10.47

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Werte Herren Minister! Sehr geehrtes Hohes Haus! Wir haben gerade gehört: Den Gemeinden geht es eh so gut! – Ja, wir wissen, die, die finanzstark waren, haben es vielleicht gut durch die Krise ge­schafft, für jene aber, die schon zu Beginn finanzschwach waren, schaut es nicht so rosig aus. Genosse Lercher hat das schon ausgeführt und ich schließe an: Für viele geht es sich nicht aus.

Deshalb will ich heute darüber reden, welche Art von Steuerpolitik wir eigentlich brauchen, um gerecht durch diese Krise zu kommen – wirklich gerecht! (Zwischenruf des Abg. Gerstl.) Ich weiß schon, da werden sich jetzt viele denken – man hört es ja auch in den Reden der Kollegen und Kolleginnen aus den Regierungsfraktionen –: Nein, es ist eh alles super! Wir kommen so gut und so gerecht durch diese Krise! (Zwischenruf der Abg. Baumgartner.)

Aber: Ist es gerecht – auch an Sie gefragt, Herr Minister –, wenn sich jemand aufgrund der Krise bereichern kann, wenn er aufgrund der Krise sein Vermögen vermehrt, während andere in die Langzeitarbeitslosigkeit abrutschen, quasi ins Nichts stürzen? – Das ist doch nicht gerecht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe noch mehr Fragen mit: Ist es gerecht, wenn ein großes Unternehmen wie Amazon aufgrund der Krise – wiederum – seine Gewinne unglaublich erhöht (Zwischenruf des Abg. Gerstl), während kleine, regionale Buchgeschäfte zusperren? – Nein. (Beifall der Abgeordneten Lercher und Lindner.) Ist es gerecht, dass Amazon in der EU de facto nicht einmal Steuern zahlt, während die anderen, die kleinen, regionalen Bücher­ge­schäfte, ein Vielfaches, mehr als zehnmal so viel, an Gewinnsteuern zahlen müssen? Ist das für Sie, Herr Finanzminister, gerecht? – Nein, das ist es doch nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ist es okay, ist es gerecht, wenn Sie uns dann immer erzählen – auch gestern wieder Kanzler Kurz –, dass man ja eh die mächtige Digitalsteuer eingeführt hat, obwohl wir genau wissen, dass das vor allem ein PR-Gag ist und überhaupt nicht so viel bringt, wie wir da eintreiben müssten? – Nein, das ist nicht okay, und ja, da werden wir grantig. Es ist Zeit, dass auch jene endlich einen Beitrag leisten! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe noch mehr Fragen: Ist es in Ihrer aller Augen gerecht, dass 80 Prozent der Steuereinnahmen in unserem Haushalt von den arbeitenden Menschen gezahlt werden, von Arbeitnehmern, Arbeitnehmerinnen, Konsumenten, Konsumentinnen, Pensionisten, Pensionistinnen, und nur 20 Prozent durch Steuern auf Gewinne und Vermögen eingetrieben werden? Im Vergleich mit anderen Ländern, wenn wir uns anschauen, wie das dort ist: Ist das gerecht?

Nächste Frage: Wenn wiederum 80 Prozent der Coronahilfsmittel genauso von den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen finanziert werden, obwohl sie nicht einmal zu einem Drittel quasi direkt davon betroffen sind – ist das gerecht, Herr Finanzminister? Ist das okay? Ist das gerecht? Ich hoffe, Sie beantworten diese Fragen jetzt alle für sich.

Wenn Unternehmen staatliche Unterstützungsgelder in Millionenhöhe in Anspruch nehmen, die von den Steuerzahlern, Steuerzahlerinnen bereitgestellt werden, wenn die das Geld nehmen und auf der anderen Seite Bonizahlungen für den Vorstand und Dividenden für die Aktionäre und Aktionärinnen ausschütten, vorher das Geld der SteuerzahlerInnen nehmen und dann die Gewinne an die AktionärInnen ausschütten – ist das gerecht, Herr Finanzminister? (Beifall bei der SPÖ.)

