17.05

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe alle! Wenn man die Politik dieser Regierung für junge Menschen, für Familien und eigentlich für fast alle Gruppen, die von dieser Pandemie besonders hart getroffen wurden, zusammen­fassen will, dann geht das relativ einfach: zu wenig, zu spät und vor allem nicht zu Ende gedacht.

Seit 15 Monaten erleben wir eine Pandemie, die unsere Gesellschaft so tief getroffen hat wie kaum ein Ereignis unserer Lebenszeit. Für die überwiegende Mehrheit der Men­schen in Österreich hat das massive Einschnitte in ihren Alltag und ihr Familienleben bedeutet. Stress, psychische Belastungen, soziale Unsicherheit und dazu noch eine Re­gierung, die lieber großes mediales Theater in unzähligen Pressekonferenzen inszeniert, als wirkliche Unterstützungsmaßnahmen zu setzen, all das hat Folgen, und zwar vor allem für junge Menschen, für Eltern, für Familien. Diese Folgen werden im Sommer nicht verschwinden, sie werden uns noch auf Jahre begleiten. Genau deshalb haben sich die Menschen in Österreich eine Regierung verdient, die nicht die Augen zumacht, sondern endlich handelt.

Schauen wir uns an, was diese Zu-wenig-zu-spät-Politik in der Praxis bedeutet: Ein durchgängiges Thema in der letzten Sitzung des Familienausschusses war die wichtige Arbeit der Familienberatungsstellen – und das zu Recht. In ganz Österreich sind es genau diese mehr als 400 Einrichtungen, die in Krisen helfen, wichtige Unterstützung für Familien anbieten und niederschwellige Anlaufstellen in fast allen Lebenslagen sind. In der aktuellen Krise brauchen wir sie mehr denn je. Eine Regierung, die sich wirklich darum kümmern würde, wie es Familien in Österreich geht, hätte diese Familien­bera­tungsstellen längst mit den finanziellen Mitteln ausgestattet, die sie brauchen, nämlich 18 Millionen Euro – also wieder: zu wenig und zu spät! (Beifall bei der SPÖ.)

Im Zuge Ihres groß angekündigten Gewaltschutzpaketes gibt es für Familienberatungs­stellen knapp 3 Millionen Euro mehr: ein Tropfen auf den heißen Stein. Nach diesem Gießkannenprinzip verteilt sind das pro Beratungsstelle und pro Jahr gerade einmal läppische 7 250 Euro – 7 250 Euro für eine Stelle, die zum Beispiel in meinem Heimat­bezirk Liezen die zentrale Anlaufstelle für Tausende Familien, Eltern und Jugendliche ist, 7 250 Euro für eine Stelle, die beim Gewaltschutz genauso wie bei Partner­schaftsproblemen hilft, die queeren Jugendlichen genauso hilft, wie sie wichtige Arbeit für Mädchen und junge Frauen macht. Mehr ist Ihnen das Wohlergehen von Familien in unserem Land anscheinend nicht wert – und das ist eine Schande, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal auf eine Gruppe von jungen Menschen zu sprechen kommen, die gerade durch die 15 Monate Pandemie besonders hart getroffen wurde, nämlich schwule, lesbische, bisexuelle, transidente und intergeschlechtliche Jugend­liche! Österreich ist eines der wenigen Länder in Westeuropa, die für diese besonders schützenswerte Gruppe keine eigenen Budgetmittel aufbringt. Wir sprechen von einer Gruppe, bei der das Suizidrisiko drei- bis fünfmal höher als der Durchschnitt ihrer Alters­genossInnen ist. Wir sprechen von einer Gruppe, die auch außerhalb der Pandemie durch Mobbing, Diskriminierung und den fehlenden gesetzlichen Schutz mit enormen psychischen und sozialen Herausforderungen zu kämpfen hat. Wir sprechen von einer Gruppe, für die die letzten 15 Monate in vielen Fällen einen Einschnitt dargestellt haben, der ihr Leben dauerhaft zum Schlechteren verändern kann. Das zeigen Dutzende inter­nationale Studien.

Genau für diese LGBTIQ-Jugendlichen fordern wir flächendeckende professionelle Jugend­arbeit und einen eigenen Budgettopf im Familienministerium, damit kein junger Mensch in dieser wichtigen Phase seines Lebens Angst haben muss, zu zeigen, wer er ist. Was macht diese Regierung? – Sie reagiert nicht einmal zu wenig oder zu spät, sie reagiert gar nicht. (Beifall bei der SPÖ.) Sie lassen mutwillig Menschen im Regen stehen, die gerade jetzt unsere Unterstützung brauchen würden, und das ist ein Armutszeugnis. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Obernosterer: Zieh dir lieber einen Rock an! – Eine Jacke!)

17.09

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Alexandra Tanda ist als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte.