15.27

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Ge­schätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! (Abg. Hörl: Entschuldige dich jetzt für die Vorwürfe vom Krainer!) Herr Vizekanzler Kogler, ich bin jetzt schon ein bisschen entsetzt. Sie kennen mich gut, wir kennen uns gut: Wenn ich ein bisschen entsetzt sage, bin ich eigentlich ordentlich entsetzt. (Abg. Hörl: Na was jetzt?)

Ich war schon entsetzt, als die Grünen gemeinsam mit den Türkisen den Ibiza-Unter­suchungsausschuss abgedreht haben (Abg. Hörl: Der ist ausgelaufen, mein Freund!), weil eigentlich noch genug herauszufinden gewesen wäre. (Abg. Lopatka: Was heißt „abgedreht“?)

Und jetzt, Herr Vizekanzler, wiederholt sich mein Entsetzen ein bisschen. Ich erkenne das an, Sie sagen, in Ihrem Zuständigkeitsbereich wird es keine Löschungen geben. Sie stellen sich aber her und lesen vor, was die türkise Familie Ihnen sozusagen zur Ver­fügung stellt. Das müssen Sie machen, das verstehe ich auch. (Vizekanzler Kogler: Aber Sie kennen schon die Bundesverfassung?) Dass aber kein Wort der Kritik, keine wie immer geartete Kritik an diesen Vorgängen, die jetzt anscheinend im Bundes­kanzleramt stattfinden, geäußert wird – Herr Kogler, das wäre früher sicher nicht so ge­schehen. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) Das muss man auch einmal ganz klar sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Strasser und Wöginger. – Ruf bei der ÖVP: Das ist ja nur Show!)

Ich darf Sie nur auf eine interessante Antwort aufmerksam machen. À la longue sind wahrscheinlich die meisten Antworten sehr interessant, die Sie vorgelesen haben, ich möchte aber nur auf eines aufmerksam machen. Frage 17 war: Wurden Transporte durchgeführt? Und die Antwort war: Es wurden keine beauftragt! – Das ist schon etwas anderes. Anscheinend sind also Transporte durchgeführt worden, und ich glaube, es wird für die Zukunft sehr interessant sein, was aus dem Bundeskanzleramt abtrans­portiert worden ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Wöginger: Nur Unterstellungen! Nur Unterstellungen! – Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller. – Abg. Strasser: Wo ist jetzt die sachliche Kritik?)

Der Wahlkampf der Grünen war von einigen interessanten Schlagwörtern geprägt, unter anderem dass der Anstand die Grünen wählen würde. Ich glaube, sicher zu wissen (Abg. Wöginger: Ich glaube, sicher zu wissen!), dass Sie jetzt ein bisschen versucht haben, die Fortsetzung der größten Schredderaktion in dieser Republik zu rechtfertigen. (Abg. Stögmüller: Ist das jetzt der Bundeskanzler?!) Das, Herr Vizekanzler, sind nicht Sie, das ist Ihrer nicht würdig! Das muss ich auch einmal ganz, ganz klar sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)

Auch wenn jetzt in dieser – vorgegebenen – Anfragebeantwortung zu erläutern versucht wurde, dass am Ende eh nichts gelöscht wurde (Abg. Stögmüller: Aber geh! Das ist eine schlechte Rede!), geht aus der Anordnung, die der Generalsekretär erlassen hat – und die zählt in diesem Fall, und da steht es wortwörtlich drinnen –, ganz, ganz klar hervor, dass gelöscht wird. (Abg. Tomaselli: Return to sender! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Das ist die größte Löschungsaktion der Zweiten Republik, um zu verhindern, dass weitere Korruption, weitere Missstände und weitere Unmoral in diesem Land aufgedeckt werden. Daran werden wir uns sicher nicht beteiligen. Im Gegenteil: Wir werden alles dafür tun, dass das aufgedeckt wird, geschätzte Damen und Herren! Es ist einfach unpackbar, das muss ich ganz offen sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Womit haben wir es da zu tun? Da können Sie (in Richtung Vizekanzler Kogler) nichts dafür, das ist mir klar, und ich höre schon mit der Kritik an Ihnen auf. (Abg. Prammer: Ja aber dann - -! – Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Womit haben wir es da aber zu tun? – Wir haben es mit dem Versuch zu tun, diese illegale Verhinderung von Daten­lieferungen, wie Herr Blümel es vorgemacht hat, weiter zu betreiben. (Zwischenruf des Abg. Strasser.) Es hat den Verfassungsgerichtshof und den Bundespräsidenten ge­braucht, um das zu unterbinden. Jetzt versucht das Bundeskanzleramt, so davonzu­kommen. Das ist etwas, was nicht akzeptabel ist, geschätzte Damen und Herren! Sie wollen so den Rechtsstaat beugen und das akzeptieren wir einfach nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Wöginger: Das ist eine bodenlose Frechheit, wirklich!)