Offensichtlich ist es das in Ihren Augen, denn Sie haben sich ja genau dafür eingesetzt, dass das so bleibt, dass die Vorstandsmitglieder auch jetzt in der Krise noch ihre Gewinne und Boni bekommen.

Ich könnte die Liste noch lange fortführen, aber vielleicht noch ein Beispiel – eines gönnen wir uns noch –: Ist es gerecht, wenn das Unternehmen eines Milliardärs wie jenes des Herrn Pierer, auch ein guter Freund und Spender der ÖVP, 11 Millionen Euro an Coronahilfen bekommt und dann 7 Millionen Euro an Dividenden ausbezahlt werden? Die Rechnung geht doch nicht auf! Nein, das ist nicht gerecht, und deshalb müssen wir unser Steuersystem umbauen. Tun wir das nämlich nicht, zahlen die arbeitenden Menschen diese Krise, und das ist nicht gerecht – nicht schon wieder! (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir uns die Zahlen an: Die Vermögen der reichsten Menschen in diesem Land haben sich durch die Krise erhöht – um fast 30 Prozent! Und da geht es um Milliar­denbeträge! Das kann sich ein normaler Mensch gar nicht vorstellen, was das für Summen sind. Das ist mehr, als bei uns ganze Ministerien an Budget haben, diese Gelder, über die wir hier sprechen.

Die Managerbezüge sind im Coronakrisenjahr gestiegen – überdurchschnittlich! Ein Vorstand von einem börsennotierten Unternehmen kassiert das 60-Fache eines Durch­schnittsunternehmers. Für die einen wurde in der Krise geklatscht: Ihr seid ja so super!, aber kassieren tut jemand anderer. Ist das gerecht, Herr Finanzminister? Ich hoffe, Sie beziehen dazu endlich Stellung. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir finden das nicht gerecht, und daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuer­senkung für die Menschen, statt Steuergeschenke für Millionäre!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Gesetzespaket zur Abfederung der sozialen und finanziellen Folgen der Coronakrise mit folgenden Inhalten vorzulegen:

1. Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70% des Letztbezugs.

2. Eine Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen im Ausmaß von 5 Mrd. €

3. Eine unbefristete Solidaritätsabgabe für Millionäre

4. Die Einführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Millionenerbschaften.

5. Eine befristete Solidaritätsabgabe für große Onlinekonzerne (wie z.B.: Amazon) im Ausmaß von 10% des Jahresumsatzes bis zur vollständigen Umsetzung der globalen Mindeststeuer und Digitalsteuer im Rahmen des OECD Vorschlags.“

*****

Das wäre tatsächlich gerecht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.53

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr,

Genossinnen und Genossen

betreffend Steuersenkung für die Menschen, statt Steuergeschenke für Millionäre!

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Finanzausschusses über die Regie­rungsvorlage (948 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Kommunal­investitionsgesetz 2020 und das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert werden (953 d.B.)

Die Coronakrise hat riesige Budgetdefizite in den Staatshaushalt gerissen. Milliarden wurden zur Unterstützung für Unternehmen ausgegeben. Während viele EPUs und KMUs noch immer auf ausreichende Unterstützungsleistungen warten und am Rande ihrer Existenz stehen, wurden Millionen an Steuergelder an Menschen verteilt, die diese gar nicht brauchen. Der Glückspielkonzern Novomatic erhielt mehrere Millionen Euro an staatlicher Unterstützungsleistung. Seinen Besitzer finden wir auch nach Corona auf der Trend-Reichenliste mit einem Vermögen von mehreren Milliarden Euro – wofür braucht so ein Mensch staatliches Steuergeld, das zu 80% von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kommt? Novomatic ist leider kein Einzelfall. Von Media-Markt bis zu Luxus-Hotels aus dem Kreise der Tiroler Adlerrunde reichen die Beispiele für wenig rühmliche Hilfszahlungen an Menschen, die sie in Wahrheit nicht brauchen.

