16.41

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Ich kann an das, was meine Vorrednerin gesagt hat, gleich anschließen: 2015/16 sind die Institutionen vor eine Situation gestellt worden, der sie nicht gewachsen waren. Das ist so. Der sind sie aber nicht nur personell nicht gewachsen gewesen, sondern auch strukturell nicht.

Asylverfahren sind einmal primär Verwaltungsverfahren und sind als Verwaltungs­verfah­ren von Menschen zu führen, die darin ausgebildet sind. Darin liegt der Schlüssel zum Erfolg. Wenn solche Verfahren von Menschen geführt werden, die darin wirklich ausge­bildet sind, die nicht in Schnellsiedekursen nur die notwendigsten Grundlagen des kon­kreten Verfahrens, der konkreten Verfahrensart lernen, sondern die wirklich die Prinzi­pien des Verwaltungsverfahrens lernen, dann können sie diese auch durchführen. Dann wissen sie auch, wie es funktioniert: dass man Akten, für die Fristen gelten, auf diese Fristen – wie man das nennt – kalendiert. Das bedeutet, dass man sich im Kalender einen Vormerk macht, wann in diesem Akt wieder etwas anfallen könnte, wann zum Beispiel eine Person das 18. Lebensjahr erreicht, wann zum Beispiel Fristen erreicht werden, die zur Entscheidung einzuhalten sind. Das sind Grundlagen des Verfahrens, und es ist wichtig, dass alle, die an diesen Verfahren beteiligt sind, diese Verfahrens­grundlagen auch von Grund auf lernen und somit mit den Verfahren umgehen können. Ich habe nicht erst einmal von Anwaltskolleginnen und -kollegen, die zufällig mit dieser Materie erstmals befasst waren, gehört, dass sie nicht verstanden haben, wie da mit den Verfahren umgegangen wird, weil sie aus anderen Verwaltungsbehörden anderes ge­wohnt waren. Daran müssen wir arbeiten, daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten, und darum geht es. Dafür müssen die Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2020 einen Überhang von 33 000 Akten – 33 000 Ak­ten, die nicht in der Zeit, in der sie bearbeitet werden sollten, bearbeitet werden konnten. 33 000 Akten – und das sind nicht Asylakten, sondern das sind 33 000 Akten, in denen es um unterschiedlichste Verwaltungsverfahren ging, an denen Parteien beteiligt sind, die auf eine Entscheidung warten, weil es so viele Verfahren gibt, die von Behörden raufgeschickt werden, die mit diesen Verfahren offensichtlich nicht zurande kommen. Das ist wirklich schade.

Es ist tatsächlich so, dass dieser Zustand unserem gesamten Rechtsstaat schadet. Wir sind als Gesellschaft, als Staat, als Gesetzgeber genauso wie als Verwaltung gefordert, diesem Missstand beizukommen. Das können wir nur, indem wir ausreichend Res­sourcen zur Verfügung stellen. Nur wenn Akten in der gebotenen Zeit entschieden werden können, dann funktioniert der Rechtsstaat. Wenn sich die Menschen darauf ver­lassen können, dass sie eine Entscheidung bekommen, wenn diese fällig ist, dann funktioniert unser Staat. Dafür können wir sorgen. Dafür können wir gemeinsam sorgen, indem wir die Behörden mit ausreichend Mitteln, mit ausreichend Personalressourcen, mit ausreichend Wissen ausstatten. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist geltendes Recht, dass nach Straftaten ein Schutzstatus abzuerkennen ist. Das ist geltendes Recht, dazu braucht man am Recht, an den Gesetzen nichts zu ändern. Das ist geltendes Recht, und das hat natürlich auch so zu bleiben – das ist klar, daran gibt es nichts zu zweifeln. Es ist aber auch geltendes Recht, dass die Frage, ob dieser Schutzstatus zu gewähren ist oder ob er abzuerkennen ist, in einem rechtsstaatlichen Verfahren zu prüfen ist – ich denke, auch darin sind wir uns alle einig.

Es gibt grundsätzlich die Flüchtlingskonvention, an die wir uns alle halten, und auch daran brauchen wir nichts zu deuten. Grundsatz aber ist, dass wir Verfahren haben und dass wir Verfahren einzuhalten haben – nur dann kann unser Staat funktionieren. (Beifall bei den Grünen.)

16.46

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff ist zu Wort gemeldet. – Bitte.