16.19

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Arbeitsminister! Herr Gesundheitsminister! Ich habe mir aus diesen Berichtsvorlagen, Vorschlägen und Anträgen das Thema Sonderbetreuungszeit herausgenommen.

Sonderbetreuungszeit ist mehr als ein Wort, zumal das Recht auf Sonderbetreuungszeit für viele Eltern, für viele Mütter und Väter zu einem Anker geworden ist. Wir wissen, es gibt bei Krankheit von Kindern Pflegefreistellung, es gibt, wenn plötzlich etwas auftritt, die Möglichkeit, sich frei zu nehmen. Es hat aber vor 1,5 Jahren noch keinen Rechts­anspruch gegeben. Damals wurde zum ersten Mal darüber geredet, dass es wichtig wäre, die Sonderbetreuungszeit mit der Arbeitgeberseite zu vereinbaren, damit Eltern – Mütter, Väter und vor allem sehr geforderte Alleinerzieherinnen oder Alleinerzieher , die beim Lernen geholfen, betreut und nebenbei gearbeitet haben, zumindest auch bis zu drei Wochen Erleichterung bekommen können.

Es hat allerdings doch einige Monate – bis zum November 2020 – gedauert, bis dieser Rechtsanspruch hier im Parlament beschlossen wurde, und dann war im neuen Schul­jahr alles wieder ganz anders. Ich glaube, es ist wichtig, die Geschichte dazu zu erzäh­len, weil bei den Erwachsenen, aber natürlich auch bei den Kindern tiefste Unsicherheit hervorgerufen wurde. Zu Beginn war nicht klar: Ist eine Schule offen, ist eine Schule zu? Gibt es Betreuung oder nicht?  Wenn es Betreuung gibt, gibt es keine Sonderbetreu­ungszeit und keine Freistellung.

Im Juli letzten Jahres ist die Regelung ausgelaufen, und im Herbst war für Eltern wieder diese Unsicherheit da. Ich darf Sie und uns alle nur daran erinnern: Es waren in der ersten Schulwoche an die 450 positiv getestete Kinder zu verzeichnen, und es wurde über mehr als 300 Klassen Quarantäne verhängt. Das ist nur einen Monat her, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es waren damals schon 8 000 Kinder in Quarantäne – und die Eltern hatten noch immer keinen Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit.

Dann hat es viel Druck gegeben. Das war notwendig und wichtig. Die Sozialpartner haben sich diesbezüglich gut verständigt, der Gewerkschaftsbund hat maßgeblich dazu beigetragen. Wir haben unseren Beitrag geleistet und gemeinsam haben wir ein Ein­lenken erreicht. Der vorläufige Vorschlag war, dass diese Sonderbetreuungszeit ab Ok­tober wieder eingeführt werden soll. Dann musste noch einmal Druck her, um den Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit rückwirkend mit September fortzusetzen.

Man muss schon auch an die Kinder denken: das Chaos zu Beginn, ohne Freitestung 14 Tage Quarantäne, mit Freitestung zehn Tage Quarantäne, ganze Klassen, die heim­geschickt wurden. Momentan beträgt die Quarantäne fünf Tage, wenn nur der Sitznach­bar oder die Sitznachbarin positiv getestet wird. Dieses Chaos bedeutet natürlich auch große Sorge für Eltern, einen Anruf zu bekommen und dann nicht zu wissen: Habe ich mein Kind abzuholen? Wie lang muss es nun zu Hause sein? Man muss sofort dem Arbeitgeber bekannt geben, dass Sonderbetreuungszeit beansprucht wird. Man muss darauf achten, dass niemand anderer Zeit hat, nur man selbst. Beide Elternteile müssen arbeiten. Die Regelung ist also sehr verschärft, was die Möglichkeit betrifft, den Rechts­anspruch auf Sonderbetreuungszeit in Anspruch zu nehmen. (Abg. Michael Hammer: Alles so furchtbar, na?!)

Herr Bundesminister Kocher, ich habe Sie bereits im Ausschuss gefragt, ich frage Sie heute noch einmal: Warum endet diese Verlängerung des Rechtsanspruchs auf Sonder­betreuungszeit mit Silvester, also mit 31.12.? Was ist nach den Weihnachtsferien? Sie haben mir und uns allen im Ausschuss geantwortet: Na ja, ich gehe davon aus, dass dann schon ganz viele Kinder geimpft wurden. Der Herr Gesundheitsminister ist jetzt gerade nicht mehr da, ich wollte aber auch ihn noch einmal miteinbeziehen. Erstens wissen wir noch nicht, wann diese Impfung nun wirklich freigegeben wird. Zweitens wis­sen wir nicht, welche Eltern ihre Kinder impfen lassen wollen und welche Kinder ab ei­nem gewissen Alter selbst entscheiden, ob sie sich impfen lassen.

