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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

127. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 14. Oktober 2021

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

127. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode         Donnerstag, 14. Oktober 2021

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 14. Oktober 2021: 9.03 – 21.49 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Erste Lesung: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2022 (Bundesfinanzgesetz 2022 – BFG 2022) samt Anlagen

2. Punkt: Bericht über den Antrag 1890/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdoppelung des Schulstartgeldes

3. Punkt: Bericht über den Antrag 1734/A(E) der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulstartgeld für alle Schülerinnen und Schüler der Primar- und Sekundarstufe

4. Punkt: Bericht über den Antrag 1743/A(E) der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verschwinden von Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung

5. Punkt: Bericht über den Antrag 1928/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuelle Situation in Afghanistan

6. Punkt: Bundesgrundsatzgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze betreffend die fachlichen Anstellungserfordernisse für Kindergärtnerinnen und Erzieher geändert wird

7. Punkt: Bericht über den Antrag 1899/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Sibylle Hamann, Petra Vorderwinkler, Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Analyse der Schulabmeldungen im ak­tuellen Schuljahr

8. Punkt: Bericht über den Antrag 1920/A(E) der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Diskriminierung von Schülern im häuslichen Unterricht

9. Punkt: Bericht über den Antrag 1921/A(E) der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung von Schülern im häuslichen Unter­richt und im ortsungebundenen Unterricht


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 2

10. Punkt: Bericht über den Antrag 1786/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Multiprofessionelles Unterstützungspersonal für Schulen

11. Punkt: Bericht über den Antrag 1929/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Maria There­sia Niss, MBA, Mag. Sibylle Hamann, Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abbau von Genderstereotypen in Arbeits- und Lehrmaterialien, ins­besondere Schulbüchern, sowie über den

Antrag 1603/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Geschlechtersensible Evaluierung von Lern- und Lehrmaterialien

12. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über die Finanzierung der Regionalbahn Tiroler Zentralraum, Abschnitt Rum

13. Punkt: Bericht über den Antrag 1451/A(E) der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend sichere Finanzierung des 1-2-3-Tickets

14. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 7, 40, 46 und 47, 56 und 59 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 3 und 35

15. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Nationaler Aktionsplan Ernährung – Reihe BUND 2018/56

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Ausgewählte Steuerungsbereiche in der Krankenversicherung; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/64

17. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend psychosoziale Angebote in den Ländern Salzburg und Steiermark – Reihe BUND 2019/9

18. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend IT-Projekt ZEPTA – Reihe BUND 2018/54

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend IT-Projekt ZEPTA der Pensions­ver­sicherungsanstalt und nachfolgendes Standardprodukt ePV; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2021/9

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Arzneimittelbeschaffung für ausge­wählte Krankenanstalten in Salzburg und Tirol – Reihe BUND 2019/44

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Invaliditätspension Neu; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2020/31

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Ärztliche Versorgung im niederge­lassenen Bereich – Reihe BUND 2021/30

23. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Geburtshilfe-Versorgung in Nieder­österreich und Wien – Reihe BUND 2021/2

24. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Psychiatrische Versorgung in Kran­ken­anstalten in Kärnten und Tirol – Reihe BUND 2018/57

25. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Rolle des Bundes in der österreichi­schen Krankenanstaltenplanung; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/65

26. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Interne Revision und Kontrollver­sammlung bei den Sozialversicherungsträgern SVA und VAEB – Reihe BUND 2019/2


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 3

27. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend System der Finanzzielsteuerung im Gesundheitswesen – Reihe BUND 2019/47

28. Punkt: Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Dr. Martin Graf

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Inhalt

Nationalrat

Angelobung des Abgeordneten Sebastian Kurz ...................................................      15

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................      15

Ordnungsrufe .................................................................................................  55, 72

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schuss­berichtes 1097 d.B. gemäß § 44 (2) GOG ....................................................      17

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 GOG ........................................................................................................      17

Wortmeldungen betreffend die Abwesenheit von Abgeordneten:

August Wöginger ....................................................................................................      79

Mag. Jörg Leichtfried .............................................................................................      80

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................      80

Unterbrechung der Sitzung .....................................................................................    111

Verlangen der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES auf Erteilung eines Ordnungsrufes ................................................................................................    142

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ................................................................................................      15

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................  16, 81

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanzler betreffend „Schluss mit Schreddern – Aufklärung statt Aktenvernichtung, Herr Bundeskanzler!“ (8234/J) .................................................................................    111

Begründung: Kai Jan Krainer ..................................................................................    115

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ...........................................................................    118


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 4

Debatte:

Mag. Jörg Leichtfried .............................................................................................    121

Mag. Wolfgang Gerstl .............................................................................................    124

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................    126

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................    128

Dr. Helmut Brandstätter .........................................................................................    130

Julia Elisabeth Herr ................................................................................................    133

Mag. Ernst Gödl ......................................................................................................    134

Christian Ries ..........................................................................................................    137

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................    138

Dr. Stephanie Krisper .............................................................................................    139

Mag. Klaus Fürlinger ..............................................................................................    141

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ...........................................................................    142

Michael Schnedlitz ..................................................................................................    143

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................    144

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unverzüglich Schluss mit Schreddern“ – Ablehnung .....  123, 146

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufbewahrung von Akten und Daten in den Ministerien“ – Annahme (206/E) ..........................................  136, 146

Verhandlungen

1. Punkt: Erste Lesung: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­an­schlages für das Jahr 2022 (Bundesfinanzgesetz 2022 – BFG 2022) samt Anlagen (1034 d.B.) ................................................................................................................      18

RednerInnen:

August Wöginger ....................................................................................................      18

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ............................................................................      21

Herbert Kickl ............................................................................................................      23

Sigrid Maurer, BA ...................................................................................................      28

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .........................................................................      30

Gabriel Obernosterer ..............................................................................................      32

Kai Jan Krainer ........................................................................................................      34

MMag. DDr. Hubert Fuchs ......................................................................................      35

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA .................................................................................      37

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................      39

Peter Haubner .........................................................................................................      41

Eva Maria Holzleitner, BSc ....................................................................................      42

Lukas Hammer ........................................................................................................      43

Mag. Gerald Loacker ..............................................................................................      45

Mag. Michael Hammer ............................................................................................      46

Rainer Wimmer .......................................................................................................      47

Mag. Meri Disoski ...................................................................................................      48

Michael Bernhard ....................................................................................................      50

Dipl.-Ing. Georg Strasser .......................................................................................      51

Nurten Yılmaz (tatsächliche Berichtigung) ..............................................................      53

Josef Muchitsch ......................................................................................................      53

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................      55

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................      56

Mag. (FH) Kurt Egger ..............................................................................................      57

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................      58

Mag. Sibylle Hamann ..............................................................................................      58

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................      60


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 5

Christoph Stark .......................................................................................................      61

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................      62

Mag. Markus Koza ..................................................................................................      63

Peter Weidinger ......................................................................................................      64

Mag. Jörg Leichtfried (tatsächliche Berichtigung) .................................................      65

Maximilian Lercher .................................................................................................      66

Bedrana Ribo, MA ...................................................................................................      67

Angela Baumgartner ..............................................................................................      67

Petra Wimmer ..........................................................................................................      68

Josef Muchitsch (tatsächliche Berichtigung) ..........................................................      69

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................      69

Sebastian Kurz ........................................................................................................      70

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................      72

Andreas Ottenschläger ..........................................................................................      73

Gabriele Heinisch-Hosek (tatsächliche Berichtigung) ...........................................      75

Wolfgang Zanger ....................................................................................................      75

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................      76

Julia Elisabeth Herr ................................................................................................      78

Zuweisung der Regierungsvorlage 1034 d.B. an den Budgetausschuss ................      81

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 1890/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Verdoppelung des Schulstartgeldes (1064 d.B.) .............................................      81

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 1734/A(E) der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulstartgeld für alle Schülerinnen und Schüler der Primar- und Sekundarstufe (1065 d.B.) ................................................................................................................      81

RednerInnen:

Eva Maria Holzleitner, BSc ....................................................................................      81

Maria Großbauer .....................................................................................................      82

Mag. Selma Yildirim (tatsächliche Berichtigung) ....................................................      83

Edith Mühlberghuber ..............................................................................................      84

Barbara Neßler ........................................................................................................      84

Maximilian Köllner, MA ..........................................................................................      86

Michael Bernhard ....................................................................................................      86

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .......................................................      87

Joachim Schnabel ..................................................................................................      88

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1064 und 1065 d.B. ......................      95

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 1743/A(E) der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verschwinden von Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung (1066 d.B.) .....      89

RednerInnen:

Petra Wimmer ..........................................................................................................      89

Lukas Brandweiner .................................................................................................      90

Christian Lausch .....................................................................................................      91

Barbara Neßler ........................................................................................................      92

Katharina Kucharowits ...........................................................................................      93

Norbert Sieber .........................................................................................................      94


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 6

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1066 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 1743/A(E) .................................................................................................................      96

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1066 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Schutz von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ (204/E) ......................................................................................................................      96

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1928/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuelle Situation in Afghanistan (1061 d.B.) .....................      96

RednerInnen:

Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................      96

Dr. Reinhold Lopatka ..............................................................................................      97

MMMag. Dr. Axel Kassegger .................................................................................      99

Dr. Harald Troch ......................................................................................................    100

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ...........................................................................................    101

Dr. Stephanie Krisper .............................................................................................    103

Dr. Gudrun Kugler ..................................................................................................    104

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................    105

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1061 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „die aktuelle Situation in Afghanistan“ (205/E) .....................    106

6. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1042 d.B.): Bundesgrundsatzgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze betref­fend die fachlichen Anstellungserfordernisse für Kindergärtnerinnen und Erzieher geändert wird (1074 d.B.) .........................................................................................    106

RednerInnen:

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd ................................................................................    106

Petra Vorderwinkler ................................................................................................    108

Hermann Brückl, MA ..............................................................................................    109

Mag. Sibylle Hamann ..............................................................................................    110

Mag. Martina Künsberg Sarre ................................................................................    146

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .....................................................................    147

Claudia Plakolm ......................................................................................................    149

Katharina Kucharowits ...........................................................................................    150

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................    151

Ing. Johann Weber ..................................................................................................    152

Annahme des Gesetzentwurfes in 1074 d.B. ...........................................................    170

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1899/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Sibylle Hamann, Petra Vorderwinkler, Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Analyse der Schulabmeldungen im aktuellen Schuljahr (1075 d.B.) .....    153

8. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1920/A(E) der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Diskriminierung von Schülern im häuslichen Unterricht (1076 d.B.) .......................    153

9. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1921/A(E) der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unter­stützung von Schülern im häuslichen Unterricht und im ortsungebundenen Unter­richt (1077 d.B.) ........................................................................................................    153


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 7

10. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1786/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Multiprofessionelles Unterstützungspersonal für Schulen (1078 d.B.) ....................    153

RednerInnen:

Nurten Yılmaz ..........................................................................................................    154

Mag. Dr. Rudolf Taschner ......................................................................................    154

Hermann Brückl, MA ..............................................................................................    155

Mag. Sibylle Hamann ..............................................................................................    157

Mag. Martina Künsberg Sarre ................................................................................    158

MMMag. Gertraud Salzmann .................................................................................    159

Klaus Köchl .............................................................................................................    160

Mag. Romana Deckenbacher .................................................................................    161

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................    162

Ing. Manfred Hofinger .............................................................................................    163

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .....................................................................    164

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................    165

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Tag der Freiheit am 26.10. – Schluss mit Corona-Maßnahmen im Bildungsbereich“ – Ablehnung ........................................  157, 170

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1075 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Analyse der Schulabmeldungen im aktuellen Schuljahr“ (207/E) ......................................................................................................................    170

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 1076, 1077 und 1078 d.B. .................    170

11. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1929/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA, Mag. Sibylle Hamann, Mag. Mar­tina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abbau von Gender­stereotypen in Arbeits- und Lehrmaterialien, insbesondere Schulbüchern, sowie über den

Antrag 1603/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Geschlechtersensible Evaluierung von Lern- und Lehr­materialien (1079 d.B.) .............................................................................................    166

RednerInnen:

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA ......................................................................    166

Nurten Yılmaz ..........................................................................................................    168

Mag. Sibylle Hamann ..............................................................................................    169

Mag. Martina Künsberg Sarre ................................................................................    169

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1079 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Abbau von Genderstereotypen in Arbeits- und Lehr­mate­rialien, insbesondere Schulbüchern“ (208/E) ...........................................................    171

12. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (1041 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über die Finanzierung der Regionalbahn Tiroler Zentralraum, Abschnitt Rum (1095 d.B.) ................................................................................................................    171

RednerInnen:

Hermann Weratschnig, MBA MSc .........................................................  171, 183

Alois Stöger, diplômé .............................................................................................    172

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................    172

Hermann Gahr .........................................................................................................    175

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................    175


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 8

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    176

Klaus Köchl .............................................................................................................    177

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................    177

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................    179

Erwin Angerer .........................................................................................................    180

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „kein Baustopp und keine Bauverzögerung bei der S34 Traisental Schnellstraße“ – Ablehnung .............................................  174, 197

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kein Neubau der Luegbrücke gegen den Willen der Bevöl­kerung“ – Ablehnung .................................................................................  178, 197

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Mag. Dr. Petra Oberrauner, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Planung und Errichtung einer Güterbahntrasse sowie Ergreifen von Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung im Kärntner Zentralraum vor dem Bahnlärm“ – Ablehnung .................................................................................................  181, 197

Genehmigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG in 1095 d.B. .....................    197

13. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1451/A(E) der Ab­geordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend sichere Finanzierung des 1-2-3-Tickets (1096 d.B.) .............................................................    184

RednerInnen:

Melanie Erasim, MSc ..............................................................................................    184

Hermann Weratschnig, MBA MSc .........................................................................    187

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek .....................................................................................    188

Andreas Ottenschläger ..........................................................................................    189

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................    190

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    190

Lukas Hammer ........................................................................................................    192

Lukas Brandweiner .................................................................................................    193

Joachim Schnabel ..................................................................................................    194

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................    195

Entschließungsantrag der Abgeordneten Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „nachhaltigen Stärkung der Gemeindefinanzen“ – Ableh­nung ...........................................................................................................  185, 197

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1096 d.B. ................................................    197

14. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 7, 40, 46 und 47, 56 und 59 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 3 und 35 (1094 d.B.) ...........................................................................................    197

RednerInnen:

Peter Weidinger ......................................................................................................    198

Andreas Kollross ....................................................................................................    199

Christian Ries ..........................................................................................................    200

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................    201

Michael Bernhard ....................................................................................................    201

Hans Stefan Hintner ...............................................................................................    203

Rudolf Silvan ...........................................................................................................    203

Peter Schmiedlechner ............................................................................................    204

Bettina Zopf .............................................................................................................    205


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 9

Robert Laimer ..........................................................................................................    206

Christian Lausch .....................................................................................................    207

Nikolaus Prinz .........................................................................................................    208

Michael Seemayer ...................................................................................................    209

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................    210

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA ......................................................................    211

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1094 d.B. hinsichtlich der Petitionen Nr. 7, 40, 46 und 47, 56 und 59 sowie der Bürgerinitiativen Nr. 3 und 35................    212

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Nationaler Aktionsplan Ernährung – Reihe BUND 2018/56 (III-13/1045 d.B.) .......................................................................................................    212

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Ausgewählte Steuerungsbereiche in der Krankenversiche­rung; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/64 (III-16/1050 d.B.) ................    212

17. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend psychosoziale Angebote in den Ländern Salzburg und Steiermark – Reihe BUND 2019/9 (III-25/1053 d.B.) ...............................................    212

18. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungs­hofes betreffend IT-Projekt ZEPTA – Reihe BUND 2018/54 (III-12/1055 d.B.) ......    212

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend IT-Projekt ZEPTA der Pensionsversicherungsanstalt und nachfolgendes Standardprodukt ePV; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2021/9 (III-250/1056 d.B.) .....................................................................................................    212

RednerInnen:

Andreas Kühberger ................................................................................................    213

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................    214

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................    215

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................    218

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................    218

Mag. Felix Eypeltauer .............................................................................................    219

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesunde Ernährung, Sport und Bewegung fördern“ – Ablehnung .................................................................................................  216, 238

Kenntnisnahme der fünf Berichte III-13, III-16, III-25, III-12 und III-250 d.B. ...........    238

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Arzneimittelbeschaffung für ausgewählte Krankenanstalten in Salzburg und Tirol – Reihe BUND 2019/44 (III-60/1044 d.B.) .............................    221

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Invaliditätspension Neu; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2020/31 (III­178/1046 d.B.) ...........................................................................    221

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich – Reihe BUND 2021/30 (III-396/1047 d.B.) ...........................................................................    221


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 10

23. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Geburtshilfe-Versorgung in Niederösterreich und Wien – Reihe BUND 2021/2 (III-221/1048 d.B.) ...................................................................    221

24. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Psychiatrische Versorgung in Krankenanstalten in Kärnten und Tirol – Reihe BUND 2018/57 (III-14/1049 d.B.) ................................................    221

25. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Rolle des Bundes in der österreichischen Krankenan­stal­tenplanung; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/65 (III-17/1051 d.B.) .....    221

26. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Interne Revision und Kontrollversammlung bei den Sozial­ver­sicherungsträgern SVA und VAEB – Reihe BUND 2019/2 (III-19/1052 d.B.) ....    221

27. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend System der Finanzzielsteuerung im Gesundheitswesen – Reihe BUND 2019/47 (III-72/1054 d.B.) ...................................................................    222

RednerInnen:

Dr. Werner Saxinger, MSc ......................................................................................    222

Philip Kucher ...........................................................................................................    223

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................    224

Ralph Schallmeiner ................................................................................................    227

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ..........................................................................    228

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ......................................................    229

Hermann Gahr .........................................................................................................    231

Michael Seemayer ...................................................................................................    231

David Stögmüller ....................................................................................................    232

Mag. Gerald Loacker ..............................................................................................    233

Laurenz Pöttinger ...................................................................................................    235

Andreas Kollross ....................................................................................................    236

Ing. Martin Litschauer ............................................................................................    237

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum“ – Ablehnung ..................................................................................  225, 239

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der Empfehlung des Rechnungshofes zur Datenqualität betreffend ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich“ – Ab­lehnung ......................................................................................................  234, 239

Kenntnisnahme der acht Berichte III-60, III-178, III-396, III-221, III-14, III-17, III-19 und III-72 d.B. ...........................................................................................................    238

28. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien (GZ. MBA/210000025592/2021) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Dr. Martin Graf (1097 d.B.) ....    239

Annahme des Ausschussantrages ...........................................................................    239

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ...............................................................................................      16

1035 und Zu 1035: Bundesfinanzrahmengesetz 2022 bis 2025 – BFRG 2022-2025


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 11

1098: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstatistikgesetz 2000 und Forschungs­organisationsgesetz geändert werden

1099: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Zahlungsdienste­gesetz 2018 zur Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln geändert werden

1100: Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Referenzwerte-Vollzugsgesetz geändert werden

1101: Bundesgesetz, mit dem das Vereinsgesetz 2002, das Waffengesetz 1996 und das Sprengmittelgesetz 2010 geändert werden

1102: Budgetbegleitgesetz 2022

1103: Erstes EU-Informationssysteme-Anpassungsgesetz

1104: Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle Kreislaufwirtschaftspaket)

1105: Pensionsanpassungsgesetz 2022 – PAG 2022

Anträge der Abgeordneten

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Entschlossenheit im Kampf gegen die Plastikflut (1981/A)(E)

Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend Explodierende Strom- und Heiz­kosten: Teuerungsbremse für Österreich – jetzt! (1982/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klimainvestitionen statt Körperschaftssteuer-Geschenke für Konzerne (1983/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktionsplan für ein digital souveränes Österreich und Europa (1984/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer ambitionier­teren CO2 Bepreisung bei gleichzeitiger Steuerentlastung (1985/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung des Dieselprivi­legs (1986/A)(E)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Endlich Abschaffung oder Ökologisierung umweltschädlicher Subventionen (1987/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung des Dieselprivilegs (1988/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Endlich Abschaf­fung oder Ökologisierung umweltschädlicher Subventionen (1989/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer ambitionierteren CO2 Bepreisung bei gleichzeitiger Steuerentlastung (1990/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (1991/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 12

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ende aller Covid-Maßnahmen und Corona-Freiheitstag am 26. Oktober 2021 (1992/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ende aller Covid-Maßnahmen und Corona-Freiheitstag am 26. Oktober 2021 (1993/A)(E)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der Sammlungstätigkeit der Bundesmuseen im Sinne der Schaffung einer gesamtheitlichen Sammlungspolitik des Bundes (1994/A)(E)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schließung der Bundesbetreuungseinrichtung Steinhaus (1995/A)(E)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung von befristeten Mietverträgen (1996/A)(E)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz B-VG 1930 geändert wird (1997/A)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Benachteiligung der Mie­ter*innen in den städtischen Ballungszentren durch den Klimabonus (1998/A)(E)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Förderung für betriebliche Testungen (Betriebliches Testungs-Gesetz – BTG) geändert wird (1999/A)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Energiearmut verhindern – keine Strom- und Gaspreiserhöhungen durch öffentliche EVUs (2000/A)(E)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Energiearmut verhindern – keine Strom- und Gaspreiserhöhungen durch öffentliche EVUs (2001/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Inseratenstopp für das System Türkis (2002/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der ORF-Zwangs­ge­bühren (2003/A)(E)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Koppelung der österreichischen Steuergelder für die Entwicklungszusammenarbeit an Rücknahme­ab­kommen (2004/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pfandsystem ohne Teuerung und versteckte Steuern (2005/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pfandsystem ohne Teuerung und versteckte Steuern (2006/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weidezone Österreich – für den Erhalt der heimischen Kulturlandschaft und Almen (2007/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pfandausnahme für Grund­nahrungsmittel: Kein Pfand auf Milch! (2008/A)(E)

Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Normverbrauchsabgabegesetz geändert wird (2009/A)

Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz geändert wird (2010/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 13

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Tausch- oder Verkaufsabsichten von Naturparkflächen der Österreichischen Bundesforste AG in Tirol (8211/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Genehmi­gun­gen von Hubschrauberflügen in Naturparkflächen der Österreichischen Bundesforste AG (8212/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Tausch- oder Verkaufsabsichten von Naturparkflächen der Österreichischen Bundesforste AG in Tirol (8213/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Vorhang auf: Transparenz über Kennzahlen in den Wirtschaftskammern (8214/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Einsätze des Jagdkommandos (8215/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend SDR Gelder für Belarus (8216/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Verschmutzung der Weiden und Almen (8217/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Verschmutzung der Weiden und Almen (8218/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Diskriminierung von Ungeimpften am BORG Birkfeld (8219/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Ungeimpfte = Dodeln? (8220/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend hoher Nachzahlungen bei verspäteter Über­mittlung von Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen (8221/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Impfpflicht für Bewerber bei der Polizei (8222/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Angst und Schrecken im Schuldienst: Lehrer ohne Corona-Impfung entlassen (8223/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend hoher Beamter soll zwei Frauen bei Fest belästigt haben (8224/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Erhebungen und Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen in ihrem Ressort (8225/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 14

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend nach Auslaufen der Stundungen drohen tausende Pleiten (8226/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Rechte von Pensionisten und ihren Angehörigen (8227/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Unbesetzte Kassenarztstellen im niedergelassenen Bereich (8228/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Neue Studie sieht keinen Zu­sammenhang zwischen den Corona-Fällen und der Impfquote (8229/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Zulassung des Medikaments Ivermectin bei Covid-19 (8230/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Arbeitslos gemeldeter Drogenboss kassierte Arbeitslosenunterstützung (8231/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Verschmut­zung der Weiden und Almen (8232/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend der Vergabe von Gurgeltests für Schüler*innen an Novogenia & Artichoke Computing („COVID Fighters“), der Ausschreibung GZ 5301.03891 bzw. des erneuten Aufrufs zum Wettbewerbs GZ 5391.03973 (8233/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Schluss mit Schreddern – Aufklärung statt Aktenvernichtung, Herr Bundeskanzler! (8234/J)

 


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 15

09.03.44Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.03.45*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie recht herzlich zur 127. Sitzung begrüßen, die ich hiermit eröffne.

Ich darf die Medienvertreter auf der Galerie und die Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen recht herzlich begrüßen.

Das Amtliche Protokoll der 124. Sitzung vom 12. Oktober 2021 ist in der Parla­ments­direktion aufgelegen und wurde nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Nico Marchetti, Ing. Reinhold Einwallner, Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Sabine Schatz, Alois Kainz, Peter Wurm und Michel Reimon, MBA.

09.04.18Angelobung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, dass Herrn Sebastian Kurz das Mandat, das er aus Anlass seiner Ernennung zum Bundeskanzler zurückgelegt hat, erneut zugewiesen wurde. Damit ist die Abge­ordnete Irene Neumann-Hartberger aus dem Nationalrat ausgeschieden.

Da der Wahlschein bereits vorliegt und der Genannte im Hause anwesend ist, werde ich sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird der neue Abgeordnete seine Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten haben.

Ich darf den Herrn Schriftführer, Abgeordneten Gahr, ersuchen, die Gelöbnisformel zu verlesen.


Schriftführer Hermann Gahr: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Abg. Sebastian Kurz leistet die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“. – Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei den Grünen.)

*****

09.05.21Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung ge­macht:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 16

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Linhart wird durch Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration MMag. Dr. Susanne Raab vertreten.

Ferner darf ich bezüglich Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, Folgendes bekannt geben:

Bundeskanzler Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. wird durch Vizekanzler Mag. Werner Kogler vertreten.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­gegen­stände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 8211/J bis 8234/J

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Pensionsanpassungsgesetz 2022 – PAG 2022 (1105 d.B.)

Budgetausschuss:

Bundesfinanzrahmengesetz 2022 bis 2025 – BFRG 2022-2025 (1035 und Zu 1035 d.B.)

Budgetbegleitgesetz 2022 (1102 d.B.)

Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Immo­bilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Referenz­werte-Vollzugsgesetz geändert werden (1100 d.B.)

Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesstatistikgesetz 2000 und das Forschungsorgani­sa­tions­gesetz geändert werden (1098 d.B.)

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bundesgesetz, mit dem das Vereinsgesetz 2002, das Waffengesetz 1996 und das Sprengmittelgesetz 2010 geändert werden (1101 d.B.)

Erstes EU-Informationssysteme-Anpassungsgesetz (1103 d.B.)

Justizausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Zahlungsdienstegesetz 2018 zur Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammen­hang mit unbaren Zahlungsmitteln geändert werden (1099 d.B.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 17

Umweltausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle Kreislaufwirtschaftspaket) (1104 d.B.)

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung ein­gebrachte schriftliche Anfrage 8234/J der Abgeordneten Krainer, Kolleginnen und Kolle­gen an den Bundeskanzler betreffend „Schluss mit Schreddern – Aufklärung statt Akten­vernichtung, Herr Bundeskanzler!“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr, von ORF III bis 19.15 Uhr und anschließend – so wie üblich – in der TVthek übertragen wird.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Um Punkt 28 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes abzusehen.

Dabei handelt es sich um den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Ab­geordneten zum Nationalrat Dr. Martin Graf (1097 der Beilagen).

Ich bitte die Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diesen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist weiters vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 2 und 3, 7 bis 10, 15 bis 19 sowie 20 bis 27 der Tagesordnung zusam­men­zufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Ge­schäftsordnung wurde eine Tagesblockzeit von 9,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: 185 für die ÖVP, 128 für die SPÖ, 105 für die FPÖ, 95 für die Grünen sowie 76 für die NEOS, jeweils in Minuten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 18

Gemäß § 57 Abs. 7 GOG beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 38 Minuten. Die Debattenredezeit ist mit 5 Minuten limitiert.

Ich darf gleich über die Redezeiten abstimmen lassen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Auch das ist ein­stim­mig angenommen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

09.08.291. Punkt

Erste Lesung: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2022 (Bundesfinanzgesetz 2022 – BFG 2022) samt Anlagen (1034 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wöginger. – Bitte sehr.


9.08.46

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich mich dem Budget 2022 widme, möchte ich ganz herzlich unseren Bundesparteiobmann und Klubobmann in unseren Reihen der Abgeordneten der Österreichischen Volkspartei willkommen heißen. Er wurde am Mon­tagabend einstimmig von den Abgeordneten zu unserem Klubobmann gewählt. – Lieber Sebastian Kurz, herzlich willkommen in unseren Reihen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist mir auch ein Anliegen, einer Abgeordneten Danke zu sagen, die dieses Mandat bis dato innehatte: unserer Irene Neumann-Hartberger, unserer Bundesbäuerin, die hier im Hohen Haus geleistet hervorragende Arbeit hat und als Bundesbäuerin weiterhin leisten wird. Für uns ist es eine wirkliche Notwendigkeit, auch von dieser Stelle aus Danke zu sagen, für ihre Tätigkeit und für all das, was sie tut und auch weiterhin tun wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Budget 2022 unter dem Titel „Auf­schwung, Stabilität und Nachhaltigkeit“ möchte ich einleitend ein paar Worte sagen, auch was die letzten eineinhalb Jahre betrifft. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wir haben gerade die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg hinter uns gebracht. Wir sind noch immer in der Pandemiebewältigung, es ist noch nicht vorbei, eines aber können wir sagen: Wir haben diese Wirtschaftskrise, die die größte seit dem Zweiten Weltkrieg war, gut überstanden. Wir haben sie gut gemeistert. Das ist vor allem auch einem geschuldet: dass wir in der Zeit der Krise kräftig investiert haben, dass wir die Menschen vor der Pandemie geschützt haben und dass wir die Menschen, die gesamte Bevölkerung, auch unterstützt haben, damit wir gut durch diese Krise kom­men. – Herr Finanzminister, der Dank gilt vor allem auch Ihnen für über 40 Milliarden Euro, die in dieser Krisenzeit investiert wurden, die wir den Menschen zur Verfügung gestellt haben. Ich nenne nur die Kurzarbeit, ich nenne die zahlreichen Maßnahmen in Form von Unterstützungshilfen, und ich nenne auch die ersten Entlastungsschritte, die wir gesetzt haben. Der Erfolg zeichnet sich jetzt mit diesem Wirtschaftsaufschwung, den wir haben, ab. Es war die richtige Politik, das möchte ich eingangs betonen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meine Damen und Herren, die Wirtschaft boomt. Wer hätte das vor wenigen Monaten gedacht? Uns wird jetzt von den Wirtschaftsforschungsinstituten ein Wachstum von


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 19

4,4 Prozent prognostiziert – im Frühjahr waren es noch 1,5 Prozent. Wir sind froh, dass die Entwicklung diesen Lauf nimmt. Die Einnahmen steigern sich beinahe um 7 Prozent. Im vorigen Jahr hatten wir Einbrüche von über 5 Prozent.

Was wir über diesen Finanzrahmen auch sagen können – und das ist wichtig –: Wir haben in den letzten Jahren unter der Hauptverantwortung von Sebastian Kurz als Bundeskanzler zweimal ausgeglichen budgetiert, und das ist auch die Grundlage dafür, dass wir dieses Geld in die Hand nehmen und diese Investitionen tätigen konnten. Wir bewegen uns bis 2025 mit der Schuldenquote wieder in Richtung 70 Prozent. Das ist nachhaltig, meine Damen und Herren, das ist eine nachhaltige Finanz- und Budget­politik! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer.)

Wir setzen einen großen Schwerpunkt, der sicherlich einer der großen Meilensteine in diesem Regierungsprogramm ist: Es ist die ökosoziale Steuerreform. Wir als Volkspartei bekennen uns ja seit 30 Jahren zur ökosozialen Marktwirtschaft, wir müssen die Nach­haltigkeit ins System bringen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rauch und Meinl-Reisinger.) – Ja, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, das war Joschi Riegler, da wart ihr noch nicht im Parlament. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Joschi Riegler hat vor 30 Jahren die ökosoziale Marktwirtschaft ins Leben gerufen, und das ist ein Erfolgsrezept. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Loacker.)

