18.38

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Minis­terinnen! Wir beschließen heute den Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Ju­gendlichen vor nicht notwendigen medizinischen Eingriffen – ein Thema, mit dem nicht gleich jeder etwas anzufangen weiß.

Vielleicht ist Ihnen aber in letzter Zeit beim Ausfüllen Ihres Impfformulars etwas aufge­fallen, nämlich dort, wo es darum geht, das Geschlecht anzukreuzen: weiblich oder männlich – soweit klar –, inter, offen, divers oder kein Eintrag sind die weiteren Möglich­keiten, die dort zu finden sind. Das ist eine politische Errungenschaft aus 2019, nur: Große Teile der Gesellschaft können wenig bis gar nichts damit anfangen. Ich gestehe, bis zu meiner politischen Tätigkeit habe auch ich mich damit nicht intensiv auseinan­dergesetzt.

Kennt jeder in diesem Raum eine betroffene Familie? In einem einstündigen Telefonat habe ich mir von einer Bekannten schildern lassen, was es heißt, ein interge­schlecht­liches Kind zu bekommen. Die Freude, das Glück, die Liebe, der Stolz der Eltern, wenn sie ihr Neugeborenes im Arm halten, ist riesig, und dann kommt der einfühlsame Versuch des Arztes, die nicht eindeutige Zuordenbarkeit des Geschlechts dieses wunderschönen Lebewesens, dieses neugeborenen Babys zu erklären. Das ist eine Botschaft, die auch ein Arzt nicht tagtäglich überbringt, und eine Nachricht, die verständlicherweise unter­schiedlichste Gefühlsregungen auslöst.

Freude, Glück und Stolz weichen plötzlich Angst, Ungewissheit, Verzweiflung, Unwis­senheit über die Bedeutung der oft noch vagen Diagnose, aber auch der Hoffnung, dass alles gut wird. Der Wunsch nach einer Lösung und Bewältigung dieser Herausforderung ist verständlicherweise ebenso riesengroß. Es ist eine Nachricht, die eine Familie mit Sicherheit aus dem Gleichgewicht und durchaus auch an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringen kann.

Ich habe einem wertvollen Menschen das Leben geschenkt, war oft die tröstende These dieser Mutter in vielen verzweifelten Momenten. Das glückliche Lächeln ihres Babys und das Vertrauen in die Medizin waren oftmals die einzigen Rettungsanker. Man muss als Eltern dieser Kinder darauf vertrauen, was wenige Spezialisten in diesem Fachgebiet empfehlen. Das medizinisch Notwendige und Richtige zu tun, hängt oft wie ein Damo­klesschwert über den Eltern. Intergeschlechtlichkeit ist mit Sicherheit ein Thema, das definitiv in der Gesellschaft noch nicht genügend Beachtung findet, während der gesell­schaftliche Druck in der Einzelsituation aber enorm sein kann.

Für intersexuelle Kinder beginnt die Herausforderung meist in der Schule, die richtige Identitätskrise schlägt aber spätestens in der Pubertät mit voller Wucht zu. Eltern werden mit Depressionen bis hin zur Suizidgefährdung ihrer Kinder konfrontiert. Tatsache ist, eine Auseinandersetzung mit diesem Thema erfolgt nur dann, wenn es das eigene Umfeld betrifft. Aufklärung, Unterstützung und Begleitung der betroffenen Familien, aber auch Kommunikation nach außen halte ich für wichtige Schritte.

Abschließend und zusammenfassend heißt das, Eingriffe an Geschlechtsmerkmalen dürfen nur mehr dann vorgenommen werden, wenn eine potenzielle Gesundheits­schä­digung oder eine medizinische Notwendigkeit vorliegt, und gesetzliche Lücken müssen für diese Fälle unbedingt geschlossen werden.

Mit dem heutigen Beschluss, der hoffentlich einstimmig stattfinden wird, liegt die finale Lösung mit Sicherheit nicht am Tisch, aber der Arbeitsauftrag an diese Bundesregierung ist damit auf dem Weg. Ich bin zuversichtlich, dass sich da etwas bewegen wird. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.42

Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeord­neter Mario Lindner zu Wort gemeldet. – Bitte.