11.24

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungsvertreter, Regierungsvertreterinnen! Hohes Haus! Zu Beginn vielleicht noch zur erneuten lustigen Kabaretteinlage – anders kann man es ja nicht mehr bezeichnen – des Herrn Hanger (Zwischenruf bei der ÖVP), dass es falsch sei, dass der Rechtsanspruch auf Kinderbe­treuung verhindert worden ist: Erstens haben Sie das ja gerade gestern wieder verhin­dert, und zweitens können wir das alle in den Chats nachlesen, Herr Hanger. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Zwischenruf des Abg. Hanger.) Es ist ein bisschen schwierig, da gewagte Aussagen zu machen, da es die Chats ja wirklich gibt.

Ich gehe auf den Bundesrechnungsabschluss ein: Dieser zeigt uns ziemlich deutliche Zahlen. Wer zahlt das Steueraufkommen in Österreich? – 85 Prozent der Steuern und Abgaben zahlen die arbeitenden Menschen, die Pensionisten, Pensionistinnen mit Steu­ern auf Arbeit, auf Konsum, und nur 15 Prozent sind Einnahmen von Gewinnen oder Einnahmen von Vermögen. 15 Prozent versus 85 Prozent: Das ist jetzt schon eine un­glaublich große Schieflage, und die soll – der Finanzminister hat es erklärt – noch weiter verschärft werden, denn die Gewinne der großen Unternehmen und Konzerne in diesem Land sollen weniger besteuert werden. Das sind Milliarden, die uns dann im Budget fehlen werden, und das kann gerade in so einer Krisenzeit nicht der Weisheit letzter Schluss sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben es schon gehört, die KöSt-Senkung, also die Senkung der Gewinnsteuern, werde ja die kleinen Betriebe entlasten. Dass das nicht stimmt, will ich auch mit nur einer Zahl belegen: 65 Prozent dieser riesigen Summe fließen an das Top-1-Prozent der Un­ternehmen und Konzerne in diesem Land. Es werden also jene mit den größten Ge­winnen auch wieder am meisten entlastet. Ich glaube, es geht einem Volksschulkind ein, dass das nicht sozial ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich will noch dazusagen, dass das nicht nur nicht sozial – es wird auch kein einziger Arbeitsplatz damit geschaffen –, sondern auch nicht ökologisch ist. Die Regierung sagt, man soll das Klimafreundliche belohnen, das Klimaschädliche etwas teurer machen. Das stimmt. Ich als Klimaschutzsprecherin finde es gut, wenn CO2 einen Preis bekommt. Warum aber gilt das immer nur für die arbeitenden Menschen? Die Unternehmen be­kommen diese KöSt-Senkung einfach so – wurscht, da gibt es keine Verbindlichkeiten hinsichtlich Klimaschutz –, die bekommen Hunderte Millionen Euro im Jahr einfach so. Klar ist, das ist nicht gerecht, das ist nicht ökologisch. (Beifall bei der SPÖ.)

Das führt dann nämlich dazu, dass ein Konzern wie die OMV, einer der größten CO2-Emittenten in diesem Land, einfach so 13 Millionen Euro pro Jahr mehr bekommt; wurscht, was das mit den CO2-Emissionen zu tun hat.

Ich habe aber einen Vorschlag, wie wir das besser machen könnten, sodass wir einen wirklichen Lenkungseffekt erzielen, denn um den geht es ja. Die CO2-Bepreisung soll ja nicht mehr Einnahmen fürs Budget bringen – wenn es darum geht, dann führen Sie bitte Millionärssteuern ein, Herr Finanzminister –, sondern es geht um den Lenkungseffekt. Die Menschen sollen auf die klimafreundlichen Alternativen umsteigen. Ich komme aus einer ländlichen Region, und wenn dort der Bus nicht fährt, dann kann ich nicht auf ihn umsteigen, wenn es in meiner Gemeinde keinen Bahnhof gibt, dann kann ich nicht vom Auto auf den Zug umsteigen. Das ist ja das Wesentliche! Daher mein Vorschlag: Statt diese Hunderte Millionen Euro an die größten Konzerne und Unternehmen in diesem Land zu verschenken, sollten wir dieses Geld in den öffentlichen Verkehr, in die kleinen Kommunen investieren. Schauen wir, dass wir wirklich ein klimafreundliches Leben für alle möglich machen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe somit einen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klimain­vestitionen statt Körperschaftssteuer-Geschenke für Konzerne“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jene Budgetmittel, die als Steuergeschenke für Großkonzerne – in Form einer Körperschaftssteuer-Senkung – vorgesehen sind, in zu­kunftsfähige klimafreundliche Infrastruktur zu investieren.“

*****

So hätten wir einen Lenkungseffekt, so könnten die Menschen auch umsteigen. Das würde Sinn machen. Ich lade die Kollegen und Kolleginnen von den Grünen, bei denen ich weiß, im Herzen wollen sie mitstimmen, aber auch die ÖVP-Kollegen und ‑Kollegin­nen herzlich ein, mitzustimmen.