Da wird jetzt Klimaschutz mit Hausverstand gemacht. Wir haben zum einen die größte Entlastung in der Zweiten Republik für alle Menschen in diesem Lande vorbereitet, ins­besondere für die arbeitenden Menschen. Wir senken die Steuersätze. Wir erhöhen den Familienbonus, der überhaupt eine Erfolgsgeschichte in der steuerlichen Entlastung unserer Familien ist. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Wir erhöhen den Fa­milienbonus von 1 500 auf 2 000 Euro und auch den Kindermehrbetrag auf 450 Euro. Davon profitieren alle Familien mit Kindern, meine Damen und Herren. Wir setzen mit dieser Steuerreform diesen erfolgreichen Weg fort. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Beispiele sagen mehr, als wenn man nur sagt, man senkt die Steuern. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: eine Partnerschaft – der Mann verdient 1 900 Euro brutto, die Frau 1 800 Euro brutto, sie haben ein Kind, geteilter Familienbonus, sie sind in Wien wohnhaft. Inklusive Regionalbonus und Kinderzuschlag kommt diese Familie auf eine Gesamtentlastung von 1 309 Euro pro Jahr. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Meine Damen und Herren, es ist die größte Entlastung, die wir in dieser Zweiten Republik jemals gemacht haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir entlasten natürlich auch die Pensionistinnen und Pensionisten und all jene, die weniger verdienen. Wir haben die Steuern schon so weit gesenkt, dass es viele Men­schen gibt, die gar keine Steuern mehr zahlen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wir senken die Krankenversicherungsbeiträge, damit auch jenen Gruppen, die weniger verdienen oder die weniger zum Leben haben – wir haben das gerade auch in den Reihen der Pensionistinnen und Pensionisten, die ein Leben lang hart gearbeitet haben, trotzdem aber mit sehr wenig Einkommen auskommen müssen (Ruf bei der SPÖ: ... ein Leben lang gearbeitet haben!) –, mehr Geld zum Leben bleibt und damit wir auch ihnen mehr Geld zur Verfügung stellen. Das ist die sozialpolitische Verantwortung, die wir wahrneh­men, und wir unterstützen vor allem auch die Menschen mit niedrigeren Einkommen. Das ist auch der Ansatz bei dieser Steuerreform. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Besonders freut mich, dass die Mitarbeitererfolgsbeteiligung den Weg in dieses Budget und in diese Steuerreform gefunden hat. 3 000 Euro pro Jahr steuer- und sozialver­siche­rungsbefreit an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Unternehmen auszahlen zu können – das ist die richtige Ansage. Wir haben das schon eine gewisse Zeit lang


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während der Coronapandemie durchgeführt. Es ist einfach so: Das Geld kommt dann direkt bei den Mitarbeitern an, und das ist, was wir wollen – nicht dass die Hälfte im Finanzressort oder in der Sozialversicherung landet, sondern dass es in den Brief­taschen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer landet. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Das ist eine Erfolgsbeteiligung, wie wir sie uns vorstellen, und daher setzen wir das auch um. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren, wir stärken auch den Standort, und dazu bekennen wir uns. Dass die KöSt-Senkung so in der Kritik steht, verstehe ich nicht. Wir haben viele Leitbetriebe, und wir haben Zigtausende GmbHs, die auch von dieser Steuersenkung profitieren. Ich kann mich noch gut erinnern: Als wir unter Wolfgang Schüssel die Körper­schaftsteuer von 34 auf 25 Prozent gesenkt haben, gab es einen Riesenaufschrei, ähnlich wie jetzt. Was war die Folge davon? – Wir hatten nur zwei Jahre einen Einbruch bei den Einnahmen, dann sind die Einnahmen senkrecht nach oben gegangen, weil die Senkung dieses Satzes für den Standort derart attraktiv war, dass sich viele Firmen angesiedelt haben. Was ist, wenn sich viele Firmen ansiedeln? – Dann bekommen wir Tausende Arbeitsplätze zusätzlich in unser Land. Wir wollen weiterhin einen attraktiven Wirtschaftsstandort haben, denn das bringt auch Arbeitsplätze, das bringt Forschung, das bringt Innovation, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Es hilft vor allem auch den kleineren Betrieben: die Anhebung des Gewinnfreibetrages auf 13 Prozent oder auch, dass man die geringwertigen Wirtschaftsgüter jetzt mit 1 000 Euro abschreiben kann, nicht mehr mit 800 Euro, und ein Volumen für einen Investitions­freibetrag. Die Investitionsprämie, die wir während der Coronapandemie geschaffen haben, hat einen Boom ausgelöst und der Wirtschaft letzten Endes auch in diesem großen Ausmaß den Anreiz gegeben, sodass dieser Motor wirklich zum Laufen kam. Daher ist es sinnvoll, auch weiterhin diese Investitionen zu unterstützen.

Natürlich unterstützen wir auch unsere Landwirtschaft. Unsere Bäuerinnen und Bauern bekommen die Mehrausgaben für den Diesel, den sie brauchen, abgegolten, denn ohne Traktor kann der Bauer nicht wirtschaften – das ist ein Grundgesetz. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Wir sind stolz auf unsere Landwirtschaft, auf die heimische Produktion unserer Lebensmittel, die in einer hohen Qualität zur Verfügung gestellt werden. Daher wird der Landwirtschaft dieser Dieselmehrpreis rückerstattet. Das gibt es auch für viele Bereiche der Wirtschaft, denn es kann sich auch keiner aussuchen, ob er einen Bagger oder einen Lastwagen braucht. Das sind Dinge, die da auch abgebildet sind. Auch der Pendler braucht sein Auto, meine Damen und Herren! Daher gibt es diese Rückerstat­tungen. (Beifall bei der ÖVP.)

Klimaschutz mit Hausverstand – dazu bekennen wir uns: zur CO2-Bepreisung, die eingeführt wird, und vor allem auch zum regionalen Klimabonus. Da hat man eine Zeit lang getüftelt, es ist aber ein gutes Ergebnis: von 100 bis 200 Euro, und für die Kinder gibt es noch einmal einen Zuschlag von 50 Prozent. Meine Damen und Herren, das ist Klimaschutz mit Hausverstand. (Abg. Hafenecker: ... nicht für die ...!) Wir wissen, dass wir nachhaltig wirtschaften müssen, dass wir die ökologischen Grundsätze ernst nehmen müssen – das ist keine Frage. Das bilden wir mit dieser ökosozialen Steuerreform auch ab. (Abg. Hafenecker: ...rede!)

Es gibt noch viele Punkte und viele Bereiche, für die wir im Budget viel Geld in die Hand nehmen – auch im Bereich der Sicherheit, im Bereich des Bundesheeres, auch im Bereich von Gesundheit und Pflege, wo wir natürlich noch anstehende Herausfor­derun­gen zu bewältigen haben –, aber dieses Budget ist die Grundlage für die kommende Zeit. Es ist nachhaltig, es sichert uns Stabilität, und es wird auch den Aufschwung in eine Richtung unterstützen, sodass wir auch in Zukunft in einem Land leben können, in dem der Wohlstand gesichert ist und in dem sich auch die wirtschaftliche Entwicklung gut


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ausbreiten kann. Das ist, wie wir unsere Verantwortung wahrnehmen, auch in dieser Bundesregierung: dass es in Österreich gut weitergeht und dass wir den Menschen das geben, was sie brauchen – zum einen die Entlastung und zum Zweiten eine ökologische Nachhaltigkeit. Dazu bekennen wir uns.

Es ist ein gutes Budget, also stimmen Sie auch zu! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Leichtfried: Außer lang war diese Rede gar nichts! – Ruf bei der SPÖ: Langweilig! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.)

9.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klub­obfrau Pamela Rendi-Wagner. – Bitte, das Wort steht bei Ihnen.


9.20.22

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben gestern die Budgetrede des Finanzministers gehört. Wir haben leider nicht sehr viel Neues gehört, wir haben eigent­lich überhaupt nicht viel gehört (Zwischenrufe bei der ÖVP – Abg. Schmuckenschlager: Da hättet ihr besser aufpassen müssen!), und das, obwohl ein Budget ja eigentlich – Sie haben es gesagt, Herr Kollege Wöginger – die wesentliche Grundlage für die politische Arbeit und das wesentliche politische Instrument darstellen sollte, um Weichen für die Zukunft unseres Landes zu stellen und um Weichen zur Bewältigung der großen Heraus­forderungen unserer Zeit zu stellen. Ist das in diesem Budget abgebildet? Glauben wir, dass dieses Budget genau das erfüllt? – Nein, Herr Finanzminister, und es wird Sie auch nicht wundern, dass wir diese Auffassung haben.

Wir haben gestern allerdings einen Satz von Ihnen gehört, das war der Satz: Die arbei­tenden Menschen werden entlastet. (Ruf bei der ÖVP: Bravo! – Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) – Das ist falsch, Herr Finanzminister, denn die arbeitenden Menschen zahlen diese Steuerreform, die Sie als wesentlichen Teil Ihres Budgets vorgestellt ha­ben, selbst. (Beifall bei der SPÖ.)

Es waren die hart arbeitenden Menschen Österreichs, die seit 2016, seit der letzten wirklich entlastenden Steuerreform – damals unter Werner Faymann (Heiterkeit des Abg. Lindinger–, durch die Teuerung bis heute höhere Steuern gezahlt und so Ihre Kassen gefüllt haben. Bekommen sie jetzt genau das, was sie zu viel gezahlt haben – Stichwort kalte Progression –, zurück? – Nein, sie bekommen einen Teil zurück; nicht einmal alles von dem, was Sie gezahlt haben, sondern nur einen Teil.

Wenn Sie, Herr Wöginger, sagen, die Menschen werden entlastet, und Sie uns vorrech­nen, dass das mehr als 1 000 Euro Entlastung im Jahr sind, dann müssen Sie dazu­sagen, dass das nicht für alle gleich ist. (Zwischenruf des Abg. Fürlinger.) Da wird sehr ungleich vorgegangen, denn den größten Profit von dieser Steuerreform haben jene Menschen, die mehr als 5 000 Euro brutto verdienen. Dasselbe gilt für den Kinderbonus. Genau das ist die unfaire Situation, die Ihre Steuerreform abbildet. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine wirkliche Entlastung sieht anders aus. Eine wirkliche Entlastung würde auch bedeuten, den Menschen das Geld dann zurückzugeben, wenn sie es wirklich und am dringendsten brauchen, und das ist jetzt. Daher wäre es notwendig, diese zu viel gezahlten Steuern rückwirkend nicht erst nächstes Jahr, Herr Finanzminister, sondern bereits mit 1. Juli 2021 zu senken, um die Menschen wirklich sofort zu entlasten. Warum? – Weil es jetzt notwendig wäre, den Menschen mehr Geld zum Leben zu geben, weil jetzt die Preissteigerung in Österreich, die Teuerung auf einem Rekordhoch – so hoch wie seit elf Jahren nicht mehr – ist.

Da gibt es zwei Preistreiber – Sie wissen das. Das ist zum einen das Wohnen. Das Wohnen ist in den letzten Jahren für Familien, für Paare, für Singles, für Studentinnen


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und Studenten immer teurer geworden. Am stärksten trifft es natürlich Familien, die den größten Wohnraum brauchen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Durch Corona sind diese Preise noch einmal explodiert. Das trifft die Mieterinnen und Mieter genauso wie die Eigentümerinnen und Eigentümer. Zusätzlich steigen die Energiekosten, auch das wissen wir, und sie steigen in den nächsten Monaten und in diesem Winter weiter und weiter. Experten rechnen mit 500 Euro Mehrbelastung im Jahr 2022 für Familienhaus­halte bei Strom und Gas. Die Preissteigerung beträgt bereits jetzt über 3 Prozent. Das Leben kostet immer mehr.

Dieser gewaltige Kostenanstieg belastet die Menschen in Österreich jetzt, vor allem die Familien. Die Menschen haben durch Corona zum Teil ihren Job verloren oder waren Monate, ja, über ein Jahr lang in Kurzarbeit und hatten dadurch große finanzielle Ein­bußen und Probleme.

Ich habe gestern in Ihrer Budgetrede keine nachhaltigen Maßnahmen gehört, mit denen gegen diese Teuerungswelle vorgegangen wird. (Zwischenruf der Abg. Salzmann.) Dabei braucht es jetzt eine Teuerungsbremse für die Menschen in Österreich. Die Steuerreform und das Budget wären die Chance, diese nachhaltige Teuerungsbremse für Österreich endlich einzuziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein wirkliches Geschenk hingegen in Ihrem Budget und in Ihrer Steuerreform ist die Senkung der Konzernsteuern. Davon profitieren natürlich nicht alle Unternehmerinnen und Unternehmer unseres Landes. (Abg. Haubner: Da bin ich gespannt auf die Wirt­schaftsausführungen! ... Standortpolitik, oder?! Verstehen Sie Standortpolitik?!) Es sind 5 Prozent der größten Konzerne Österreichs, die von dieser KöSt-Senkung profitieren  über 1 Milliarde Euro pro Jahr. (Abg. Haubner: Standortpolitik nennt man das, Sicherung von Arbeitsplätzen! Man verhindert Abzug von Unternehmen! Keine Ahnung!) Viel Geld, wenig Wirkung: Das sagen auch die Vertreterinnen und Vertreter der mittelständischen Wirtschaft, das sagt nicht nur die Sozialdemokratie.

„Kleine Unternehmen haben nicht so viel davon.“  Wissen Sie, wer das gesagt hat? Die Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung hat das festgestellt. (Abg. Haubner: Geh!) Da wird schamlos mit beiden Händen in den österreichischen Steuertopf gegriffen, in den Steuertopf, in den alle hart arbeitenden Menschen, auch die kleinen und mittleren Unternehmerinnen und Unternehmer, auch die Pensionistinnen und Pensionisten, monatlich einzahlen. Es werden Milliarden aus diesem Steuertopf rausgenommen (Abg. Pfurtscheller: Alles Blödsinn ...!), um es ein paar wenigen Großkonzernen zu schenken – ohne Wirkung für Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist Geld – über 1 Milliarde Euro! –, das in Dividenden fließt und das keine neuen Arbeitsplätze schafft, Herr Wöginger, so wie Sie es behaupten, das nichts mit zukunfts­orientierten Investitionen zu tun hat, Geld, das nicht diesen Wirtschaftsaufschwung, der jetzt gerade einmal in Gang kommt, unterstützt und beflügelt. Nein, es ist ein Geschenk, und das Perfide daran ist: Auch das zahlen die arbeitenden Menschen Österreichs, auch das zahlen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Österreichs, die bereits jetzt 80 Pro­zent aller Steuereinnahmen stemmen müssen. (Abg. Steinacker: Das ist Wirtschaft! – Abg. Pfurtscheller: So ein Blödsinn!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesen Milliarden, mit diesen Geschenken an die Großkonzerne könnte die Kinderbetreuung flächendeckend ausgebaut werden. 1,2 Milliarden Euro wurden, Herr Kurz, 2016 und 2017 den Kindern und den Familien Österreichs weggenommen, gestohlen und vereitelt. (Beifall bei der SPÖ.) Es wäre jetzt die Chance gewesen (Zwischenruf des Abg. Schnabel), diesen Fehler mit diesem Budget auszumerzen und diese Milliarde für den Ausbau der Kinderbetreuung in Öster­reich zurückzugeben. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schnabel.)


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Mit diesen Milliarden könnte man die Arbeitslosigkeit in Österreich so gut wie abschaffen, könnte man eine Teuerungsbremse, die so notwendig ist, einziehen, damit nach dieser schweren Zeit das Leben wieder leistbar wird. Mit diesen Milliarden könnte in Öster­reich – das ist wesentlich – auch der Pflegenotstand beendet werden. Offenbar hat es sich aber auf der türkisen Seite ausgeklatscht, denn von Pflegerinnen und Pflegern und Respekt gegenüber diesen Berufen ist wenig in Ihrem Budget zu sehen, Herr Finanz­minister! (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Mit diesen Milliarden könnte man auch den Klimawandel nicht nur oberflächlich, sondern nachhaltig bekämpfen – auch das findet sich in Ihrem Budget nicht wieder. Es ist also alles andere als eine Zukunftsansage für Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Das türkis-grüne Budget, das so gut wie keinen Cent mehr für die Pflege vorsieht das ist Zukunftsvergessenheit, die ihresgleichen sucht: 25 Millionen Euro mehr für die Pflege für 2025. Wissen Sie, wie viele Milliarden die Wirtschaft bekommt, vor allem durch die KöSt-Senkung? – 1,5 Milliarden Euro in die Wirtschaft, 25 Millionen Euro in die Pflege; 1,5 Milliarden Euro in die Wirtschaft – das 75-Fache! Da stimmt irgendetwas nicht, Herr Finanzminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir steuern – wir diskutieren das nicht zum ersten Mal in diesem Hohen Haus – auf einen absoluten Pflegenotstand zu. Experten rechnen damit, dass wir bis zu 100 000 Pflege­kräfte zusätzlich brauchen – auch dazu keine Ansage! –, daher müsste die Pflege ein zentraler Inhalt Ihres Budgets sein, mit 25 Millionen Euro aber, Herr Finanzminister, kann man diesen Pflegenotstand nicht bekämpfen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie hätten es in der Hand gehabt. Dieses Budget hätte eine Chance für Österreich sein können. Es ist eine Frage des Respekts, die Pflege für alle Menschen nachhaltig abzusichern. Es ist eine Frage des Anstands, den Kindern und Familien die 1,2 Milliarden Euro, die ihnen 2016 und 2017 genommen wurden, mit die­sem Budget wieder zurückzugeben. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, den arbei­tenden Menschen das zurückzugeben, was sie in den letzten fünf Jahren zu viel in den Steuertopf gezahlt haben, und ihnen wieder ein leistbares Leben zu ermöglichen. Es ist eine Frage der Vernunft, endlich auch zu nachhaltigen Klimamaßnahmen zu kommen.

Ja, das kostet Geld, und da hätte man gezielt und nicht nur mit Überschriften und Mas­sensteuern ohne Lenkungseffekte vorgehen müssen. Dieses Budget wäre eine Chance gewesen. Diese Chance wurde vergeben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Kickl. – Bitte sehr.


9.31.02

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die heutige Sitzung hat mit einem Gelöbnis eines neuen Abgeordneten begonnen, und ich denke, dass das ein sehr, sehr schöner, dass das ein sehr, sehr erhebender Akt für uns alle ist. Ich denke, dass wir alle, die wir hier sitzen, diese Gelegenheit auch dafür nutzen sollten, kurz darüber nachzudenken, was denn der Inhalt, was denn der Sinn und was denn die Bedeutung dieses Gelöb­nisses ist; dies deshalb, weil es ja viel, viel mehr als eine hohle Phrase, als eine leere Formel ist, weil es ja eigentlich dasjenige sein soll, was unsere Arbeit hier in diesem hohen Haus beseelt.

Was wurde hier heute gelobt? – Es wurde gelobt, erstens, die Treue zur Republik Öster­reich – die Treue zur Republik Österreich! Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass diese Republik Österreich etwas anderes ist als der tiefe Staat der türkisen Volkspartei. Das ist nicht nur etwas anderes, sondern man muss sogar noch einen Schritt weitergehen:


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Es ist diese Republik Österreich, die sich in Gestalt ihrer Ermittlungsbehörden gegen diesen türkisen Staat wehrt. Das und nichts anderes ist der Grund dafür, dass der eine oder andere prominente Repräsentant einer ehemals staatstragenden Partei ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten ist.

Zweitens wurde gelobt: Beobachtung der Gesetze. Beobachtung der Gesetze heißt nicht, dass man aus möglichst großer Distanz, vielleicht mit einem Fernglas oder einem Fernrohr, auf diese Gesetze wie auf ein fremdes, ein exotisches, vielleicht sogar ein gefährliches Wesen hinblickt, sondern Beobachtung der Gesetze bedeutet, dass man sie auf Punkt und Beistrich einzuhalten hat, so wie das für alle anderen Staatsbürger im Übrigen auch gilt; zum Beispiel, wenn man irgendwo eine Zeugenaussage macht.

Drittens wurde gelobt: gewissenhafte Pflichterfüllung. Gewissenhafte Pflichterfüllung bezieht sich nicht auf den Ehrenkodex einer türkisen Cosa Nostra, sondern bedeutet viel, viel mehr die Abkehr davon. Pflichterfüllung, wenn man sie als Vertreter dieses Hau­ses ernst nimmt, bedeutet Pflichterfüllung gegenüber der Republik und damit die Abkehr von einem – unter Anführungszeichen – „Ehrenkodex“.

Das alles wurde gelobt. Inwieweit jeder und jede von uns hier herinnen dieses Gelöbnis mit Leben erfüllt und dann auch glaubwürdig ist und das alles verinnerlicht hat, werden am Ende die Wählerinnen und Wähler vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse zu entscheiden haben. Ich möchte nur ein Wort aus aktuellem Anlass aussprechen: Es ist halt so, dass nicht jede Abwesenheit, die nach drei Tagen endet, auch gleich eine Auferstehung ist. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe heute – und man muss der Redaktion wirklich gratulieren – das „Profil“ mitgebracht. Diese Nummer 41 vom 10. Oktober dieses Jahres ist, glaube ich, ein Stück – wie soll man denn sagen? – österreichische Zeitge­schichte. Die Titelseite ist bekannt, das ist die Kurzfassung all dessen, was passiert ist, da muss man nicht mehr darauf eingehen. (Der Redner hält genannte Ausgabe der Zeitschrift „Profil“ in die Höhe, auf deren Titelseite die Überschrift „Der tiefe Fall des Sebastian Kurz“ und ein Bild von Sebastian Kurz zu sehen sind.)

Ich glaube, viel interessanter ist die Rückseite (die Rückseite der genannten Zeitschrift, auf der unter den Überschriften „Jetzt kommt Österreichs großes Entlastungspaket“ und „Die größte Entlastung in der 2. Republik!“ ein mit einer Schnur verknotetes Bündel von Fünfzigeuroscheinen und darunter das Logo des Bundesministeriums für Finanzen zu sehen sind, in die Höhe haltend), weil uns das in die Budgetdebatte hineinführt und weil wir damit sozusagen ein Corpus Delicti vorliegen haben. Wir haben hier illustriert, was das Problem ist, worüber wir heute und seit einer Woche in diesem Land diskutieren, nämlich dass Steuergeld aus dem Finanzministerium von Ihnen, Herr Finanzminister Blümel, dafür verwendet wird, die eigene Bevölkerung zu manipulieren und zu fehlinfor­mieren. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der NEOS sowie des Abg. Krainer. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Da steht nämlich drauf: Jetzt kommt Österreichs große Steuerreform – jetzt! Das ist schon ein paar Tage alt, und wir wissen – wir haben ja in den bisherigen Debatten­bei­trägen genau zugehört –, die kommt nicht jetzt, sondern die kommt bestenfalls am 1. Juli des kommenden Jahres.

Diese Inserate sind nicht nur hier durchgeschaltet worden, sondern in vielen, vielen Zeitungen. Es ist wieder Steuergeld hinausgeworfen worden. Ich mache dem „Profil“ jetzt nicht den Vorwurf, der bei anderen Medien im Raum steht, nämlich dass man in anderen Medien dafür, dass man solche Inserate in eine Zeitung bringt, dann mitbestimmen konnte, was darin geschrieben wurde. Dem „Profil“ kann man diesen Vorwurf nicht machen, andere Medien haben da einen gewissen Erklärungsbedarf.


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Jetzt sind wir in der guten Situation – deswegen ist das ein Stück Zeitgeschichte –, dass man, wenn man diese Zeitschrift dann auseinandernimmt (die Vorder- und Rückseite der aufgeschlagenen Zeitschrift nebeneinander in die Höhe haltend) und es von links nach rechts liest (Heiterkeit bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS), dann sozusagen eine Zusammenfassung dessen hat, was seit 2016 im Grunde genommen passiert ist, und das Ergebnis davon. Deshalb ist diese Nummer 41 vom 10. Oktober 2021 aus meiner Sicht ein Stück österreichische Zeitgeschichte. (Beifall bei FPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, wir haben das Budget 2022 in den letzten Tagen bereits als größte Mogelpackung der Zweiten Republik bezeichnet, einfach deshalb, weil es das ist. Ich kann es auch mit einem anderen Begriff formulieren, der von vielen, vielen Kritikern, auch der Freiheitlichen Partei, immer wieder in die politische Debatte hineingebracht wird: In Wahrheit ist es ein Schwurbelbudget. Es ist ein Schwurbelbudget, weil nämlich Ihre Erzählungen von der Entlastung auf der einen Seite und von irgendwelchen ökologischen Lenkungseffekten auf der anderen Seite bar jeder Evidenz sind, und etwas, das bar jeder Evidenz ist, nennt man ja im Allgemeinen in Zeiten wie diesen Geschwurbel.

Schauen wir einmal genauer hin: Was ist denn zum Beispiel mit der sozialen Gerech­tigkeit? Wie ist das jetzt wirklich mit den kleinen Leuten? Wie ist das jetzt wirklich mit den Menschen, die dieses Land aufgebaut haben, dieses Land zu Wohlstand geführt haben, dieses Land, das jetzt durch Skandale, einen nach dem anderen, und durch eine aus meiner Sicht vollkommen überzogene Coronamaßnahmenpolitik in den Ruin getrieben wird? Wie ist das wirklich mit der sozialen Gerechtigkeit?

Nehmen wir zum Beispiel auf der einen Seite eine Mindestpensionistin und auf der an­deren Seite einen Großverdiener her und vergleichen wir die beiden Dinge! Zuerst der Großverdiener: Ein fiktives Beispiel – in diesem Fall schreibt man fiktiv mit Vogel-V wie Volkspartei –, Stefan S.: Stefan S. ist ein selbstständiger Strategieberater einer angeb­lich staatstragenden Partei, deren Gründerväter gegenwärtig im Grab rotieren. Er hat einen Beratervertrag von über 33 000 Euro brutto im Monat. Er lebt in Wien und hat drei Kinder. Schaut man sich jetzt an, wie er von dieser Steuerreform profitiert, dann merkt man, dass er durch die Senkung der Eingangssteuersätze pro Jahr 1 230 Euro mehr, durch den Kinderbonus 1 500 Euro mehr bekommt, und durch den Klimabonus gibt es noch einmal 250 Euro obendrauf. Das macht alles zusammen eine Entlastung oder einen Gewinn für diesen Herrn Stefan S. von 3 000 Euro im Jahr. Ich möchte sagen, ein sattes Plus für jemanden, von dem ich nach meinem politischen Empfinden sagen wür­de, dass er das gar nicht braucht.

Jetzt schauen wir, wie es auf der anderen Seite der Mindestpensionistin geht! Wie geht es denn dieser? – Sie hat eine Bruttopension von 1 000 Euro pro Monat. Von dieser Bruttopension bleiben dann 950 Euro netto über. Die geplante Senkung der Krankenver­sicherungsbeiträge bringt ihr 236 Euro, und für den Klimabonus gibt es, weil die Dame in Wien lebt, 100 Euro – macht 336 Euro im Jahr.

Ich muss nicht das mathematische Talent des Abgeordneten Taschner haben, damit ich mir ausrechnen kann, dass das über das Jahr gerechnet nicht einmal 1 Euro pro Tag ist, und da ja die Steuerreform nächstes Jahr erst mit 1. Juli in Kraft tritt, muss man das noch einmal halbieren. So bleiben im kommenden Jahr 2022, in dem es diese größte Entlas­tung aller Zeiten gibt, wie Sie es um sehr, sehr viel Steuergeld inserieren, dieser Min­destpensionistin pro Tag weniger als 50 Cent. – Das ist die größte Steuerreform der Zweiten Republik, für die sich die Österreichische Volkspartei und die Grünen landauf, landab in Inseraten feiern lassen. Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht ist das zum Schämen! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)


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Wir wissen, dass diese großartige Entlastung erst Mitte nächsten Jahres schlagend wird. Was aber ist schon jetzt? Was ist schon jetzt? – Es rollt ja jetzt eine gigantische Belastungswelle durchs Land! Schon jetzt werden zum Beispiel die Lebensmittel teurer – massive Verteuerungen, Kollege Wöginger, und zwar der Grundnahrungsmittel, nicht der Wachteleier und nicht des Kaviars und Trüffels aus der Gourmetabteilung des Herrn Rosam. Nicht diese Dinge werden teurer, sondern die Grundnahrungsmittel, nicht die asiatischen Spezialitäten des Herrn Ho, nein, die Grundnahrungsmittel. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Ich weiß nicht, ob Sie das alles nicht sehen und ob Sie an diese Dinge nicht denken, während Sie zugleich wieder Hunderttausende Euro an Steuergeld zum Beispiel in das Gourmetmagazin des Herrn Rosam investieren, das in einer solchen Krisenzeit kein Mensch braucht (Beifall bei der FPÖ), wahrscheinlich dafür, dass er im Fernsehen Pro­pagandaarbeit für Sie macht.

Die Lebensmittel sind aber nur eine Komponente – jetzt schon. Jetzt schon: massive Erhöhungen der Treibstoffpreise. Wenn man es mit dem Vorjahr vergleicht: plus 27 Pro­zent bei Diesel, plus 26 Prozent bei Eurosuper, plus 26 Prozent bei Normalbenzin. – Das trifft die Autofahrer, das trifft die Pendler voll. Das trifft sie voll, und da rede ich noch gar nicht von Ihren nächsten Angriffen, die geplant sind: Streichung des Pendlerpauschales, das ist der nächste schwere Schlag (Abg. Michael Hammer: Stimmt ja nicht!); Streichung des Dieselprivilegs, das wird kommen. Im Bereich der Dienstwägen wird es eine Änderung geben, die natürlich zum Nachteil der Betroffenen ausfällt, und wenn Sie davon sprechen, dass Sie den Tanktourismus in Österreich bekämpfen wollen, dann heißt das in eine Sprache, die jeder versteht, übersetzt, dass der Sprit noch einmal teurer wird.

Das bedeutet es, und das ist dann der zweite Teil eines Angriffs auf die Autofahrer und überhaupt insgesamt auf die Wirtschaft, den Sie mit der NoVA-Erhöhung begonnen haben. Sie haben die Fahrzeuge, die die kleinen Gewerbetreibenden – der Installateur, der Bäcker, der Tischler – brauchen, um ihre tägliche Arbeit zu machen, in einer unver­antwortlichen Art und Weise verteuert, sodass diese dazu gezwungen sind, logischer­weise ihre Produkte, die ja transportiert werden müssen – das hat ja alles auch einen Anfahrtsweg –, zu verteuern; und diese Verteuerung landet dann bei den Menschen, die sich das alles ohnehin jetzt schon nicht mehr leisten können. Sie halten da mit Ihren angeblichen Entlastungsmaßnahmen, die sich unter dem Strich alle als Belastungen erweisen, eine Kettenreaktion des Negativen in Gang. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Nächste, die ORF-Gebühr: plus 8 Prozent. In Wien macht das dann zum Beispiel statt bisher 315 Euro 341 Euro aus. Das ist jetzt der Eintrittspreis für einen türkisen Generaldirektor im ORF – ein sattes Plus, wie ich meine.

Was das Ganze am dramatischsten verschärft, meine ich, was ein Akt der Unver­ant­wortlichkeit ist und was auch schon jetzt passiert – hier und jetzt, während wir hier debattieren –, ist die Explosion der Energiepreise. Die Energiepreise schnalzen in die Höhe, gerade in der Zeit, in der es draußen kalt und finster wird. Die Menschen sind verzweifelt. Sie sind verzweifelt, weil sie jetzt überall in ihren Postkastln die Informa­tionsbriefe der Energieversorger finden, in denen steht, dass die Preise jetzt angepasst werden, was nichts anderes bedeutet, als dass es ganz massive Erhöhungen gibt.

