10.51.44

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ)|: Herr Präsident! Geschätzte Mitglie­der der Bundesregierung! Geschätzter Kollege Obernosterer, ich wollte eigentlich über die Cofag überhaupt nicht sprechen, aber wir als Oppositionsparteien haben dir schon x-mal erklärt, warum es keinen Sinn macht, in diese Blackbox zu gehen. Du und die ÖVP habt es nicht verstanden, und es hat keinen Sinn, weitere Argumente zu liefern, weil die Argumente immer dieselben bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Bundesregierung hat durch ihre Coronapolitik ein großes Loch in den Staatshaushalt gerissen. Diese Bundesregierung hat durch die nicht evidenzbasierten Lockdownphasen die Wirtschaft massiv geschädigt. Daher ist es auch kein Wunder, dass sich das Bud­getdefizit 2020 auf 22,5 Milliarden Euro beläuft. Österreich befand sich 2020 beim Maas­trichtdefizit im obersten Drittel der schlechtesten 27 EU-Mitgliedstaaten. Die Zahlen und Fakten beweisen es: Österreich ist weder gut durch die Krise gekommen, noch ist Öster­reich besser als andere EU-Mitgliedstaaten durch die Krise gekommen. Gott sei Dank geht es der Wirtschaft jetzt wieder besser, aber nicht wegen dieser Bundesregierung, son­dern trotz dieser Bundesregierung. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Kommen wir zur sogenannten großen Steuerentlastung: Das Wifo hat bereits letzte Woche festgehalten, dass die von der Bundesregierung groß und überraschend ange­kündigte Steuerentlastung keine Auswirkungen auf die Konjunktur bis Ende 2022 haben wird – keine Auswirkungen auf die Konjunktur! Im Übrigen ist es nicht die größte Steu­erentlastung in der Zweiten Republik, sondern die größte Mogelpackung in der Zweiten Republik. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hörl: Na hallo!)

Diese vordergründige Steuerentlastung zahlen sich – Kollege Krainer hat es schon an­gesprochen – die Österreicher selbst. Es ist keine ökosoziale Steuerreform, es ist eine ökoasoziale Steuerreform. Die Masse der vordergründigen Steuerentlastung wird durch die kalte Progression der Vergangenheit, aber auch der Zukunft und durch die neue CO2-Strafsteuer, die ja nichts anderes als eine Mineralölsteuererhöhung ist, unter dem Deck­mantel des Klimaschutzes gegenfinanziert.

Vordergründig bringt uns diese Steuerreform in der Vollausbauphase – in der Vollaus­bauphase!, und diese erreichen wir erst 2025 – eine Bruttoabgabenentlastung von 7,8 Milliarden Euro. Und das ist nur die halbe Wahrheit! Von dieser Bruttoabgabenent­lastung sind noch die kalte Progression und alle Belastungsmaßnahmen abzuziehen, die in den kommenden Jahren auf uns zukommen werden. Angesichts der aktuellen Rekordinflation von 3,2 Prozent – übrigens der höchste Wert seit Dezember 2011 – frisst die kalte Progression die Masse der vordergründigen Steuerentlastung wieder weg. Dies hat auch das Wifo am 8.10.2021 in seiner Presseunterlage bestätigt, wonach – ich zitiere – „die aktuelle Steuersenkung nur eine Abgeltung von vergangener kalter Pro­gression ist.“

Das heißt, den Leuten wird jetzt zizerlweise das zurückgegeben, was man ihnen in der Vergangenheit, aber auch in der Zukunft wegnimmt. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Altkanzler hat im „ZIB 2“-Interview am 3.10.2021 versprochen, dass die kalte Pro­gression am Ende dieser Legislaturperiode abgeschafft werden wird. Vielleicht ist das bald (Heiterkeit des Abg. Kickl), mir fehlt aber der Glaube, dass der Altkanzler dieses Versprechen einhalten wird.

Daher darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMag. DDr. Hubert Fuchs, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ab­schaffung der Kalten Progression“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen werden er­sucht, eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die ‚Kalte Progression‘ wirksam bekämpft bzw. abschafft sowie sicherstellt, dass Lohn- bzw. Pensionserhöhungen künftig zu ei­nem tatsächlichen Steigen der Kaufkraft führen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Wie schon gesagt, von der Bruttoabgabenentlastung muss man die zukünftigen Be­lastungen selbstverständlich abziehen. Wenn man Frau Bundesminister Gewessler bei der Präsentation der Steuerreform genau zugehört hat, dann weiß man ganz genau, welche Belastungen noch auf uns zukommen werden: neben der Mineralölsteuerer­höhung, also der CO2-Strafsteuer, die Ökologisierung – ein schönes Wort für Abschaf­fung – des Pendlerpauschales, die Ökologisierung – also auch Abschaffung – des Dienstwagenprivilegs, die Abschaffung des Dieselprivilegs und weitere Maßnahmen ge­gen den Tanktourismus.

