23.28

Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz: Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen – ich darf Sie so ansprechen, da ich hier im Saal schon eine Zeit lang auf der anderen Seite gesessen bin und sehr viele von Ihnen von früher kenne. (Abg. Obernosterer: Natürlich!) Geschätzte Kollegen in der Volksanwaltschaft! Das Lob, das Sie gespendet haben, das trifft zu Recht zu, auch über die Expertise. Man kann eines sagen: Es wird nicht langweilig in der Volksanwaltschaft, weil jeder einzelne Fall immer ein wenig anders gelagert ist. Es kehrt einfach keine Routine ein; vielleicht bei etwas, worauf ich ein wenig später noch zu sprechen kommen werde.

Jeder Fall ist anders. Denken Sie nur etwa an die Mitarbeiter, die die Heimopferrente zu kontrollieren haben. Kollege Achitz hat es angeführt: 300 Beschwerden im Jahr, also täglich, vom Arbeitstag her, eine Beschwerde. Man muss schon sehr viel ertragen können, auch als Sachbearbeiter, wenn man tagtäglich diese einzelnen Schicksale von Misshandlungen in Kinder- und Jugendeinrichtungen aus den Jahren 1945 bis 1999 zu lesen bekommt, wie dort so gearbeitet wurde. Man wird dadurch nicht abgebrüht, das geht einem schon sehr nahe. Diese Fälle werden auch bestens bearbeitet und gelöst.

Es wurde vorhin zwischen zwei Abgeordneten eine Frage behandelt, diese haben gemeint, man sollte diesen Bericht nicht politisch behandeln. – Ich glaube schon. Wenn man die Politik so sieht, wie das Platon in seiner Politeia verfasst hat, nämlich dass es um das Gelingen des Gemeinwesens mit einem Anspruch auf Gerechtigkeit geht, dann soll dieser Bericht an sich sehr wohl zu politischer Diskussion anregen. Wie sehr das dann allerdings von Ihnen, geschätzte Damen und Herren Abgeordnete, von Ihrer Wahlpartei oder den Fraktionen parteipolitisch gesehen wird und hier Zensuren auf der Notenskala von eins bis fünf verteilt werden, das ist mit Sicherheit nicht die Sache der Volksanwaltschaft. Wir legen unseren Bericht vor.

Ich habe es schon erwähnt: Die Gerechtigkeit spielt eine Rolle. Es kommen sehr viele Bürger zu uns, die sagen, dieses und jenes sei ungerecht. – Das kann im Einzelfall aufgrund der Gesetzeslage so sein. Die Verwaltung vollzieht auf Basis der Gesetze, und dennoch kann das aus Sicht des einen oder anderen zu einer Ungerechtigkeit führen. Diese Ungerechtigkeiten können oft so weit gehen, dass die Volksanwaltschaft dann aus dem heraus beim Gesetzgeber etwas anregt, um das allenfalls auf gesetzlicher Ebene zu regeln, weil wenn die Verwaltung nicht mehr gesetzeskonform vollzieht, würde sie Amtsmissbrauch begehen. Das heißt, die Basis sind nach wie vor die Gesetze, auch wenn sie in einem Einzelfall, in einem Härtefall ungerecht erscheinen mögen.

Was wir sehen, und das verbessert sich auch, ist die Frage, wie man damit umgeht, wenn ein Missstand festgestellt wird – das wird immer so als Fehlerkultur bezeichnet. Da gibt es doch noch immer das eine oder andere, bei dem man auch mit einfachen Dingen Frieden schaffen kann.

Ich denke da an einen Fall, bei dem sich ein Pfleger aus einem Heim an uns gewandt hat, an das aus einer Charge schlechte Masken geliefert worden sind, weil die nicht mehr so gut geprüft worden sind wie Medizinartikel, sondern über das Wirtschaftsministerium und über das Eich- und Vermessungsamt kamen, wo die Proben nicht so lückenlos gemacht worden sind, und da hat ein ganzes Altersheim schlechte Masken bekommen. Das war gar nicht das Problem, das dieser Pfleger dort hatte, sein Problem war, dass, als das aufgekommen ist – das ganze Heim, sowohl die Pfleger als auch die Gepflegten, die drinnen sind, haben diese schlechten Masken bekommen –, vonseiten der Verwaltung niemand zu Ihnen gesagt hat: Entschuldigung, dass uns das passiert ist! – Das war eigentlich seine Beschwerde, die er gehabt hat.

