen und einbringen. Die erste Frage ist: Was macht uns als Europa eigentlich aus? Wer sind wir und was ist unsere Identität? Was ist unsere Rolle, die Essenz, die Rolle in unserer Welt?

Für mich ist Europa in erster Linie die Heimat großer Denker. Europa ist ein Kontinent der Philosophen, der Erfinder, der Wissenschaftler, der Entdecker. Wir haben den Geist der Kreativität, der Kultur, der Architektur. Allein wenn man sich diese Räume anschaut, das Design, die Innovationskraft: All das basiert auf einem wachen Geist. Unsere gemeinsame europäische DNA ist die enorme Schöpfungskraft der Menschen.

Worauf basiert diese Schöpfungskraft? – Ich habe darüber nachgedacht: Für mich ist es die Freiheit. Wir sind ein Kontinent der Freiheit, ein Kontinent freier Menschen, die frei denken dürfen und Individuen sind. Gio Hahn hat das letzte Woche beim Europaforum Wachau so bezeichnet, er hat gesagt: Im Gegensatz zu den USA und China haben wir eine Demokratie eingebettet in eine ökosoziale Marktwirtschaft als Gegenmodell zu Diktatur und Turbokapitalismus. – Sehr geehrte Damen und Herren, das trifft es. Es ist ein Privileg, so leben zu dürfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die zweite Frage ist für mich: Was haben wir in diesem Europa bereits erreicht? – Wir haben Frieden, wir haben eine intakte Natur, wir haben einen reichen Kulturschatz, architektonische Meisterwerke wie eben dieses Haus, wie Wien, wie Mailand, wie Paris, all das, was wir so schätzen. Wir haben mit Abstand den attraktivsten Absatzmarkt der Welt. Nur 5 Prozent der Weltbevölkerung erreichen über 20 Prozent der Weltwirt­schafts­leistung. – Bundesministerin Karoline Edtstadler, danke auch für dein klares Bekenntnis zum Freihandel.

Ja, wir werden uns in vielerlei Hinsicht klarer bekennen müssen, und da werden wir uns auch noch zusammenraufen müssen – ein ganz klares Bekenntnis. Wir finanzieren da­mit Sozialleistungen  da auch ein Appell an die SPÖ –, 50 Prozent der weltweiten Sozialleistungen gibt es in Europa – 50 Prozent! –, und auch die Entwicklungshilfegelder kommen aus Europa. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und ich bin stolz darauf! (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Wir haben ein Sicherheitsnetz, das einen im Alter, während einer Krankheit, in jeder Lebenssituation absichert – darauf können wir stolz sein. (Abg. Matznetter: Was ist mit ...?) Ganz klar ist aber: Wir dürfen es nicht überreizen. Irgend­wann ist eine Grenze erreicht, an der auch ein System kollabieren kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: Nicht mit uns!)

Die dritte Frage: Wer wollen wir als Europa von morgen sein, und wie werden wir wieder die beste Version von uns selbst?  Es kratzt natürlich an unserem Selbstbewusstsein, an unserem Selbstwert: Brexit; die Schweiz und das Rahmenabkommen, das scheitert, das nicht angenommen wird. Dieses Gefühl, unattraktiv zu sein, also dass man sagt: Die wollen nicht zu mir gehören!, kennt vielleicht jeder, und ich glaube, wir müssen uns ganz bewusst selber auf den Weg begeben, uns wieder attraktiv zu fühlen, wieder einen Selbstwert zu entwickeln. Das ist die eigentliche Frage. Es ist eine Frage der Vernunft, diesen Wert bewusst zu sehen, und dafür brauchen wir eine ganz neue Geschlossenheit.

Ein klarer Blick geht da nach Südosteuropa, das ist notwendig – danke auch da für ganz klare Worte. Ja, Südosteuropa, das ist unsere Zukunft. Es muss ganz klar sein, dass wir da nicht mehr nur Signale absenden, sondern dass jetzt Taten folgen. Ich komme gerade aus dem Kosovo; da sind Menschen bemüht, die wirklich Seite an Seite so hart daran arbeiten, dieses Land in die EU zu führen, und es ist unser Job, sie dabei zu unter­stützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zu guter Letzt: Wie werden wir nun die beste Version von uns selbst? – Der Weg kann nur sein: Optimismus und Zuversicht, kein Gekäffe wie vorhin von Kollegin Gamon, son­dern Prosperität, Zuversicht. Die Prognosen sind erhellend, mit der Wirtschaft geht es nach oben. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.) Investieren wir in Zukunftschancen, hier auch nachhaltige Themen genannt, und glau­ben wir an die Menschen, an unsere unendliche Schöpferkraft in Europa! (Präsident Hofer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Was Europa braucht, ist ein neuer Geist der Begeiste­rung.

Herr Hofer, ganz kurz noch an Sie: Ich würde Sie bitten, dass Sie uns weiter unter­stützen, wenn wir das nächste Mal über ein SDG-Papier oder etwas Ähnliches abstim­men, auch wenn es außenpolitisch ist. Ich glaube nämlich, diese Zukunftskonferenz (Präsident Hofer gibt neuerlich das Glockenzeichen), alles, was diese Nachhaltig­keits­themen, die unser Europa ausmachen, betrifft, ist unser Sprungbrett für ein noch stär­keres Europa und ein klares Bekenntnis zur Freiheit, zu unserem European Way of Life. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

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