Wir dürfen aber den ersten Teil der ökoasozialen Steuerreform mit einer massiven Er­höhung der Normverbrauchsabgabe um 510 Millionen Euro – um 510 Millionen Euro! – bis 2025 nicht vergessen, das war ja der erste Vorgeschmack der zukünftigen Öko­strafsteuern. Diese NoVA-Erhöhung – wir haben es schon oft hier besprochen – betrifft insbesondere Kraftfahrzeuge, die von Kleingewerbetreibenden und von Familien ange­schafft werden. Diese Kleingewerbetreibenden und Familien waren und sind die ersten Opfer dieser ökoasozialen Steuerreform, und alle Autofahrer, insbesondere die Pendler, aber auch die Kleinunternehmer werden die nächsten Opfer dieser ökoasozialen Steuer­reform sein.

Es steht uns aber auch eine massive Erhöhung der Energiepreise, der Wiener Kommu­nalabgaben und der ORF-Gebühr bevor. Auch das muss man letzten Endes von der Bruttoabgabenentlastung abziehen, denn den Steuerpflichtigen interessiert nicht, an wen er die Steuern zahlt, sondern was letzten Endes im Geldbörserl übrig bleibt, und da schaut es in nächster Zeit ziemlich schlecht aus. (Beifall bei der FPÖ.)

Bedauerlicherweise werden sich viele Familien mit geringem Einkommen diesen Winter das Heizen nicht mehr leisten können, und weder die Bundesregierung noch die Stadt Wien helfen diesen Familien – ein Trauerspiel. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn das schon eine solch tolle Steuerreform ist, dann frage ich mich, warum die ersten Entlastungsschritte erst am 1.7.2022, also in neun Monaten, in Kraft treten und nicht bereits am 1.1.2022, denn damit würden Sie den Leuten helfen, aber nicht mit einer Steuerentlastung nach dem Winter.

Im Übrigen ist ein unterjähriges Inkrafttreten für die Lohnverrechner und Steuerberater, aber auch für die Finanzverwaltung, um die es ja auch geht, ein administrativer und bürokratischer Super-GAU. Jeder vernünftig denkende Legist lässt eine Steuerreform, insbesondere eine Tarifreform, zum 1.1. eines Jahres in Kraft treten, aber nie unterjährig. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Loacker: Das kann der Finanzminister ja nicht wissen!)

Ich wollte eigentlich nicht darauf zu sprechen kommen, aber Folgendes verwundert mich doch sehr: Der Vorwurf der Inseratenkorruption steht ja im Raum, auch das BMF soll involviert sein, und was sieht man (den Ausdruck eines Zeitungsartikels in die Höhe haltend), wenn man die Zeitungen durchblättert beziehungsweise auf Homepages surft? – Der Finanzminister bewirbt eine Steuerreform, die zizerlweise ab dem 1.7.2022 in Kraft tritt und deren Vollausbauphase 2025 erreicht werden soll. Wir alle wissen nicht, ob die angekündigten Schritte letzten Endes auch in Gesetzesform gegossen werden. Wer weiß, wie lange diese Bundesregierung ab jetzt noch hält? Der Finanzminister hält es für notwendig, etwas zu bewerben, was in neun Monaten in Kraft tritt und von dem das meiste vielleicht nie in Kraft treten wird. (Abg. Lausch: Unfassbar!) Ich frage mich – diese Frage wirft auch „Der Standard“ auf –, ob das eine Information oder eine Ver­marktung ist. Eine Vermarktung ist natürlich unzulässig. Was ist, glauben Sie, aber das Erste, das man sieht, wenn man auf den im Inserat angegebenen Link klickt? – Es ist das Wichtigste dieser Steuerreform: ein Foto unseres Finanzministers. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Probieren Sie das einmal aus! (Beifall bei der FPÖ. Abg. Deimek: ... Ge­fängnis!)