Es sind also oft wirklich kleine menschliche Probleme, die man leichter beheben kann als das, was zu Recht von uns, aber auch von Ihnen hier angesprochen wird. – Ja, dann muss man halt etwas machen! Das muss man verbessern, den Maßnahmenvollzug – ob das jetzt die Eisentüren oder die Gummitüren sind oder sonst etwas –, wir lesen das nämlich relativ oft.

Damit komme ich jetzt zur Wiederholung, zu dem, was sich eben immer wieder durch unsere Arbeit zieht, nämlich dass die Verwaltung sagt, wenn es in meinem Geschäfts­bereich zum Beispiel um die Barrierefreiheit von Polizeiinspektionen geht, es fehlen die Budgetmittel. – Die Budgetmittel, meine Damen und Herren Abgeordnete, ist das, was Sie beschließen. Also ich hoffe, dass diese Berichte auch etwas bewirken, da, wenn Sie diese Forderungen und diese Wünsche haben, Sie als Budgetgesetzgeber natürlich hier auch in der Verantwortung sind, die notwendigen Budgetmittel zur Verfügung zu stellen, beziehungsweise darauf zu schauen, dass Sie als Kontrolleure auch der Regierung darauf schauen, dass dieses Geld, das zur Verfügung gestellt wird, dann entsprechend sinnvoll und in Ihrem Interesse eingesetzt wird.

Aus meinem Geschäftsbereich wurden speziell Fragen aus dem Innenministerium an­gesprochen. Es wurden die langen Verfahrensdauern angesprochen, was die Vollzie­hung des Fremdenrechts, des Asylrechts, aber auch des Staatsbürgerschaftsrechts betrifft, und da möchte ich schon eines sagen: Auch da gibt es Erfolge. Ein Kritikpunkt waren immer die langen Verfahrensdauern, insbesondere in Wien in der Magistrats­abteilung 35. Da kann ich Ihnen sagen: Erst vor wenigen Tagen war eine Delegation der Magistratsabteilung 35 bei uns in der Volksanwaltschaft und hat uns berichtet, welche Verbesserungen ganz konkret gemacht werden – zum Beispiel betreffend die Frage der telefonischen Erreichbarkeiten, dass es da eine extra Servicestelle geben wird. Es wird zusätzliches Personal geben, um da Abhilfe zu schaffen. Das hört sich ganz gut an, und wir glauben, dass die Volksanwaltschaft mit ihrer langjährigen Kritik auch da Verbesse­rungen erreicht hat.

Es wurde auch die Frage der Stelle zur Behandlung von Missbrauchsvorwürfen in der Polizei angesprochen, die im Regierungsprogramm drinsteht, wo eine entsprechende Arbeitsgruppe tagt, und zwar nicht unter Beiziehung der Volksanwaltschaft – aber selbst­verständlich sind wir interessiert und auch bereit, unsere Expertise da einfließen zu lassen –, wiewohl es in anderen Bereichen, zum Beispiel bei der Neuerrichtung von Polizeianhaltezentren, speziell in Linz, dazu gekommen ist, dass unsere Experten aus der Volksanwaltschaft sehr wohl in die Planung eingebunden wurden. Das passiert also tatsächlich!

Da kommt auch eine andere Vertrauensbasis auf uns zu, genauso was die Arbeiten der Kommissionen im Zuge des Nationalen Präventionsmechanismus betrifft: Auch da wird man nicht mehr als Feind verstanden, wenn eine Kommission vor der Tür steht. Vielleicht mag das auch daran liegen, dass die Volksanwaltschaft seit Jahren in die Schulung der jungen Polizistinnen und Polizisten – aber auch in jene im Justizbereich – eingebunden ist und das erklärt.

