Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanz­minister! Kurz und bündig:

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„Wie sehen Sie die Diskussionen zur Weiterentwicklung des Stabilitäts- und Wachstums­paktes?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Das ist aus meiner Sicht eine sehr heikle Debatte. Wir haben in Europa eine Situation, bei der de facto alle Länder im letzten Jahr sehr, sehr viel Geld für die Bekämpfung der Pandemie in die Hand ge­nommen haben, was aus meiner Sicht auch richtig war. Das hat natürlich dazu geführt, dass sich bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen die Staatsverschuldungen massiv erhöht haben. Das bewegt nun offensichtlich einige, dafür zu plädieren, dass man eigentlich nicht mehr darauf achten sollte, wie viel Schulden man wirklich hat. Nur: Das ist natürlich ein Fehler, denn nur weil alle mehr Schulden haben, heißt das nicht, dass Schulden auf einmal kein Problem mehr sind, es heißt nur, dass das Problem insgesamt größer geworden ist. Und man darf sich nicht darum herumdrücken.

Ich bin eher dafür, dass man beim Stabilitäts- und Wachstumspakt genauer hinsieht, an welchen Schrauben zu drehen ist, damit vielleicht auch die Sanktionen besser wirken können. Ich bin aber nicht dafür, dass man Schuldenregeln generell aussetzt, wie das manche wollen, denn das würde dazu führen, dass die Budgetdisziplin in vielen Ländern zu wünschen übrig lässt. Und was passiert, wenn die nächste Krise kommt? – Jetzt in Zeiten niedriger Zinsen können wir uns noch eine gute Staatsfinanzierung leisten. Das gilt im Übrigen auch für Länder, die sehr hoch verschuldet sind, wie Italien, Spanien, Griechenland oder auch Frankreich. Nur was, wenn das zu Ende ist? Was, wenn die Zinsen steigen – bei hohen Staatsverschuldungen? Dann bekämen diese Länder und damit die gesamte Eurozone ein großes Problem. Deswegen bin ich weiterhin dafür, dass wir in wirtschaftlich guten Zeiten versuchen müssen, die Schuldenquoten zu redu­zieren.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Herr Finanzminister, Sie haben es erwähnt: Wir sind ja Gott sei Dank in der Lage, unsere Schulden aufgrund unserer hohen Bonität zu sehr günstigen Konditionen zu finanzieren. Wir gehören damit zu den besten Ländern in Europa. Ist zusätzlich auch geplant, dass wir EU-Anleihen aufnehmen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Also wenn diese einen Zinsvorteil für Österreich bedeuten würden, dann wäre ich sehr dafür. In den letzten drei Tagen – und wir monitoren täglich die diversen Yield Spreads für die Staatsanleihen im Vergleich zu Deutschland – war es aber so, dass die österreichischen Staatsanleihen besser notieren als die europäischen. Im Zehnjährigen-Vergleich beispielsweise waren die ganze letzte Phase, oder seitdem es europäische Anleihen gibt, Österreich und die Europäische Union sehr, sehr nahe beieinander mit Spreads von ein, zwei Basispunkten. In den letzten Tagen war Österreich sogar besser als die zehnjährigen europäischen Anleihen; das heißt, da gäbe es keinen finanziellen Vorteil für Österreich, auf euro­päische Anleihen umzusteigen. Falls es diesen einmal gäbe, würden wir natürlich auch das erwägen. Alles andere wäre absurd.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Rössler. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Finanzminister! Nachhaltigkeit kann man in zweifacher Weise verstehen, also im Sinne von Verschuldung, aber auch im Sinne des Klimaschutzes. Meine Frage ist nun: Wenn es bereits eine beachtliche Inves­titionslücke in der Eurozone gibt, die wahrscheinlich durch die Klimakrise eher noch größer wird, wie könnte man diese beiden Faktoren im Sinne der Budgetregeln kom­binieren? Es gibt Vorschläge für sozusagen eine grün-goldene Regel, dass man diese beiden Ziele verbinden kann. Wo sehen Sie da Spielraum im Budget?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Also ich glaube, dass der Staat in Übergangsphasen und Transformationsphasen natürlich Anschubfinan­zierun­gen leisten soll. Mittel- und langfristig werden wir eine Transformation der gesamten Wirtschaft in Europa aber nur schaffen, wenn der Kapitalmarkt mit dabei ist. Das ist wohl der Bereich, der in Österreich noch zu wünschen übrig lässt.

