9.20

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben gestern die Budgetrede des Finanzministers gehört. Wir haben leider nicht sehr viel Neues gehört, wir haben eigent­lich überhaupt nicht viel gehört (Zwischenrufe bei der ÖVP – Abg. Schmuckenschlager: Da hättet ihr besser aufpassen müssen!), und das, obwohl ein Budget ja eigentlich – Sie haben es gesagt, Herr Kollege Wöginger – die wesentliche Grundlage für die politische Arbeit und das wesentliche politische Instrument darstellen sollte, um Weichen für die Zukunft unseres Landes zu stellen und um Weichen zur Bewältigung der großen Heraus­forderungen unserer Zeit zu stellen. Ist das in diesem Budget abgebildet? Glauben wir, dass dieses Budget genau das erfüllt? – Nein, Herr Finanzminister, und es wird Sie auch nicht wundern, dass wir diese Auffassung haben.

Wir haben gestern allerdings einen Satz von Ihnen gehört, das war der Satz: Die arbei­tenden Menschen werden entlastet. (Ruf bei der ÖVP: Bravo! – Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) – Das ist falsch, Herr Finanzminister, denn die arbeitenden Menschen zahlen diese Steuerreform, die Sie als wesentlichen Teil Ihres Budgets vorgestellt ha­ben, selbst. (Beifall bei der SPÖ.)

Es waren die hart arbeitenden Menschen Österreichs, die seit 2016, seit der letzten wirklich entlastenden Steuerreform – damals unter Werner Faymann (Heiterkeit des Abg. Lindinger–, durch die Teuerung bis heute höhere Steuern gezahlt und so Ihre Kassen gefüllt haben. Bekommen sie jetzt genau das, was sie zu viel gezahlt haben – Stichwort kalte Progression –, zurück? – Nein, sie bekommen einen Teil zurück; nicht einmal alles von dem, was Sie gezahlt haben, sondern nur einen Teil.

Wenn Sie, Herr Wöginger, sagen, die Menschen werden entlastet, und Sie uns vorrech­nen, dass das mehr als 1 000 Euro Entlastung im Jahr sind, dann müssen Sie dazu­sagen, dass das nicht für alle gleich ist. (Zwischenruf des Abg. Fürlinger.) Da wird sehr ungleich vorgegangen, denn den größten Profit von dieser Steuerreform haben jene Menschen, die mehr als 5 000 Euro brutto verdienen. Dasselbe gilt für den Kinderbonus. Genau das ist die unfaire Situation, die Ihre Steuerreform abbildet. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine wirkliche Entlastung sieht anders aus. Eine wirkliche Entlastung würde auch bedeuten, den Menschen das Geld dann zurückzugeben, wenn sie es wirklich und am dringendsten brauchen, und das ist jetzt. Daher wäre es notwendig, diese zu viel gezahlten Steuern rückwirkend nicht erst nächstes Jahr, Herr Finanzminister, sondern bereits mit 1. Juli 2021 zu senken, um die Menschen wirklich sofort zu entlasten. Warum? – Weil es jetzt notwendig wäre, den Menschen mehr Geld zum Leben zu geben, weil jetzt die Preissteigerung in Österreich, die Teuerung auf einem Rekordhoch – so hoch wie seit elf Jahren nicht mehr – ist.

Da gibt es zwei Preistreiber – Sie wissen das. Das ist zum einen das Wohnen. Das Wohnen ist in den letzten Jahren für Familien, für Paare, für Singles, für Studentinnen und Studenten immer teurer geworden. Am stärksten trifft es natürlich Familien, die den größten Wohnraum brauchen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Durch Corona sind diese Preise noch einmal explodiert. Das trifft die Mieterinnen und Mieter genauso wie die Eigentümerinnen und Eigentümer. Zusätzlich steigen die Energiekosten, auch das wissen wir, und sie steigen in den nächsten Monaten und in diesem Winter weiter und weiter. Experten rechnen mit 500 Euro Mehrbelastung im Jahr 2022 für Familienhaus­halte bei Strom und Gas. Die Preissteigerung beträgt bereits jetzt über 3 Prozent. Das Leben kostet immer mehr.

Dieser gewaltige Kostenanstieg belastet die Menschen in Österreich jetzt, vor allem die Familien. Die Menschen haben durch Corona zum Teil ihren Job verloren oder waren Monate, ja, über ein Jahr lang in Kurzarbeit und hatten dadurch große finanzielle Ein­bußen und Probleme.

Ich habe gestern in Ihrer Budgetrede keine nachhaltigen Maßnahmen gehört, mit denen gegen diese Teuerungswelle vorgegangen wird. (Zwischenruf der Abg. Salzmann.) Dabei braucht es jetzt eine Teuerungsbremse für die Menschen in Österreich. Die Steuerreform und das Budget wären die Chance, diese nachhaltige Teuerungsbremse für Österreich endlich einzuziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein wirkliches Geschenk hingegen in Ihrem Budget und in Ihrer Steuerreform ist die Senkung der Konzernsteuern. Davon profitieren natürlich nicht alle Unternehmerinnen und Unternehmer unseres Landes. (Abg. Haubner: Da bin ich gespannt auf die Wirt­schaftsausführungen! ... Standortpolitik, oder?! Verstehen Sie Standortpolitik?!) Es sind 5 Prozent der größten Konzerne Österreichs, die von dieser KöSt-Senkung profitieren  über 1 Milliarde Euro pro Jahr. (Abg. Haubner: Standortpolitik nennt man das, Sicherung von Arbeitsplätzen! Man verhindert Abzug von Unternehmen! Keine Ahnung!) Viel Geld, wenig Wirkung: Das sagen auch die Vertreterinnen und Vertreter der mittelständischen Wirtschaft, das sagt nicht nur die Sozialdemokratie.