Auf der anderen Seite sitzen hunderttausende Menschen mit einem Arbeitslosengeld von 55% des Letzteinkommens zu Hause. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen erreicht jeden Monat einen neuen Rekordstand. Die Betroffenen haben die Ersparnisse aufgebraucht, können sich teilweise die Mieten nicht leisten, am Monatsende müssen sie jeden Euro zweimal umdrehen, oft kommt in diesen Familien am Monatsende nur noch Toastbrot auf den Tisch.

Lt. der Trend-Reichenliste haben die zehn reichsten ÖsterreicherInnen ihr Vermögen im Corona-Jahr um fast 30%(!) steigern können. Eine Studie der Arbeiterkammer hat jüngst belegt, dass die Managerbezüge auch im Corona-Jahr überdurchschnittlich gestiegen sind. Ein Vorstand eines ATX-Unternehmens kassiert im Schnitt das 57-fache eines Durchschnittseinkommens. Die ersten Daten zeigen ein erschütterndes Bild – die Corona-Krise hat die Vermögens- und Einkommensungleichheit in Österreich nochmal verstärkt.

Die Krise sollte uns eigentlich deutlich vor Augen geführt haben, wer die echten Leis­tungsträgerinnen und Leistungsträger in Österreich sind. Es sind die Pflegekräfte, es sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Supermärkten und in der Lebensmittel­pro­duktion, bei der Straßenreinigung, bei der Müllabfuhr, die Reinigungskräfte, die Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen – um nur einige hier zu nennen.

Wir können nach dieser Krise nicht zur Tagesordnung übergehen. Ohne gravierende Änderungen in unserem Steuersystem ist eine gerechte Finanzierung der Krisenkosten einfach nicht machbar.

Seit einem Jahr verweigert die türkis-grüne Regierung jenen Menschen, die aufgrund der Coronakrise arbeitslos geworden sind, die Erhöhung des Arbeitslosgengeldes (von derzeit nur 55%) auf 70% des Letztbezugs. Betriebe, die Staatshilfe in Millionenhöhe erhalten, können ihren Spitzenmanagern noch immer Boni (in halber Höhe) in Millio­nenhöhe auszahlen. Die Regierung schließt bis heute dezidiert die Einführung von Millionärsabgaben aus, obwohl Multimillionäre in Österreich ihr Vermögen im Coronajahr teilweise deutlich vermehren konnten. Im Finanzministerium werden stattdessen Pläne zur Senkung der Körperschaftssteuer sowie zur Einführung einer fiktiven Eigenkapital­verzinsung gewälzt. Von diesen Plänen profitieren wieder nur die großen Betriebe – just jene Betriebe, deren EigentümerInnen ihr Vermögen auch während Corona ohnehin deutlich steigern konnten.

Es braucht endlich wieder mehr Gerechtigkeit und Solidarität in Österreich. Deshalb braucht es gerade jetzt eine echte Änderung im Steuersystem, wo große Vermögen statt kleiner Arbeitseinkommen stärker zur Finanzierung von Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten herangezogen werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Gesetzespaket zur Abfederung der sozialen und finanziellen Folgen der Coronakrise mit folgenden Inhalten vorzulegen:

1.         Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70% des Letztbezugs.

2.         Eine Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer für kleine und mittlere Ein­kommen im Ausmaß von 5 Mrd. €

3.         Eine unbefristete Solidaritätsabgabe für Millionäre

4.         Die Einführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Millionenerb­schaf­ten. 

5.         Eine befristete Solidaritätsabgabe für große Onlinekonzerne (wie z.B.: Amazon) im Ausmaß von 10% des Jahresumsatzes bis zur vollständigen Umsetzung der globalen Mindeststeuer und Digitalsteuer im Rahmen des OECD Vorschlags.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.