Nur noch ein letzter Satz: Der Vizepräsident des Gemeindebundes, Johann Hingsamer, ein ÖVP-Kollege, hat diese KöSt-Senkung als das bezeichnet, was sie ist: ein Geschenk an die Industrie. Viele Bürgermeister und Bürgermeisterinnen sitzen ja heute hier: Schenken wir das Geld nicht her, sondern investieren wir es in den öffentlichen Verkehr! Das wäre sozial und ökologisch. Das ist das, was wir uns von so einer Steuerreform erwarten. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

betreffend Klimainvestitionen statt Körperschaftssteuer-Geschenke für Konzerne

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2020 (III-321/1062 d.B.) (TOP 2)

Die arbeitende Bevölkerung, Pensionist*innen, Verbraucher*innen zahlen rund 85 Pro­zent der gesamten Steuern und Abgaben, jene mit Kapital und Vermögen nicht einmal 15 Prozent. Das Steuersystem gerät durch die Steuerreform noch stärker in Schieflage. Die Ungerechtigkeit wird vergrößert. Die türkis-grüne Regierung denkt überhaupt nicht daran, von den Millionen-Erbschaften, Milliarden-Stiftungen, den Reichen und Superrei­chen auch nur einen Euro zu verlangen.

Im Gegenteil: Die Körperschaftssteuer (KÖSt) als Konzern-Gewinnsteuer wird um rund 800 Mio. Euro gesenkt. Das bringt keinen einzigen Arbeitsplatz, das hilft den kleinen Selbstständigen und KMU überhaupt nicht, sondern vermehrt nur das Vermögen der Eigentümer und Aktionäre.

Zur Problematik der Körperschaftssteuer-Senkung hält das Momentum-Institut fest:

„Von der Senkung der Körperschaftssteuer profitiert nur ein Bruchteil der Unternehmen: Sehr gewinnstarke Großunternehmen und in Folge deren Eigentümer:innen erhalten ein Steuergeschenk mit hohen jährlichen Kosten von 774 Mio. EUR. Das forciert die Un­gleichheit in Österreich und garantiert keinesfalls den gewünschten Wachstums-Effekt.“1

Der Vizepräsident des Gemeindebundes Johann Hingsamer (ÖVP) nennt die KÖSt-Sen­kung das was sie ist, ein „Geschenk an die Industrie“.2

Während auf der einen Seite großzügige Steuergeschenke verteilt werden, schafft es die Bundesregierung auf der anderen Seite nicht, die CO2-Steuer mit dem Klimabonus ausreichend sozial abzufedern. Denn statt einer sozialen Staffelung entscheidet künftig die Postleitzahl darüber, ob ein höherer oder geringerer Klimabonus ausgezahlt wird. Und selbst wenn man das „Glück“ der richtigen Postleitzahl hat, ist noch immer nicht sichergestellt, dass der Klimabonus tatsächlich die zusätzliche Besteuerung abfedert. Dass ein Klimabonus allein eine Kompensation nicht sicherstellt, ist seit der Studie des Budgetdienstes aus dem Jahr 2019 nachgewiesen.3

Eine Studie der WU Wien im Auftrag der Arbeiterkammer hat das im Frühjahr 2021 im Detail verdeutlicht und darauf hingewiesen, dass neben zusätzlicher Kompensation in Form eines Klimabonus PLUS vor allem zusätzliche öffentliche Investitionen in Klima­schutzmaßnahmen erforderlich sind, damit Klimapolitik auch sozial gerecht ist.4

Die Einschätzung des Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz zur Steuerreform bekräftigt die Notwendigkeit von weiteren Investitionen in klima­freundliche Infrastruktur:

„Nur wenn von staatlicher Seite ausreichend Anreize zum raschen und umfassenden Umbau der Infrastrukturen geschaffen werden, die eine dauerhafte Transformation er­leichtern (massiver Ausbau des öffentlichen Verkehrs, massive Steigerungsraten in der Gebäudesanierung, Umstellung aller Heizsysteme, kompletter Umstieg der Elektrizitäts­erzeugung auf erneuerbare Energieträger), wird eine signifikante Reduktion der Treib­hausgasemissionen in Österreichs national verantworteten Emissionsbereichen (Ver­kehr, Raumwärme, Gewerbe, Landwirtschaft und Abfall) erzielt werden können.“5

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jene Budgetmittel, die als Steuergeschenke für Großkonzerne - in Form einer Körperschaftssteuer-Senkung – vorgesehen sind, in zu­kunftsfähige klimafreundliche Infrastruktur zu investieren.“

1              https://www.momentum-institut.at/steuerreform

2              https://ooe.orf.at/stories/3124341/

3              https://www.parlament.gv.at/ZUSD/BUDGET/2019/BD_-_Anfragebeantwor­tung_zu_den_Verteilungswirkungen_einer_CO2-Steuer_auf_Haushaltsebene.pdf

4          https://wien.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/steuergerechtigkeit/   Klimaschutz.html

5              https://wegccloud.uni-graz.at/s/rM8fyEs5wxjTmry

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Götze. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.