17.02

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema der heutigen Dringlichen Anfrage ist das Versagen der ÖVP in der Asylpolitik.

Ich möchte mit einem konkreten Fall beginnen. Ende letzter Woche: Ein rechtskräftig Verurteilter ist in Schubhaft, er soll nach Nordafrika in sein Herkunftsland abgeschoben werden. Das Urteil zur Abschiebung liegt vor. Der Abschiebecharterflieger ist bestellt, die Flugkarte gebucht, das Flugzeug steht bereit. Der Abzuschiebende verweigert den PCR-Test und bleibt in Österreich – das versteht niemand in diesem Land. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und bei der FPÖ. – Abg. Belakowitsch: Ja, genau! – Abg. Sieber: Ihr seid für einen Abschiebestopp! – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) Ich glaube, dass man da von einem Versagen – Sie brauchen sich gar nicht aufzu­regen! – sprechen kann, das ist ein Versagen in der Asylpolitik. (Abg. Sieber: Sie haben den Abschiebestopp beschlossen! – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)

Konkret: Ganz Österreich ist vom gewaltsamen Tod der 13-jährigen Leonie betroffen. Es ist eine menschliche Tragödie. Ich denke, dieser Fall kann und darf nicht parteipolitisch missbraucht werden, aber die Fragen sind: Hat der gewaltsame Tod von Leonie etwas mit Politik zu tun? Hat der tragische Fall etwas mit der Nichtabschiebung eines gefähr­lichen Verdächtigen zu tun? Gibt es da ein Versagen der Behörden und der Politik? – Diese Fragen müssen gestellt werden.

Nun komme ich zu einem der Tatverdächtigen, zum 18-jährigen Tatverdächtigen, Fa­milienname A.: negativer Asylbescheid, 2016 erhielt er den Schutz für Minderjährige, mehrfach straffällig, mehrfach rechtskräftig verurteilt, im Oktober 2019 wurde der subsi­diäre Schutz aberkannt, im November wurde dagegen Beschwerde eingebracht. Seither ist das letztinstanzliche Urteil ausständig. Das Bundesverwaltungsgericht sollte inner­halb von drei Monaten entscheiden – hätte eigentlich entscheiden müssen. Das wäre im Februar 2020 gewesen – heute ist Juli 2021, über eineinhalb Jahre wurde nicht ent­schieden.

Dazu muss man sagen: Das ist nicht einfach nur die Schuld der Richter oder des Per­sonals. Die Personalsituation im Bundesverwaltungsgericht ist katastrophal, die Raum­situation ist katastrophal – unterbesetzt, unterbezahlt, besonders die B- und C-Beamten. Auch im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gibt es eine ganz, ganz schwierige Situation. Ist in dieser Situation die Justiz ein Thema für den Bundeskanzler? – Ja, die Justiz ist ein Thema für den Bundeskanzler, aber in eigener Sache: in seiner Sache wegen Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss. (Abg. Taschner: Das ist aber schon ...! – Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.) Der Bundeskanzler greift die unab­hängige Justiz an, statt sich hinter die Justiz zu stellen und vom Finanzminister mehr Mittel für die unabhängige Justiz zu fordern. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Taschner: Ihrer Logik zu folgen ...!)

Die SPÖ fordert von Bundeskanzler Sebastian Kurz, dass er die unabhängige Justiz arbeiten lassen soll und dass mehr Personal für die zuständigen Bundesgerichte zur Verfügung gestellt wird, damit dieser Berg von 14 000 Asylverfahren endlich abgebaut wird.

Ganz konkret: Selbst der vorbestrafte Terrorist vom 2. November ist ein Fall, in dem die Behörden versagt haben. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich kann nur sagen: Die bösen Buben bleiben im Land – wer nicht im Land bleiben darf, sind brave Mädchen. Das ist zum Beispiel Tina. Tina war eine Schülerin am Wiener Gymnasium Stubenbastei. Tina ist zwölf Jahre alt. Tina ist ein braves und bestens integriertes Mädchen. Tina und ihre Schwester Lea, vier Jahre alt, wurden mit ihrer Familie abgeschoben. (Abg. Taschner: Aber rechtskonform sollen wir schon sein, Herr Kollege, gell?) – Ja, da schreien Sie dazwischen, aber da geht es um eine menschliche Tragödie. Wenn das wirklich Ihr Kommentar zu dieser menschlichen Tragödie ist, ist der Kommentar überflüs­sig. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Ebenso Sona aus Armenien, eine Schülerin der Höheren Bundeslehranstalt: Sona ist eine freundliche und bestens integrierte Schülerin – perfektes Deutsch, keine Vorstrafen, kein Delikt, gar nichts. Katharina A. sagt es: freundlich, „bestens integriert“. – Sona wird aus ihrer Klasse 4HSC abgeschoben.

Während im Coronalockdown die Abschiebungen massiv reduziert wurden, sind Tina, Lea und Sona abgeschoben worden, in einem massiven, martialischen Polizeieinsatz mit Hundestaffeln. Das ist mit Menschenrechten nicht vereinbar. Die ÖVP ist nicht mehr christlich, die ÖVP ist nicht mehr sozial – die ÖVP ist einfach nur mehr türkis. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

Herr Bundesminister, Sie haben vom Schutz der Außengrenzen Europas gesprochen – ich bin bei Ihnen. Herr Bundesminister, Sie haben die Asylzentren angesprochen – ich bin auch in diesem Fall bei Ihnen. Österreich hatte aber die EU-Ratspräsidentschaft inne. Was ist während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft geschehen? – Bundeskanzler Kurz hat keine Initiativen zum Thema Schutz der Außengrenzen Europas gesetzt. Diese Gelegenheit wurde verschlafen, die Chancen vertan.

Fazit der ÖVP-Asylpolitik: Die bösen Buben bleiben im Land, die braven Mädchen werden abgeschoben. Das ist weder wirksam noch human. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Brandstötter.)

17.08

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Meri Disoski. – Bitte.