20.38

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Auch ich beziehe mich auf Tagesordnungspunkt 15, auf den Bericht des Rechnungshofes zum Nationalen Aktionsplan Ernährung. Das, was der Rechnungshof in seinem Beobachtungszeitraum von 2011 bis 2016 festgestellt hat, zeichnet eigentlich ein erschütterndes Bild, wenn Sie mich fragen. Es zeigt, dass ein sehr ernstes Thema sehr stiefmütterlich behandelt wurde und dass Alibiziele formuliert wurden, die in keiner Weise dazu geeignet waren, den tatsächlichen Gesundheits­zu­stand der österreichischen Bevölkerung und auch den tatsächlichen Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung zu messen und einen Erfolg der getroffenen Maßnah­men festzustellen.

Der Nationale Aktionsplan Gesundheit sollte ja eigentlich – eine Zieldefinition – eine Re­duktion der Fälle von Fehl-, Mangel- oder auch Überernährung bewirken und vor allem diesen Trend zu Übergewicht und Adipositas stoppen.

So hat sich nicht nur der Rechnungshof, sondern auch ich mir die Frage gestellt, wie man das mit drei Zielgrößen, nämlich dem Pro-Kopf-Verbrauch von Obst, dem Pro-Kopf-Verbrauch von Gemüse und dem Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker, feststellen soll. Das ist eine sehr, sehr indirekte Messgröße, ich würde es wagen, zu behaupten, eine völlig ungeeignete Messgröße. Dabei gibt es diese Messgrößen in der Medizin ja durchaus. Ich würde sagen, Körpergewicht, Body-Mass-Index und Bauchumfang wären sehr gut geeignet, um den Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung festzustellen. Und wenn man das Ganze in der Datenerfassung dann auch noch mit tatsächlichen ernährungsbedingten Erkrankungen kombinieren würde – Bluthochdruck, Hypercholes­terinämie, Diabetes natürlich und Ähnliches –, so wie der Rechnungshof das angeregt hat, dann hätten wir da doch eine Aussagekraft und valide Daten, an denen wir den Erfolg von Maßnahmen beurteilen könnten.

Die drei Projekte, die im Beobachtungszeitraum durchgeführt worden sind und für die im Durchschnitt gut eine halbe Million Euro pro Jahr ausgegeben wurde, sind alle sehr gut, das haben meine Vorredner auch schon gesagt, aber ob sie tatsächlich etwas gebracht haben, ob sie effizient waren, das steht in den Sternen und ist zu bezweifeln.

Wer glaubt, dass nach dem Beobachtungszeitraum, der geprüft wurde, der Nationale Aktionsplan Ernährung verbessert wurde, den muss ich leider enttäuschen. Auch der bis heute noch gültige Aktionsplan Ernährung sieht keinerlei Verbesserungen in den Steu­erungsgrößen oder auch bei den getroffenen Maßnahmen vor.

Wir haben im Rechnungshofausschuss den Herrn Bundesminister für Gesundheit auch gefragt, wie seine Pläne aussehen, welche neuen Ziele er denn für den nächsten Aktionsplan Ernährung, der ja schon überfällig ist, definieren möchte, aber er hat uns leider Gottes keine Antwort darauf geben können, er hat leider Gottes noch keinen Plan.

Dass das Ganze aber in der Realität eine drastische Entwicklung ist, das kann ich Ihnen anhand von einem Beispiel verdeutlichen: Wir haben in den vergangenen Jahren bis 2019 einen sukzessiven, aber langsamen Anstieg bei Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen gehabt. Im Sommer 2019 waren ungefähr 20 Prozent der österreichischen Kinder und Jugendlichen übergewichtig oder adipös.

In dem einen Jahr, von 2020 auf 2021, ist die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen um weitere 5 Prozentpunkte auf 25 Prozent gesprungen, also von 20 auf 25 Prozent Prävalenz innerhalb von nur einem Jahr – und das war das erste Coronajahr. Das war das Jahr, in dem die Kinder und Jugendlichen im Distance­learning waren, Sportunterricht und Vereinstätigkeit – auch darüber hinaus – nicht statt­gefunden haben, die Vereine überhaupt zugesperrt waren, und jetzt in weiterer Folge sind wir auch damit konfrontiert, dass es Eintrittsregelungen gibt, wie 1- oder 2G-Rege­lungen, in Sportstätten, in Indoorsportstätten, aber selbst für Jahresskikarten braucht man mittlerweile einen 1G-Nachweis.