Das alles gibt es jetzt schon, noch bevor diese große Entlastung von 50 Cent pro Tag für die Mindestrentnerin in Österreich Wirklichkeit wird. Das alles gibt es jetzt schon, und wir wissen von den Mitarbeitern dieser Energieversorgungsunternehmen, dass sie sel­ber ganz betroffen sind, weil dauernd Briefe mit dem Ersuchen um Stundungen kommen, mit dem Ersuchen um Ratenzahlungen, weil die Menschen Angst haben, dass sie in einer kalten, finsteren Wohnung sitzen, weil ja auch drum herum alles teurer wird – ich


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denke nur zum Beispiel an die Kommunalabgaben in Wien –, und das alles, noch bevor auch nur eine einzige Maßnahme Ihrer Umstellung des Energiesystems in Richtung erneuerbare Energien Wirklichkeit geworden ist. Das ist da noch nicht eingepreist, und das wird die nächste ganz massive Verteuerungswelle am Energiesektor werden.

Meine Damen und Herren! Eine großartige Leistung, die für sich in Anspruch nehmen kann, dass man damit sozial gerecht ist, ist das also mit Sicherheit nicht, und es ist auch ein schwerer Anschlag auf die Wirtschaftstreibenden in diesem Land. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines kommt ja noch dazu – das muss man ja dazusagen –: Die Energieversorger sind zum Großteil in öffentlicher Hand. EVN, Wiener Stadtwerke, der Verbund – das gehört ja der Republik, das gehört ja den Ländern! Das heißt, in allererster Linie kassieren da Türkis und Rot bei den Ärmsten der Armen, anstatt eine Maßnahme zu setzen, dass die Leute angesichts der Energiepreise nicht unter die Räder kommen.

Beim Blick in dieses Budget frage ich mich: Sehen Sie das alles nicht, Herr Finanz­minister? Sehen Sie das alles nicht? Und warum helfen Sie den Menschen nicht, wenn Sie das alles sehen? Warum gibt es keinen – dringend notwendigen – Teuerungsaus­gleich? Warum gibt es keinen Preisstopp bei den Lebensmitteln? Warum gibt es keine Abschaffung der ORF-Gebühren, so wie wir es eigentlich miteinander ausgemacht haben? Warum schmeißt man auf der anderen Seite das Geld für Sinnlosigkeiten wie diese Inserate der Marke Selbstbeweihräucherung, die ich Ihnen gezeigt habe, hinaus? – Da wäre es doch viel vernünftiger, endlich einmal das Versprechen einzulösen und den Helden der Coronakrise – das haben Sie ja auf und ab, wie ein Mantra, vor sich hergetragen – einmal eine gerechte Auszahlung zukommen zu lassen.  Nichts dergleichen, nichts! (Beifall bei der FPÖ.)

Ganz ehrlich, weil ich gerade bei den Blödheiten bin – und ich meine das symbolisch, weil es die Spitze des Staates ist und da ja immer der Anspruch gestellt wird, dass man dort besonders genau hinschauen und vorbildhaft vorgehen soll –: Ist es wirklich not­wendig, dass der Bundespräsident mit seiner Präsidentschaftskanzlei im nächsten Jahr 2 Millionen Euro mehr bekommt? Was ist das? – Eine Erschwerniszulage für das Kri­senmanagement, das er dauernd leisten muss, weil Sie es wieder verbockt haben? Was ist das? – Ist das eine Art Schweigegeld, damit er sich wohl verhält? – Die Präsident­schaftskanzlei hat ja den Nachteil, dass man nicht inserieren kann. Was ist das?

Ich verstehe auch den Bundespräsidenten nicht, dass er dieses Geld annimmt; oder nimmt er es deshalb an, weil er vielleicht seinerseits für den nächsten Wahlkampf Strate­gieberater braucht? Da gibt es ja einige, und die kosten teures Geld. Vielleicht ist das der Hintergrund, aber ehrlich gesagt hätte man diese 2 Millionen Euro einsparen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Ist es wirklich Ihr Ernst, dass nach all dem, was da los gewesen ist, das Bundes­kanz­leramt, von dem wir ja jetzt wissen, dass es das Epizentrum der Manipulation der österreichischen Bevölkerung ist – mit diesem Medienstab, den Sie dort eingerichtet haben, und mit dem Thinktank –, im nächsten Jahr laut Budget wieder 22 Millionen Euro mehr bekommt? Ja haben Sie denn überhaupt nichts aus den Ereignissen der letzten Tage und Wochen gelernt? Gibt es da nicht einen Moment der Besinnung, in dem Sie sich selber einmal sagen: So geht das nicht, so können wir nicht weitertun!? – Es muss so sein, denn sonst würden da nicht plus 22 Millionen Euro drinnen stehen. Das ist unverantwortlich, und es ist obendrein unmoralisch! (Beifall bei der FPÖ.)

Noch eines, meine Damen und Herren: Wir haben schon davon gesprochen, dass diese sogenannte Entlastung der arbeitenden Bevölkerung von dieser arbeitenden Bevöl­ke­rung selbst bezahlt wird, und zwar durch die kalte Progression. Das heißt, es bleibt nichts übrig, diese Entlastung wird weggefressen. Sie wird weggefressen wie die Glaubwürdigkeit


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der türkisen Volkspartei durch jeden Schritt der Ermittlungsbehörden – das ist ungefähr das gleiche System.

Ich sage Ihnen aber nur eines: Man muss auch bedenken, dass Ihre überzogene Co­ronamaßnahmenpolitik, diese Milliarden Euro an Schulden, die Sie gemacht haben, dazu führen, dass es eine große Geldentwertung gibt. Das führt dazu, dass die Sparer für das, was sie sich für schwere Zeiten auf die Seite gelegt haben, von der Bank keine Zinsen mehr bekommen. Das führt dazu, dass die Menschen, die eine Lebensver­sicherung abgeschlossen haben, weniger herausbekommen, als sie sich vielleicht erwartet haben. Das führt dazu, dass Leute, die eine Pensionsvorsorge getroffen haben, damit sie im Alter nicht in Armut leben müssen, weniger herausbekommen werden, als beim Abschluss all dieser Dinge besprochen wurde. Sie aber tun das ohne Not, weil Sie das Geld für sogenannte Coronamaßnahmen hinausschmeißen, die es gar nicht brauchen würde, wenn man verhältnismäßig mit den Dingen umginge. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Letztes noch: Das Budget passt aus meiner Sicht sehr, sehr gut in den Durchhalte­befehl, den Sie in den letzten Wochen ausgegeben haben, der da lautet: The show must go on! – Das ist, glaube ich, die Durchhalteparole, die da ausgegeben wurde. Das heißt, dass die österreichische Bevölkerung noch nicht genug betrogen, genug geschädigt und genug manipuliert worden ist. Es geht mit der Messagemanipulation munter weiter, dieses Mal halt auf Ebene des Budgets.

Ich habe aber einen großen Trost bei der ganzen Sache: Während hier herinnen diese Show weiter abgezogen wird, allen voran auch vom Finanzminister, zwitschert vielleicht andernorts ein Vögelchen. Vielleicht zwitschert ein Vögelchen in den Händen der Justiz. Und wissen Sie was? Ich sage es frei nach Shakespeare: Für die türkise Volkspartei ist das, was da zwitschert, wahrscheinlich eine Nachtigall – danach wird es dann immer finsterer, und am Ende ist dann tiefschwarze Nacht. (Beifall bei der FPÖ.)

Für die Freunde von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist das, was da zwitschert, aber eine Lerche. Die Lerche kündigt einen wunderschönen Morgen an, steht am Beginn eines strahlenden Tages voll Sauberkeit und Anständigkeit. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

9.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Maurer. – Bitte sehr.


9.51.19

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben heute eine Budgetdebatte mit sehr vielen Reden, mit sehr vielen einzelnen Kapiteln (Zwischenrufe bei der FPÖ), wir alle haben den sogenannten Budgetziegel geliefert bekommen – das ist ein ganz großer Stapel Papier –, und es braucht natürlich eine gewisse Expertise, um dieses Budget lesen zu können. Wir im Parlament haben den Budgetdienst, der uns Abgeordnete dabei unterstützt.

Wir wollen in unseren Reden insbesondere aber auch unsere Highlights aus diesem Budget hervorheben. (Abg. Belakowitsch: Welche Highlights?!) Wie und worin die österreichische Bundesregierung investiert, wofür das Steuergeld verwendet wird, be­trifft nämlich alle – das Kindergartenkind, die Schülerin oder den Schüler, die Unterneh­merInnen, die Künstler, die Künstlerinnen, die Pflegenden oder die PensionistInnen, die Großfamilien, die AlleinerzieherInnen, einfach alle. Ihnen allen gegenüber haben wir die Verantwortung, aus diesen Zahlen in diesem großen Budgetziegel Zukunft zu machen. Wir investieren, wir modernisieren und wir reformieren. Das alles tun wir aus Verant­wor­tung für Österreich, aus Verantwortung gegenüber der Bevölkerung, aus Verantwortung


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gegenüber unseren Wählerinnen und Wählern und aus Verantwortung gegenüber den SteuerzahlerInnen, und wir tun das in diesem Budget mit ökologischer, sozialer und ökonomischer Verantwortung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das letzte Budget war sehr stark von der Pandemie geprägt. Nun können wir trotz Pandemie ein nachhaltiges Budget und auch eine mittelfristig sinkende Schuldenquote vorweisen. Dieser Budgetvoranschlag spiegelt die Ausrichtung der ökosozialen Steuer­reform wider – auf die mein Kollege Jakob Schwarz dann im Detail eingehen wird –, aber der zentrale Punkt ist selbstverständlich, dass klimaschädliches Verhalten erstmals einen Preis bekommt und die Menschen in Österreich mit dem Klimabonus zugleich eine Belohnung für klimafreundliches Verhalten bekommen; jene, die sich nicht klimafreund­lich verhalten können, werden nicht bestraft, und jenen, die die Wahl haben, beispiels­weise mit den Öffis zu fahren, bleibt vom Klimabonus mehr übrig. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Ich möchte ein paar Highlights aus diesem Budget herausgreifen, die uns Grünen beson­ders wichtig sind (Zwischenruf bei der SPÖ): Es geht einerseits um die Verantwortung für das Klima und unsere Natur. Mit diesem Budget wird der Umstieg in Richtung Klima­schutz so einfach und so günstig wie nie zuvor gemacht, beispielsweise mit den 252 Mil­lionen Euro für das Klimaticket. Das Klimaticket wird ab 26. Oktober in ganz Österreich gelten, damit kann man mit allen Öffis, mit allen Zügen der ÖBB in ganz Österreich – in jeder Stadt, in jedem Bundesland – fahren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Selbstverständlich sind in diesem Budget auch Investitionen enthalten, etwa die Weiter­führung des ÖBB-Rahmenplans in Höhe von 17,5 Milliarden Euro – das größte Bahn­ausbaupaket aller Zeiten –, die Förderung der Elektromobilität oder auch die Förderung von klimafreundlichem Güterverkehr.

Wir tragen aber nicht nur Verantwortung für das Klima und unsere Natur, sondern wir haben auch Verantwortung für die Demokratie und den Rechtsstaat. Sie erinnern sich, wir haben Österreich bereits mit dem letzten Budget vor dem stillen Tod der Justiz bewahrt, vor dem viele Jahre gewarnt wurde. (Beifall bei den Grünen.) Wir stärken mit diesem Budget auch die Personalausstattung, die selbstverständlich wichtig ist, damit die Justiz ihre gute, wichtige, unabhängige Arbeit leisten kann. Es werden aber auch zusätzliche Mittel für Maßnahmen in der Terrorbekämpfung oder für die Modernisierung des Straf- und Maßnahmenvollzugs bereitgestellt – zum Beispiel 15 Millionen Euro für die Justizanstalt Göllersdorf –, damit wir auch da weiterkommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In diesem Budget ist so viel an Mitteln für den Gewaltschutz vorgesehen wie noch nie. Insgesamt gibt es da eine Erhöhung um 20,6 Millionen Euro, und das ist dringend not­wendig, denn es geht einerseits um Prävention, es geht andererseits aber natürlich auch um die Familienberatungs- und Kinderschutzzentren. Da haben wir wirklich einen großen Sprung geschafft. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Selbstverständlich haben wir auch eine Verantwortung für ein gutes Miteinander. Das betrifft beispielsweise die gute Betreuung unserer Kinder, den Ausbau der Ganztags­schulen, bessere Kindergärten – wir hatten erst letzten Mittwoch einen Ministerratsvor­trag dazu, dass die 15a-Vereinbarung neu zu verhandeln ist –, verpflichtende Standards für die Länder, Qualitätsstandards für die Länder; dafür werden wir auch viel Geld in die Hand nehmen, dazu haben wir gestern hier einen Entschließungsantrag beschlossen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein ganz, ganz zentrales Thema, das uns in den nächsten Jahren beziehungsweise noch viele Jahre beschäftigen wird, ist selbstverständlich die Pflege. Frau Rendi-Wagner, ich weiß nicht, was Sie aus dem Budget lesen, vielleicht müssen Sie es doch noch ein bisschen genauer studieren: Wir haben im Sozialbudget eine Steigerung von 319 Millionen


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Euro; die Zahlen, die Sie hier nennen, sind einfach nicht richtig. (Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) Für Pflegegeld und Pflegekarenzen sind über 2,8 Milliarden Euro, für Communitynurses – also für die direkte Unterstützung von zu pflegenden Menschen vor Ort in den Gemeinden – sind 18 Millionen Euro und für die Ausbildung der Pflegekräfte zusätzlich 50 Millionen Euro budgetiert, weil wir schauen müssen, dass mehr Menschen in diesen Beruf einsteigen, um die große Herausforderung der nächsten Jahre in diesem Bereich schaffen zu können. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir werden heute noch viele Reden zu vielen anderen Schwerpunkten, die gesetzt werden, hören. Es ist ein Budget, das nach einer sehr schwierigen Zeit in Richtung Zukunft gerichtet ist, das uns ein nachhaltiges Österreich und eine gute Zukunft für die Menschen in Österreich garantiert. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


9.57.54

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! – Herr Finanzminister und auch Frau Klubobfrau Maurer, Sie haben in Ihren Reden gestern und auch heute sehr oft das Wort Zukunft beschworen; ich glaube, Ihre Budgetrede war betitelt mit: eine Ansage in Richtung Zukunft, und Sie (in Richtung Abg. Maurer) haben das eben wieder betont. – Diese Zukunft sehen wir in dem vorge­legten Budget bedauerlicherweise gar nicht, und ich möchte Ihnen auch erklären, warum das so ist.

Ich verstehe den Wunsch danach, denn ich glaube, es ist gerade in der heutigen Zeit enorm wichtig, auf die Zukunftsfähigkeit, auf die, wie wir immer sagen, Enkelfähigkeit von Politik zu schauen; dass Politik eben nicht nur einen Horizont bis zur nächsten Wahl, diesen kurzfristigen Horizont, hat – und die Legislaturperioden wechseln bei uns ja fast schon jährlich –, sondern dass es tatsächlich eine enkelfähige Politik ist, die bereit ist, heute Reformen anzugehen, die vielleicht gar nicht so leicht sind, um eine bessere Zukunft für unsere Kinder zu haben. (Beifall bei den NEOS.)

Dahin gehend ist dieses vorgelegte Budget erstaunlich ambitionslos – ambitionslos! Es gibt darin überhaupt keine wirkliche Ansage, und auch hinsichtlich der Frage der Ökologisierung des Steuersystems ist es wirklich nur eine Schmalspurvariante. Darauf werde ich eingehen.

Ich habe auch in den Redebeiträgen von vorhin gehört, man würde so stark inves­tieren. – Nun, die Investitionen sind im Vergleich zum staatlichen Konsum marginal. Wir haben eine Situation – ich möchte das schon einmal sagen –, in der wir beispielsweise wissen, dass Investitionen im Bildungsbereich dringend notwendig sind. Immer mehr werden Aufgaben des Bildungssystems an Familien übertragen – nicht nur in Pande­miezeiten! –, an Familien, die zahlungskräftig genug sind, sich Nachhilfe zu leisten, oder, wenn Sie auf den Bereich der Lehre schauen, an den Mittelstand, an die Unternehme­rinnen und Unternehmer übertragen. Die Defizite im staatlichen Bildungssystem haben Familien aufzufangen, hat der Mittelstand aufzufangen. Das ist nur ein Bereich, den ich herauspicke, in dem Investitionen ganz dringend nötig sind; das findet aber gemäß Ihrem Budget nicht statt, weil Sie zukunftsvergessen agieren und lieber auf den staatlichen Konsum schauen. (Beifall bei den NEOS.)

Bevor ich das weiter ausführe, möchte ich aber eines sagen: Herr Finanzminister, ich habe Ihnen gestern zugehört. Ganz zu Beginn Ihrer Ansprache haben Sie sich an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gewandt. Sie haben gesagt: Liebe – oder: sehr


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geehrte, das weiß ich nicht mehr genau – Steuerzahlerinnen und Steuerzahler!, aber später in Ihrer Budgetrede haben Sie dann genau diesen Steuerzahlerinnen und Steuer­zahlern nicht gedankt.

Ich habe genau zugehört: Sie haben den Ländern gedankt, Sie haben den Gemeinden gedankt, Sie haben den Bürgermeistern gedankt, aber nicht den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Daher hole ich das heute nach: Danke, liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, Sie sind es, die dieses Budget überhaupt erst möglich gemacht haben! (Beifall bei den NEOS.)

Sie verlassen sich nämlich darauf, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler jeden Tag arbeiten gehen und fleißig sind, dass sie als Unternehmer innovativ sind, Ideen haben, Menschen anstellen und dass Ihnen so das Geld in die Kassa gespült wird. In Wahrheit geben Sie ja mit vollen Händen das Geld anderer Leute aus, und das Prinzip Linke-Tasche-rechte-Tasche wird mit diesem Budget wirklich einmal mehr fortge­schrie­ben.

Ich möchte auch in einer anderen Frage einen Blick auf die Zukunftsfähigkeit werfen, nämlich in jener eines soliden Haushalts, also dass man sagt: Na ja, wir machen mit dem Schuldenmachen Schluss. – Natürlich kommen wir aus einer Phase der Krise, aber ich möchte diese Krise nicht gerne prolongieren. In vielen Redebeiträgen in den letzten Tagen habe ich ja geradezu den Wunsch, von einer Krise in die nächste zu stolpern, gehört.

Im Moment schaut es ganz gut aus, es ist eine Boomzeit, die Steuereinnahmen sprudeln dank der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wieder. Zukunftsfähige Politik würde halt auch bedeuten, das im Budget entsprechend abzubilden. Länder wie die Schweiz – ja, ich weiß schon, es ist zwar die Schweiz, aber sie ist trotzdem unser Nachbarland – sind schon wieder in der Lage, einen Überschuss zu erwirtschaften. Sie von der türkis-grünen Regierung sind davon meilenweit entfernt.

Warum ist das so? – Weil Ihnen Mut und Tatkraft fehlen. Das Volumen, das Sie in die Hand nehmen, um die Menschen endlich zu entlasten – und sie müssen ganz dringend entlastet werden, insbesondere der Mittelstand, der in Österreich wirklich für alles zahlt, muss entlastet werden –, ist letztlich das Geld, das Ihnen durch die kalte Progression hineingespült worden ist.

Das ist dieses Linke-Tasche-rechte-Tasche-Prinzip: eine schleichende Steuererhöhung, die man dann großzügig und in Gutsherrenart – teilweise – an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zurückgibt. Würde man eine wirkliche, nachhaltige Entlastung auch für kommende Generationen und insbesondere eine nachhaltige Entlastung des Mittel­stands anstreben, dann – Sie wissen das – bräuchte es strukturelle Reformen. Dazu findet sich nichts, aber auch gar nichts in Ihrem Budget. Das ist ambitionslos, das ist mutlos, und das ist alles andere als tatkräftig. (Beifall bei den NEOS.)

Die kalte Progression hätte schon längst abgeschafft sein können, das haben wir in den letzten Tagen erfahren. Neben strafrechtlichen Fragen, die Sache der Justiz sind, ist das für mich das Empörendste: Wenn man in die Akten schaut, erhält man den Eindruck, dass da Politik eigentlich ausschließlich zum Selbstzweck gemacht wird, für einen Pos­ten, damit man an die Macht kommt, eine Wahl gewinnt. Das, was die Menschen aber eigentlich erwarten, nämlich dass man Politik für die Menschen macht, indem man zum Beispiel die schleichende Steuererhöhung, die kalte Progression abschafft, verhindert man lieber, denn das könnte ja dann einem anderen Bundeskanzler und einem anderen Vizekanzler irgendwie zugutekommen. (Beifall bei den NEOS.) Die kalte Progression gehört weg, das wissen Sie – und es ist längst an der Zeit.


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Jetzt komme ich zum Bereich der ökosozialen Steuerreform: Liebe Grüne, ihr wisst, dass ihr grundsätzlich in uns NEOS starke Verbündete habt, wenn es darum geht, enkel­fähige, nachhaltige Politik zu machen. Nach wie vor ist unser Modell für eine ökosoziale Steuerreform das ambitionierteste, das es in Österreich gibt und das auf dem Tisch liegt.

Das, was ihr aber da mit einem CO2-Preis von 30 Euro schafft – wir wissen das, und das sagen euch ja auch alle Expertinnen und Experten –, hat keinen Effekt. Es hat nicht den Lenkungseffekt, den ihr euch erhofft, vor allem dann nicht, wenn ihr das auf der anderen Seite mit einem Ökobonus sozusagen wieder zurückgebt. (Abg. Disoski: Autobahnen bauen ...!) So bleibt es eine reine Steuererhöhung, eine neue Steuer. Neue Steuern einführen, das haben vergangene Regierungen auch schon gekonnt, dafür haben wir nicht Türkis gebraucht. Zu wirklich zukunftsfähigen und ökologischen Schritten in Rich­tung Nachhaltigkeit kommen wir damit aber nicht, das ist eindeutig zu wenig. (Beifall bei den NEOS.)

Vielleicht ist es ja auch dieses Codewort, das ich immer so heraushöre: Klimaschutz mit Hausverstand. Da denke ich mir dann immer, lieber August Wöginger, Hausverstand ist – in Anführungszeichen – „Codewort“ für: Machen wir eh nicht! – Das ist das, was bei mir immer hängen bleibt. (Abg. Wöginger: Wir tunʼs aber! – Zwischenruf der Abg. Salzmann.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube daran, dass die Politik enkelfähig sein muss, zukunftsfähig sein muss. Ich glaube daran, dass die Politik in der Verantwortung ist, Mut und Tatkraft zu beweisen, auch und gerade dann strukturelle Reformen einzu­gehen, wenn es darum geht, bei sich selber zu sparen, um zu erreichen, dass man den Menschen gar nicht so viel Geld aus der Tasche zieht, das man dann wieder großzügig zurückgibt. (Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Diese Zukunftsvergessenheit wird wirklich fortgeschrieben. August Wöginger, du hast Wolfgang Schüssel erwähnt: Man kann zu ihm stehen, wie man will, aber der ist ja wenigstens noch Reformen angegangen, der hat – und da kann man sagen, man findet das gut oder man findet das nicht gut – Reformen, zum Beispiel eine Pensionsreform, auf den Weg gebracht.

Was wird denn aber jetzt übrig bleiben? (Ruf bei der FPÖ: Nichts! – Zwischenruf des Abg. Hörl.) – Machterhalt als Selbstzweck das ist zu wenig. (Beifall bei den NEOS.) Es braucht endlich die neue Politik einer anständigen, wehrhaften Mitte, und diese finden Sie bei uns NEOS. – Danke. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

10.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Obernosterer. Das Wort steht bei ihm. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


10.06.23

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Budgetlesen kann ich, ich bin Unternehmer. 15 Budgets habe ich in diesem Haus schon durchgelesen. (Abg. Brückl: Das ist die 15. Rede ...!) Wer sich wirklich genau damit befasst hat und nicht nur reine Opposition betreibt (Heiterkeit bei Abgeordneten der NEOS), der weiß genau, dass dieses Budget die arbeitenden Menschen, die Pensionisten entlastet, dass es den Standort Österreich sichert, dass es ein Budget für die Zukunft ist und dass nicht wie in der Vergangenheit nur verwaltet wird, sondern dass die Regierung die Zukunft gestaltet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Lest euch das genau durch und schaut euch die genauen Posten an!


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Als dieses Budget und die ökosoziale Steuerreform zum ersten Mal auf dem Tisch gelegen sind, habe ich mir genau angeschaut, wie alle drei Oppositionsparteien dazu Stellung genommen haben. Ich habe mir Kollegen Krainer angehört: Er hat gesagt – typisch Klassenkampf –, dass den Millionären, den Bestverdienern das Geld geschenkt wird und dass es den anderen weggenommen wird, und zwar weil die KöSt im Jahr 2024 um 1 Prozent und im Jahr 2025 auch noch einmal um 1 Prozent gesenkt wird. In Summe macht das 700 Millionen Euro aus – und das bei einem Entlastungspaket, das in Summe 18 Milliarden Euro ausmacht und von dem viele Kleinunternehmer profitieren. Es gibt insgesamt 70 000 Gesellschaften (Abg. Hauser: Bis 2025!), und davon machen 70 Pro­zent weniger als 100 000 Euro Gewinn im Jahr – nicht im Monat, sondern im Jahr. (Ruf bei der ÖVP: So ist es!) Das heißt, für diese wird die KöSt, wenn man es berechnet, 1 000 Euro im Jahr 2024 und 2 000 Euro im Jahr 2025 weniger.

Die OMV kann man immer hernehmen, aber wenn man glaubt, dass man in diesem Land keine großen Betriebe mehr braucht – ja, die SPÖ-Wirtschaftspolitik kennen wir –, ist das einfach nicht korrekt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Nebenbei möchte ich sagen, dass die SPÖ einmal mit den Zahlen zurechtkommen soll. Die Vorsitzende hat vorhin gesagt, die KöSt macht 1,5 Milliarden Euro aus, Herr Krainer sagt, sie macht 700 Millionen Euro aus. – Also bitte schön, diese Zahlenspielerei kann man ja wirklich nicht mehr ernst nehmen.

Zu Ihnen, Herr Kollege Fuchs: Ich schätze Sie als Oberfachmann, als Experten wirklich – Hut ab! –, aber wissen Sie noch, was Ihre Meinung, Ihre erste Reaktion dazu war? – Ich sage es in meinen Worten: Ich traue dem nicht, was ich da sehe! – Da ist aber eigentlich alles drinnen, was im Regierungsprogramm der vorherigen Regierung von ÖVP und Frei­heitlichen gestanden ist, außer einem: der CO2-Besteuerung. (Abg. Hauser: Stimmt nicht! – Abg. Deimek: Das ist das Problem, wenn man nicht aufpasst!) – Ich fasse es jetzt zusammen. So schlecht kann das also nicht sein. Herr Klubobmann Kickl, vielleicht tau­schen Sie sich da einmal aus. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Jetzt zu den NEOS: Summa summarum haben Sie gesagt: Die kalte Progression gehört abgeschafft! – Wenn diese Regierung es sich einfach gemacht hätte, dann hätte sie gesagt: Und jetzt schaffen wir die kalte Progression ab!, ganz einfach. (Heiterkeit bei den NEOS.) Dann hätten wir nicht mehr viel - - Aber vielleicht hören Sie zu und lachen nicht immer so – es ist nicht alles so zum Lachen! (Abg. Meinl-Reisinger: Na eh nicht! Na eh nicht, es ist traurig ... die kalte Progression abzuschaffen!) Es ist nicht alles dazu ange­tan, zynisch zu sein.

Hören Sie mir zu, Frau Kollegin! Wissen Sie, was die kalte Progression im Jahr aus­macht? – 500 Millionen Euro. (Abg. Meinl-Reisinger: Das kommt darauf an!) Wissen Sie, wie viel diese Entlastungen für den österreichischen Bürger ausmachen? Wissen Sie, wie viel das ausmacht? Im Jahr 2025, wenn alle Entlastungen greifen, 7,8 Milliarden Euro. (Abg. Hauser: ... Öbag!) Unser damaliger Bundeskanzler und jetziger Klubob­mann Sebastian Kurz hat das in der „ZIB 2“ genau erklärt: Wenn wir es so gemacht hätten, dann hätten wir die Leute nur ganz wenig entlastet; jetzt brauchen sie das Geld. Die Argumente sprechen dafür, und am Ende der Periode können wir alle noch darüber reden, ob wir das machen. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.)

Ich bitte euch um eines: Nehmt ein bisschen etwas zur Kenntnis und schimpft nicht nur, sonst seid ihr wirklich nicht glaubwürdig! (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Und den Österreicherinnen und Österreichern sage ich nur eines: Schaut euch das Gehalt am Konto an, wenn es nächstes Jahr überwiesen wird! (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Das Gleiche gilt für den Unternehmer, weil wirklich jedem mehr Geld im Börsel bleibt. (Abg. Loacker: Ich hoffe, du hast ...!)


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Herr Finanzminister, ich habe es schon gestern gesagt: Dieses Budget können wir wirklich ins Schaufenster tragen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte. (Ruf: Der Sozi für alles!)


10.11.38

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierung legt hier ein Paket auf den Tisch und beschriftet es gleich, schreibt gleich Werbung drauf, und das Erste, was sie da draufschreibt, ist: Ich bin groß. – Ich denke immer, wenn man auf ein Paket draufschreiben muss, dass es groß ist, stimmt wahrscheinlich etwas nicht. Und dann schreibt sie noch drauf, es ist sozial und es ist ökologisch. – Wenn man dieses Paket dann öffnet, sieht man aber, es ist tatsächlich für manche groß, aber für manche klein.

Für die, die arbeiten gehen – egal ob sie Arbeitnehmer sind, kleine Selbstständige sind oder die, die arbeiten gegangen und jetzt in der Pension sind, das heißt, die, die von Arbeit leben und deswegen Lohn- und Einkommensteuer zahlen –, ist dieses Paket klein. Für sie ist es circa halb so groß wie die Steuerreform, die damals 2015 von SPÖ und ÖVP beschlossen wurde: für die, die arbeiten gehen, halb so groß wie die Steuer­reform 2015. Das ist einfach objektiv so, weil Zahlen nicht lügen, und das kann man sich dort anschauen. (Ruf bei der ÖVP: Herr Krainer - -!)

Das mit groß stimmt also offenbar für die meisten Österreicherinnen und Österreicher nicht, es stimmt aber natürlich für Konzerne. Ich weiß, es gibt 70 000 Körperschaften, aber es gibt nur ein paar wenige Hundert, die 80 Prozent dieser Milliarden bekommen, wenn Sie die Konzernsteuer senken. Das sind ganz, ganz wenige, für die ist das super! Zum Beispiel für die OMV – nebenbei gesagt der größte Produzent von CO2 in Öster­reich – ist es super: Die bekommen 10 Millionen Euro. Die zahlen 10 Millionen Euro weniger Steuern, für die ist das Paket wirklich groß. Für die Angestellten der OMV, für die, die dort gearbeitet haben und jetzt in Pension sind, ist das Paket klein. Man sieht einfach: Kapital, Vermögende – großes Paket; für die, die arbeiten gehen, für die, die in Pension sind – kleines Paket. (Beifall bei der SPÖ.) Wenn Sie groß draufschreiben, stimmt das nur für Spender und Sponsoren, aber nicht für die breite Masse der öster­reichischen Bevölkerung.

Sie schreiben dann drauf, es sei sozial. Sozial? – Auch interessant! Man kann sich das alles ja ansehen, zum Beispiel diesen Ökobonus. Da geht es darum, dass alle etwas einzahlen sollen, und beim Auszahlen soll man differenzieren. Da sagen Sie aber, es ist nicht entscheidend, ob jemand viel Geld hat oder ob er wenig Geld hat, es ist nicht ent­scheidend, ob jemand umweltfreundlich lebt oder nicht umweltfreundlich lebt, es ist nur entscheidend, dass jemand, wenn er in Wien lebt, möglichst wenig kriegen soll, wenn er in einer anderen Stadt in Österreich lebt – also nicht in Wien –, dann soll er so ein bisschen etwas dazwischen kriegen, und wenn er am Land lebt, dann soll er möglichst viel bekommen – vollkommen egal, was die Leute verdienen. Das heißt, eine Mindest­rentnerin in der Stadt, in Wien, bekommt 100 Euro, aber ein Superverdiener, der irgend­wo anders lebt, kriegt einfach das Doppelte – der kriegt das Doppelte! Das ist sozial? Es soll sozial sein, dass die Mindestrentnerin 100 Euro kriegt, aber irgendein Millionär 200 Euro? Das soll sozial sein? – Nein! Dieses Paket ist weder groß noch sozial. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie sagen, das Paket ist ökologisch, dann meine ich, die Dosis ist ja homöopa­thisch (Abg. Jakob Schwarz: Also was ... ja, ja!), die Wirkung, die es haben wird, dass weniger CO2 ausgestoßen wird, ist de facto kaum messbar. (Abg. Jakob Schwarz:


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Welchen Preis hättest du ...?) Es ist vielleicht 1 Prozent – vielleicht 1 Prozent! –, viel­leicht auch weniger, das ist nicht klar. (Abg. Jakob Schwarz: Welchen Preis würdest du nehmen?)