Ihre Antwort, Herr Bundesminister Kocher, war folgende Annahme: Da sind dann ohne­hin schon viele Kinder geimpft und dann brauchen wir das nicht länger. – Das ist ein bisschen wenig gewesen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Belakowitsch.) Das wollte ich Ihnen noch einmal mitgeben, weil wir ja auch beantragt haben, dass es eigent­lich eine niederschwellige Informationskampagne zu dieser Kinderimpfung geben sollte. Eltern sollen verstehen können, was es bedeutet und welche Vorteile es hat, wenn Kin­der zwischen sechs und zwölf, in Folge aber auch noch jüngere, die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen.

Diese Krise hat bei den Kindern, aber auch bei den Erwachsenen ziemlich tiefe Spuren hinterlassen. Ich glaube, wir wissen mittlerweile nicht nur aus einigen Studien aus Deutschland und aus den USA, sondern auch aus Befragungen in Österreich, dass die psychosozialen Folgen dieser Krise für Kinder verheerend sein können. Zu Beginn wa­ren sie verängstigt, dass sie jemanden anstecken könnten. Sie erinnern sich an die ers­ten Aussagen des Altkanzlers, der gesagt hat, vielleicht wird jeder die Großeltern an­stecken, daher: Lockdown, alles zu. Kinder waren verängstigt, dass sie Weitergeber oder Weitergeberinnen dieses Virus sein könnten. Später war es dann so, dass Kinder schon mit Niedergeschlagenheit, Depressionen, vielleicht auch mit Essstörungen reagiert ha­ben. 16 Prozent der Kinder, die in Österreich im Rahmen dieser Studie befragt wurden, hatten sogar Suizidgedanken. Exzessiver Medienkonsum, aber auch Ängste und De­pressionen haben zugenommen.

Was trägt noch dazu bei? – Enge Wohnverhältnisse und herausfordernde Beziehungs­verhältnisse innerhalb der Familien können eine Rolle spielen. Wir alle können die psy­chischen Folgen heute noch nicht absehen. Ich glaube, es braucht mehr Hilfe für Eltern und für Kinder – das ist wichtig. Nun wurden Therapieplätze in Aussicht gestellt, das war heute sogar dem Finanzminister einen Halbsatz in der Budgetrede wert. Ich glaube al­lerdings, dass der Ausbau der Schulsozialarbeit und der Kindertherapie – nicht nur der Einrichtungen, sondern auch der Plätze – vervielfacht werden muss. Es geht nicht nur darum, dass man den Stoff nachholt – Kinder werden das, was sie in diesem Jahr nicht erlernen konnten, womöglich nie mehr aufholen können –, sondern vor allem auch da­rum, dass die Kinder samt ihren Eltern auch anderwärtig gut betreut sind. Es ist nicht wahr, dass die Welt wieder in Ordnung ist, wenn entweder die Kinderimpfung kommt oder wenn die Sonderbetreuungszeit mit 31.12. endet.

Nun komme ich zum Schluss – die Uhr geht nicht, sie ist auf 4 Minuten eingestellt, ich glaube, ich bin schon drüber, Herr Präsident, in der Tat, oder? Den letzten Satz möchte ich noch kurz sprechen: Herr Bundesminister, mit Schulschluss wären wir schon zufrie­den gewesen, Oktober wäre uns noch lieber gewesen, damit man auch den nächsten Sommer gut übersteht. Ich bin nicht überzeugt, dass dann schon alle Kinder geimpft sind oder die Pandemie schon zu Ende ist. Daher wäre es wichtig gewesen, dass man nun nicht schon wieder einen Schnitt mit Silvester ansetzt, sondern den Eltern und den Kin­dern ein bisschen mehr Sicherheit vermittelt, indem man den Rechtsanspruch auf die Sonderbetreuungszeit verlängert hätte. – Schade darum. (Beifall bei der SPÖ.)

16.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Touchscreen hat nicht funktioniert.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Salzmann.

Ich darf Herrn Bundesminister Kocher und auch die Studenten der Journalismusfach­hochschule aus Wien recht herzlich begrüßen, weil wir wieder die Möglichkeit haben, verstärkt Zuseher zuzulassen. (Allgemeiner Beifall.)

Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.