Das heißt, es werden jetzt aktiv unzählige Maßnahmen gesetzt, die unsere Kinder und Jugendlichen auch weiter von Bewegung und Sport abhalten, und das wird man mit Ernährung nicht kompensieren können, meine sehr geehrten Damen und Herren, son­dern da haben wir eine veritable Krise, wo wir sofort und rasch Maßnahmen auf allen Ebenen brauchen und wo wir natürlich auch entsprechendes Datenmaterial brauchen.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesunde Ernährung, Sport und Bewegung fördern“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz werden aufgefordert, schnellstmöglich zielführende Kampagnen und sinnvolle Initiativen zu entwickeln, um eine Trendumkehr der steigenden Über­gewichts- und Adipositaszahlen in Österreich zu erreichen und die Gesundheit der Österreicher zu verbessern.“

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Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

20.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Petra Steger

und weiterer Abgeordneter

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 15.): Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Nationaler Aktionsplan Ernährung –Reihe BUND 2018/56 (III-13/1045d.B.)  in der 127. Sitzung, XXVII GP., am 14. Oktober 2021

betreffend gesunde Ernährung, Sport und Bewegung fördern

Das oberste Ziel des Nationalen Aktionsplans Ernährung ist die Verringerung von Fehl-, Über- und Mangelernährung sowie eine Trendumkehr der steigenden Übergewichts- und Adipositaszahlen in Österreich zu erreichen.

Der Rechnungshof kritisierte in seinem Bericht zum Nationalen Aktionsplan Ernährung die vorgegebenen Zielsetzungen – weniger Fett, Salz und Zucker, mehr komplexe Kohlehydrate und Ballaststoffe, sowie eine Optimierung der Fettqualität und der Flüs­sigkeitszufuhr für die Österreicherinnen und Österreicher – als zu allgemein. Er empfahl unter anderem: „Daten zur Bewertung eines möglichen Zusammenhangs zwischen Ernährung und Erkrankungen wären aufzubauen und laufend zu aktualisieren. Aus den Auswertungen könnten weitere Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung bzw. Erhaltung der Gesundheit der Bevölkerung erarbeitet und abgeleitet werden.“ 1

Anstatt sich der Kritik des Rechnungshofes anzuschließen und Gegenmaßnahmen zur ungesunden Lebensweise vieler Österreicher zu erarbeiten, kamen seitens der Bundes­regierung keinerlei positive Anreize in den Bereichen Gesundheit und Sport. Ganz im Gegenteil – aufgrund der Coronasituation verordnete der zuständige Minister diverse Lockdowns, Ausgangsbeschränkungen und Betretungsverbote für Sportstätten. Anstatt Bewegung im Freien zu fördern und dadurch die Gesundheit zu fördern, wurden die Österreicher durch undurchdachte Gesetzesbeschlüsse immer mehr in ihre eigenen vier Wände gezwungen.

In der Beantwortung einer schriftlichen Anfrage schrieb der Sportminister: „Eine inaktive Lebensführung frei von Sport und Bewegung stellt ein erhöhtes Gesundheitsrisiko dar. Ein zentrales Ziel ist es daher, die Anzahl der Menschen zu erhöhen, die regelmäßig Sport betreiben. […] Diese Herausforderung gilt es, für alle Altersgruppen und nicht zuletzt für besonders inaktive Bevölkerungsgruppen durch gezielte Förderungen im Bereich des Gesundheits- , Schul- und Breitensports anzupacken.“

Laut den Österreichischen Bewegungsempfehlungen2 sollten Erwachsene mindestens 150 Minuten (2 ½ Stunden) pro Woche Bewegung mit mittlerer Intensität oder 75 Minuten (1 ¼ Stunden) mit höherer Intensität durchführen – oder eine Kombination von beidem. An zwei oder mehr Tagen der Woche sollten muskelkräftigende Bewegung mit mittlerer oder höherer Intensität durchgeführt werden, bei denen alle großen Muskel­gruppen beansprucht werden. Die Realität sieht leider so aus, dass, laut österreichischer Gesundheitsbefragung 2019, nur ca. ein Viertel der Österreicher die Kriterien erfüllen, also viel zu wenig für ihre Ausdauer und Muskelstärkung machen.

Die Politik ist dafür verantwortlich, Bedingungen zu schaffen, die ein aktives und ge­sundes Leben fördern und erleichtern. Es muss klar sein, dass die Möglichkeiten gesunder Bewegung, ausgewogener Ernährung und die Trendumkehr hin zu mehr Sport im Kinder- und Jugendalter als Notwendigkeiten begriffen werden und nicht als Luxus oder sogar als Gnadenrecht abgetan werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz werden aufgefordert, schnellstmöglich zielführende Kampagnen und sinnvolle Initiativen zu entwickeln, um eine Trendumkehr der steigenden Über­gewichts- und Adipositaszahlen in Österreich zu erreichen und die Gesundheit der Öster­reicher zu verbessern.“

1 https://rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Nationaler_Aktionsplan_Ernaehrung.pdf

2https://www.gesundheit.gv.at/leben/bewegung/gesund-durch-sport/inhalt

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag.a Ulrike Fischer. – Bitte, Frau Abgeordnete.