Wenn wir ernsthaft etwas gegen die Klimakrise machen wollen (Abg. Jakob Schwarz: Welchen Preis nimmt der Krainer?) – dieses Paket leistet keinen messbaren Beitrag. Es ist nicht ökologisch, es ist nicht sozial, insofern können wir diesem Paket nicht zustim­men. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Maurer: Aber welchen Preis möchtest du denn dann? Sag uns du einen Preis!) – Sie brauchen nicht nervös zu sein und immer zu schreien! Ich habe Ihnen schon x-fach gesagt, eine CO2-Besteuerung kann einen ganz kleinen Beitrag leisten. (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.) Das, was Sie machen müssen, ist Ordnungspolitik, und ich weiß nicht, ob die ÖVP da mitgeht (Abg. Jakob Schwarz: Das ist ja eine Steuerreform! Steuerreform heißt steuern!), aber das ist das, was pas­sieren muss, um einen wirksamen Beitrag zu leisten.

Sie brauchen Investitionen! Wieso senken Sie die Steuern für die Konzerne um bis zu 1 Milliarde Euro pro Jahr? (Abg. Jakob Schwarz: Das ist eine Steuerreform!) Ich frage Sie wirklich: Wieso machen Sie das und investieren das Geld nicht darin (Abg. Jakob Schwarz: 20 Milliarden ...!), dass Österreich ökologischer wird, indem Sie zum Beispiel Heizungstauschprogramme fördern? (Beifall bei der SPÖ.) – Das wäre eine Maßnahme! (Zwischenruf des Abg. Weratschnig.)

Wieso geben Sie das Geld an irgendwelche Konzerne, anstatt es in die Umwelt zu investieren? Wieso machen Sie das? – Das wäre dann wenigstens ökologisch, aber das machen Sie nicht, und deswegen werden Sie von uns keine Zustimmung zu diesem Paket bekommen. (Abg. Wöginger: Ja, genau!) – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Weratschnig: ... Euro sind zu wenig, aber das ist ...!)

10.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fuchs. – Bitte sehr.


10.17.00

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Finanzminister! Hohes Haus! Geschätzte Steuerzahlerinnen und Steuer­zahler! Kollege Obernosterer hat es ja festgehalten: All die von der Bundesregierung groß angekündigten Steuerentlastungen sind ja nicht neu. Die Entlastungsschritte, von der Lohn- beziehungsweise Einkommensteuersenkung bis zur Mitarbeitererfolgs­be­teiligung, entsprechen ja genau jenen Maßnahmen, die ich damals mit Finanzminister Löger ausverhandelt habe. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil du, Kollege Obernosterer, gemeint hast, da gebe es keine Unterschiede: Aufpas­sen! Ich werde sie dir erklären: Der Erste Klubobmann-Stellvertreter Wöginger hat ja die Mitarbeitererfolgsbeteiligung groß gelobt, und da finde ich schon einen kleinen Unter­schied: Wir hätten damals die Mitarbeitererfolgsbeteiligung nicht nur von der Einkom­mensteuer befreit, sondern auch von der Sozialversicherung beziehungsweise den Lohn­nebenkosten, und weder im Ministerratsvortrag noch in der Budgetrede steht das drin­nen. Das heißt, ein guter Tipp: Ministerratsvortrag vom 1. Mai 2019 lesen, dann weißt du, was wichtig ist! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Jetzt nochmals zu Kollegen Obernosterer: Was unterscheidet diese Steuerreform von der damaligen Steuerreform? Jetzt haben wir eine ökoasoziale Steuerreform. Wir haben massive Belastungen hinter uns, und es kommen jetzt massive Belastungen auf uns zu: die NoVA-Erhöhung ab 1.7. dieses Jahres mit über 500 Millionen Euro bis 2025, die CO2-Strafsteuer ab nächstem Jahr, und von Frau Bundesministerin Gewessler wissen wir Folgendes – sie hat es ja bei der Präsentation der Steuerreform anklingen lassen –:


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die Ökologisierung des Pendlerpauschales, sprich Abschaffung des Pendlerpauschales, die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs (Abg. Wöginger: Tun wir nicht!), die Abschaf­fung des Dieselprivilegs und Maßnahmen gegen den Tanktourismus. (Abg. Wöginger: Das kommt alles nicht, lieber Kollege!)

Wenn der Erste Klubobmann-Stellvertreter meint, „das kommt alles nicht“ (Abg. Wöginger: Sehr gut, dass du das sagst!), dann freue ich mich sehr, und ich hoffe, die grüne Seite hat das gehört. All das, was in diesem Aufbau- und Resilienzplan drinnen steht (Abg. Kassegger – in Richtung Grüne –: Kommt alles nicht, sagt der August! Kommt alles nicht, hat er gerade gesagt! Das könnt ihr euch abschminken!), wird nicht kommen, und auch was die Grünen im Regierungsprogramm mit der ÖVP vereinbart haben, wird nicht kommen. – Also vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

Was unterscheidet uns noch, Kollege Obernosterer? – Diese ökoasoziale Steuerreform beinhaltet keine Strukturreform. Man findet in diesem Ministerratsvortrag keine struk­turellen Maßnahmen – mit einer einzigen Ausnahme: die Erhöhung des Absetzbetrages für geringwertige Wirtschaftsgüter auf 1 000 Euro. Das ist die einzige strukturelle Maß­nahme. Es gibt aber überhaupt keine administrativen und strukturellen Entlastungen für die Steuerpflichtigen und auch nicht für die Finanzverwaltung. Da geht es um Bürokra­tieabbau und Digitalisierung, aber all das sind bei der ÖVP lediglich Lippenbekenntnisse. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf kurz aus unserem Ministerratsvortrag vom 1.5.2019 zitieren, was die von uns geplanten strukturellen Entlastungen 2021 betrifft: „Entbürokratisierung für Arbeitnehmer durch Erhöhung des Werbungskostenpauschales“. 60 000 Arbeitnehmer hätten sich in der Zukunft die Arbeitnehmerveranlagung erspart. Das ist der Unterschied! Das wird nicht kommen. Oder: „Strukturelle Vereinfachungen im Steuerrecht wie“ die „Neuko­difi­kation des Einkommensteuergesetzes“, Stichwort „EStG 2020“ – wird auch nicht kom­men. Auch die „Vereinfachung der Lohnverrechnung“ wird nicht kommen, oder auch die „Ausweitung der Forschungsprämie“: Derzeit ist diese nur für Kapitalgesellschaften möglich; wir hätten ermöglicht, dass auch Einzelunternehmer und Personengesell­schaf­ten in den Genuss der Forschungsprämie kommen. Weiters: Erhöhung der Rechts­sicher­heit, schnellere Verfahren sowohl auf Ebene des Finanzamtes als auch auf Ebene des Bundesfinanzgerichtes und, zu guter Letzt, 2022 eine einheitliche Bemessungsgrund­lage bei den Lohnnebenkosten. – All diese Steuervereinfachungen wird es nicht geben.

Ich darf noch zwei Beispiele anführen – (auf das bereits leuchtende rote Lämpchen auf dem Rednerpult blickend) wenn es die Zeit erlaubt, nur eines, okay –: die CO2-Straf­steuer. In Wirklichkeit wissen wir, es ist lediglich eine Mineralölsteuererhöhung unter dem Deckmantel des Klimaschutzes, und da frage ich mich schon: Warum muss man extra eine eigene Steuer erfinden? Ihr hättet auch die Mineralölsteuer erhöhen können – aber das klingt natürlich nicht sexy (Heiterkeit der Abgeordneten Belakowitsch und Kickl), deshalb muss man eine eigene Steuer erfinden.

Herr Finanzminister, warum hebt man, so wie bei der Lohnverrechnung, eine CO2-Straf­steuer kompliziert ein, um diese in der Folge noch komplizierter an die Bevölkerung zu verteilen? (Abg. Deimek: Wo sich nicht einmal das Finanzministerium auskennt!) Es wird beim Klimabonus vier Stufen geben, und neben der Einteilung der Gemeinden in Stadt, Land und Umland kommt es dabei ausschließlich auf die Erreichbarkeit mit dem öffent­lichen Verkehr an – Heizkosten, Energieversorgung bleiben dabei vollkommen unbe­rück­sichtigt. Das heißt, die CO2-Strafsteuer betrifft natürlich nicht nur die Mobilität, son­dern auch das Heizen – und jetzt, Herr Finanzminister, erklären Sie mir einmal, wie man von der Qualität der Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel auf die Heiztechnik der einzelnen Haushalte schließen kann! (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ sowie Beifall bei der FPÖ.) Das heißt, man geht offenbar davon aus, dass man umweltfreundlich heizt,


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wenn es keine U-Bahn vor der Haustür gibt, und umgekehrt. Das kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein.

Noch ein Beispiel: Wer in der Ketzergasse an der Wiener Stadtgrenze zu Perchtoldsdorf wohnt und eine gerade Hausnummer hat, bekommt 100 Euro Klimabonus (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ) wegen der angeblich guten Öffi-Anbindung; wer aber auf der anderen Straßenseite wohnt und eine ungerade Hausnummer hat, kriegt 133 Euro Kli­mabonus. (Neuerliche Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ sowie Beifall bei der FPÖ.)

Solche Kuriositäten könnte ich jetzt noch lange erzählen, aber der Ordner weist mich gerade auf das Ende meiner Redezeit hin. (Abg. Kassegger: Schade!) – Vielen herz­lichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schwarz. – Bitte sehr.


10.25.00

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier und vor den Geräten! Ich möchte noch kurz mit ein paar Worten auf das Budget eingehen: Ich glaube, das ist wirklich ein Zukunftsbudget. Es hat einen großen, starken Klimafokus, es ist das größte Klimabudget aller Zeiten. (Abg. Deimek: Ja, aber nur auf einer Straßenseite, oder?) Wir haben zu der jährlichen Klimamilliarde, die wir letztes Jahr herausverhandelt haben, noch einmal 700 Millionen Euro draufgelegt, und das unabhängig von der Steuerreform, die für sich selbst noch einmal 1 Milliarde Euro Klimabudget heranschaufelt, und unab­hängig vom EAG, das auch für sich selbst eine Finanzierung von 1 Milliarde Euro für erneu­erbare Energien zustande bringt. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Ottenschläger.)

Wie man den Redebeiträgen der VorrednerInnen schon entnehmen konnte, ist der Kern dieses Budgets allerdings die ökosoziale Steuerreform mit einem historischen Gesamt­volumen von 18,6 Milliarden Euro. Das ist das Gesamtvolumen, nachdem man quasi die CO2-Bepreisung, die ja zusätzliche Einnahmen verschafft, abgezogen hat; das Entlas­tungs­volumen ist noch größer. Das möchte ich nur bei dieser Gelegenheit noch erwäh­nen, und zwar in Richtung Kai Jan Krainer, weil er die Verhältnisse zwischen Unterneh­men und ArbeitnehmerInnen immer total missrepräsentiert: Es sind 3 Milliarden Euro an Entlastungen für Unternehmungen vorgesehen und 20 Milliarden Euro für Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer. Das ist äußerst gerecht! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich kann Ihnen die Zeilen im Budgetbericht und auch im Budget selbst, im Voranschlag, zeigen, da steht es schwarz auf weiß. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Da kann man irgendwelche Geschichten drum herum erzählen, aber das sind Zahlen, die da schwarz auf weiß stehen. (Abg. Matznetter: Die kalte Progression abziehen, dann schaut’s gleich anders aus! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Genau, dann komme ich gleich zu den Kritikpunkten. Fangen wir gleich mit der kalten Progression an: Die kalte Progression kostet die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bei 1 Prozent Inflation in etwa 300 Millionen Euro. Wir entlasten in einer Größenordnung, die darüber liegt, wir reden von 3 Milliarden Euro an Entlastung. Das heißt, das ist eine komplett andere Größenordnung. Ich weiß nicht, wie Sie dazu kommen, zu glauben (Zwischenruf des Abg. Lindner), dass das das irgendwie wettmachen könnte. Wir sind da in einer ganz anderen Größenordnung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zusätzlich – und ich finde ja spannend, dass auch die SPÖ sozusagen die automatische Abschaffung der kalten Progression fordert, die NEOS und die FPÖ auch –: Man nimmt sich damit als Regierung ja jeden Handlungsspielraum. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja aber


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genau darum wollen Sie Gutsherrenpolitik, ...!) Wir wollten gezielt kleine und mittlere Einkommen entlasten. (Abg. Meinl-Reisinger: ... großzügiges Umverteilen!) Es geht nicht um Goodies, nein (Abg. Meinl-Reisinger: ... Umverteilen!), es geht darum, dass wir die kleinen und mittleren Einkommen gezielt entlasten können (Abg. Meinl-Reisinger: Nein, umverteilen!), indem wir spezifische Tarifsteuersätze senken. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Was Sie wollen, ist ein Automatismus, von dem immer die Reichen auch mitprofitieren. Das ist so: Wenn man die ganze Zeit die gesamte Steuerprogressionskurve nach rechts schiebt (Abg. Meinl-Reisinger: Ihr glaubt, ihr habt die Weisheit, was die Leute brauchen! Lasst sie doch ...!), profitieren natürlich die ganz oben am meisten davon. Das ist natür­lich neoliberale Politik der NEOS, aber dass die SPÖ da auch dabei ist, wundert mich. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ein klassisches Um­verteilen!)

Wenn wir schon bei den NEOS sind, dann vielleicht noch kurz zur Kritik bezüglich der Lenkungswirkung: Sie von den NEOS fordern einen CO2-Preis von 350 Euro pro Tonne. Das lenkt auch, und zwar insofern, als dass Menschen, insbesondere Menschen mit einem niedrigen Einkommen, nicht mehr mit ihrem Auto in die Arbeit fahren können. (Ruf bei den NEOS: Das ist ja ein Blödsinn!) Ich frage mich, ob das die Lenkungswirkung ist, die wir haben wollen. Lenkung funktioniert über Investitionen! Wir machen einen CO2-Preis mit einem ansteigenden Pfad, der signalisiert (neuerlicher Ruf bei den NEOS: Das ist ein Blödsinn!): Wenn ich ein neues Auto kaufe, wenn ich eine neue Heizung installiere (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff), wenn ich als Betrieb eine neue Anlage beschaffe, dann weiß ich, in Zukunft wird es sich auszahlen, wenn ich die jeweils klimafreundlichere Variante nehme. – Das ist die Lenkungswirkung, die diese CO2-Be­preisung entfaltet! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

So entfaltet eine Steuerreform eine Lenkungswirkung. Kai Jan Krainer kommentiert eine Steuerreform, hätte sich gerne aber eine ökologische Lenkungswirkung von irgendetwas anderem erwartet. Jetzt reden wir aber bitte zur Steuerreform, und bei einer Steuer­reform muss man halt über Steuern eine Lenkungswirkung erzeugen und nicht über ordnungspolitische Maßnahmen. Das ist doch offensichtlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Noch etwas zum Begriff der Steuerreform: Wenn man Steuern senkt, profitieren klarer­weise diejenigen davon – das kann man wollen oder nicht, das ist etwas, bei dem auch wir immer wieder ein bisschen anders betrachten, ob man wirklich Steuern senken muss oder nicht –, die Steuern zahlen. Das sollte jetzt niemanden überraschen. (Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.) Was wir aber in dieser Steuerreform gemacht haben, ist, dass wir zusätzlich für all jene, die so wenig verdienen, dass sie keine Steuern zahlen, sichergestellt haben, dass auch ihnen mehr Geld im Börserl bleibt, und zwar über mehrere Maßnahmen: erstens den Klimabonus – 1 Milliarde Euro jährlich stecken wir quasi in diesen Klimabonus (Abg. Meinl-Reisinger: Das bleibt nicht in der Börse! Ihr gebt es wieder zurück, am besten mit Inseraten begleitet!), für alle mindestens 100 Euro pro Jahr (Abg. Kassegger: Ihr tut halt das Geld nehmen und im Kreis herumschicken!) –; zweitens: die Krankenversicherungsbeiträge werden gesenkt; drittens: Kindermehr­betrag. Wir haben Maßnahme nach Maßnahme nach Maßnahme, die genau für diese Gruppen gelten (Ruf bei der FPÖ: Der ist auch für kleine Verdiener, der Kinder­mehr­betrag?), die weniger verdienen, als sie verdienen müssten, damit sie beginnen, Steuern zu zahlen. Das ist eine extrem soziale Variante einer Steuerreform. (Beifall bei den Grünen.)

Letzter Punkt – das hat mich fast schon schockiert! –: Ich bin nicht einer derjenigen, die unbedingt die OMV verteidigen müssen, aber wenn man sich schon ein großes, böses Unternehmen, das jetzt quasi von dieser Steuerreform besonders profitiert, heraussuchen


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möchte, dann bitte nicht die OMV. Gerade was die CO2-Bepreisung betrifft – Kollege Krainer hat behauptet, die OMV sei davon ausgenommen –: Die OMV bezahlt erstens für alle großen Betriebsanlagen im ETS, im Europäischen Emissionshandel, einen CO2-Preis (Abg. Herr: ... Zertifikate!), für alle eigenen Emissionen zahlt sie jetzt durch die CO2-Bepreisung, die wir einführen, einen CO2-Preis, und zusätzlich zahlt sie den CO2-Preis für alle Österreicherinnen und Österreicher. Das ist nämlich eine Inverkehrbrin­ger­abgabe, das heißt, am Anfang bezahlt fast alles die OMV, und dann muss man schauen, ob sie es überhaupt auf die Verbraucher überwälzen kann. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich denke, man sollte sich die Unterlagen und auch den Budgetbericht noch einmal genauer anschauen. Ich kann das auch gerne gemeinsam mit Ihnen durchbesprechen. Ich glaube, diese Steuerreform ist tatsächlich zukunftsgerichtet, entlastet das Klima, es bleibt mehr Geld im Börserl, und ebenso gilt das auch für das Budget. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Ottenschläger: Gute Rede!)

10.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Doppelbauer ist zu Wort gemel­det. – Bitte sehr.


10.31.22

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werter Herr Finanzminister! Ihre Budgetrede gestern war besser als das, was wir dann im Budget vorgelegt bekommen haben, möchte ich zu Beginn sagen. (Abg. Ottenschläger: Noch besser!) Ich glaube, Sie wissen das auch selbst, denn Sie haben da ganz groß Zukunft draufgeschrieben, aber die Zukunft fehlt, sie fehlt wirklich in diesem Paket. Es ist einfach nicht das drinnen, was draufsteht.

Es ist ein Budget, das wieder auf Kosten der nachfolgenden Generationen gehen wird. Es ist ein Schuldenrucksack, den Sie hinterlassen und der über die nächsten drei Jahre wachsen wird, und Sie tun das, obwohl wir eigentlich ein wirklich gutes Wirtschafts­wachstum haben und obwohl wir immer noch in diesem sehr niedrigen Zinsumfeld sind. Das hätte man nützen müssen. Das wäre eine ganz, ganz wichtige Chance für einen Neustart gewesen. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

Wir wissen auch, dass Österreich wegen des erratischen Krisenmanagements – auch von Ihrer Hand – schlechter als viele andere Länder durch die Krise gekommen ist. Jetzt wird gleich wieder kommen: Das ist alles nicht richtig! – Dann lesen Sie doch bitte einfach die internationalen Studien, die Fakten zeigen Ihnen das! (Beifall bei den NEOS.)

Ein paar Kennzahlen dazu: Der Wirtschaftsabschwung in Schweden machte 2,8 Prozent aus, in der Schweiz waren es 2,9 Prozent, in Österreich 6,7 Prozent, obwohl wir mit 56 Milliarden Euro in Relation sehr viel mehr an Steuergeld ausgegeben haben als ver­gleichbare andere Länder. Das ist es, wie die Krise bekämpft worden ist. Dann sieht man auch: Die Schweiz plant für 2022 bereits einen Haushaltsüberschuss. Sie, Herr Finanz­minister, planen Defizite bis 2025.

Anstatt eines Neustarts, den wir hier alle erwartet hätten, sehen wir das Comeback einer gewohnt uninspirierten Haushaltsplanung. Das ist es, was wir sehen. Es ist ein Reform­stau. Es ist ein Reformstau, der der zukünftigen Generation budgetär wirklich die Luft zum Atmen nimmt, und auf diese angeblich größte Steuerreform werde ich auch noch zu sprechen kommen.

Ich möchte aber mit dem Reformstau anfangen, weil mir das wirklich am Herzen liegt. Wir haben hier schon sehr, sehr vieles vorgeschlagen. Was wir für die Menschen in diesem Land besonders wichtig finden würden, ist zum Beispiel ein entsprechender Umgang mit dem Föderalismus. Wir geben wirklich ganz, ganz viel Geld für die falschen Dinge aus, weil Sie es nicht schaffen, Aufgaben-, Einnahmen- und Ausgabenverantwortung


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auf Gemeinde-, Länder- und Bundesebene zusammenzuführen und den Finanz­aus­gleich dementsprechend zu entflechten. Das ist in der Krise besonders deutlich gewor­den. (Beifall bei den NEOS.)

Ein Bild, das das, wie ich glaube, sehr gut zeigt – erinnern Sie sich daran zurück! –: Der oberösterreichische Landeshauptmann Stelzer hat sich Masken mit einer eigenen Maschine aus China einfliegen lassen, verbunden mit schönen Bildern, gezeichnet auf Steuerkosten.

Stichwort Pensionen: Wir haben an sich ein Pensionsversicherungssystem in diesem Land, aber ein Drittel des Bundeshaushalts sind inzwischen Zuschüsse für die Pen­sionen. Sie müssen endlich den Kopf aus dem Sand ziehen und eine Pensionsreform durchführen. Es geht darum, dass man das faktische Pensionsalter an die Gott sei Dank gestiegene Lebenserwartung anpasst. Ich möchte nur ein Beispiel dazu nennen: 2022 zahlen wir für Beamtenpensionen mehr, als insgesamt für die Bildung ausgegeben wird. Das passt einfach nicht mehr zusammen, meine Damen und Herren, da muss man endlich etwas tun. (Beifall bei den NEOS.)

Bleiben wir noch kurz bei der Bildung: Die Schweiz investiert 16,5 Prozent ihres Staats­haushaltes in die Zukunft ihrer Kinder. In Österreich sind es 9,2 Prozent, und das Plus, das es im Budget 2022 bei der Bildung gibt, deckt gerade einmal die Coronatests und die Gehaltserhöhung der Lehrer ab.

Jetzt möchte ich zur größten Steuerreform aller Zeiten kommen: Dass diese Superlative nicht angebracht sind, obwohl Sie sie hier so vehement verteidigen, haben, glaube ich, gestern schon sehr viele Ökonomen gesagt, und man konnte es gut in den Zeitungen nachlesen. In den Reihen der FPÖ nickt man dazu.

Viele Kritikpunkte, die wir gestern angebracht haben, wurden auch übernommen. Ein Punkt, der mir wirklich wichtig ist, in Richtung Kollegen Schwarz, der glaubt, die Abschaf­fung der kalten Progression sei nicht notwendig, weil man dann nichts mehr umverteilen kann: Ich finde es wirklich absurd, das zu sagen! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.) – Ja dann braucht es eben Reformen, damit man Gelder wieder ausgeben kann. Das heißt doch nicht, dass man Menschen das Geld aus Tasche zieht (Abg. Jakob Schwarz: Wer macht ...?), damit man es nachher wieder verteilt. (Beifall bei den NEOS.)

Das ist wirklich unpackbar! So viel Wissen über volkswirtschaftliche Zusammenhänge hätte ich Ihnen ehrlich gesagt schon zugetraut. Die Zahlen dazu: Den arbeitenden Menschen bleibt nach der Reform in unserem Land im EU-Vergleich am drittwenigsten von ihrem hart verdienten Geld – am drittwenigsten, nach dieser Reform! Das ist das, was rauskommt. (Beifall bei den NEOS.)

Vielleicht noch zur ÖVP, die offenbar die kalte Progression nicht richtig berechnen kann: Kollege Obernosterer hat gesagt, das bringe ja nur 500 Millionen Euro. Ja, im ersten Jahr, und dann potenziert es sich. Bis zum Jahr 2025 sind das 4,5 bis 5 Milliarden Euro Entlastung, die man hätte geben können, meine Damen und Herren. Das ist doch wirklich unpackbar! (Beifall bei den NEOS.)

Das nennt sich Wirtschaftspartei. Dazu hätten wir auch noch die Unternehmer und Unternehmerinnen entlasten können. Ich sage es gleich: Wir finden die Senkung der KöSt gut, auch da sind wir im oberen Spitzenfeld, das finden wir in Ordnung. Was aber fehlt, was schmerzhaft fehlt, was die Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land wirklich brauchen, ist die Senkung der Lohnnebenkosten.

Noch ganz kurz zum CO2-Preis: Ich verstehe, dass die Grünen diese 30 Euro, die wirklich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind, tapfer nach außen verteidigen müssen. Ihre Begründung vorhin, Kollege Schwarz, tut mir aber wirklich weh. Das ist ja,


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als ob, ich weiß nicht - - Mein Kollege Matthias Strolz hätte gesagt: Sie reiten da ein totes Pferd. (Beifall bei den NEOS.)

Mit 30 Euro kommen Sie überhaupt nirgends hin. Das lenkt nicht, und das wird gar nichts bringen. Unser Modell ist das ambitioniertere. Ich sage Ihnen aber: Die Wählerinnen und Wähler werden sich merken, was Sie da machen. (Rufe bei den Grünen: Ihr hättet alle anderen Umweltsteuern abgeschafft, Karin! Keine NoVA! Wie ambitioniert ist keine NoVA?) Sie geben wirklich den grünen Weg auf. Es ist Ihre Entscheidung.

Was mich wirklich wütend macht, meine Damen und Herren – ich sage es Ihnen noch einmal –: Nach dem Studium der Akten der WKStA wissen wir, dass zwei ganz, ganz große Brocken eigentlich schon hätten abgeschafft werden sollen. Die Abschaffung der kalten Progression hätte den Menschen nämlich wirklich geholfen – das war schon im Programm 2017, und es war ausverhandelt – oder auch die Gratiskinderbetreuung am Nachmittag, wenn damals nicht diese grüne Prätorianergarde – Entschuldigung, die türkise, muss ich sagen (Ruf bei den NEOS: Das hätte auch gestimmt!), ich war gerade bei den Grünen, aber es sind die Türkisen gewesen –, diese türkise Prätorianergarde das verhindert hätte. Warum haben sie es verhindert? – Sie haben es verhindert, um die Macht zu übernehmen, nicht um den Menschen in diesem Lande irgendetwas Gutes zu tun. Das war das Einzige, was wichtig war: die Machtübernahme in diesem System.

Wir hätten Ihnen gestern die Chance gegeben, das auszubessern, Herr Finanzminister, da spreche ich Sie persönlich an. Wir hätten Ihnen gestern eine Chance gegeben, zumindest ein wenig Vertrauen bei den Menschen wieder aufzubauen. Zwei Anträge zur Abschaffung der kalten Progression und einen Antrag für die Gratiskinderbetreuung haben Sie vom Tisch gewischt. Schwarz/Türkis-Grün hat das alles vom Tisch gewischt. (Beifall bei den NEOS.)

Wir haben in den letzten Tagen viel über Vertrauen gesprochen, meine Damen und Herren. Ich kann nur sagen: Herr Finanzminister, ich persönlich bin enttäuscht, ich bin wirklich enttäuscht, und mein Vertrauen in Sie und Ihren Willen, Reformen für die Men­schen in diesem Land umzusetzen, ist erschüttert. (Beifall bei den NEOS.)

10.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Haubner. – Bitte sehr.


10.39.37

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade eine Nachricht bekommen: Das Budget muss ja sehr gut sein. Die einen jammern, es sei zu wenig, die anderen sagen, es sei zu viel, da müsste man ja die Mitte perfekt getroffen haben! – Meine Damen und Herren, ich glaube, wir liegen mit diesem Budget goldrichtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir wollen nämlich eines mit diesem Budget: Wir wollen Stabilität und Wachstum in unserem Land, und dafür ist eine florierende Wirtschaft etwas ganz Wichtiges, dafür ist budgetäre Sicherheit ein ganz wichtiges Element und eine Voraussetzung. Eine Wirt­schaft, die gesunde Unternehmen hat, schafft auch Arbeitsplätze, meine Damen und Herren.

Ich sage Ihnen als Wirtschaftssprecher meiner Partei: Wir brauchen diese Unter­stüt­zung, und wir haben in Zeiten von Corona bewiesen, dass wir diese Unterstützung auch gut verwenden, die Arbeitsplätze sichern und unser Land und unsere Wirtschaft auf einem guten Weg halten. Dafür, meine Damen und Herren, möchte ich auch den Unter­nehmern einmal recht herzlich Danke sagen: dass sie diesen schwierigen Weg mit uns gemeinsam gegangen sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Dieses Budget ist eine klare Ansage in Richtung Zukunft. Der SPÖ möchte ich sagen: Die Wirtschaft ist unteilbar – Unternehmer und Arbeitnehmer gemeinsam, denn nur gemeinsam können wir erfolgreich sein, meine Damen und Herren. Ich halte nichts davon, dass wir immer wieder auf die Unternehmer hinhauen, so wie Sie das machen, und dass Sie, wenn wir eben einen Beitrag dahin gehend leisten, den Standort und die Unternehmer abzusichern, das dann schlecht­reden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte schon auch einen Satz zur KöSt anmerken. 20 Prozent der österreichischen Unternehmer sind körperschaftsteuerpflichtig, und die meisten sind im internationalen Wettbewerb tätig. Da müssen wir schon darauf schauen, dass sie wettbewerbsfähig bleiben und dass sie vor allem in Österreich bleiben. Schauen wir auf die anderen Länder, die im Umfeld von Österreich aktiv sind: Kroatien hat einen KöSt-Satz von 10 beziehungsweise 18 Prozent, die Slowakei einen von 21 beziehungsweise 15 Prozent, Tschechien 19 Prozent, Slowenien 19 Prozent. Ja, meine Damen und Herren, da müs­sen wir unseren Standort schon danach ausrichten und etwas tun, damit die Unterneh­mer nicht in andere Länder abwandern. Deshalb machen wir diese Körperschaftsteuer­senkung: damit wir die Arbeitsplätze in Österreich sichern – die Arbeitsplätze, die wir alle brauchen. Deshalb bin ich dafür, dass wir diese Maßnahme auch entsprechend um­setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist erfreulich, dass auch 80 Prozent der Unternehmer, die Personengesellschaften oder Einzelunternehmer sind, von dieser Steuerreform profitieren. Wir senken die Ein­kommensstufe zwei von 35 auf 30 Prozent, die Einkommensstufe drei von 42 auf 40 Prozent, wir erhöhen den Gewinnfreibetrag von 13 auf 15 Prozent, und wir geben Investitionsanreize. Das ist ganz wichtig, wie wir jetzt durch diesen Investitionsfreibetrag gesehen haben: 7 Milliarden Euro Investitionsprämie haben 80 Milliarden Euro Inves­titionen ausgelöst. Das hat auch Arbeitsplätze gesichert, meine Damen und Herren. Wir denken eben gemeinsam für Unternehmer und für Arbeitnehmer, und das unterscheidet uns von der SPÖ. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Aufschwung, Stabilität und Nachhal­tig­keit schaffen wir sicher, wenn wir miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. Des­halb: Schauen wir, dass wir gemeinsam erfolgreich sind! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Holzleitner. – Bitte.