Geschätzte Damen und Herren! Herr Klubobmann Wöginger hat gerade einen Zwi­schenruf getätigt und gemeint, was ich hier sage sei eine „bodenlose Frechheit“. Ich sage Ihnen etwas: Das, was die türkise Familie treibt, ist eine bodenlose Frechheit, und zwar gegenüber dem ganzen Land! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Die Frage ist aber, und das ist meines Erachtens die wichtigste Frage: Warum tun sie das? Warum machen sie ständig Dinge, die für andere Menschen einfach nicht nach­vollziehbar sind? Warum wollen sie, wie es passiert ist, anonym etwas schreddern? Das macht doch kein normaler Mensch. Warum wollen sie sämtliche E-Mails im Bundes­kanzleramt löschen? (Abg. Pfurtscheller: Die werden nicht gelöscht! – Abg. Gabriela Schwarz: Die werden nicht - -!) Warum tut man das? – Erklären Sie mir das bitte einmal! Warum tun Sie das? (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen die Antwort liefern. Die Antwort ist, dass Sie verhindern wollen, dass weitere Dinge, die dort geschehen sind, ans Licht kommen. Das ist das, was Sie möch­ten. (Zwischenruf des Abg. Strasser.) Es gibt ja den Verdacht, dass die Hausdurch­suchungen verraten worden sind, es gibt den Verdacht, dass die Ermittlungen konzertiert eingeschränkt und behindert werden. Vielleicht, geschätzte Damen und Herren, steht das in diesen E-Mails, die es im Bundeskanzleramt vielleicht gibt, und sie wollen ver­hindern, dass es herauskommt. Darum geht es einfach in dieser Frage und da spielen wir nicht mit. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, deshalb wollen wir auch einen Entschließungsantrag einbringen (Abg. Hörl: Seit wann braucht der ...?) – Herr Präsident, ich trage den Antrag jetzt vor –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unver­züglich Schluss mit Schreddern“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, unverzüglich Vorhaben zur Löschung elektroni­scher Daten einzustellen.

Die Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, unverzüglich eine umfassende Sicherung aller bestehenden Akten und Unterlagen einschließlich elektronischer Daten aus dem Untersuchungszeitraum des (verlangten) ÖVP-Korruptionsuntersuchungs­aus­schusses durchzuführen.“

*****

Herr Vizekanzler! (Rufe bei den Grünen: Wie lange?) Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen von der grünen Fraktion! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Türkisen! Wenn Sie es mit der Aufklärung ernst nehmen, dann stimmen Sie diesem Antrag und nicht Ihrem, der in Wahrheit nicht viel bewirken wird, zu. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Ein Wahnsinn! – Abg. Stögmüller: Das war keine gute Rede!)

15.34

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, GenossInnen

betreffend „Unverzüglich Schluss mit Schreddern“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Jan Krainer, Genossinnen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Schluss mit Schreddern – Aufklärung statt Aktenvernichtung, Herr Bundeskanzler!

Es besteht der Verdacht, dass in mehreren ÖVP-geführten Bundesministerien derzeit systematische Aktionen zur Aktenvernichtung laufen. Damit soll die Aufklärungsarbeit sowohl der Staatsanwaltschaften als auch des Nationalrates, insbesondere des neu ein­zusetzenden ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses, behindert bis verunmöglicht werden.

Abgesehen davon, dass die Löschung von Daten uU strafrechtlich relevant sein kann, werden durch solche Aktionen die verfassungsrechtlich garantierten Kontrollrechte des Nationalrates unterlaufen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, unverzüglich Vorhaben zur Löschung elektroni­scher Daten einzustellen.

Die Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, unverzüglich eine umfassende Sicherung aller bestehenden Akten und Unterlagen einschließlich elektronischer Daten aus dem Untersuchungszeitraum des (verlangten) ÖVP-Korruptionsuntersuchungsaus­schusses durchzuführen.

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstl, der heute einen runden Geburtstag, den Sechziger, feiert. – Alles Gute zum Geburtstag, lieber Wolfgang! Ich darf dich zur Prä­sentation des Geburtstagsgeschenks auffordern. (Allgemeiner Beifall.)