Wir brauchen Risikokapitalgeber, auch um die grüne Transformation nachhaltig um­setzen zu können, um die Investitionslücke, von der Sie sprechen, schließen zu können. Der Staat kann nicht die gesamten Investitionsnotwendigkeiten auch im Risikobereich durchführen. Das wäre ein sorgloser Umgang mit Steuergeld. Deswegen: Ja, wir wollen die Anschubfinanzierung von staatlicher Seite machen. Ich glaube, das tun wir auch. Darüber hinaus braucht es aber private Kapitalgeber, um auch den letzten Schritt gehen zu können.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordnete Bayr. – Bitte.

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Guten Morgen! Wir wissen alle, dass Kon­zerne weltweit viel zu wenig Steuern zahlen – auch aufgrund der Politik der ÖVP oder anderer Schwesterparteien, denen das Wohl der Reichen besonders am Herzen liegt. Jetzt ist es gelungen, auch aufgrund der Anstrengung von Sozialdemokraten, etwa der SPD, von Finanzminister Olaf Scholz, dass es einen Schritt hin zu einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent für Konzerngewinne gibt. Wir wissen natürlich alle, dass 15 Prozent viel zu wenig sind. In Österreich etwa zahlen die ArbeitnehmerInnen 80 Pro­zent des Steueraufkommens und der Abgaben. Das ist ungerecht, das ist auch eine vollkommene Fehlverteilung im Steuersystem.

Meine Frage ist: Was werden Sie auf europäischer Ebene unternehmen, damit Konzerne mehr als 15 Prozent Steuern zahlen, damit ArbeitnehmerInnen entlastet werden können und das Steuersystem auch endlich gerecht werden kann? (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Österreich setzt sich ja seit Langem, spätestens seit der österreichischen Ratspräsidentschaft, für ein gerechtes Steuersystem im internationalen Vergleich, vor allem auch im digitalen Bereich, ein. Ich bin froh, dass es aufgrund der gemeinsamen Anstrengungen jetzt gelungen ist, auf zunächst G7-Ebene, aber dann auch auf Ebene der erweiterten Arbeitsgruppe, in der Österreich für die Europäische Union federführend mitverhandelt hat, eine Einigung auf eine globale Mindestkörperschaftsteuer zustande zu bringen. Ich bin sehr froh, dass das gelungen ist. Die Kommission wird ja im Herbst die ersten konkreten Umsetzungsdetails vorschlagen; ich bin schon sehr gespannt darauf.

Das ist aber nicht der einzige Aspekt. Der zweite Teil ist mindestens genauso wichtig, nämlich dass ein Teil der Gewinne, über einer Marge von 10 Prozent, auch dort anfällt und besteuert wird, wo sie entstehen. Das ist die sogenannte erste Säule in diesem Zweisäulenmodell. Das halte ich auch für sehr, sehr wesentlich, denn wir leben in einem digitalen Zeitalter.

Das heißt, dass digitale Großkonzerne, unabhängig vom Firmensitz natürlich, wirt­schaf­ten können, und das heißt, dass dort, wo die Gewinne anfallen und gemacht werden, auch entsprechend besteuert werden kann. Das ist ein wichtiger zweiter Schritt, der vor allem auch auf österreichische Initiativen zurückzuführen ist. Darauf bin ich sehr stolz.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 7. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Yılmaz. – Bitte.