10.43.40

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Für uns ist eines in diesem Budget ganz klar: Frauen, Kinder und Jugendliche sind de facto nicht berücksichtigt worden. „Der Standard“ schreibt da sehr treffend: kein Wunder bei einer Frauenministerin, die nicht „für Frauen lobbyiert“, sondern ausschließlich für „toxische Männlichkeit“. – Ich glaube, nichts anderes trifft besser auf dieses Budget zu. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Was eindeutig fehlt – auch der Finanzminister hat es gestern in seiner Rede nicht er­wähnt –, ist der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, auf Kinderbildung, der Rechts­anspruch, der von Sebastian Kurz damals, 2017, den Kindern gestohlen worden ist. Für uns ist eines ganz klar: Jedes Kind ist gleich viel wert (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der NEOS), und jedes Kind hat ein Recht auf Bildung. Somit hätte auch der Rechtsanspruch auf jeden Fall eingeführt werden sollen. Aktuell macht die Bundesregierung leider keine Anstalten, dass dieser gestohlene Rechtsanspruch eingeführt wird.


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Wir sehen aber auch im Bereich Gewaltschutz noch immense Baustellen. 21 Frauen­morde – das ist schon erwähnt worden – haben wir in diesem Jahr zu verzeichnen. Bereits vor dem Sommer wurde vollmundig ein Gewaltschutzpaket in der Höhe von rund 20 Millionen Euro angekündigt. Das klingt ja grundsätzlich als erster Schritt schon einmal nicht schlecht, aber nicht nur, dass Expertinnen und Experten sagen, dass es viel zu wenig ist, das Beste ist: Das Geld ist bei den Institutionen noch nicht einmal angekom­men. Vor dem Sommer angekündigt – und das Geld ist noch immer nicht angekommen?! Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Währenddessen sind wei­tere Frauenmorde passiert – vor dem Sommer waren es noch nicht 21 –, aber das Geld ist noch immer nicht angekommen!

Nicht nur das aber ist Tarnen und Täuschen à la Bundesregierung, sondern das findet sich auch in der Budgetrede des Finanzministers. Wer genau zugehört hat, konnte erfahren: 20 Millionen Euro da, 20 Millionen Euro dort, Inneres, Justiz, Soziales, Frauen, und das klingt fast so, als gäbe es diese Beträge für jedes Budgetkapitel. – Nein, wer genau hinschaut, sieht: Es sind 20 Millionen Euro insgesamt, es wurden nicht 20 Millionen Euro pro Bereich kalkuliert, nicht 20 Millionen Euro für echten Gewaltschutz, sondern insgesamt – eine übergeordnete Summe, fein ziseliert, dann irgendwo ein bisschen aufgeteilt, dort ein Tropfen auf den heißen Stein, da ein Tropfen auf den heißen Stein, definitiv aber kein echter Gewaltschutz, der den Frauen auch tatsächlich zugute­kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines ist mir an dieser Stelle auch noch wichtig zu betonen, weil sie auch komplett vergessen wurden: die Frauenberatungsstellen, die erste Anlaufstelle, wenn es Prob­leme bei den Frauen zu Hause, im Privatleben, im Beruf et cetera gibt, die Frauen­bera­tungsstellen als erste Anlaufstelle für Probleme jeglicher Art. Sie leisten wirklich wesent­liche Arbeit, sind massiv unterfinanziert (Abg. Disoski: Wieso sind sie unterfinanziert? Weil ihr nichts gemacht habt!), hanteln sich von Projektfinanzierung zu Projektfinan­zierung zu Projektfinanzierung, es herrschen extrem prekäre Dienstverhältnisse, und es gibt noch immer keine Basisfinanzierung für diese Stellen – keine Basisfinanzierung, die tatsächlich einerseits die Beschäftigten absichern würde und andererseits auch die Garantie dafür ist, dass das Geld wirklich bei den betroffenen Frauen, die über die Frauenberatungsstellen beraten werden, ankommt.

Deshalb ist dieses Budget für uns auf keinen Fall ein Meilenstein, sondern nur ein Stolperstein für viele Frauen in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Holzleitner – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz in Richtung Abg. Disoski –: Es geht nicht darum, ob wir etwas gemacht haben oder nicht, aber dass die Frauenberatungsstellen noch immer - -! – Abg. Disoski: ... Versäumnisse! – Abg. Holzleitner: Nein, das sind doch nicht nur ausschließlich unsere Versäumnisse, wir sind jetzt vier Jahre nicht mehr in der Regie­rung, Meri! Das ist doch total lächerlich! – Abg. Disoski: Das ist überhaupt nicht lächer­lich!)

10.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hammer. – Bitte. (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Disoski und Holzleitner.) – Darf ich bitten! (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Hammer gelangt zu Wort. – Bitte.


10.48.04

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Sehr geehrter Herr Minister! Ich habe bei manchen Reden von SPÖ- und auch von NEOS-Abgeordneten ein bisschen das Gefühl gehabt, dass sie geschrieben wurden, bevor die Budgetunterlagen online gestellt wurden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Ich


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würde Sie wirklich bitten oder ersuchen, sich die Budgetunterlagen und nicht nur das, was in Ihrem Briefing steht, durchzulesen, denn manches von dem, was hier gesagt wurde, ist wirklich kontrafaktisch. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Speziell das Klimabudget betreffend: Wir haben hier – noch einmal – das historisch größte Klima- und Umweltschutzbudget, das dieses Land je gesehen hat. Allein für den Bereich Umwelt, Klima und Energie stellen wir 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung – 1,2 Milliarden Euro! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Klubobfrau Rendi-Wagner, Sie haben gemeint, das sei vielleicht zu wenig, deshalb zur Erinnerung: Im Vergleich zu den Zahlen während der letzten SPÖ-Regierungs­betei­ligung haben wir jetzt mehr als das Vierfache für diesen Bereich – mehr als das Vier­fache! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir brauchen diese historische Steigerung im Klimaschutzbudget auch – und es ist eine historische Steigerung –, weil wir damit auf eine historische Aufgabe antworten müssen, nämlich auf die Klimakrise. Es geht darum, alle Systeme in unserer Gesellschaft, in unserer Wirtschaft in Richtung CO2-Neutralität, in Richtung Umstieg auf erneuerbare Energien zu transformieren. Warum? – Weil das die Antwort auf die Klimakrise ist, aber auch deshalb – und da spreche ich speziell die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ an –, weil wir uns endlich von der Abhängigkeit von teuren Öl- und Gasimporten befreien müssen, die dafür verantwortlich sind, dass jetzt die Energiepreise steigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die erneuerbaren Energien sind die Antwort darauf, dass Energie langfristig leistbar ist. Deshalb ist es aus meiner Sicht völlig unverständlich, dass die FPÖ den Ausbau der erneuerbaren Energien überall dort, wo sie regiert, verhindern will. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Was machen wir mit diesem Budget? – Auf der einen Seite schaffen wir konkrete Alternativen für den Klimaschutz. Wir haben eines der größten oder das größte Bahn­ausbauprogramm, das dieses Land je gesehen hat. Wir haben erstmals so richtig eine Förderung für den Bau von Fahrradstraßen, auch für Wege für den Fußverkehr. Wir haben – wie auch bei den EAG-Verhandlungen vereinbart – ein Fernwärmeaus­bau­paket, das jetzt mit 30 Millionen Euro im Budget steht.

Das Zweite, was wir machen, ist: Wir machen klimafreundliche Alternativen leistbarer. Da möchte ich das Klimaticket, das im Budget vollständig abgebildet ist, hervorstreichen, durch das sich Menschen, die mit den Öffis pendeln müssen, bis zu und teilweise auch mehr als 1 000 Euro im Jahr ersparen werden. Ich frage: Welche Steuerreform in der Geschichte hat es Menschen ermöglicht, mehr als 1 000 Euro pro Jahr einzusparen? Ich glaube, das ist schon historisch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir helfen natürlich Menschen, also Privaten, und Betrieben beim Umstieg auf klima­freundliche Alternativen. Wenn Private oder auch Betriebe eine neue Heizung kaufen wollen, um von Öl oder Gas auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen, so gibt es dafür ein gigantisches Budget, das wirklich für das ganze Jahr ausreicht. Das heißt, alle, die eine Förderung bekommen wollen, werden auch eine Förderung bekommen. Und nicht nur das: Es wurde auch der Fördersatz für Private von 5 000 auf 7 500 Euro erhöht, was, wie ich finde, ein sehr gutes Zeichen ist, und es wurde auch eine neue Förderung für den mehrgeschoßigen Wohnbau eingeführt, um auch darauf zu reagieren, dass da auch Mieterinnen und Mieter betroffen sind.

Kollege Schwarz hat es erwähnt: Wir haben nicht nur alle Hebel im Klimaschutz, die es bisher gab, verstärkt, sondern wir haben auch einen komplett neuen Hebel im Klima­schutz eingeführt, und zwar mit der CO2-Bepreisung.


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Auch wenn es kein Geheimnis ist, dass ich persönlich mir und wir Grünen uns einen größeren Lenkungseffekt gewünscht hätten, so haben wir mit der sozial-ökologischen Steuerreform doch einen Systemwandel geschaffen und eingeleitet. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Das ist ein Systemwandel, der die letzten 30 Jahre hindurch unter anderem von der Sozialdemokratie blockiert und verhindert wurde. Wir haben es jedoch nach nicht einmal zwei Jahren Regierungszeit geschafft! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ja, Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger, viele reden vom Klimaschutz (Abg. Meinl-Reisinger: Schauen Sie nach Europa!), wir handeln! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Die Europäische Kommission ist jetzt auch nicht gerade der ...! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

10.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte sehr.


10.53.02

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Kollege Hammer ist schon super in die koalitionäre Marketinggeschichte eingeschwungen: 1,2 Milliarden Euro für Umwelt, Klima und Energie! 1,2 Milliarden – ja. Schauen wir aber einmal ins Budget: für die Pensionen 23 Milliarden Euro, also ungefähr das Zwanzigfache, und da tun Sie nichts! (Zwischenrufe bei den Grünen.) Da tun Sie gar nichts, da schauen Sie weg!

Im Jahr 2020 haben die Ausgaben für die Pensionen 20 Milliarden Euro ausgemacht, am Ende des Finanzrahmens werden es 27 Milliarden sein – eine Steigerung um mehr als ein Drittel. Wenn Sie dort einmal Hand anlegen würden, dann könnten Sie Klima­politik machen, so viel Sie wollen, dann könnten Sie alle frauenpolitischen Wünsche von Kollegin Holzleitner erfüllen, Sie würden es im Budget gar nicht merken. Sie könnten Kinderbetreuung organisieren, würde man nur den größten Brocken, der ein Viertel des Budgets verschlingt, einmal anfassen. Das Gegenteil machen Sie! Sie machen noch außertourliche Pensionserhöhungen und vergrößern damit das Problem noch mehr. (Beifall bei den NEOS.)

Ein weiteres Generationenproblem, von dem alle wissen, ist die Pflege, und dafür setzen Sie 1,1 Prozent mehr an – aber bei den Pensionen kann man 3 Prozent drauflegen. Also dort, wo wirklich ein Problem ist, tun Sie nichts!

Wenn jetzt junge Menschen begreifen: Ah, wir haben ein Problem mit der Altersvorsorge, ich muss privat vorsorgen und ich spare an!, und diese jungen Leute dann in Fonds etwas für das Alter sparen, dann haben Sie dafür aber wieder keine Spekulationsfrist eingeführt, und Sie besteuern die Erträge dieser Langfristsparer wie jene eines Speku­lanten, der jeden Tag herumzockt. Sie tun nichts für die Altersvorsorge! (Beifall bei den NEOS.)

Kommen wir zum wunderbaren Steuerreformmarketing! Es ist alles so toll: Wir senken die Steuersätze in der Lohn- und Einkommensteuer unterjährig. – Das geht nicht! Steu­erjahr ist das Kalenderjahr. Wenn Sie nicht eine gewaltige Bürokratie schaffen wollen, können Sie nicht zum 1. Juli die Lohnsteuersätze senken, weil das Finanzamt nicht weiß, wer in welchem Kalendermonat wie viel verdient hat. Man kann auch nicht die Kranken­versicherungsbeiträge innerhalb einer Versichertengruppe abstufen und senken, dazu gibt es Judikatur des Verfassungsgerichtshofes. Das, was Sie mit den Krankenversiche­rungsbeiträgen vorhaben, ist verfassungswidrig!

Dann wollen Sie über das Klimaministerium einen Klimabonus ausschütten. Jetzt über­lege ich: Woher weiß denn das Ministerium von Frau Gewessler von den Leuten Name,


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Adresse, Kontonummer und Kinderanzahl? Also wie kommen die Daten ins Klimaminis­terium? Es wird ja wohl nicht das Finanzministerium alle Daten an Frau Gewessler schicken.

Der Punkt ist: Sie können super Populismus, Sie können super Marketing, aber Sie können nicht arbeiten! (Beifall bei den NEOS.)

10.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hammer. – Bitte.


10.56.19

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanzminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Es ist das übliche Spiel – wir haben es gerade auch bei Kollegen Loacker ge­hört –, dass die Opposition natürlich das Budget zerpflückt, aber es ist wie immer auch ein Ritual und von der Substanz und vom Wahrheitsgehalt her sehr überschaubar. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Wir haben – das haben viele Vorredner der Koalitionsparteien auch schon gesagt, und ich glaube, das kann man gar nicht oft genug sagen und betonen – schon viele Budgets hier diskutiert, und es waren immer wieder auch Maßnahmen und Ansätze drinnen, aber dieses Budget beinhaltet schon einige ganz wesentliche Weichenstellungen und fun­damentale Änderungen. Es ist der erstmalige und wirklich konsequente Einstieg in die Ökologisierung unseres Steuersystems. Umweltfreundliches Handeln wird entsprechend belohnt. Das ist ein ganz wesentlicher Schritt für Umwelt- und Klimaschutz. Ich denke, dieses Bekenntnis wird mit diesem Budget abgegeben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es bringt – und selbst die Damen und Herren Genossen von der SPÖ haben das ja schon anerkannt – eine deutliche Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es bleibt den österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dann monatlich und im gesamten Jahr mehr im Börserl, und es stärkt damit unsere Kaufkraft in Öster­reich.

Wir haben deutliche Schwerpunktsetzungen und Investitionen in Zukunftsbereiche. Ich nenne zum Beispiel nur die Digitalisierung, den Breitbandausbau und auch – und das ist mir besonders wichtig – den Bereich der inneren Sicherheit und der Landesverteidigung. Dieses Budget stärkt weiters ganz konsequent den Standort Österreich, damit auch Wohlstand in diesem Land gesichert werden kann und die Menschen Arbeit in unserem Land finden. Auch dafür sind in diesem Budget ganz klare Ansätze vorgesehen.

Ich darf noch einige Highlights herausgreifen: die Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – das wurde schon ausgeführt. Wir haben eine jährliche Entlastung von bis zu 1 200 Euro für jeden arbeitenden Menschen, und wir erhöhen zusätzlich den Familienbonus um 500 Euro pro Kind. Den österreichischen Familien bleibt also am Monatsende und am Jahresende deutlich mehr Geld übrig. (Präsidentin Bures über­nimmt den Vorsitz.)

Weil immer wieder gesagt wird, dass möglicherweise Größerverdiener da stärker profi­tieren: Wir senken die zweite und die dritte Einkommensteuerstufe, und davon profitiert die überwiegende Zahl der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit die breite Masse. Es ist absolut unredlich, hier immer diesen Klassenkampf herbeizureden. Es werden alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlastet! (Beifall bei der ÖVP.)

Wichtig ist mir auch, weil in der Diskussion fälschlicherweise immer wieder anderes behauptet wird: Wir entlasten auch die Pendlerinnen und Pendler, die Menschen, die


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darauf angewiesen sind, mit dem Auto, mit dem öffentlichen Verkehrsmittel tagtäglich in die Arbeit zu fahren. Wir steigen zwar auf der einen Seite in die CO2-Bepreisung ein, setzen aber auf der anderen Seite mit dem Regionalitätsbonus eine deutliche Entlas­tung.

Was mir ganz wesentlich ist – Kollege Kickl hat versucht, das anzuzweifeln –: Die Pendlerpauschale bleibt in der derzeitigen Form auch bestehen.

Wir bauen den öffentlichen Verkehr deutlich aus und setzen mit dem Klimaticket eine deutliche kostengünstige Alternative.

Wir setzen Maßnahmen im Bereich des Arbeitsmarktes. Nach mir wird auch Herr Kollege Muchitsch ans Rednerpult treten und wieder bemängeln, dass zu wenig Geld für kon­krete Arbeitsmarktmaßnahmen vorgesehen ist, aber da haben wir ganz wesentliche Schwerpunkte, und die sind auch erfolgreich. Der Arbeitsminister hat diese Woche wie­der die Arbeitsmarktzahlen veröffentlicht, wir sind da sehr gut unterwegs und setzen mit der Coronajoboffensive und mit der Aktion Sprungbrett, die auch im Budget deutlich abgebildet sind, ganz wirksame und wichtige Maßnahmen.

Vierter Punkt: Wir investieren auch in das Bundesheer sehr viel Geld. Es gibt eine deut­liche Budgetsteigerung für den Bereich der Landesverteidigung. Wir haben gesehen, dass es verschiedenste Bedrohungslagen wie auch Naturereignisse beziehungsweise Unwetterereignisse gibt. Außerdem hat das Bundesheer auch bei der Pandemie­be­kämpfung gezeigt, wie gut und wichtig seine Aktionen sind. Ich glaube daher, es ist konsequent und notwendig, in diesen Bereich zu investieren, und wir tun das auch. Dieses Budget trägt der Tatsache Rechnung, dass es ein starkes Bundesheer und eine starke Landesverteidigung gibt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Dieses Budget ist eine klare Ansage für die Zukunft unseres Landes, und wir werden es mit großer Freude und Zustimmung beschließen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

11.00


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rainer Wimmer. – Bitte.


11.01.05

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Bundesminister gestern haben Sie die wirtschaftliche Situation Österreichs besprochen. Vor allem die Industrie ist sehr erfolgreich unterwegs. Ich sage allerdings auch von dieser Stelle aus ganz deutlich: Das ist nicht Ihr Verdienst, sondern das ist den vielen Kolleginnen und Kollegen zu ver­dan­ken, die Tag und Nacht arbeiten und dieses Land hochgehalten haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Dabei darf man ja nicht glauben, dass diese Leute keine Angst hatten, denn sie riskierten bei ihrem Einsatz ja ihre Gesundheit. Das haben wir mitbekommen, liebe, geschätzte Damen und Herren, und natürlich haben sich die Menschen beschwert, denn sie hatten es nicht einfach, aber sie haben es geschafft, dieses Land hochzuhalten.

Herr Blümel! Sie haben sich bei den Mitarbeitern bedankt.  Ich sage auch von dieser Stelle aus: Ein Wort des Dankes wird nicht reichen. Vom Dank können sich die Men­schen nämlich nichts abbeißen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen ordentliche Lohn- und Gehaltserhöhungen. Sie müssen an diesem Erfolg teilhaben können, und dafür werden wir als Gewerkschaft in den nächsten Wochen sorgen, darauf können Sie sich verlassen.


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Geschätzte Damen und Herren! Die Regierung hat Coronaprämien versprochen. Ich frage jetzt von dieser Stelle aus: Was ist mit diesen Coronaprämien geschehen? Bis heute wurde nicht ein Cent – nicht ein Cent! – ausbezahlt, meine Damen und Herren! Das ist wirklich klassische Showpolitik, die Sie hier betreiben. Sorgen Sie dafür, dass diese Coronaprämien jetzt zu den Menschen gelangen, meine sehr geschätzten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Betreffend Steuerreform ist heute schon sehr viel gesprochen und auch kritisiert worden. Ich sage nur: Das ist klassische Klientelpolitik. Sie lassen wieder einmal die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer im Stich. Nicht einmal die kalte Progression wird hier abgegolten. In Wirklichkeit haben sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer alles selber bezahlt.

Wirklich einen Unterschied machen Sie nur bei den Großkonzernen mit der Körper­schaftsteuer: 1 Milliarde frisches Geld! Das wird wirklich dem Budget entnommen, und das ist ein Kniefall vor den Großkonzernen. Die KMUs haben überhaupt nichts davon. Da geht es wirklich um die ganz großen Betriebe, und damit wird auch den Konzernen geholfen, ihr Ergebnis zu verbessern.

Es ist auch schon davon gesprochen worden, dass damit Arbeitsplätze gesichert wer­den. Das schaue ich mir an! Es ist so, dass sehr viele Konzerne Staatshilfen kassiert haben, gleichzeitig heuer aber schon Dividenden ausschütten.  Ich sage Ihnen: Das ist absolut unmoralisch, meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das versteht nie­mand.

Ich darf nur ein Beispiel nennen, weil er der Groß- und Big Spender der ÖVP bei der letzten Nationalratswahl war, nämlich Herr Pierer. Kurzarbeit: 11 Millionen Euro, Zu­schüsse: 14 Millionen Euro, ausbezahlte Dividenden: 11 Millionen Euro. Meine sehr ge­schätzten Damen und Herren! Das ist unmoralisch! Das gehört sich einfach nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Einen Satz noch zum Arbeitsmarkt – darauf wird Kollege Muchitsch dann umfassend eingehen –: Wir haben jetzt 335 000 Menschen ohne Arbeit, und 160 000 Menschen sind langzeitarbeitslos. Meine sehr geschätzten Damen und Herren von der ÖVP! Als die Aktion 20 000 von Ihnen zu Grabe getragen wurde, hatten wir 100 000 Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit. Im Hinblick darauf frage ich mich: Was ist mit der Aktion Sprungbrett? – Diese hat überhaupt keine Wirkung! Was ist mit der Coronajob- und Weiterbildungsoffensive? Was heißt das? Wo findet sich das? Die Zahlen spiegeln ja etwas ganz etwas anderes wider. Für die Umweltstiftung ist für nächstes Jahr ein bisschen etwas budgetiert. – Ich sage Ihnen: Im Marketing sind Sie sehr gut. Bei Ihrer Politik ist aber alles Schall und Rauch, und daher werden wir dem Budget nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.05


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Meri Disoski. – Bitte.


11.05.21

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Schade, dass Klubobfrau Meinl-Reisinger gerade nicht mehr im Saal ist. Ich wollte sie nämlich fragen, was sie denn unter zukunftsfitter und enkelfitter Politik versteht, die sie hier gefordert hat. Wie stellt sich denn die rot-pinke Regierung – beziehungsweise die rote Alleinregierung, man weiß es nicht so genau, denn von den NEOS in Wien bekommt man ja kaum etwas mit – eine zukunftsfitte und enkelfitte Politik vor? – Man kann sich


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das derzeit im Nordosten Wiens anschauen. Es ist geplant, dort eine Stadtautobahn zu bauen. Ihr wollt entgegen jeder wissenschaftlicher Evidenz eine Fläche von 85 Fuß­ballfeldern zubetonieren. Alle sagen euch: Macht das nicht! – Ihr aber macht es. Das ist enkelfitte Politik? Das ist zukunftsfitte Politik? (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) – Kollegin Nurten Yılmaz, du wirst mir nicht sagen, worüber ich reden darf! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wie schaut zukunftsfitte und enkelfitte Politik à la NEOS aus? – Das kann man sich exemplarisch etwa an der Bildungspolitik der Wiener Stadtregierung anschauen. NEOS-Stadtrat Wiederkehr hat im Juni seine Bildungsreform präsentiert und erklärt – ich zitiere ihn –, dass es „gleich viele Gewinner wie Verlierer“ geben wird. – Was ist denn das bitte für eine Bankrotterklärung für die ehemalige Bildungspartei? Ist das enkelfitte und zu­kunftsfitte Politik? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Yılmaz.)

Ja, ich bin Frauensprecherin, Kollegin Yılmaz. Kollegin Holzleitner, Sie haben gesagt, dass Frauen in diesem Budget nicht berücksichtigt werden. – Ich habe Ihnen die Budgets der vergangenen 15 Jahre mitgebracht. Ich glaube, Sie haben sich vertan! (Zwischenruf der Abg. Holzleitner.)

SPÖ-Frauenministerin, SPÖ-Regierung, SPÖ-Frauenministerin, SPÖ-Regierung, so geht das die ganze Zeit hindurch. Seit dem Jahr 2007, zehn Jahre lang, gab es allerdings keine Erhöhung in SPÖ-geführten Regierungen, keine Erhöhung unter SPÖ-Frauen­ministerinnen, nichts! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Jetzt haben wir es geschafft, innerhalb von zwei Jahren um 81 Prozent zu erhöhen! 81 Prozent! Ihr habt das nicht gemacht! Ich sage: Nicht nur fordern, sondern tun! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Anstrengungen in der Kinderbetreuung: Wie lange wart ihr in Regierungsverantwortung? Was hättet ihr machen können? Was habt ihr gemacht? Nichts! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir aber machen es. Wir haben im Vorjahr gemeinsam mit dem Koalitionspartner eine große Ausbildungsoffensive für Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen gestartet. Erst vergangene Woche gab es einen Ministerratsvortrag, der Ausbau der Kinderbetreuung wurde beschlossen, und das kommt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Gewaltschutz ist ein großes Thema. Was haben wir im Gewaltschutz gemacht? – Wir haben das Frauenbudget fast verdoppelt. Wir haben in der Justiz Akzente gesetzt, das Gesetzespaket gegen Hass im Netz ist umgesetzt worden. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Es gibt, was sehr lange von OpferschützerInnen gefordert wurde, einen Schwer­punkt bereits in der Ausbildung von StaatsanwältInnen und von RichterInnen zu Gewalt gegen Frauen und zu häuslicher Gewalt. Das wurde lange gefordert. Wir setzen es jetzt um! (Beifall bei den Grünen.)

Gesundheits- und Sozialminister Mückstein hat eine Kampagne zu Männergewalt und zu toxischer Männlichkeit gestartet. Auch das ist von GewaltschützerInnen seit Jahren gefordert worden. Wir setzen es jetzt gemeinsam mit dem Koalitionspartner um.

Was machen wir noch? – Es gibt ein Projekt, das eigentlich in Wien seinen Anfang gefunden hat. Es ist dies ein sehr engagiertes Projekt, bei dem man Nachbarinnen und Nachbarn dazu ermutigen möchte, sich im Sinne der Gewaltprävention zu engagieren. Dieses wunderbare Projekt hat den Titel: StoP  Stadtteile ohne Partnergewalt. Dieses Projekt hat im 5. Bezirk in Wien seinen Ursprung genommen. Bundesminister Mückstein sorgt jetzt mit 700 000 Euro dafür, dass wir das österreichweit ausrollen können. Es gibt mittlerweile in fast jedem Bezirk in Wien einen Antrag dazu, dass dieses Projekt auch


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von der Stadt Wien unterstützt wird. Was aber macht die Stadt Wien? Was macht die dortige SPÖ-Frauenstadträtin? – Gewaltschutz: Das soll der Bund zahlen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Yılmaz.)

Nein, Gewaltschutz ist nicht nur eine Bundesthematik, beim Gewaltschutz müssen alle mittun. Dazu braucht es alle miteinander, Land, Bund, Städte und Gemeinden. Das ist keine genuine Aufgabe des Bundes, da könnt ihr euch nicht aus der Verantwortung herausziehen. (Zwischenruf des Abg. Keck.)

Etwas noch, was mir wichtig ist: Es wurde heute auch sehr viel über die ökosoziale Steuer­reform und darüber gesprochen, weshalb denn dieser Umstand eintritt, dass Männer prozentuell von dieser Steuerreform mehr profitieren als Frauen.  Die Antwort darauf ist ganz einfach: Solang wir in der Situation sind, dass Frauen zwei Drittel der unbe­zahlten Carearbeit leisten und Männer zwei Drittel der bezahlten Erwerbsarbeit, so lange wird sich das nicht ändern.

Genau deshalb muss in der Zukunft unser Fokus darauf liegen, dass wir diese ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit ändern. Dafür werden wir uns wirklich einsetzen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.10


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


11.10.12

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzter Herr Bundesminister! Ich habe geglaubt, ich kann meinen Ohren nicht trauen, als ich den grünen Vorrednern und -rednerinnen dabei zugehört habe, wie sie uns eine öko­soziale Steuerreform verkaufen wollen. (Zwischenruf der Abg. Disoski.) Das Einzige, was man wirklich sagen kann, ist, die Grünen sind als brüllender Löwe in die Ver­hand­lungen hineingegangen und als Bettvorleger wieder rausgewandert. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist in keinerlei Weise ökologisch, was uns da vorgelegt wird. Man kann in dem Fall der ÖVP ja nur gratulieren – und man muss sich wundern, was die Grünen dafür bekom­men haben –, weil das, was uns jetzt im Umweltbereich vorgelegt wird, zu 100 Prozent die inhaltliche Position der ÖVP ist. (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.) – Herr Kollege Schwarz, ich habe Ihren Ausführungen vorhin ganz genau zugehört.

Ich gehe ganz kurz auf die Themen ein: Die CO2-Bepreisung ist international tatsächlich als wertvolles und wichtiges Werkzeug anerkannt, um die Emissionen im Land deutlich hinunterzubekommen. Sie ist jetzt nicht nur als Instrument wichtig, sondern auch der Preis ist ganz wichtig, weil das ein Signal an den Markt ist: Wie muss ich handeln? Die Experten und Expertinnen aus der Klimaforschung haben sich sehr genau angeschaut, was Ihr CO2-Preis bringt. Wissen Sie, was der Effekt ist? – 1 Prozent Senkung der CO2-Emissionen. (Abg. Jakob Schwarz: ... 4 Prozent!) – 1 Prozent Senkung!

Der zweite Punkt, der ganz wesentlich ist: Die zusätzlichen Zertifikate, die wir 2030 kau­fen müssen, weil Ihre Klimapolitik und Ihre eigenen Ziele, die Sie sich als Bundes­regie­rung gesetzt haben, nicht halten werden, kosten 5 bis 9 Milliarden Euro. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.) – Als Ökonom, der Sie sind, wissen Sie, dass Sie, wenn Sie Kosten zu erwarten haben, eine Rücklage bilden müssen. Die Kosten fallen 2030 an, sie sind in dem Budget aber nirgends abgebildet, sie sind auch im Bun­deshaushalt sonst nirgendwo versteckt. Das, was Sie machen, ist die Einführung eines


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CO2-Preises, der die Emissionen faktisch nicht senkt, Mehrkosten im Staatshaushalt verursachen wird und den Menschen Sand in die Augen streut. Das ist in Wirklichkeit das Einzige, was Sie machen. (Beifall bei den NEOS.)

Sie haben gesagt, wir NEOS wollen einen CO2-Preis von 350 Euro pro Tonne CO2. Ich möchte jetzt genau darauf eingehen, was wir in Wirklichkeit wollen: Wir wollen das gesamte Steuersystem revolutionieren. Wir wollen weg davon, dass Arbeit so massiv besteuert wird wie heute – das haben Sie vergessen zu sagen. Es ist richtig, wir hätten keinen Bonus ausgeschüttet, und zwar aus einem einfachen Grund: Wir haben ein anderes Menschenbild; unsere Idee ist nicht, dass wir zuerst die Steuerzahlerinnen und -zahler ausräumen, ihnen alles wegnehmen, bis sie quasi fast nichts mehr haben, nachher Bonus draufschreiben und ihnen ein kleines Stück zurückgeben. Das ist nicht unser Verständnis von Steuerpolitik. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe der Abge­ordneten Lukas Hammer und Jakob Schwarz.)

Unsere Steuerpolitik baut darauf auf, dass wir zuerst die Steuern massiv senken und dann den Preis erhöhen, sodass jede und jeder Einzelne tatsächlich entscheiden kann, wie sie oder er dieses Geld in Zukunft investieren will. Wir würden, um auch das quasi klar auszuschildern, natürlich bei Menschen, die sich keine neue Ölheizung kaufen kön­nen, sozial abfedern, oder dort, wo ein Umstieg auf öffentlichen Verkehr nicht möglich ist. Wir würden dafür aber nicht Milliarden ausgeben müssen.