Ein Punkt waren noch die Demonstrationen, die von Kollegen Stegmüller angesprochen wurden, und die mangelnde Deeskalation. Da muss ich schon eines sagen, nämlich dass die Kommissionen, die bei den Demonstrationen dabei sind, sehr wohl im überwie­genden Teil davon sprechen, dass bei einer Vielzahl von Kundgebungen und Demons­trationen äußerst maßhaltend und deeskalierend vorgegangen wurde, aber es gab und gibt Ausreißer. Da ist natürlich das Grundrecht – gerade wenn Sie Coronademonstra­tio­nen ansprechen – auf Gesundheit und das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, auf Versammlungsfreiheit, das Demonstrationsrecht abzuwägen.

Herr Abgeordneter Stegmüller (Ruf bei den Grünen: Stögmüller!) hat das so beschrie­ben, dass er gesagt hat: Na ja, da gibt es die Coronaleugner und dann gibt es die Spa­ziergänger am 1. Mai. – Wir können da keinen Unterschied machen! Der Coronaleugner, der 1.-Mai-Spazierer, was auch immer: Jeder ist bei uns Mensch mit gleichen Rechten, und er hat bei einer Demonstration auch das Recht, entsprechend behandelt zu werden.

Da geht es jetzt nicht darum, was der Einzelne dort macht. Es gibt nämlich bei De­monstrationen auch immer wieder solche, die das Recht brechen – ganz klar!, es gibt auch Versammlungsauflösungen –, aber auf der anderen Seite gibt es dann natürlich die Frage, ob die Einsatztaktik vor Ort tatsächlich im Einzelfall das war, was Sie als deeskalierend bezeichnet haben.

Es ist wirklich die Frage – und auch das prüfe ich derzeit genau –, ob in Coronazeiten Einkesselungen mit Nachdrängen, wo zwischen allen, die dort drinnen sind, die Ab­stände verringert werden, angezeigt sind. Und wenn dann nach der Auflösung die Leute nicht abströmen können, sondern nur durch ein 3 Meter breites herausgezogenes Gitter durchgehen können, und links und rechts steht ein Polizist, ist einsatztaktisch schon zu fragen: Wenn jeder brave Bürger 2 Meter Sicherheitsabstand haben muss, wo soll er jetzt durchgehen bei einer 3 Meter breiten Öffnung und dabei links und rechts den Abstand zum Polizisten einhalten, geschweige denn, wenn dann genau bei diesem kleinen Spalt alle 300, 400 auf einmal durchmüssen. Also diese Fragen der Einsatztaktik stellen sich.

Und es wird ja auch der Fall, der angesprochen wurde – ich weiß jetzt nicht, wer es genau war –, bei dem die zwei Polizisten mit den Motorrädern dann durch das Markt­geschehen durchgefahren sind, hinterfragt.

Ich darf Kollegen Einwallner noch sagen – er hat nämlich im Ausschuss bezüglich der Ermittlungen zum BVT gefragt, wie es dort mit dem Stand der Ermittlungen ausschaut –: Im Ausschuss habe ich berichtet, dass wir auf eine Stellungnahme des Innenministeriums warten. Die ist mittlerweile – sie ist auch sehr umfangreich – bei uns eingelangt, es wird jetzt die Überprüfung dann wahrscheinlich sehr rasch zu Ende gehen, und auch dies­bezüglich kann ein entsprechender Bericht vorgelegt werden.

Abschließend: Danke für die gute Diskussion, auch im Ausschuss! Wir freuen uns wahrscheinlich schon auf das, was uns Corona 2021 bringen wird. Ich kann Ihnen eines sagen: Die Zahlen werden nicht weniger. (Allgemeiner Beifall.)

23.39

Präsidentin Doris Bures: Auch ich schließe mich dem Dank an die Volksanwälte an und erteile als nächstem Redner Herrn Abgeordneten Josef Hechenberger das Wort. – Bitte.