Mich würden die Kosten dafür interessieren. Das wären eigentlich Kosten, die man ein­sparen könnte. Es wäre Geld, das man wirklich den Geringverdienern, den Kleinpen­sionisten geben könnte, damit diese sorgenfrei überwintern können. (Zwischenruf der Abg. Rössler.) Vielleicht noch ein Wort dazu, weil hier steht: „Die größte Entlastung in der 2. Republik!“, und „Der Standard“ fragt: „Information oder Vermarktung?“ – Ich würde eher sagen: Das ist weder Information noch Vermarktung, sondern das ist eine Desinfor­mation. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist die größte Mogelpackung in der Zweiten Republik. Wir wissen, dass es laut den Präsentationsfolien des Finanzministers 2025 – in der Vollausbauphase der Steuerre­form – 7,8 Milliarden Euro Entlastung pro Jahr geben soll. Herr Finanzminister, ich darf Sie daran erinnern, dass die damalige blau-schwarze Bundesregierung am 1. Mai 2019 einen Ministerratsvortrag beschlossen hat, unterschrieben vom Altkanzler und sonstigen Personen, und diese Steuerreform sah eine Entlastung von 8,3 Milliarden Euro jährlich vor; das war um eine halbe Milliarde mehr pro Jahr. Ich weiß, warum in den Präsenta­tionsfolien des BMF jene Steuerreform, die Finanzminister Löger und ich 2019 ausver­handelt haben, fehlt: weil Sie genau wissen, dass Ihre nicht die größte Steuerreform, sondern die größte Mogelpackung aller Zeiten ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Deimek: Unverschämt!)

11.03

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten MMag. DDr. Hubert Fuchs

und weiterer Abgeordneter

betreffend Abschaffung der Kalten Progression

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 2, Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2020 (III-321/1062 d.B.) in der 125. Sitzung des Nationalrates, am 13.10.2021

Die „Kalte Progression“ und deren finanziellen Folgen für die Steuerpflichtigen wird seit Jahren immer wieder diskutiert.

Die „Kalte Progression“ ist eine Steuermehrbelastung, die entsteht, wenn nur die Ein­kommenshöhe, nicht aber die Tarifstufen bzw. die Einkommensteuersätze an die Infla­tion angepasst werden. Insbesondere Arbeitnehmer und Pensionisten zahlen mit steigendem Einkommen stetig mehr Lohnsteuer an das Finanzamt. Wenn die Löhne bzw. Pensionen um die jährliche Inflationsabgeltung steigen, rücken zudem immer mehr Steuerpflichtige in höhere Tarifstufen vor. Die Steuerpflichtigen müssen also auf ihr Einkommen höhere Steuern zahlen, obwohl diese real gar nicht gestiegen sind.

Die Abschaffung der „Kalten Progression“ wird von vielen Seiten verlangt. Entspre­chende Forderungen gibt es beispielsweise von der FPÖ, den anderen Oppositionspar­teien, vom Gewerkschaftsbund und der Industriellenvereinigung.

Mit der geplanten Steuerreform von ÖVP und Grünen soll es ab 1.7.2022 zwar zu einer Lohn- bzw. Einkommensteuersenkung kommen – geplant ist eine Senkung der zweiten und dritten Tarifstufe der Lohn- bzw. Einkommensteuer. Die Abschaffung der „Kalten Progression“ ist aber von der geplanten Steuerreform nicht umfasst.

Nach Berechnungen der Agenda Austria werden Niedrigverdiener aufgrund der „Kalten Progression“ von dieser Entlastung kaum bis gar nicht profitieren.

„Es kann erst dann von einer wirklichen Steuerreform gesprochen werden, wenn die kalte Progression abgeschafft wurde. Erst danach würde eine Tarifreform eine nachhal­tige Entlastung für die Steuerzahler bedeuten“, so Agenda-Austria-Ökonom Denes Kucsera.

Im aktuellen Regierungsprogramm 2020-2024 von ÖVP und Grünen wurde unter „Steuerstrukturreform – das Steuersystem vereinfachen“ unter anderem folgender Punkt vereinbart:

„Kalte Progression: Prüfung einer adäquaten Anpassung der Grenzbeträge für die Pro­gressionsstufen auf Basis der Inflation der Vorjahre unter Berücksichtigung der Ver­teilungseffekte“.

Angesichts der aktuellen Rekordinflation von 3,2% im August und September 2021 – der höchste Wert seit Dezember 2011 – frisst die „Kalte Progression“ die Masse der ge­planten Steuerentlastung wieder weg. Dies hat auch das WIFO am 8.10.2021 bestätigt, wonach „[…] die aktuelle Steuersenkung nur eine Abgeltung von vergangener kalter Progression ist.“

Selbst Sebastian Kurz hat am 3.10.2021 – als er noch Bundeskanzler war – im ZIB2-Interview versprochen, dass die „Kalte Progression“ am Ende dieser Legislaturperiode abgeschafft werden wird.

Da die Abschaffung der „Kalten Progression“ nicht Teil der geplanten ÖVP-Grünen Steu­erreform ist, stellen die unterfertigen Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen werden er­sucht, eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die „Kalte Progression“ wirksam be­kämpft bzw. abschafft sowie sicherstellt, dass Lohn- bzw. Pensionserhöhungen künftig zu einem tatsächlichen Steigen der Kaufkraft führen.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, er ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schwarz. – Bitte.