Ich möchte noch auf einen anderen Punkt eingehen: Sie sind ja nicht nur beim CO2-Preis umgefallen, Sie sind auch bei den klima- und umweltschädlichen Subventionen umge­fallen. Sie feiern sich jetzt hier mit einer 18-Milliarden-Euro-Steuerreform ab. Alle Wirt­schaftsforschungsinstitute sagen im gleichen Ausmaß, dass pro Jahr zwischen 3,3 und 5 Milliarden Euro im Jahr für klima- und umweltschädliche Subventionen durch den Staatshaushalt, von Bund und Ländern, ausgegeben werden. Wir reden also, wenn ich Ihre Maximalsumme hernehme, von 25 Milliarden Euro – im gleichen Ausmaß.

Wir als Nationalrat haben beschlossen, dass Ministerin Gewessler gemeinsam mit Minis­ter Blümel bis Juli eine Studie vorzulegen hat, die zeigen soll, wo genau diese Subven­tionen hingehen, damit wir dagegen vorgehen können. Ich weiß, dass das Klimaminis­terium seinen Beitrag geleistet hat, der Finanzminister aber nicht. Er sitzt aber hier. Sie hätten in den Verhandlungen natürlich darauf bestehen müssen, dass Herr Blümel ein­mal nicht den Laptop spazieren schickt, sondern dass er einmal mit einer ordentlichen Studie rauskommt. Da haben Sie versagt. Sie haben nicht nur einen CO2-Preis vorge­legt, der nicht wirkt, Sie unterstützen auch die ÖVP weiter darin, klima- und umwelt­schädliche Subventionen auszuzahlen. Das ist nicht unser Verständnis von Klima- und Umweltpolitik. Wir NEOS wollen eine echte Entlastung für die Mitte der Gesellschaft und ein Ende der Emissionen. Das ist all das, wofür die Grünen und die ÖVP nicht stehen. (Beifall bei den NEOS.)

11.15


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Georg Strasser. – Bitte.


11.15.19

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es ist ein guter Tag und ich bin wirklich dankbar, Herr Minister, dass wir heute dieses Budget diskutieren können. Bevor ich aber in meine Ausführungen einsteige, möchte ich gerne das Thema der Kinderbetreuung, das draußen und auch in diesem Haus aktuell sehr intensiv diskutiert wird, ein wenig kommentieren.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 52

Nehmen Sie das bitte als Zeichen dafür, dass entgegen dem Prinzip, dass man eine Tatsache checkt und dann einen Gegencheck macht, derzeit, in diesen Tagen, sehr viel konstruiert und skandalisiert wird. Ich habe einige Hinweise anhand des Themas Kinder­betreuung, dass da sozusagen etwas überzogen diskutiert wird. Wir sollten uns da ein wenig mäßigen.

Es gibt den Vorwurf, dass Sebastian Kurz die Kinderbetreuung sabotiert hätte. (Ruf bei der SPÖ: Hat er! – Zwischenruf des Abg. Kollross.) Die „Salzburger Nachrichten“ vom 13. Oktober 2021 – Frau Kollegin Ecker, aus Ihrem Bundesland – schreiben: „Durch Fakten ist das nicht zu belegen.“ Ein zweites Medium, das einen Faktencheck gemacht hat, sagt: „Anders als die Schmid-Chats andeuten, gab es Geld.“

Ich schließe mit einem Zitat unserer Ministerin Susanne Raab: „Insgesamt wurden seit 2017 1,6 Mrd. Euro für die Tagesbetreuung bereitgestellt“. (Abg. Cornelia Ecker: ... Rechtsanspruch! – Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Lercher.) Das ist das Faktum, das für uns als Familienpartei zählt. Ich ersuche da einfach um mehr Sachlichkeit, ich ersuche darum, dass man Fakten checkt. Die Fakten gehen in eine ganz andere Richtung als die öffentliche Diskussion, und das kann es nicht sein! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: Wo ist der Rechtsanspruch? Wo ist er? – Zwischenruf des Abg. Leichtfried. – Abg. Matznetter: Faktencheck!)

Geschätzter Herr Bundesminister! (Neuerliche Zwischenrufe der Abgeordneten Cornelia Ecker, Leichtfried und Matznetter.) – Kolleginnen und Kollegen von der Sozial­demokratie, ich habe es schon ziemlich befremdlich empfunden, dass Sie die Rede von Kollegin Disoski gestört haben. Sie können ja dann hier vom Rednerpult Ihre Meinungen kundtun, ich ersuche Sie aber, mich bitte einfach ausreden zu lassen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Geschätzter Herr Finanzminister! Ja, es ist ein guter Tag. Ich darf mich bei dir und allen deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Dieses Budget ist ein Beweis dafür, dass wir die Pandemie gut gemeistert haben. Dieses Budget ist ein Beweis dafür, dass sich eine sparsame Budgetpolitik langfristig auszahlt, und dieses Budget ist ein Beweis dafür, dass die österreichischen Systeme resilient sind und dass der Fleiß der Menschen in Österreich zum Ziel führt. Danke für diese Ansage, es ist ein guter Plan für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Land- und Forstwirtschaft: In diesem Bereich ist jeder Euro notwendig, wenn man auf die landwirtschaftlichen Einkommen schaut, und es ist jeder Euro gut investiertes Geld, damit auch in Zukunft Lebensmittel und Rohstoffe höchster Qualität in Österreich produziert werden können. Die Bäuerinnen und Bauern werden, mit diesem Budget ausge­stattet, auch zukünftig viel für den Klimaschutz tun können. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Zum Projekt energieautarke Bauernhöfe – danke schön –: Pro Jahr wollen wir 1 000 Höfe umstellen. Das ist ein wirtschaftlicher Faktor, aber auch ein Faktor im Sinne der Klima­bilanz. Danke auch für die CO2-Vergütung im Zusammenhang mit den Treibstoffen, auch das eine Notwendigkeit, die im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit und im Sinne unserer Klimaleistungsbilanz in Österreich eine große Rolle spielt. Österreichische Lebensmittel schmecken nicht nur gut, Holz fühlt sich nicht nur gut an, sondern der Konsum öster­reichischer Produkte ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz, und deshalb ersuche ich Sie: Halten Sie uns weiterhin die Treue! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeord­neten Kollross und Matznetter.)

Jetzt noch einmal zur Sozialdemokratie, zu Frau Ecker, zu Frau Herr und auch zu den anderen Kolleginnen und Kollegen. In Ausschüssen, in anderen Debatten hat man oft den Eindruck, Sie meinen es wirklich ernst mit der Landwirtschaft – die Retterinnen und


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Retter der österreichischen Landwirtschaft. Frau Kollegin Ecker, wie erklären Sie sich dann dieses Bild der sozialistischen Gewerkschaft? (Der Redner hält eine Tafel in die Höhe, auf der ein Plakat mit dem Foto eines Mannes und dem Text „Bauern nach der Steuerreform: Was kostet die Welt?“ zu sehen ist. – Zwischenrufe der Abgeordneten Cornelia Ecker und Matznetter.) Wie erklären Sie uns dieses Bild?

Wir brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, keine Neiddebatte. (Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.) In Wahrheit sind dieses Sharepic und das dazugehörige Posting ein Offenbarungseid, dass Ihre Aussagen einfach nur Lippenbekenntnisse sind. (Zwischen­ruf des Abg. Kollross.) Was wir brauchen, ist wirkliche Unterstützung. Ich nehme dieses Bild als Kompliment: Anscheinend ist bei der Steuerreform und beim Budget für die österreichischen Bäuerinnen und Bauern wirklich etwas gelungen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Österreichische Volkspartei ist aber nicht nur die Partei der Bauern. Wir sind die Partei der Unternehmerinnen und der Unternehmer. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Wir sind die Partei der Klein- und Mittelverdiener, der Pensionistinnen und Pensionisten, der Beamten, der Lehrer, der Familien, der Generationen, der Männer und Frauen. Wir machen Politik für alle Bevölkerungsschichten, und das werden wir auch in Zukunft tun. Wir sind Volkspartei, und diesen Weg werden wir auch in den nächsten Jahren gemein­sam mit unserem Parteiobmann Sebastian Kurz konsequent weitergehen. – Danke, alles Gute! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Cornelia Ecker.)

11.21


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abge­ordnete Nurten Yılmaz zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.21.39

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Abgeordnete Disoski hat in ihrer Rede behauptet, dass die Wiener Frauenstadträtin das Budget für Gewaltschutz in Wien nicht erhöht hat. (Abg. Lukas Hammer: Das hat sie nicht behauptet! – Abg. Disoski: Das habe ich nicht behauptet!) – Das ist unrichtig. (Rufe bei den Grünen: Nein! Nein!) Der richtige Sachverhalt lautet: Das Budget wurde verdoppelt, von 3 Millionen Euro auf 6 Millionen Euro. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Brandstötter.)

11.22


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte.


11.22.24

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Der Herr Finanzminister ist nicht im Saal. Fakt ist – und das wissen Sie alle in diesem Saal –: Die Steuersenkungen zahlen sich die arbeitenden Menschen aufgrund des fehlenden Ausgleichs der kalten Progression selbst. Das ist so und das wissen Sie. Fakt ist, dass gerade die arbeitenden Menschen in der Krise das Land am Laufen gehalten und für Steuereinnahmen gesorgt haben. Genau dieser Fleiß der arbeitenden Menschen, aber auch der Arbeitgeber in dieser Krise ist die Grundlage für das Budget 2022.

Im Budget 2022 ist allerdings schon jetzt klar zu lesen, wo die ÖVP und die Grünen ihre politischen Schwerpunkte setzen: keine Mittel für den Ausbau der Kinderbetreuung, keine Mittel, um den Pflegenotstand zu beheben (Abg. Schmuckenschlager: Stimmt ja nicht!) und keine Mittel zur Bekämpfung der Altersarmut und der Armut insgesamt. Wenn man bedenkt, dass 2016 Herr Klubobmann Kurz und seine Prätorianer, wie sie sich selber nennen, eine flächendeckende Kinderbetreuung verhindert haben, weil ihnen Macht wichtiger war (Rufe bei der ÖVP: Stimmt ja nicht! – Zwischenruf der Abg. Baumgartner),


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und dass das nicht einmal jetzt, da alles an Korruption, Bestechlichkeit und Bestechung hochkommt, korrigiert wird, dann ist das in Wirklichkeit schlimm. Das ist unsozial und das ist nicht gerecht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)

Herr Präsident Strasser, vielleicht solltet ihr diese 104 Seiten wirklich lesen – auch der Herr Bundeskanzler, anstatt dass er in einem Interview einfach sagt: Ich habe es nur überflogen, es stimmt alles nicht und die Justiz, das ist ja alles nicht okay, was die da aufführt! – Lest einmal die 104 Seiten! Da werdet ihr lesen, dass Thomas Schmid im Juni 2016 schreibt: „Wir müssen bei Banken aufpassen.“ Kern und Mitterlehner wollen „1,2 Mrd Euro für Nachmittagsbetreuung mit Rechtsanspruch“. – Antwort Klubobmann Sebastian Kurz: „Gar nicht gut!!! Wie kannst du das aufhalten?“ – Und weiter: „Kann ich ein Bundesland aufhetzen?“ (Abg. Strasser: ... 1,6 Milliarden Euro! 1,6 Milliarden Euro! – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Hanger und Sieber.)

Das ist die Wahrheit und das könnt ihr nicht wegdiskutieren! (Rufe bei der ÖVP: Das stimmt nicht!) Da könnt ihr noch hundertmal rausgehen und etwas anderes behaupten. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Ruf bei der ÖVP: Kollege Muchitsch, du warst auch einmal ein Seriöser!)

Weil Sie kein Interesse am Thema Pflege haben, sind dafür in Ihrem Budget keine Mittel vorhanden: keine Mittel für den Pflegeausbau, keine Mittel für Maßnahmen gegen die Flucht aus den Pflegeberufen, keine Mittel für die Regelfinanzierung von Hospiz- und Palliativkräften. Insgesamt würden wir 1,7 Milliarden Euro brauchen, wenn wir das Thema wirklich gemeinsam erledigen wollen, wenn wir es angehen wollen – aber nicht Hunderte Millionen bis zu 1 Milliarde Euro jenen schenken, die es gar nicht brauchen, nämlich den Großkonzernen und den Großunternehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir die Probleme in der Pflege lösen wollen, dann brauchen wir diese 1,7 Milliar­den Euro (Abg. Hörl: Für was denn?!) im Endausbau: für 20 Prozent mehr Personal, für den Ausbau der Pflege zu Hause, für die Verbesserung der Qualität bei den mobilen Diensten, für soziale Verbesserungen beim Pflegepersonal. Die Anträge der SPÖ für eine bessere Regelung bei den Nachtdiensten und eine Anerkennung von Schwerarbeit liegen auf dem Tisch. Ihnen braucht ihr nur zuzustimmen, und wir hätten im Bereich der Pflege wieder einen ersten Schritt gemacht.

Zur Aktion Sprungbrett – weil Kollege Hammer darüber gesprochen hat –: Mit eurem Sprungbrett tretet ihr komplett am Stand. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Entwicklung Langzeitbeschäftigungslose“ und einem Balkendiagramm auf das Rednerpult.) Das AMS vermittelt ohne eure Aktion alljährlich 50 000 Langzeitarbeitslose. Ihr habt gesagt, mit der Aktion Sprungbrett schaffen wir es, noch einmal 50 000 Lang­zeitbeschäftigungslose in Jobs zu bringen. – Schaut da her (auf die Tafel weisend): Es werden immer mehr! Die Aktion ist ein Springen am Stand. Ihr bringt die Leute nicht in Beschäftigung, das ist das Problem eurer Aktion Sprungbrett. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Punkt zur Senkung der Beiträge bei der Krankenversicherung: Diese Senkung be­deutet über alle Träger – Arbeiter, Angestellte, Bauern, Selbstständige – 1 Milliarde Euro weniger Geld in den Gesundheitskassen. Herr Finanzminister, ihr habt versprochen, ihr werdet das mit einem Bundeszuschuss ausgleichen. Ihr macht das aber nicht, es ist nicht im Budget enthalten, das sind leere Versprechungen. Unser Vorschlag: Macht über das Finanzministerium einen SV-Bonus für Niedrigeinkommensbezieher, das ist fair, und lasst die Kassen in ihrer Selbstverwaltung, in ihrem Verantwortungsbereich in Ruhe! (Beifall bei der SPÖ.)


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Letzter Satz: Herr Klubobmann Kurz, ich habe gesehen, Sie sind heute noch zum Budget zu Wort gemeldet. Wissen Sie, was gescheit wäre? – Wenn Sie die 2 Millionen Euro zurückzahlen würden, die Sie an Steuergeldern gestohlen haben, und sich dann erst zum Budget 2022 zu Wort melden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Ries und Schmiedlechner. – Rufe bei der ÖVP: Hallo! Hallo!)

11.27

11.27.20*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Muchitsch, Sie wissen, dass der Ausdruck „gestohlen“ ein strafrechtlich relevanter Vorwurf ist. Ich erteile Ihnen deshalb dafür einen Ordnungsruf. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Abg. Steinacker: Er soll ihn gefälligst zurücknehmen! Zurücknehmen! Ist eine Frechheit!)

*****

Als Nächste ist Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.27.36

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich hier einem Bereich widmen, der sehr wichtig ist und auch noch extra hervorgehoben gehört, und das ist das Justizbudget. Wir betonen immer wieder – und das zu Recht –, dass wir die Justiz in Ruhe arbeiten lassen, aber dafür braucht es natür­lich auch die entsprechenden Ressourcen, und die sind in diesem Budget wieder vorhan­den.

Nachdem das Justizsystem lange Zeit hindurch regelrecht kaputtgespart wurde, hat Justizministerin Alma Zadić Jahr für Jahr mehr Budget und mehr Personal für die Justiz erreicht. (Beifall bei den Grünen.)

Im Jahr 2020 wurde das Justizbudget um 131 Millionen Euro aufgestockt, 2021 kamen noch einmal 65 Millionen Euro dazu, und für das Jahr 2022 wird es weitere 76,4 Millio­nen Euro zusätzlich für die Justiz geben. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist Geld, das für eine Verbesserung der Strukturen und neue Impulse dringend ge­braucht wird. Für die Gewaltschutzoffensive gibt es allein im Justizbereich 5,6 Millionen Euro mehr. Damit werden Antigewalttrainings, Männerberatung und Familien- und Jugend­gerichtshilfe gestärkt. Die Prozessbegleitung wird forciert und die Stundensätze für die psychosoziale Prozessbegleitung werden erhöht.

Mit Geld alleine ist es aber nicht getan. Es kommt auch eine Personaloffensive dazu. Es kommt eine weitere Aufstockung bei den richterlichen Planstellen, vor allem zur Sicher­stellung einer wirksamen Terrorismusbekämpfung, und es werden zusätzliche Ausbil­dungs­planstellen für DiplomrechtspflegerInnen sowie Bezirksanwälte und Bezirksanwäl­tinnen geschaffen. Weiters gibt es eine Aufstockung im Bereich des Bundeskartell­anwalts, der Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften und der PatientInnenan­waltschaft.

Daher noch einmal: Wir lassen die Justiz arbeiten und sorgen mit dem Budget auch dafür, dass sie die notwendigen Ressourcen dafür bekommt. (Beifall bei den Grünen.)

11.29


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 56

11.30.08

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte ZuseherInnen vor den Bild­schirmen! Es wird Sie nicht überraschen, dass es mich als Justizsprecher, aber auch als einen, der im Justizsystem tätig ist, als Systempartner sozusagen, sehr freut, dass – wie meine Kollegin Prammer schon ausgeführt hat – das Justizbudget für ein weiteres Jahr erhöht wird, um Defizite aus der Vergangenheit auszugleichen. Es liegt aber natürlich in der Natur der Sache, dass ich als Oppositionspolitiker den Finger doch dorthin legen muss, wo noch massive Defizite bestehen.

Da wären erstens die Planstellen bei den Bundesverwaltungsgerichten. Wir wissen, es gibt immer noch massive Rückstände an Asylverfahren, die abgearbeitet werden müs­sen. Da sind personelle Ressourcen erforderlich, auch im Hinblick auf einen allfälligen weiteren Andrang an Asylverfahren.

Zweitens: Die Reform im Maßnahmenvollzug. Im Justizbudget 2022 wird ausdrücklich als Wirkungsziel definiert, dass der Maßnahmenvollzug weiter reformiert werden soll. Aus einer Anfragebeantwortung der Justizministerin geht hervor, dass die Reform 25 Millionen Euro erfordern wird. Diese Mittel fehlen noch. Da muss man noch groß­zügiger aufstocken, weil das ein ganz wichtiges Thema im Sinne des Rechtsstaates ist.

Dann, meine Damen und Herren, gibt es noch ein drittes Thema, und da stelle ich eine gewisse Diskrepanz fest. Herr Bundesminister, Sie haben gestern in Ihrer Budgetrede zum Justizkapitel ausgeführt: „Wir werden im Bereich der Justiz Mittel zur Umsetzung des Terrorbekämpfungspakets aufstocken. Mit einer Budgetsteigerung von insgesamt 172,1 Millionen Euro im nächsten Bundesfinanzrahmen wird das Ressort [...] bis 2025 zusätzliche Mittel für die Terrorbekämpfung vorsehen.“ – Nun, das ist sicher ein sehr wichtiges Thema, nur bezweifle ich, dass die Terrorbekämpfung wirklich ins Justizbudget gehört. Ich denke, da ist doch wieder ein gewisses Element an Showpolitik festzu­machen, weil mit diesem ganzen Terrorbekämpfungspaket, so wichtig das Thema ist, eigentlich doch darüber hinweggetäuscht werden soll, dass es – und das jährt sich jetzt bald – nach dem Terroranschlag von Wien einfach darum gegangen ist, davon abzulenken, welch grobe Versäumnisse es im Innenministerium gegeben hat. (Beifall bei den NEOS.) Ich denke, das Innenministerium ist die erste Adresse, wenn es um wirksame Terror­bekämpfung geht.

Was ins Justizministerium gehören würde – und das ist das Vierte –, sind Mittel und Ressourcen zur Korruptionsbekämpfung, und da braucht es auch Geld. Die Korruptions­bekämpfung – und das wissen wir in diesen Tagen genauer als sonst – erfordert noch mehr insbesondere personelle Ressourcen, vor allem auch, um präventiv wirken zu können, um aber auch – das sind sehr aufwendige Verfahren – die Verfahren, die jetzt anhängig sind, schneller abarbeiten zu können, damit die Menschen, die davon betroffen sind, nicht so lange im Status von Beschuldigten stehen, sei es, dass sie dann irgend­wann abgeurteilt werden, oder sei es, dass die Verfahren eingestellt werden. Diese Mittel zur Korruptionsbekämpfung wären im Justizbudget dringend, dringend not­wendig, damit wir als Republik Österreich im internationalen Index von Transparency International wieder weiter nach vorne kommen. Es ist durchaus kein Renommee für unsere Republik, dass wir da nicht sehr weit vorne platziert sind, noch dazu mit der ganzen Begleitmusik, die wir in den letzten Tagen erlebt haben.

In diesem Sinne appelliere ich an Sie, Budgetmittel freizumachen, um eine wirksame Korruptionsbekämpfung zu gewährleisten. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

11.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kurt Egger. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 57

11.34.43

Abgeordneter Mag. (FH) Kurt Egger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Finanz­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und via Livestream! Erlauben Sie mir, bevor ich auf die Themen des Budgets eingehe, ein paar persönliche Bemerkungen! Ich möchte mich zu Beginn bei Landes­hauptmann Hermann Schützenhöfer und der Steirischen Volkspartei für das Vertrauen, das sie in mich gesetzt haben, und dafür, dass sie mir ermöglicht haben, diese ehren­volle Aufgabe zu übernehmen, bedanken.

Die zweite Bemerkung zu Eingang beschäftigt sich mit dem Stil, der mir in den letzten Tagen, seit ich da bin, seit Dienstag, aufgefallen ist. Ich habe ganz viele Rückmeldungen bekommen, Gratulationen, positive Dinge, die mir geschrieben wurden, bei vielen aber war dabei: Geht es bei euch immer so zu?

Sehr berührt hat mich am Ende des Tages der Anruf meiner Nichte. Sie ist zehn Jahre alt und sie hat gesagt: Ich habe mir nach der Schule die Angelobung angehört und habe dann auch ein wenig die Debatte verfolgt. (Abg. Matznetter: Ja, aber die ist nicht jugendfrei! – Abg. Gabriela Schwarz: ... Beiträge!) Sie hat gesagt: Das ist ja furchtbar, wie da miteinander umgegangen wird!

Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir ein wenig mehr zum Stil beitragen. Wenn ich an die Rede von Kollegen Muchitsch vorhin denke, dann muss ich sagen, dass das nicht das ist, was ich mir vorstelle. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir debattieren heute ein Budget, das aus meiner Sicht ausgewogen ist, auf der einen Seite mit einer Kaufkraftstärkung, auf der anderen Seite mit einer Unterstützung für die heimischen Betriebe, die dringend notwendig ist. Nach der schwierigen Coronasituation ist es notwendig, dass sie Luft zum Atmen haben.

Da die SPÖ immer wieder nur Beispiele wie die OMV anführt, habe ich drei Beispiele aus meiner steirischen Heimat mitgebracht. Ich spreche von sogenannten großen Kon­zernen, die international tätig sind.

Die AVL List mit über 11 000 Mitarbeitern, davon 4 000 in Graz, investiert wahrschein­lich, was sie gewonnen hat, weiterhin in Lehrlingsausbildung. Jedes Jahr sind es zwischen 30 und 40 Lehrlinge, die dort zu arbeiten beginnen. So wird das Geld dort investiert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die zweite Firma ist die Firma Anton Paar: 3 500 Mitarbeiter, 33 Vertretungen auf der ganzen Welt, ein Betrieb, der dafür bekannt ist, familienfreundlich zu sein, sehr viel in die Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren, sicher aber keiner der Großkonzerne, die das Geld verschieben.

Der dritte Betrieb ist die Firma Payer aus meiner ehemaligen Heimatgemeinde Sankt Bartholomä, ein Unternehmen, das international aufgestellt ist, 1 100 Mitarbeiter hat, da­von sehr viele am Stammsitz in Sankt Bartholomä. Das ist ein Gewinn für die Kommune, Kommunalsteuer wird abgeliefert.

Vielleicht können Sie in Zukunft auch diese Beispiele verwenden.

Das Budget ist großartig, das Budget ist ausgewogen. Peter Haubner hat gesagt: „Die Wirtschaft ist unteilbar“ zwischen MitarbeiterInnen und Unternehmen. Die Wirtschaft ist auch unteilbar zwischen den Großen und den Kleinen. Wir brauchen die großen Damp­fer, wir brauchen aber auch die kleinen Schnellboote. – In diesem Sinne: Stimmen Sie dem Budget zu! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.38



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 58

Präsidentin Doris Bures: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Andrea Kuntzl. – Bitte.


11.39.11

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Egger! Was Sie gerade an Fassungslosigkeit darüber, wie furcht­bar miteinander umgegangen wird, geäußert haben, kann ich nur als Reflexion dessen verstehen, was wir über Ihre eigene Partei in den letzten Tagen gelernt haben (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ) und was wir lieber nie erfahren hätten, weil es besser nicht passiert wäre.

Es hat uns in den letzten Tagen tatsächlich vieles fassungslos gemacht, was aber uns, was viele Menschen – man kommt gar nicht an den Gesprächen vorbei, Sie von der ÖVP müssen das auch kennen – wirklich bestürzt und fassungslos gemacht hat, ist, wie jemand etwas, was für Kinder und Jugendliche in diesem Land so extrem wichtig ist, einfach verhindert, weil er sein persönliches Fortkommen darüberstellt.

Uns allen hier ist natürlich politische Strategie nicht fremd, echt neu ist aber, dass jemand etwas, was er für wichtig und erfolgreich hält, nicht durchsetzen will, sondern verhindern will. Und das ist auch nicht irgendetwas, sondern etwas, das für die Kinder, für die Fa­milien in diesem Land so wichtig gewesen wäre. Wir könnten seit 2017, seit einigen Jahren tatsächlich einen wirklich großen Schub bei der Kinderbetreuung haben. Auch gestern haben die Koalitionsparteien hier wieder abgelehnt, das Recht auf Kinderbetreu­ung, das wir so dringend bräuchten, durchzusetzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ord­neten der NEOS.)

Auf der anderen Seite sehe ich nicht, dass Sie dort einen Schnitt machen, wo Sie viel Geld ausgeben, nämlich bei Ihrem großen Propagandaapparat. Wir haben in den letzten Tagen auch gelernt, wie viel Sie in die Hand nehmen und wofür Sie es mutmaßlich in die Hand genommen haben. Dazu kann ich nur Kurt Fischer zitieren, einen Bürger­meister der ÖVP, der heute getwittert hat: „Wir brauchen jetzt keine #MessageControl und schon gar keine #RemoteControl ... wir brauchen einen demokratiepolitischen #Reset – auch einen medienpolitischen ... Wer weiterinseriert wie bisher, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.“

Herr Finanzminister, zu den Inseraten, die Sie jetzt geschaltet haben – Sie haben die Zeit nicht erkannt und möglicherweise auch nicht die rechtlichen Rahmenbedingungen, denn das wird auch noch zu klären sein.

Was jetzt tatsächlich dringend notwendig wäre, ist eine Wiedergutmachung für die Kinder und Familien in diesem Land. Nehmen Sie ordentlich budgetäre Mittel in die Hand, führen Sie ein Recht auf Kinderbetreuung ein, für Kindergärten, für Nachmittags­betreuung, für Ganztagsschule! Das brauchen wir, das haben sich die Familien als Wie­dergutmachung für das, was passiert ist, verdient. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der NEOS.)

11.42


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sibylle Hamann. – Bitte.


11.42.32

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Liebe Frau Präsidentin! Lieber Herr Bundesminister! Ein paar Worte zum Bildungsbudget, und zwar nicht zu Dingen aus der Vergangenheit, sondern zur Zukunft:

Das Bildungsbudget ist ja immer riesig, diesmal über 10 Milliarden Euro, wovon aller­dings natürlich immer viel durch die Personalkosten gebunden ist. Diesmal sind einige


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 59

große Brocken enthalten, das ist vor allem die große Digitalisierungsoffensive, inklusive Verteilung der Endgeräte an alle Schüler und Schülerinnen und auch an die Lehrkräfte, inklusive IT-Support. Wir haben auch einen großen Brocken mit Schulsanierung und Neubau, wobei ein spezieller Fokus auf die ökologischen Standards gelegt wird.

Ich möchte jetzt aber meine Redezeit dazu verwenden, um noch auf ein paar kleinere Dinge hinzuweisen, die wirklich gestaltbare Akzente sind und mir, speziell was die Bil­dungsgerechtigkeit betrifft, besonders wichtig sind. Zum Beispiel die zusätzlichen Förderstunden nach Corona: Dafür sind bereits 250 Millionen Euro geflossen und fürs nächste Jahr noch einmal 65 Millionen veranschlagt. Dabei ist extrem wichtig, dass das nicht mit der Gießkanne verteilt wird, sondern dorthin fließt, wo es am dringendsten gebraucht wird, nämlich zu den Kindern und den Schulen, die es während Corona besonders schwer gehabt haben, die unter schwierigen Bedingungen arbeiteten und wenig Unterstützung hatten. Wir wollen eben nicht, wie es Kollegin Meinl-Reisinger gesagt hat, dass private Nachhilfe notwendig ist, sondern wir wollen, dass Förderung an den Schulen stattfindet. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Ich habe das ja kritisiert, Frau Kollegin!)

Neu budgetiert und umgesetzt wird ein Projekt, das mir besonders am Herzen liegt: die Deutschförderung. Wir wissen ja, es gibt verpflichtende Deutschförderung für Kinder im außerordentlichen Status; sobald sie in den ordentlichen Status wechseln, gibt es diesen Anspruch nicht mehr. Das ist ein Fehler, denn Sprachförderung ist ja, wie wir wissen, nicht nach wenigen Jahren abgeschlossen, sondern geht weiter. Für diese Kinder gibt es künftig einen eigenen zusätzlichen Topf für Deutschstunden, der mit jährlich 5 Millio­nen Euro budgetiert ist, denn wir wollen, dass alle Kinder in diesem Land ihr volles Poten­zial ausschöpfen können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Künsberg Sarre: Dann müs­sen Sie in die Kindergärten investieren!)

Noch eine Erfolgsgeschichte ist die Sommerschule, die wird mit diesem Budget erstmals fix verankern, und zwar als neues zusätzliches Angebot für alle Kinder in den letzten beiden Ferienwochen. Für kleinere Kinder soll das eine Art Soft Opening fürs neue Schuljahr werden, ein Reinkommen in den Schulrhythmus mit spielerischem Lernen. Für Ältere kann das zum Beispiel eine gezielte Vorbereitung sein, wenn sie den Schultyp wechseln, die Vorbereitung auf eine Nachprüfung, das Nachlernen in bestimmten Fächern. Für Studierende ist das eine super Gelegenheit, Praxis zu erwerben und sich als eigen­verantwortlich zu erleben. Budgetiert ist das mit 7 Millionen Euro, das heißt, die Som­merschule ist gekommen, um zu bleiben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Noch ein schönes Erfolgsprojekt ist das Projekt 100 Schulen, das bereits in Umsetzung ist. Ich habe mir das an einigen Standorten angeschaut, es ist eine Freude: Das ist Selbstreflexion, Ideen entwickeln, eine Vision entwickeln, was man konkret am jeweil­igen Standort machen kann. Dort passiert jetzt gezielte Schulentwicklung mit maßge­schneiderten Ressourcenpaketen. Auch das ist mit 15 Millionen Euro budgetiert, und ich bin sehr gespannt, was bei diesem Experiment herauskommt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Ein „Experiment“!)

