14.34

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frauen Ministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Debatte sehr aufmerksam verfolgt, ich habe allen 17 Vorrednerinnen und -rednern zugehört, und ich frage mich bei sehr vielen Passagen wirklich, in welcher Welt Sie leben.

Wir sprechen heute über die Zukunft der Europäischen Union, aber anscheinend wird extrem oft auf die Vergangenheit der Europäischen Union vergessen. Sie sprechen darüber, welche Dinge in Zukunft als große Aufgaben vor uns liegen, und wir haben doch gerade erst jetzt in der Pandemie so schmerzlich gespürt, welche Freiheiten weggefallen sind: dass wir nicht mehr frei reisen konnten, dass wir nicht mehr frei studieren konnten, dass wir nicht mehr frei arbeiten konnten, dass ganz viele internationale Projekte weggefallen sind, dass Lieferketten zusammengebrochen sind, dass die Logistik zusammengebrochen ist. All das verkörpert jetzt schon die Europäische Union. Genau das müssen wir einmal in erster Linie bewahren, und das reden vor allem die ÖVP, aber auch die FPÖ in der parlamentarischen Debatte viel zu oft klein.

Daran möchte ich gleich direkt anschließen. Ich glaube, so eine Debatte müsste man viel häufiger hier im Parlament führen – das fehlt. Wir sollten eine solche Debatte über die Zukunft der Europäischen Union nicht einmal im Jahr oder einmal in zwei Jahren, sondern wahrscheinlich jedes zweite oder dritte Monat hier führen, weil es so viele Missverständnisse gibt, die dann aus dem Hohen Haus nach außen getragen werden und dazu beitragen, dass die Akzeptanz der Europäischen Union von Mal zu Mal abnimmt.

Da möchte ich jetzt ganz direkt auf das eingehen, was Sie gesagt haben, Frau Ministerin Edtstadler. Sie haben vom European Way of Life gesprochen, auf den wir stolz sein können und den wir auch exportieren können. In der Vergangenheit war ja quasi das europäische Modell ganz stark die soziale Marktwirtschaft, und da kommt jetzt eine neue Komponente dazu, die schon lange in den Sonntagsreden vorhanden war, jetzt aber realpolitisch spürbar wird, nämlich das ökologische Element innerhalb der Europäischen Union: die ökosoziale Marktwirtschaft.

Sieht man sich genauer an, wie denn da die Europäische Union funktioniert, was da die Aufgaben der Zukunft sind und was denn der österreichische Beitrag dazu ist, muss man sagen, die Europäische Union an sich, das Europäische Parlament, auch die Europä­ische Kommission und die europäische Wirtschaft funktionieren schon sehr gut. Es sind nicht die Parlamentarier in Brüssel und Straßburg, die die europäische Politik bremsen, sondern es sind die nationalen Parlamente, es sind die nationalen Regierungen, die auf der Bremse stehen.

Beispiele dafür gibt es genug: Der europäische Green Deal hat sehr klare Antworten für den Biodiversitätsschutz, für die Renaturierung großer Flächen der Europäischen Union, aber auch für eine nachhaltige Landwirtschaft. Was passiert ist, war, dass dann in den einzelnen Räten unter anderen Ministerin Köstinger stark auf die Bremse gestiegen ist. Es hat geheißen: weniger Reduktion der Emissionen, weniger ökologische Landwirt­schaft, weniger Nachhaltigkeit. Es ist nicht die Europäische Union, sondern es ist die österreichische Bundesregierung, und ganz explizit ist es auch die ÖVP!

Natürlich sind es auch Polen mit seiner Kohlewirtschaft und Frankreich mit seiner Agrarindustrie, es ist nicht nur Österreich, aber Österreich leistet leider oft einen sehr negativen Beitrag zur Weiterentwicklung der Europäischen Union.

Da möchte ich jetzt gleich zu einem zweiten Punkt kommen, der da sehr wichtig ist: zu diesen Partikularinteressen, die Sie immer in den Vordergrund stellen, bei denen Sie sich vor einer Abstimmung fragen: Hilft das dem Bauernbund, hilft das der Wirtschafts­kammer? – Wenn das nicht der Fall ist, dann stimmen Sie präventiv einmal dagegen. Das ist genau jene Art der politischen Arbeit, die nicht hilft, eine ökosoziale Markt­wirt­schaft in Europa zu etablieren und den European Way of Life auch zum Exportschlager zu machen. (Beifall bei den NEOS.)

Ich möchte hier an ganz konkreten Punkten sagen, worum es geht: Im Moment impor­tieren wir fossile Energieträger im Wert von 300 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist eine Wertschöpfung, die wir aus der Hand geben und quasi dorthin transferieren, wo es instabile Regime gibt, wo es Diktaturen gibt und wo all jene Werte des European Way of Life nicht hochgehalten werden.

Es geht darum, dass man ein klimaneutrales Europa tatsächlich ernst nimmt, und es gibt ausreichend Studien, die besagen, dass mit all den Maßnahmen der Transformation bis 2050 in der Europäischen Union und in den Nachbarstaaten 100 Millionen neue Arbeits­plätze entstehen. Das trägt enorm zur Stabilität auf unserem Kontinent bei. Und – das ist ganz wichtig – der Großteil der Investitionen kommt nicht durch das Wegfördern der Klimakrise, sondern durch die Wirtschaft. (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.) 90 Prozent aller Investitionen in der Europäischen Union und auf der Welt werden durch eine freie Wirtschaft getätigt, und mit all diesen Investitionen wird ein klimaneutrales Österreich unterstützt. All das sollte auch im Fokus stehen, wenn wir über die Zukunft der Europäischen Union reden – nicht immer nur das Klein- und Schlechtreden. (Präsident Hofer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) – Herr Präsident, ich bin schon bei meinem Schlusssatz.

Ich appelliere an Sie: Haben Sie Mut, haben Sie Leidenschaft, kämpfen Sie für ein Europa in der Zukunft, das frei ist und nicht kleingeistig wie die derzeitige Bundes­regierung! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

14.39