„Kleine Unternehmen haben nicht so viel davon.“  Wissen Sie, wer das gesagt hat? Die Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung hat das festgestellt. (Abg. Haubner: Geh!) Da wird schamlos mit beiden Händen in den österreichischen Steuertopf gegriffen, in den Steuertopf, in den alle hart arbeitenden Menschen, auch die kleinen und mittleren Unternehmerinnen und Unternehmer, auch die Pensionistinnen und Pensionisten, monatlich einzahlen. Es werden Milliarden aus diesem Steuertopf rausgenommen (Abg. Pfurtscheller: Alles Blödsinn ...!), um es ein paar wenigen Großkonzernen zu schenken – ohne Wirkung für Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist Geld – über 1 Milliarde Euro! –, das in Dividenden fließt und das keine neuen Arbeitsplätze schafft, Herr Wöginger, so wie Sie es behaupten, das nichts mit zukunfts­orientierten Investitionen zu tun hat, Geld, das nicht diesen Wirtschaftsaufschwung, der jetzt gerade einmal in Gang kommt, unterstützt und beflügelt. Nein, es ist ein Geschenk, und das Perfide daran ist: Auch das zahlen die arbeitenden Menschen Österreichs, auch das zahlen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Österreichs, die bereits jetzt 80 Pro­zent aller Steuereinnahmen stemmen müssen. (Abg. Steinacker: Das ist Wirtschaft! – Abg. Pfurtscheller: So ein Blödsinn!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesen Milliarden, mit diesen Geschenken an die Großkonzerne könnte die Kinderbetreuung flächendeckend ausgebaut werden. 1,2 Milliarden Euro wurden, Herr Kurz, 2016 und 2017 den Kindern und den Familien Österreichs weggenommen, gestohlen und vereitelt. (Beifall bei der SPÖ.) Es wäre jetzt die Chance gewesen (Zwischenruf des Abg. Schnabel), diesen Fehler mit diesem Budget auszumerzen und diese Milliarde für den Ausbau der Kinderbetreuung in Öster­reich zurückzugeben. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schnabel.)

Mit diesen Milliarden könnte man die Arbeitslosigkeit in Österreich so gut wie abschaffen, könnte man eine Teuerungsbremse, die so notwendig ist, einziehen, damit nach dieser schweren Zeit das Leben wieder leistbar wird. Mit diesen Milliarden könnte in Öster­reich – das ist wesentlich – auch der Pflegenotstand beendet werden. Offenbar hat es sich aber auf der türkisen Seite ausgeklatscht, denn von Pflegerinnen und Pflegern und Respekt gegenüber diesen Berufen ist wenig in Ihrem Budget zu sehen, Herr Finanz­minister! (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Mit diesen Milliarden könnte man auch den Klimawandel nicht nur oberflächlich, sondern nachhaltig bekämpfen – auch das findet sich in Ihrem Budget nicht wieder. Es ist also alles andere als eine Zukunftsansage für Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Das türkis-grüne Budget, das so gut wie keinen Cent mehr für die Pflege vorsieht das ist Zukunftsvergessenheit, die ihresgleichen sucht: 25 Millionen Euro mehr für die Pflege für 2025. Wissen Sie, wie viele Milliarden die Wirtschaft bekommt, vor allem durch die KöSt-Senkung? – 1,5 Milliarden Euro in die Wirtschaft, 25 Millionen Euro in die Pflege; 1,5 Milliarden Euro in die Wirtschaft – das 75-Fache! Da stimmt irgendetwas nicht, Herr Finanzminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir steuern – wir diskutieren das nicht zum ersten Mal in diesem Hohen Haus – auf einen absoluten Pflegenotstand zu. Experten rechnen damit, dass wir bis zu 100 000 Pflege­kräfte zusätzlich brauchen – auch dazu keine Ansage! –, daher müsste die Pflege ein zentraler Inhalt Ihres Budgets sein, mit 25 Millionen Euro aber, Herr Finanzminister, kann man diesen Pflegenotstand nicht bekämpfen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie hätten es in der Hand gehabt. Dieses Budget hätte eine Chance für Österreich sein können. Es ist eine Frage des Respekts, die Pflege für alle Menschen nachhaltig abzusichern. Es ist eine Frage des Anstands, den Kindern und Familien die 1,2 Milliarden Euro, die ihnen 2016 und 2017 genommen wurden, mit die­sem Budget wieder zurückzugeben. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, den arbei­tenden Menschen das zurückzugeben, was sie in den letzten fünf Jahren zu viel in den Steuertopf gezahlt haben, und ihnen wieder ein leistbares Leben zu ermöglichen. Es ist eine Frage der Vernunft, endlich auch zu nachhaltigen Klimamaßnahmen zu kommen.

Ja, das kostet Geld, und da hätte man gezielt und nicht nur mit Überschriften und Mas­sensteuern ohne Lenkungseffekte vorgehen müssen. Dieses Budget wäre eine Chance gewesen. Diese Chance wurde vergeben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.30

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Kickl. – Bitte sehr.