Noch ein wichtiges Thema ist das psychosoziale Supportpersonal. Wir alle wissen, dass Lehrkräfte nicht alles machen können und dass sie in vielen Bereichen Profis mit anderer Expertise brauchen, zum Beispiel Psychologen, Psychologinnen oder Sozialarbeiter. Diesen ganzen Bereich haben wir jetzt organisatorisch neu auf die Beine gestellt und dauerhaft abgesichert. Dafür werden Mittel aus Bund, Ländern und dem Europäischen Sozialfonds zusammengeführt. Die Zahl der derzeitigen Planstellen wird verdoppelt, dafür werden 21 Millionen Euro pro Jahr investiert. Es ist ein Riesenvorhaben, das end­lich gelungen ist. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 60

Noch ein paar Worte zur Elementarpädagogik, weil sie ja dieser Tage wirklich ein großes Thema ist: Die 15a-Vereinbarung mit den Ländern wird mit folgenden klaren Zielen neu verhandelt: Qualitätsverbesserungen, einheitliche höhere Standards, intensivere Förde­rung und wesentliche Ausweitung des Angebots; und selbstverständlich wird es dafür auch eine wesentliche Erhöhung des Zweckzuschusses vom Bund geben, sobald diese Verhandlungen abgeschlossen sind und klar ist, wofür. Da werden wir weiter anschieben und nicht lockerlassen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.


11.47.22

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieses Budget ist ein Schlag ins Gesicht aller jungen Menschen in Österreich. Türkis-Grün legt nämlich ein Budget vor, das so tut, als ob es in diesem Land keine Menschen unter 30 gäbe. Wenn man dieses Budget ganz genau anschaut, bekommt man das Gefühl, in einer Art Ge­ronto­kratie zu leben, also in einem Herrschaftssystem, in dem alte Parteifunktionäre über die Zukunft der Jungen entscheiden, diese aber ignorieren.

In den drei zentralen Zukunftsfragen  das sind jene Fragen, die über die Dauer einer Legislaturperiode hinausgehen  ist dieses Budget ein Faustschlag ins Gesicht aller jungen Menschen: Klimaschutz, Bildungspolitik und Pensionssystem. (Beifall bei den NEOS.)

Ich möchte zuerst zum Thema Klima sprechen. Wir wissen – ich glaube zumindest, dass es viele hier wissen –, dass es vor allem für jüngere Menschen in Österreich katastrophal endet, wenn wir jetzt nicht gegensteuern. Unser schönes Österreich wird in wenigen Jahren, bereits bei einer 1,5-Grad-Erwärmung, nicht mehr wiederzuerkennen sein. Wir müssen also alles ändern, wenn wir nicht wollen, dass das Klima alles ändert.

Wenn man nach dieser Feststellung ins Budget schaut, bleibt einem die Spucke weg, und zwar deshalb, weil man sich ja etwas erwarten würde. „WEN WÜRDE DAS KLIMA WÄHLEN?“, haben die Grünen plakatiert, und wenn man auf die Social-Media-Kanäle der Grünen schaut, hat man ja das Gefühl, alleine mit diesem Budget werde das Weltklima gerettet. Benebelt durch die grüne PR-Show – das haben Sie von den Türkisen schon sehr gut gelernt – ist der Blick auf diese Zahlen aber schockierend.

Erstens: Die CO2-Bepreisung verdient nicht einmal ihren Namen – null Lenkungseffekt, viel zu ambitionslos, viel zu schwach. Zweitens: Umweltschädliche Subventionen, die man dringend angehen müsste, werden – das ist eine Katastrophe! – nicht angetastet, und entgegen Ihren Versprechungen werden mehr als 4 Milliarden Euro jährlich in staatliche Förderung von Umweltzerstörung fließen. Das ist ein Wahnsinn! (Beifall bei den NEOS.)

Ich lese Ihnen jetzt etwas vor und würde gerne die grüne Klubobfrau, die dazu ge­sprochen hat, fragen – sonst aber auch gerne die anderen grünen Kolleginnen und Kollegen –, ob sie mir sagen kann, von wem dieses Zitat ist. „Dumpingpreis für CO2: Regierung versagt bei Steuerreform auf ganzer Linie“. „Die türkis-grüne Regierung hat mit ihrem vielzitierten Prestigeprojekt eine Greenwashing-Meisterleistung geliefert. Ein Dumpingpreis für die Natur wird von der Regierungsspitze heute als zukunftsweisende Großmaßnahme verkauft – das ist eine herbe Enttäuschung“.

Wissen Sie, von wem das ist? – Das kommt vom Klimavolksbegehren – richtig! –, von den parteiunabhängigen Initiatorinnen, Initiatoren des Klimavolksbegehrens. Ich glaube, das richtet sich von selbst. (Beifall bei den NEOS.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 61

Zur Bildungspolitik: Ich weiß nicht, ob wir in parallelen Welten leben, Frau Hamann. Wenn man sich anhört, was Sie da schildern, und man dann ins Budget schaut, hat man das Gefühl, das sind Paralleluniversen, Parallelgesellschaften vielleicht, in denen wir da leben. Das Budget für Bildung soll von aktuell 9,9 Milliarden Euro auf 10,1 Milliarden steigen. Wenn man sich aber anschaut, wie sich diese Budgeterhöhung zusammensetzt, muss man mit Erstaunen feststellen, dass diese 310 Millionen Euro plus aus 238 Millio­nen Euro für PCR- und Antigentests bestehen. Wenn das Ihre bildungspolitische Vision ist, wenn Ihre Vision aus der Durchtestung der Schülerinnen und Schüler besteht, na, dann gute Nacht! (Beifall bei den NEOS. – Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)

Auch bei den Pensionen wird einem schnell klar, dass das Budget eine Bankrott­erklä­rung vor der Jugend ist. Mit 23 Milliarden Euro ist das mit Abstand der größte Posten im Budget. Da frage ich mich: Wie kann es sein, dass da jegliche Zukunftsstrategien fehlen? Wir geben, um das einmal in Relation zu setzen, für Beamtenpensionen mehr Geld aus als für Bildungspolitik. Türkis-Grün tut so, als ob es überhaupt kein strukturelles Problem mit unserem Pensionssystem gäbe. Als Überschrift im Budget hätte man wählen können: Hier gibt es nichts zu sehen, weitergehen!

Dieses Budget ist ein feindlicher Akt gegen uns junge Menschen, und diese jungen Menschen wissen das und werden das auch bei den nächsten Wahlen ausdrücken. (Beifall bei den NEOS.)

11.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte.


11.51.40

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen, liebe Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher dieser Plenar­debatte! Wir sind in der ersten Lesung zum Budget. Das ist der parlamentarische Auftakt eines längeren Entscheidungsprozesses über einen wichtigen Punkt, über das Budget für unser Land.

Es sind heute einige Begriffe gefallen – wir leben ja in einer sehr aufgeregten Zeit. Einer davon war, ob wir uns dafür abfeiern ließen. – Nein, das tun wir nicht, weil dieses Budget, dieser Budgetentwurf ein Ergebnis von zwei Dingen ist: Zum einen ist er ein Ergebnis solider Arbeit von allen, die beteiligt sind, zum anderen ist er ein Ergebnis der Steuer­zahlerinnen und Steuerzahler, der Wirtschaft, einer funktionierenden Wirtschaft, die das Budget überhaupt erst ermöglichen.

Zur Behauptung, die Steuerzahler würden sich gewisse Dinge selbst bezahlen: Na, natürlich! Wer soll denn das Budget bitte bestücken? Glauben Sie, wir erfinden irgendwo Geld, dass es dann regnet? Nein, die Mittel, die im Budget stehen, kommen von allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, egal ob von Einzelpersonen oder von der Wirtschaft. Es ist aber reales Geld, das in Österreich erwirtschaftet wird. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Prammer und Jakob Schwarz.)

Fakt ist, wir sprechen in Summe von enormen Entlastungen und von der Wegnahme von Belastungen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Alles, was sich da herumrankt, sind dann Nuancen, politische Nuancen, die natürlich in der Natur der Sache liegen.

Meine Damen und Herren und liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich aber noch auf ein paar andere Dinge eingehen, die hier mitschwingen. Zum einen geht es darum, ein Budget zu schaffen, das eine gute Basis für unsere Gesellschaft bietet, für einen gesellschaftlichen Frieden, dessen Basis auch ein Stück weit Moral ist. (Abg. Bösch: Ui! Sagt der ÖVPler!) Manche in diesem Haus tun so, als stünden sie moralisch über anderen und reiben sich an öffentlichen Nachrichten, an SMS, die irgendetwas suggerieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle hier, die meinen, sie seien moralisch


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höherstehend – Herrn Muchitsch, Herrn Kickl, der gerade nicht da ist, Frau Rendi-Wagner –, bitte ich: Legen Sie doch bitte Ihr Handy mit einer Vollmacht zur Auswertung hier auf diesen Tisch! Dann schauen wir bitte, wer da moralisch höherstehend ist! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Dasselbe gilt für die Inseratendebatte. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Abg. Lausch: Das ist die Rechtfertigung der ÖVP?) Meine Damen und Herren, die Stadt Wien inves­tiert mehr Budgetmittel in Inserate als alle anderen Bundesländer. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Das muss man sich vergegenwärtigen! Wien ist von SPÖ und NEOS regiert. (Zwischenruf des Abg. Silvan.) Wie geht denn das zusammen, meine Kollegin­nen und Kollegen, wenn Sie sich dann so aufregen? (Beifall bei der ÖVP.)

Das Dritte betrifft zum Schluss die Kinderbetreuung. 1,6 Milliarden Euro sind in die Kinderbetreuung geflossen. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, nun fordern, noch mehr in die Kinderbetreuung zu investieren, dann unterstreiche ich das. Bitte be­denken Sie aber auch eines: Wenn wir noch mehr in Kinderbetreuung investieren, in Gebäude, in Hüllen, bedenken Sie bitte auch, wer darin arbeiten soll. (Abg. Belakowitsch: Ja, wer?) Auch wenn wir den Betreuungsschlüssel, der Ländersache ist, um einen Deut verschieben: Uns gehen die Kindergartenpädagoginnen und Kindergartenpädagogen aus. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Greiner.) Wir haben sie nicht mehr, jene Menschen, die auf die Kinder schauen, von denen Sie meinen, man müsste ein Recht, ein Anrecht darauf haben, dass sie zwangsläufig in eine Kinder­betreuung gehen müssten. (Zwischenrufe der Abg. Greiner. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich stehe für Kinderbetreuung, was Sie aber hier fordern, das ist eigentlich wiederum doppeldeutig (Zwischenruf des Abg. Zanger), das entspricht nicht den Tatsachen. Fakt ist, es wurde in Österreich so viel in Kinderbetreuung investiert wie in sonst fast keinem europäischen Land. (Abg. Künsberg-Sarre: Das stimmt nicht!) Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

In Summe hoffe ich auf Ihre Zustimmung zu diesem Budget. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer. – Abg. Matznetter: Warum ... der Staat und spart nur? – Abg. Zanger: Das sind überall die Gleichen!)

11.55


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Karin Greiner. – Bitte.


11.56.17

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Stark, Sie sind Ihres Zeichens Bürgermeister in Gleisdorf, wie sehen das die Frauen in Ihrer Gemeinde, wenn Sie sich hier so äußern? – Kinderbetreuung: Da brauchen wir kein Recht auf einen Platz, keinen Anspruch. – Wie sehen die Frauen das? (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Budget: Herr Finanzminister, ich beginne meine Budgetausführungen mit einem Zitat von Ihnen: Das Budget ist „eine Ansage Richtung Zukunft“. (Abg. Melchior: Bravo!) Ist das so, sehr geehrte Damen und Herren? Schauen wir uns das genauer an!

Sehr geehrte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Sie bezahlen die Krise! Das wissen wir. Sie bezahlen auch schon 85 Prozent aller Steuern, die der Staat einnimmt. Will der Finanzminister das ändern? – Nein, aber er achtet darauf, dass große Konzerne ein Steuergeschenk in Form von Millionen erhalten. Das ist ihm wichtig, er senkt die Körper­schaftsteuer. Was passiert für Sie, liebe ArbeitnehmerInnen?  Leider passiert nichts. Auch wenn es heißt, es sei die größte Steuerreform aller Zeiten, die Entlastung sei so


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enorm, spätestens nach zwei Jahren ist ein möglicher Vorteil von der kalten Progression aufgefressen. Das sagt der Herr Minister nicht dazu. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie schaut es mit der Pflege aus? Wo ist die große Pflegereform? Angekündigt wurde sie ja in großen Tönen vom Ex-Kanzler, der jetzt da drüben sitzt. Ach so, er hat ja andere Sorgen. Pflege ist ihm nicht so wichtig. Applaus war ihm wichtig, aber die Prämien, die angekündigten, sind noch immer nicht da.

Wie schaut es mit der Kindergartenmilliarde aus? Auch die will der Herr Altkanzler nicht. Ihm ist es wichtiger, Bundesländer aufzuhetzen, als Kindern und Familien einen An­spruch auf Betreuungsplätze zu garantieren. Das ist ihm nicht wichtig. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gabriela Schwarz: 1,6 Milliarden, Frau Kollegin! 1,6 Milliarden!) Sie, Herr Finanzminister, führen diesen Kurs weiter, und das ist eigentlich erbärmlich.

Schauen wir uns noch an: Wie halten Sie es mit der Transparenz der Steuergelder? Was ist mit den mehr als 9 Milliarden Euro, die bereits von Ihrem Ministerium in die Finan­zie­rungsagentur des Bundes geflossen sind? Wer hat wann wie viel warum bekommen?  Wir wissen es nicht, weil wir keine Antworten von Ihnen erhalten. Sie persönlich, die ÖVP, der Herr Vizekanzler und bedauerlicherweise die Grünen verweigern dem Parla­ment die Kontrolle darüber, was mit diesen Steuergeldern passiert. (Beifall bei der SPÖ.) Sie verweigern uns die Kontrolle. Wir sind gewählte VolksvertreterInnen, und Sie schüt­zen die Blackbox. Selbst der Rechnungshof bekrittelt die Intransparenz und die man­gelnden Kontrollmöglichkeiten durch das Parlament. Das sollte Ihnen zu denken geben.

Herr Finanzminister, Sie agieren leider intransparent. Dieses Budget ist eine Ansage an Ihre Gönner und an Ihre Spender, aber eine bittere Enttäuschung für die Arbeitneh­me­rinnen und Arbeitnehmer, die immerhin 85 Prozent unserer Steuern zahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.59


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Markus Koza. – Bitte.


11.59.49

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuse­her! Budgetdebatten haben es so an sich, dass die Regierungsparteien etwas verteidi­gen, was von der Opposition grundsätzlich angegriffen wird. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass es jemals ein Budget gegeben hätte, bei dem die Opposition einem Regierungs­budget zugestimmt hat. Das war früher so, das ist heute so und es wird auch in Zukunft so bleiben.

Trotzdem ist diese Debatte ausgesprochen wichtig, denn Budgets sind bekannterweise in Zahlen gegossene Politik. Über Budgets werden die Steuergelder, die Staatsein­nah­men entsprechend eingesetzt, um gewisse Krisen zu bewältigen, gewisse Maßnahmen zu setzen, was auch immer zu tun. Auch dieses Budget 2022, das jetzt vor uns liegt ich möchte mich vor allem auf das Budget konzentrieren , versucht, die Herausfor­derungen der Zukunft und die Herausforderung, die uns die Covid-Krise hinterlassen hat, bestmöglich zu bewältigen.

Dieses Budget unterscheidet sich dahin gehend auch nicht so wahnsinnig von anderen Budgets, die unter Rot-Schwarz geschnürt worden sind, weil die Posten ziemlich gleich groß sind, außer beispielsweise der Posten Klima, der deutlich höher ist als in den Jahren zuvor. Wenn wir uns kurz in das Budget vertiefen und uns anschauen, welche Positionen wie groß und wie stark sind, dann sehen wir, dass das Kapitel Soziales nach wie vor einen ganz wesentlichen, zentralen Stellenwert in diesem Budget hat; die höchs­ten Ausgaben gibt es für die Pensionen.


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Wenn gesagt wird, Jessas, das sind lauter Vergangenheitsausgaben, das geht auf Kosten unserer Kinder, unserer künftigen Generationen, frage ich mich immer: Die Ansprüche der älteren Menschen sind da – wollen wir sie kürzen? – Nein, das wollen wir nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.  Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.)

Der zweitgrößte Budgetposten ist nach wie vor die Bildung, und der dritte Posten ist die Arbeitsmarktpolitik. Die Arbeitsmarktpolitik ist deshalb so wichtig und so zentral, weil wir zwar erfreulicherweise eine Entlastung am Arbeitsmarkt erleben, uns erfreulicherweise schneller erholen, als wir geglaubt haben, als Wirtschaftsforschungsinstitute befürchtet haben, weil wir aber nach wie vor große Probleme im Bereich der Langzeitarbeits­losig­keit haben und weil wir uns schlichtweg auf dem Arbeitsmarkt auf die künftigen Heraus­forderungen, die es gibt, vorbereiten müssen.

Das ist die Herausforderung der Klimakrise, das ist die Herausforderung der sozialökolo­gischen Transformation unserer Gesellschaft, das ist auch die Herausforderung der Pflege. Genau darum haben wir auch zuletzt das Fachkräftestipendium beispielsweise für Pflegeberufe, aber auch für elementare Bildungsberufe ausgeweitet, und deswegen haben wir 300 Millionen Euro frisches Geld für die Initiative Sprungbrett, für Maßnahmen für Langzeitarbeitslose, in diesem Budget drinnen. Das steht da! Warum jetzt irgend­jemand sagt, das gibt es nicht, da passiert nichts, weiß ich nicht. Das ist da drinnen, das wird dafür eingesetzt, das war immer so geplant. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Ottenschläger und Weidinger.)

Wir haben 20 Millionen Euro für Arbeitsstiftungen im Bereich Umwelt, Verkehr, für Zu­kunftsberufe, für Qualifikationen in Zukunftsberufe, und wir haben nach wie vor 170 Mil­lionen Euro für Bildung und Qualifikation in der Coronajoboffensive. Das heißt, es ist da einiges im Gange, es ist einiges geplant, es geht einiges voran. Wir werden sehen, ob es reicht. Das hängt letztlich auch davon ab, ob die Coronakrise endgültig erfolgreich überwunden wird, und das wiederum hängt auch davon ab, ob sich möglichst viele Menschen impfen lassen.

Die Frage des Wirtschaftsaufschwungs  das sagen die Wirtschaftsforschungsinstitute eindeutig  hängt im Wesentlichen davon ab, ob es wieder Maßnahmen gegen Corona brauchen wird. Das wollen wir alle nicht, darum: Impfen lassen und in die Zukunft schauen! Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.03


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Weidinger. – Bitte.


12.03.38

Abgeordneter Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Liebe Österreicherinnen, liebe Österreicher! Herr Kollege Muchitsch hat hier in den Raum gestellt, dass es für Pflege zu wenig Geld geben werde – das Gegenteil ist der Fall. Nächstes Jahr werden 3,7 Mil­liarden Euro in Pflegeleistungen investiert, 50 Millionen Euro werden 2022, 2023 und 2024 jeweils für den Pflegeberuf ausgegeben. Das ist richtig, das ist wichtig und das ist eine kluge Entscheidung dieser Regierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der geschätzte Kollege Shetty, meine Damen und Herren – und ich werde nicht sein biologisches Alter gegen ihn ins Treffen führen, sehr wohl aber das Alter seiner Ideen, die er hier vertritt –, macht leider eine Uraltpolitik, mit der alles schlechtgeredet wird. Ich möchte hervorheben, dass diese Regierung mit unserem Finanzminister ganz klar auf die Zukunft setzt. Warum? – Es geht darum, sozialen Frieden zu sichern, es geht darum,


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Wohlstand für möglichst alle Menschen zu schaffen (Abg. Shetty: Für die Jungen auch?) und die Bürgerinnen und Bürger vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen.

Das passiert mit dieser ökosozialen Steuerreform. Sie ist von der Überzeugung getra­gen, dass die Marktwirtschaft mit Menschen, mit Innovatoren, mit Entrepreneuren Ideen und Innovationen schafft, die unsere Probleme lösen. Wir haben in Österreich viele Betriebe, gerade im Bereich von Green Tech, die Arbeitsplätze schaffen, die Zukunfts­tech­nologien in die Welt verkaufen. So, meine Damen und Herren, ist auch zu verstehen, warum die Senkung der Körperschaftsteuer eine so zentrale Maßnahme ist. Da wird vor allem von der Sozialdemokratie immer das alte Spiel des Klassenkampfs betrieben. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Lösen wir uns von diesen alten Schablonen! Es geht darum, Betriebe, Menschen und Ideen in Österreich zu beheimaten und neue Ideen zu ent­wickeln. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer.)

70 000 Unternehmungen und Gesellschaften davon 70 Prozent machen nicht mehr als 100 000 Euro Gewinn, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das sind in erster Linie Familienunternehmen, die hier in Österreich, in den Regionen zu Hause sind. Das sind Gewerbebetriebe, das sind Familienunternehmen, die in Österreich Arbeitsplätze schaf­fen und in Generationen denken – wie die ökosoziale Marktwirtschaft. Wir entlasten die Menschen und die Bürger, wir senken die zweite und dritte Einkommensteuerstufe, wir geben den Menschen das Geld zurück und wir erhöhen den Familienbonus – ein Meilen­stein in der Familienpolitik. Das ist eine christlich-soziale Marke, das ist das Verdienst dieser Regierung.  Herr Finanzminister, danke dafür. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer.)

Vier Ziele hat sich diese Regierung gesetzt: Menschen zu entlasten; umweltschädliches Verhalten zu bepreisen  was erstmals gemacht wird, ein Quantensprung in Österreich, ein Quantensprung in Europa, dem viele andere Länder folgen werden –; wir stärken den Standort mit Körperschaftsteuersenkungen, vor allem aber auch für EPUs, indem geringfügige Wirtschaftsgüter mit einer Abschreibung von 1 000 Euro versehen werden; und, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wir schützen die Umwelt und schaffen einen Beitrag zum Schuldenabbau, weil diese Regierung auf die Zukunft und die nächste Generation setzt.

In diesem Sinne kann man zusammenfassen: Dieses Budget ist ein Budget, das die Menschen und die Wirtschaft entlastet und die Umwelt unterstützt. Ich ersuche auch Sie um Ihre Unterstützung für diesen Weg. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Prammer und Jakob Schwarz.)

12.07


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Jörg Leichtfried zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.07.37

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Stark hat in seinem Redebeitrag relativ mutig, würde ich sagen, behauptet, dass kein anderes Land auf der ganzen Welt oder in Europa – das war nicht so ganz klar – mehr für Kinderbetreuung ausgibt als Österreich. – Das ist unrichtig.

Der richtige Sachverhalt lautet: Es gibt viele Länder wie zum Beispiel Deutschland, Belgien, Frankreich, die zuletzt diese Gelder um das Vier- bis Siebenfache erhöht haben (Abg. Ottenschläger: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, das ist eine Meinung ... !) und im Vergleich mit Österreich zwei Drittel mehr an Mitteln für Kinderbetreuung aus­geben. (Abg. Ottenschläger: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Die Julius-Raab-Stiftung hat überhaupt festgestellt, dass


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Österreich bei der Kinderbetreuung im letzten Drittel der EU liegt, also nicht Erster, son­dern im letzten Drittel ist. So schaut es aus! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Ottenschläger: Frau Präsidentin! Das war keine tatsächliche Berichtigung! Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. Ruf: Wir werden es uns noch einmal anhören!)

12.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Maximilian Lercher. – Bitte.


12.08.51

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich in meine Rede einsteige: Kollege Weidinger, Sie haben von Klassenkampf gesprochen, den die Sozialdemokratie da führt – das Gegenteil ist der Fall. (Ruf bei der ÖVP: Ja!) Sie machen mit Ihrem Budget einen Klassenkampf von oben nach unten, das haben Sie in diesen Zahlen festge­schrie­ben. (Beifall bei der SPÖ.) Werfen Sie da also bitte nicht uns Klassenkampf vor! (Zwi­schenruf des Abg. Ofenauer.)

Da Sie so gerne von Vertrauen sprechen, Vertrauen, das Sie im Übrigen zerstört haben: Wir würden gerade jetzt Vertrauen brauchen, und das könnten Sie uns mit Taten be­weisen – mit Taten! –, wenn wir heute etwas beschließen würden, das Sie aus Macht­kalkül nicht zugelassen haben. Wenn Sie es wirklich ernst meinen, dann beschließen Sie nämlich heute mit uns den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Jahr sowie die Abschaffung der kalten Progression.

Es wäre notwendige Wiedergutmachung, Herr Klubobmann (Beifall bei der SPÖ), Wie­der­gutmachung für die tagtäglich arbeitenden Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in diesem Land, die sich zu Recht mehr von uns erwarten können, denn dieses Budget ist ein Budget für die Spenderinnen und Spender und nicht für die 85 Prozent, welche die Steuerleistung erbringen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die oft beschworene CO2-Steuer verschont Agrarindustrie und Konzerne und ist eine Massensteuer ohne Lenkungseffekt. Die Gemeinden und Städte bleiben mit leeren Ver­sprechungen zurück, und die Finanzkraft, die sie dringend für Impulse in den Regionen brauchen würden, wird ihnen verwehrt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die oft und viel beschworenen Städte und Gemeinden sind in Ihrem Budget nicht abge­bildet, und das ist nicht gerecht. Wissen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man sich dann anschaut, wer für Sie wirklich systemrelevant ist, wenn man dieses Budget durchforstet und dem nachgeht, dann merkt man: Es sind nicht die Pflegerinnen und Pfleger, es sind nicht die Sanitäterinnen und Sanitäter, es sind nicht die Maurer. Es sind die Spenderinnen und Spender! Die bekommen die Prämie, und dem Rest wird sie verwehrt. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht gerecht! (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, wir sind alle angehalten, Vertrauen wieder aufzubauen, Sie aber, Herr Klub­obmann, haben heute die Möglichkeit, in Ihrer neuen Funktion mit Entschließungs­an­trägen den ersten Schritt zu machen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Beweisen Sie uns, dass Sie aus Fehlern lernen, zeigen Sie Charakter, und beschließen wir heute etwas für die ganz normalen Menschen in diesem Land, sie haben es sich verdient! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.11


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 67

12.11.54

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzter Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben heute schon vieles darüber gehört, wie Themen wie Klimaschutz, Justiz, Landesverteidigung et cetera ihren Platz im Budget gefunden haben.

Neben diesen durchaus wichtigen Bereichen sind aber auch die Sozialagenden, unter anderem die Pflege, sehr wichtig. Die Situation in der Pflege ist angespannt. Meine Damen und Herren, das ist kein Geheimnis, das wissen wir alle spätestens seit der Coronakrise. Jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, weiß aber auch, wie komplex dieses Thema in Österreich ist. Das heißt, es ist oft notwendig, dass an Veränderungen, an Reformen in diesem System verschiedene Ebenen und verschiedene Interessen­gruppen beteiligt sind, was natürlich wiederum dazu führt, dass eben Verbesserungen und Veränderungen einfach ihre Zeit brauchen.

Das Sozialministerium leistet derzeit auf Hochtouren und natürlich unter Einbindung der Länder die Vorarbeiten zu den konkreten Reformschritten in der Pflege, denn die Län­der – das möchte ich noch einmal betonen – braucht es unweigerlich für die Umsetzung. Der Regierung ist Pflege wichtig. Im Budget- und Strategiebericht wird deshalb klarge­stellt, dass diesem Thema im Regierungsprogramm, aber auch in der aktuellen Schwer­punktsetzung der Bundesregierung eine hohe Priorität eingeräumt wird.

Der Knackpunkt in der Pflege – und das ist auch kein Geheimnis, meine Damen und Herren – ist das Personal. Es gibt viele Dinge, die wir in der Pflege angehen wollen und müssen, dafür braucht es aber mehr Personal, nämlich bis 2030 fast 100 000 Pflege­kräfte mehr. Deshalb sind im Budget für die nächsten drei Jahre je 50 Millionen Euro für eine Ausbildungsoffensive im Pflegebereich niedergeschrieben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Uns war es ganz wichtig, dass eine Finanzierung für mehrere Jahre gesichert ist. Ange­hende Pflegekräfte sollen damit während ihrer Ausbildung und während ihrer Praktika finanziell unterstützt werden, das ist natürlich auch im Hinblick auf die Attraktivierung des Berufes wichtig. Auch da – das wiederhole ich noch einmal – braucht es die Zusam­menarbeit mit und die Unterstützung der Länder. Weiters ist die Finanzierung von 150 Communitynurses über die nächsten drei Jahre im Budget sichergestellt.

Meine Damen und Herren, es wäre unverantwortlich, den Menschen etwas zu ver­sprechen, das man nicht einhalten kann. Deshalb verspreche ich da auch nicht die Welt, und ich verspreche nicht, dass wir in den nächsten ein, zwei Jahren das Personal­prob­lem in der Pflege lösen können, wir haben aber mit diesem Budget konkrete erste Schritte gesetzt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dass es mehr braucht, wissen wir alle, und an diesem Mehr arbeiten wir auch alle. Ich bitte auch die Oppositionsparteien und alle Parteien hier im Hause, da mitzuhelfen. Vielleicht werden wir – die einen oder anderen von uns – irgendwann einmal auch Pflege brauchen, derzeit ist es aber so, dass die Pflege uns alle braucht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.15


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Angela Baumgartner. – Bitte.


12.15.25

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Unser Finanzminister Gernot Blümel hat gestern ein Budget vorgelegt, das sich sehen lassen kann. Es wird


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 68

für Aufschwung und Stabilität sorgen. Natürlich müssen wir mittelfristig mit der Schul­denquote wieder runterkommen und einen Abbau der Schulden forcieren, um für zukünf­tige Krisen gesichert und gewappnet zu sein.

Wir sind auf einem guten Weg. 2015 hat die Schuldenquote 84,9 Prozent des BIPs aus­gemacht. Diese Quote haben wir während der ganzen Krise nicht überschritten. Für 2022 wird eine Verschuldung von 79,1 Prozent prognostiziert. Zu diesem Schulden­ab­bau trägt auch die ökosoziale Steuerreform bei. Sie entlastet die Österreicherinnen und Österreicher und die heimische Wirtschaft um 18 Milliarden Euro. 18 Milliarden Euro: Das ist nicht nichts.

Was mich als Bürgermeisterin besonders freut, ist, dass dieses Budget zur Stärkung des ländlichen Raumes und auch der Landwirtschaft beiträgt, denn da ist jeder Euro not­wendig. (Zwischenruf des Abg. Lercher.) – Herr Kollege Lercher, die Ertragsanteile für Länder und Gemeinden werden steigen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Lercher.)

Lieber Kollege Muchitsch – ich sehe ihn jetzt gerade nicht, ah, da sitzt er eh –, wenn Sie schon etwas vorlesen, dann lesen Sie bitte alles vor und reißen Sie es nicht aus dem Zusammenhang! Eine verpflichtende Ganztagsschule kann es ohne Länder und Gemeinden nicht geben, und das ist das, was Sebastian Kurz gesagt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Greiner und Yildirim.) Faktum ist, dass seither auch 1,6 Milliarden Euro in die Kinderbetreuung investiert wurden. Unter keinem wurde so viel für die Familien getan wie unter Sebastian Kurz – ich sage nur: Familienbonus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! Sinnerfassend zu lesen und Zusam­menhänge zu erkennen lernt man in der Volksschule. (Zwischenruf des Abg. Lercher.) Meine Schwester ist Volksschullehrerin. Ich werde sie fragen, ob sie Ihnen Nachhilfe erteilt. (Beifall bei der ÖVP.)

12.18


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.


12.18.20

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Steuerreform und das aktuelle Budget mögen viele Ziele haben, die Verringerung der Armut in Österreich ist garantiert keines davon. Das zeigt sich auch in den Zielen des Budgets für Familie und Jugend. Es ist nicht einmal geplant, die Armutsgefährdungsquote zu reduzieren. Bisher reduzierten die Familienleistungen die Armutsgefährdung um 15 Prozent, und exakt das ist auch das Ziel für die folgenden Jahre. Ambitionen bei der Armutsbekämpfung gibt es also keine – wirklich beschämend für ein reiches Land wie Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Viele Leistungen werden auch als Unterstützung für die Personen angekündigt, die sie wirklich brauchen. Der Familienbonus ist das beste Beispiel dafür, dass das nicht der Fall ist. Er wird als große Unterstützung für alle Familien angepriesen, nützt aber vor allem den gutverdienenden Familienvätern. Die gut bezahlte Erwerbsarbeit steht also wieder einmal im Fokus. Die, die es am meisten brauchen und die die meiste unbezahlte Arbeit leisten, bekommen wenig oder sie bekommen gar nichts. (Beifall bei der SPÖ.)

Alleinerziehende sind beim Familienbonus besonders benachteiligt. Diese Gruppe, die wieder einmal vergessen wurde, ist wirklich groß. Es gibt in Österreich 162 000 Allein­erziehende, die 238 000 Kinder betreuen. Man stelle sich vor: Das entspricht der Bevöl­kerung von Vorarlberg – und fast 90 Prozent dieser Alleinerziehenden sind Frauen, die auch beim Budget die Verliererinnen sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 69

Jedes Kind ist gleich viel wert. – Der Familienbonus folgt diesem Grundsatz nicht. Nach der Reform gibt es 180 000 Kinder, die weder vom Familienbonus noch vom Kinder­mehrbetrag profitieren werden. Die Erhöhung des Familienbonus kostet uns alle 500 Mil­lionen Euro. Hätte man diese Summe in die Erhöhung der Familienbeihilfe gesteckt, würde jedes einzelne österreichische Kind 280 Euro mehr im Jahr erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Man hätte die 500 Millionen Euro auch in Sachleistungen wie den Ausbau der Kinder­betreuungsplätze investieren können. Dann könnte man auch mehr als die im Budget geplanten fünf zusätzlichen Gruppen in Kleinkinderbetreuungseinrichtungen schaffen. Es ist ohnehin eine Farce, in solchen Dimensionen zu denken.

Sehr geehrte Damen und Herren, vor sechs Jahren wurde ein fertig geplantes Paket zum Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen aus Machtgründen von Ex-Kanzler Kurz verhindert. (Zwischenruf der Abg. Tanja Graf.) Auch heute zeigen die Regierungs­parteien, insbesondere die ÖVP, keine Ambitionen, den Ausbau und den Rechts­anspruch voranzutreiben. Aus unserer Sicht ist es allerhöchste Zeit, dass alle Familien die Unter­stützung bekommen, die sie benötigen. Das vorgelegte Budget stimmt mich allerdings wenig optimistisch. (Beifall bei der ÖVP.)

12.21


Präsidentin Doris Bures: Es liegt nun eine Wortmeldung zu einer tatsächlichen Berichtigung von Herrn Abgeordneten Josef Muchitsch vor. – Bitte.


12.21.47

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete Baumgartner hat hier verlautbart, dass es in diesem (Zwischenruf des Abg. Hörl) Chat um Ganztags­schulen geht.

Ich stelle richtig: Thomas Schmid, 16. Juni: „Wir müssen bei Banken aufpassen, die [Kern und Mitterlehner] wollen […] 1,2 Mrd für Nachmittagsbetreuung mit Rechtsanspruch und Vereinbarungen Bund Gemeinden ohne Länder! Megasprengstoff!“ (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sebastian Kurz: „Gar nicht gut!!! Wie kannst du das aufhalten?“, „Kann ich ein Bundesland aufhetzen?“(Beifall bei der SPÖ.)

12.22


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Eva Blimlinger zu Wort gemeldet. – Bitte. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Hörl.)


12.22.32

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Heute ist ein wahrlich historischer Tag. Wir haben das höchste Kunst- und Kulturbudget der Zweiten Republik, und zwar wurde es auf 557 Millionen Euro erhöht. 2021 betrug es 496 Millionen Euro. Das bedeutet eine Steigerung um 61 Millionen Euro, und das ist wahrlich historisch. Das ist keiner Bundesregierung zuvor gelungen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das sind rund 12 Prozent, und es ermöglicht uns, alle Fördererhöhungen weiterzu­füh­ren. Von den 61 Millionen Euro sind 50 Millionen Euro gebunden. Ich darf hierzu vor allen Dingen die Absicherung der bundeseigenen Kunst- und Kultureinrichtungen, der Bundestheater und Bundesmuseen, kurz erwähnen, allerdings mit dem wichtigen Aspekt von Fair Pay, nämlich dem Kollektivvertrag bei den Bundesmuseen. Des Weiteren möchte ich den Wiederaufbauplan der EU nennen, aber auch – das ist mir besonders wichtig – die Förderung der freien Szene, der zeitgenössischen Kunst und auch da im Besonderen Fair Pay. Das ist der Schwerpunkt, den wir setzen werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 70

Ein wichtiger Punkt ist auch noch, dass die Programme, die im EU-Aufbaufonds gemacht werden, zum Beispiel die Sanierung des Volkskundemuseums, auch darin enthalten sein werden. Das heißt, es ist wirklich ein großartiger Tag für die Kunst und Kultur, aber auch ein großartiger Tag für die Wissenschaft und Forschung. Es ist gelungen, der Nationalstiftung 140 Millionen Euro pro Jahr zuzuweisen. Das sind bis 2025 jedes Jahr 140 Millionen Euro und für die Klimaforschung noch einmal 400 Millionen Euro.

Selbstverständlich bin ich im Übrigen nach wie vor der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Heiterkeit des Abg. Deimek.)

12.24


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Klubobmann Sebastian Kurz zu Wort ge­mel­det. – Bitte.


12.24.54

Abgeordneter Sebastian Kurz (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Hohes Haus! Vor allem aber: Geschätzte Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Die letzten 1,5 Jahre der Pandemie haben uns in Österreich, aber auch in ganz Europa und darüber hinaus sehr viel abverlangt. Es gab einen massiven Einbruch der Weltwirtschaft, unzählige Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren und es war für viele eine enorme Belastung. Dank der Impfung haben wir mittlerweile nicht nur die Möglichkeit erlebt, zur Normalität zurückzukehren (Zwischenruf bei der SPÖ), sondern wir erleben ein Wirtschaftswachstum von 4 bis 5 Prozent – und die Arbeitslosigkeit ist mittlerweile niedriger, als sie vor der Krise war. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Verantwortlichen und bei allen Verhandlerinnen und Verhandlern bedanken, insbesondere beim Finanzminister. Unser Ziel war es, sicherzu­stellen, dass von diesem Aufschwung jetzt auch alle Menschen in unserem Land profi­tieren. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist gut, dass ein solides Budget für die Republik Österreich vorliegt, aber das Wich­tigste ist, dass dieses Budget auch eine Steuerreform beinhaltet. In dieser Steuerreform stellen wir sicher, dass kleine und mittlere Einkommen entlastet werden, dass Familien profitieren und dass auch all jene mehr bekommen, die ihr Leben lang gearbeitet haben – die Pensionistinnen und Pensionisten, die unser Land groß gemacht haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Nach zehn Jahren Regierungserfahrung weiß ich, dass Debatten hier im Hohen Haus eine klare Struktur haben: Die Regierungsfraktionen verteidigen, die Opposition kritisiert. Am Ende des Tages ist das Abstimmungsverhalten auch klar: Regierungsfraktionen stimmen zu, Opposition stimmt dagegen. Das Schöne bei einer Steuerreform ist aber: Sie wird am Ende des Tages für die Menschen spürbar. Der Familienbonus wird von 1 500 Euro auf 2 000 Euro pro Kind erhöht. Die Lohnsteuer wird von 35 auf 30 und von 42 auf 40 Prozent gesenkt, und das Wichtigste ist: Weil wir Menschen haben (Zwischenrufe bei der SPÖ), die wenig verdienen und keine Steuern zahlen, senken wir auch noch die Sozialversicherungsbeiträge, damit auch diejenigen profitieren, die gar keine Steuern mehr in unserem Land zahlen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Zuvor sind schon die Mathematikkünste von Prof. Taschner angesprochen worden, aber man muss kein großer Mathematiker sein, um sich ausrechnen zu können (Zwischenruf bei der SPÖ), wie viel eine durchschnittliche Familie von dieser Reform profitiert. Eine Familie mit zwei Kindern, in der beide Elternteile arbeiten gehen und ein durchschnitt­liches Einkommen erwirtschaften, erhält pro Jahr über 2 000 Euro mehr an Entlastung. Ja, dank des Familienbonus und dieser Steuerreform sind wir mittlerweile ein Land, in


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dem Familien mit einem durchschnittlichen Einkommen gar keine Steuern mehr bezah­len werden. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das ist gut und richtig, denn die Familien leisten einen doppelten Beitrag: einerseits, indem sie arbeiten gehen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und andererseits, indem sie Kinder großziehen und somit auch unsere Zukunft gewährleisten. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist heute auch darüber diskutiert worden, dass in dieser Steuerreform auch Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes beinhal­tet sind. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Natürlich kann man das als Unterstützung für die Unternehmen kritisieren – aber ich glaube, wir haben im letzten Jahr der Pandemie alle gesehen, was es für Auswirkungen hat, wenn es der Wirtschaft nicht gut geht (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch), und wie schnell eine schwierige Situation für ein Unternehmen dazu führen kann, dass Hunderttausende keine Arbeit mehr haben.

Ich kann Ihnen sagen: Zu den schönsten Momenten in meiner Zeit in der Bundesregie­rung hat es gehört (Zwischenruf bei der SPÖ), als sich Unternehmen entschieden haben, in Österreich zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen – Zwischenruf des Abg. Deimek) – ganz gleich, ob Infineon, ABB oder andere, und genauso auch heimische Unternehmen, die es seit Generationen in unserem Land gibt.

Wenn wir nicht sicherstellen, dass wir ein starker Wirtschaftsstandort sind, wenn wir nicht mutig sind und auch gewährleisten, dass es attraktiv ist, in Österreich zu investieren, dann laufen wir langfristig Gefahr, dass Arbeitsplätze bei uns verloren gehen und statt­dessen anderswo auf der Welt entstehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Eine Entschuldigung wäre angebracht!)

Zu guter Letzt zur Ökologisierung: Neben der Entlastung für arbeitende Menschen und der Stärkung des Standorts setzen wir bewusst auf die Ökologisierung unseres Steuer­rechts. Auch das kann man kritisch sehen. Ich wäre dagegen gewesen, diese Ökolo­gisie­rungsaspekte mit dem Holzhammer von heute auf morgen in brutaler Art und Weise durchzusetzen; aber mittelfristig einen Lenkungseffekt zu schaffen, sodass mittelfristig umweltschädliches Verhalten teurer wird und umweltfreundliches Verhalten sich auszahlt, mittelfristig einen Lenkungseffekt zu schaffen, dass die Menschen merken, es ist sinn­voll, auf neue Technologien, auf umweltfreundlichere Technologien umzusteigen, das ist richtig, das ist verantwortungsvoll und das sind wir der Schöpfung und unserer Umwelt schuldig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte dem Finanzminister dazu gratulieren, dass ein aus meiner Sicht guter Mix geschafft wurde, nämlich zum einen die arbeitenden Menschen in unserem Land zu entlasten und sicherzustellen, dass der Aufschwung bei allen ankommt, zum anderen aber auch verantwortungsvoll zu agieren und so zu handeln, dass die Schuldenquote, die während der Pandemie massiv angestiegen ist, bis zum Ende der Legislaturperiode auch wieder sinkt; denn genauso, wie es notwendig ist, in Krisenzeiten zu reagieren und Geld in die Hand zu nehmen, ist es notwendig, jetzt auch wieder sicherzustellen, dass das Budget unter Kontrolle ist, dass keine Überschuldung der Republik stattfindet und wir bei der nächsten Krise genauso handlungsfähig sind, wie wir es diesmal waren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Abschluss, sehr geehrte Damen und Herren (Ruf bei der SPÖ: Sie entschuldigen sich!), noch eine Bemerkung, die, glaube ich, nicht unwesentlich ist: Wir sind gerade in einer Phase des Wirtschaftswachstums, die Arbeitslosigkeit geht zurück, wir stehen gut da, aber wir müssen uns alle bewusst sein: Der Grund dafür ist, dass wir die Pandemie unter Kontrolle haben und dass wir durch die Impfung zur Normalität zurückkehren konnten. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Es ist nach wie vor eine volatile Situation,


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daher müssen wir, nicht nur, um unsere Gesundheit zu schützen, sondern vor allem auch, um zu gewährleisten, dass die Wirtschaft weiter wächst, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben, beim Thema Impfen weiter vorankommen.

Das bedeutet nicht nur, noch den einen oder anderen zu gewinnen, der sich noch nicht hat impfen lassen, sondern das bedeutet auch – und ich bin der Bundesregierung dank­bar dafür, dass darauf ein Schwerpunkt gelegt wird (Ruf bei der SPÖ: ... Wöginger!) –, dass all jene ihre dritte Impfung erhalten, die sie brauchen, damit die Normalität, die wir jetzt erleben, das Wirtschaftswachstum, das wir jetzt erleben, und die niedrigsten Arbeits­losenzahlen, die wir jetzt erleben (Abg. Belakowitsch: Welche niedrigsten Arbeitslosen­zahlen?), nicht nur eine kurzfristige Phase sind, sondern auch mittelfristig so bleiben. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

12.33

12.34.10*****


Präsidentin Doris Bures: Bevor ich nun dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich Ihnen bekannt geben, dass ich mir das vorläufige Stenographische Protokoll habe zukommen lassen, weil ich es nicht genau gehört habe. Nach dessen Studium erteile ich Frau Abgeordneter Baumgartner für die Aussage: „Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! Sinnerfassend zu lesen und Zusammenhänge zu erkennen lernt man in der Volksschule“, Sie bekommen „Nachhilfe“ et cetera, natürlich einen Ordnungsruf. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Geh bitte! – Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

*****

Nun erteile ich Abgeordnetem Christoph Matznetter das Wort. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


12.35.01

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank und in den Abgeordnetenreihen! (Abg. Melchior: Jetzt kommt ein Ordnungsruf nach dem anderen!) Herr Abgeordneter Kurz! Der Seitensprung hierher statt dem eigentlich initiierten Rücktritt kann auch etwas Gutes haben: Sie können hier am Abgeordnetenpult vielleicht lernen, dass ein bisschen Achtung vor der Vertretung des Volkes angebracht ist. (Abg. Lopatka: Allein die Optik schon ...!)

Die Art, die Sie an den Tag gelegt haben in diesen Jahren, ganz spürbar die Missachtung hier für dieses Haus, all das können Sie jetzt von der anderen Seite positiv erledigen. (Abg. Michael Hammer: Das müssen Sie sagen!) Aber ein bissel was lernen hätten Sie schon können; Sie hätten sich bei Ihrer ersten Rede zum Beispiel entschuldigen können für das, was hervorgekommen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sagen in Interviews, Sie seien kein Roboter, aber der menschliche Anteil, Herr Kurz, wäre gewesen, sich bei all jenen zu entschuldigen, die auf diesem Weg Opfer geworden sind. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Damit meine ich nicht nur die beseitigten Personen wie Reinhold Mitterlehner. Ich meine damit auch die Hunderttausenden Frauen, Kinder und Väter, die zum Beispiel dadurch, dass die Form des Rechtsanspruchs Ihrerseits nicht gewünscht war, enorme Schwierigkeiten hatten, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.) Es wäre Ihnen gut angestanden, diesen Menschen einfach zu sagen: Entschuldigung, mir war meine Karriere wichtiger als das, wie es euch geht! (Abg. Eßl: Konnten Sie das nicht vor sechs Jahren sagen?)


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Jetzt zu diesem Thema hier zurückkommend: Da stellen sich Abgeordnete der ÖVP her und erklären, das wäre eh alles erfolgt. Dabei besteht der Rechtsanspruch bis jetzt nicht, obwohl ihn nicht nur linksextreme Organisationen wie die Industriellenvereinigung for­dern. Also so schwierig kann es für die ÖVP wohl nicht sein. Rechtsanspruch auf die Betreuung am Nachmittag, ganz einfach, Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenruf des Abg. Sieber.) Das können wir heute, morgen, nächste Woche erledigen, machen, um das, wofür Sie sich nicht entschuldigen, Herr Kurz, ungeschehen zu machen, wenigstens fünf Jahre später!

Ich möchte aber die Frage der Spendenbegünstigung durch diese Steuerreform nicht stehen lassen. Es gibt einen Regierungschef, der die Erhöhung der Körperschaftsteuer von 21 Prozent auf 28 Prozent zum Programm gemacht hat, und das, um ein billionen­schweres Programm für erneuerbare Energie, Infrastruktur und vor allem für Soziales auf den Weg zu bringen. Dieser Regierungschef heißt Joe Biden. Daran sieht man, dass jugendlich-frische Politik nicht vom Lebensalter abhängt. Dieser Schritt ist das genaue Gegenteil von dem, was hier von – mittlerweile – Schwarz und Grün geliefert wird. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist keine Ansage für die Zukunft, das ist nichts anderes als der Versuch, eigene Gönner zu fördern.

Sie hätten genug Punkte gehabt, wo eine Körperschaftsteuer zu senken wäre. Ich schaue jetzt bewusst den Neoabgeordneten aus der Steiermark Kurt Egger oder auch Peter Haubner, Gabriel Obernosterer und Franz Hörl an. Unsere kleinen GesmbHs zahlen 1 750 Euro Mindest-KöSt. Die SPÖ hat im Jahr 2013 mühsam durchgesetzt, dass diese wenigstens in den ersten zehn Jahren gesenkt ist. Das ist eine unendliche Steuer für die, die nur null Gewinn haben.

Steht davon irgendwo etwas? Keine Senkung, keine Abschaffung, nein, dort, wo am meisten gezahlt wird, wird runtergeschraubt, die, die es bräuchten, kriegen genau nichts. (Abg. Hörl: Nein, nein, nein!) Ehrlich gesagt, liebe grüne Freundinnen und Freunde, für dieses Reförmchen hat es sich nicht ausgezahlt, diese Koalition weiter aufrechtzu­erhal­ten.

Was den Ökobonus betrifft: Ich bin Liesinger. Machen wir eine Exkursion in die Ketzer­gasse! Die Häuser mit den Nummern 228 und 251 sind genau 10 Meter voneinander entfernt. Erklären Sie den Bewohnern des Mietshauses gegenüber, wieso sie weniger Ökobonus bekommen als die auf der anderen Straßenseite! Da sehen Sie, wie vernünftig Ihre Reformen sind. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

12.39


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Ottenschläger.


12.40.01

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Nur ein Satz zum Kollegen Matznetter – ich habe es, glaube ich, an diesem Pult schon ein paar Mal gesagt –: Dass Sie die Wirtschaft und die Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Lande vertreten, das glaubt Ihnen heute auch niemand. – So viel einmal dazu! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aber angesichts der jetzt geführten Debatte vor allem für die Zuseherinnen und Zuseher für Aufklärung und Fakten sorgen. Es werden immer SMS-Nachrichten völlig aus dem Zusammenhang gerissen (Rufe bei der SPÖ: Ja! Ja! Genau! – Abg. Zanger: Uij! – Heiterkeit bei der FPÖ) und die Tatsachen verdreht. Anhand des Beispiels der Debatte über die Kinderbetreuung möchte ich – wie gesagt vor allem für die Zuseherinnen und Zuseher, weil es die Oppositionsabgeordneten zum Großteil nicht hören wollen – Folgendes feststellen: Die Kinderbetreuung liegt im Vollzug der Bundesländer,


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insofern ist es völlig klar, dass in einer Angelegenheit wie dieser die Bundesländer auch entsprechend einbezogen werden. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Und nichts anderes hat Sebastian Kurz damals gemeint, als dass ohne die Bundesländer da kein ordentliches Programm umgesetzt werden kann. – Fakt Nummer eins. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Fakt Nummer zwei: Die finanziellen Mittel fließen. 1,6 Milliarden Euro werden seit 2017 für die Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt. – So viel dazu. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Yildirim: Es kommt nur nichts an! ...!)

Meine Damen und Herren! Fakt Nummer drei: Worum hat sich die Diskussion damals noch gedreht? – Es ging auch darum, ob es zu einer verpflichtenden Einführung der Ganztagsschule kommt oder ob es – wofür wir eintreten und auch Sebastian Kurz damals eingetreten ist und das auch noch heute tut – eine Wahlfreiheit für unsere Familien geben soll. Und zu dieser Wahlfreiheit stehen wir auch heute noch! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, gegen Ende dieser Debatte möchte ich noch drei Themen ansprechen. Das eine betrifft auch das Budget, Herr Finanzminister. Ich möchte auch dem Regierungspartner dafür danken, dass er es möglich gemacht hat, dieses Paket zustande zu bringen und ein ausgewogenes Budget zu erstellen.

Es wurde schon vieles dazu gesagt, was ich nicht wiederholen möchte, aber ein Satz zum Thema ökosoziale Steuerreform sei mir noch erlaubt: Wenn die CO2-Bepreisung kritisiert wird – sie sei zu niedrig –, möchte ich schon darauf hinweisen, dass viele Länder, die diese CO2-Bepreisung eingeführt haben, wie zum Beispiel die Kollegen in Deutschland, genauso begonnen haben und auf einem ähnlichen Niveau unterwegs sind. Die Rückerstattung an die Bürgerinnen und Bürger, der Ökobonus, ist übrigens auch keine rein österreichische Erfindung, wir machen es nur besser. Skandinavische Länder, die Sie immer wieder als Beispiel vorgebracht haben, oder auch die Schweiz haben ähnliche Systeme. – So viel sei hier einmal angefügt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Weiters wurde die Inseratenvergabe von Bund und Ländern hier angesprochen. Meine Damen und Herren, man kann das diskutieren und kritisieren und bessere Vorschläge machen. Bei der SPÖ ist ja meine Hoffnung nicht sehr groß, aber ich schaue jetzt in die Reihen der NEOS (Abg. Doppelbauer: Medientransparenzgesetz!): Geschätzte Kolle­gin­nen und Kollegen, Sie sitzen seit einem Jahr mit der SPÖ in Wien in der Lan­desregierung. Ich habe bis jetzt noch nichts darüber gehört, dass Sie in Wien das größte Budget für Inserate und Kampagnen in diesem Staat haben. Ich glaube, wenn man es zusammenrechnet: Alle anderen Bundesländer haben – gemeinsam! – nicht so viel Budget dafür wie die Stadt Wien. Vielleicht fangen Sie einmal da an und zeigen Sie hier Vorbildwirkung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Abschluss noch eines, weil betreffend diverse Chatnachrichten auch die moralische Frage angesprochen wurde: Da sollte jeder einmal in sein eigenes Handy schauen, was er geschrieben hat. Vielleicht überdenken Sie seitens der SPÖ einmal Ihren Umgang damit, oder fragen Sie einmal Frau Kollegin Rendi-Wagner, was sie glaubt, was im Handy von Herrn Doskozil über sie steht – dann werden Sie sich nicht mehr mit dieser moralischen Überhöhung hierherstellen und solche Attitüden von sich geben. Das sollten Sie sich wirklich einmal überlegen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

12.45


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abge­ordnete Gabriele Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte.



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12.45.34

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Kollege Ottenschläger hat soeben behauptet, bei der Kinderbetreuung, die in Länderhand sei, wurden und werden alle immer einbezogen. – Das ist unrichtig.

Richtig ist tatsächlich: Thomas Schmid an Sebastian Kurz: „Wir müssen bei Banken aufpassen. Die“ – Kern und Mitterlehner – „wollen [...] 1,2 Mrd für Nachmittagsbetreuung mit Rechtsanspruch und Vereinbarungen Bund Gemeinden ohne Länder! Mega Sprengstoff!“ (Ruf bei der ÖVP: Ja, eh! Ja, eh!) – Sebastian Kurz: „Gar nicht gut!!! Wie kannst du das aufhalten?“ „Kann ich ein Bundesland aufhetzen?“ – Und „aufhetzen“ ist das Gegenteil von miteinbeziehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: Das ist keine tatsächliche Berichtigung gewesen! – Abg. Michael Hammer: Frau Präsidentin, was war das? Man könnte auch einmal unparteiisch hier sein! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

12.46


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Zanger. – Bitte.


12.46.30

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Herr Finanzminister! Eingangs ein paar Zitate aus der gestrigen Budgetrede. Eine Überschrift auf einer der ersten Seiten lautet: „Impfung als Rückkehr zur Norma­lität“. Darunter heißt es dann: „Mit der Impfung hat die Menschheit, nicht einmal ein Jahr nach dem Ausbruch der weltweiten Pandemie, ein wirksames Gegenmittel erhalten. [...] Aber diese Errungenschaft hilft nicht, wenn die Menschen dieses Angebot nicht in Anspruch nehmen. [...] Gerade vor dem Winter appelliere ich daher an alle“, sich impfen zu lassen.

Herr Finanzminister, eine Frage: Was hat das in einer Budgetrede verloren? Ist das jetzt vaccinated budgeting oder so ähnlich? Wie nennt man das? – Also in meiner Einfachheit verstehe ich, dass ich meine Gesundheitsfragen und die Frage, ob ich mich impfen lassen sollte oder nicht, mit meinem Arzt bespreche, aber ich kann auch gerne zu Ihnen ins Finanzministerium kommen und wir können das bei Ihnen besprechen. Ich lade alle Österreicher ein, die sich noch nicht haben impfen lassen, den Herrn Finanzminister um seinen Rat zu fragen. Vielleicht buchen Sie einen Termin bei ihm.

Mit diesem Papier (ein Exemplar der vom Bundesministerium für Finanzen heraus­gege­benen Budgetrede in die Höhe haltend) könnte man jetzt das machen, was Herr Schallenberg gestern mit den Unterlagen der Frau Kollegin Meinl-Reisinger gemacht hat. Man könnte es hinter dem Rücken (einen Wurf über die Schulter andeutend) ent­sorgen. Das mache ich jetzt nicht, Frau Präsidentin, ich will Sie nicht erschrecken, und es wäre auch respektlos. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Klubobmann Kurz, jetzt wären wir aber beim Thema. Sie haben sich ziemlich am Ende der Debatte zu Wort gemeldet, und ich habe Ihre Rede mit Erwartungen erwartet. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Strasser: Eine super Rede!) Ich hätte mir eine Ent­schuldigung des Herrn Klubobmannes Kurz gegenüber der österreichischen Bevölke­rung erwartet (Abg. Eßl: Für was?), eine Entschuldigung dafür, was für einen Schaden er diesem Land, unseren Bürgern, der Demokratie, unserer wunderschönen Republik zugefügt hat – und die Bürger hätten sich das auch erwartet. Stattdessen stellt er sich hierher, feiert sich ab und sagt: Es ist mir eigentlich eh alles wurscht, was da momentan an Kritik kommt, ich habe ja nichts verbrochen, ich bin ja ohnehin immer der Arme!

Meine Damen und Herren! Besonders respektlos finde ich die eigentlich sehr despek­tierliche Wortwahl gegenüber seinen eigenen – möglicherweise – Kameraden, die einem


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zur Seite gestanden sind und einen auch immer gefördert haben. Das ist nicht anständig, das ist moralisch nicht integer, das ist charakterlos! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Problematik an der Geschichte ist ja die: Vom Sittenbild, das hier gezeichnet wurde, ist gestern schon viel gesprochen worden. Es ist auch wahr: Das ist nicht das Sittenbild der Politik im Gesamten, sondern es ist das Sittenbild der türkisen ÖVP! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es gibt aber ein Problem, und zwar: Der einfache Wähler und der einfache Mensch draußen auf der Straße sagt sich nämlich eines: Ja, wenn man das hört, dann sieht man wieder, es sind eh alle gleich! Dagegen wehre ich mich! Ich bin nicht gleich wie Herr Kurz, Sie, die geschätzten Sozialdemokraten, sind es nicht (neuerliche Zwi­schenrufe bei der ÖVP), die Grünen sind es nicht, die NEOS sind es nicht, und meine freiheitlichen Kollegen sind es auch nicht! Wir sind nicht gleich – wir sind nicht gleich wie Herr Kurz und sein System, und das werden wir auch entsprechend sagen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Lopatka.)

Es ist traurig: Ihr seid dafür verantwortlich, dass die Wahlbeteiligung in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch weiter sinken wird (Zwischenrufe bei der ÖVP) – ein trau­riges Zeichen in dieser Demokratie.

Jeder Abgeordnetenkollege, der sich sagt: Ich bin nicht so!, ist aufgerufen, das in Zukunft seinen Wählern in seinem Wahlkreis, in seinem Bezirk, in seiner Gemeinde nahezu­brin­gen.

Ich möchte ja gar nicht wissen, welche Worte Herr Kurz und seine Partie, wenn sie schon so despektierliche Worte gegenüber ihren eigenen honorigen Menschen gefunden haben, dann für den einfachen Bürger, den Wähler gefunden haben, als sie beschlossen haben: Wir türken jetzt Umfragen, wir verkaufen die Bürger für dumm und deppert, mit den mit uns verhaberten Unternehmen und Medien et cetera! – Es ist ein sehr, sehr trauriges Bild, das da entsteht, und ich verstehe auch viele Leute in der ÖVP nicht, von denen ich weiß, dass sie anständige Leute sind. (Ruf bei der SPÖ: Na ja! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Stattdessen kam gestern Kollege Obernosterer heraus und empörte sich über die böse Opposition, darüber, dass wir sagen: Herr Kurz und die ÖVP sind schuld. – Na ja, bitte: Wie arm ist denn die ÖVP schon? Das ist ja auch so! Es ist ja auch so, dass ihr schuld seid! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich gebe euch jetzt einen Rat: Nehmt den Besen und kehrt vor der eigenen Tür, zeigt nicht immer mit dem Finger auf die anderen! Dann habt ihr euch möglicherweise irgend­wann das Attribut staatstragend wieder verdient, denn momentan, mit dieser türkisen Partie, seid ihr nicht staatstragend. Das ist de facto nicht der Fall. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Zu Herrn August Wöginger, der immer als Bibelzitierer auftritt: Von wegen, wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein! – Ich sage ihm jetzt etwas, was mir einmal ein Pfarrer gesagt hat, als ich in der Politik angefangen habe. (Zwischenruf des Abg. Eßl.) Er hat mir auch ein Zitat ans Herz gelegt, und das liegt mir heute noch am Herzen. Er hat gesagt: „Wo Hochmut ist, da ist auch Schande; aber Weisheit ist bei den Demü­tigen.“ – Kurz hat unermesslichen Schaden angerichtet. Das ist auch seine Schande – ein Anagramm seines Hochmuts. (Beifall bei der FPÖ.)

12.52


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


12.52.51

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Minister! Hohes Haus! Liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Ja, es ist richtig: Der Abgang im Jahr 2020 lag bei 22,5 Milliarden Euro. Eine unvorstellbare Summe – das sind


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22 500 Millionen Euro. Der Abgang dieses Jahr wird eine ähnliche Dimension erreichen. Das ist ein unglaublicher Geldhaufen, der von euch, liebe Steuerzahlerinnen und Steuer­zahler, irgendwann zurückzuzahlen sein wird, und wie wir gesehen haben, geht die Geld­umverteilung von unten nach oben munter weiter. Die breite Masse hat diese Zeche, die die Großen oben angerichtet haben, zu bezahlen, und das ist der Wahnsinn!

Die Frage, die sich mir jetzt stellt, ist: Was ist hausgemacht und was hat man selber verschustert? Kollege Wöginger, der jetzt nicht da ist, hat von der größten Wirtschafts­krise gesprochen, und auch der Klubobmann der ÖVP spricht davon, dass wir einen massiven Einbruch der Wirtschaft haben.

Schauen wir uns jetzt bitte einmal die Fakten an, was diese Regierung selber dazu beigetragen hat (eine Tafel mit den Nächtigungszahlen der Saison 2020/2021 in Öster­reich und in der Schweiz auf das Rednerpult stellend) und wie sie unseren Schulden­stand massiv erhöht hat, weil sie beratungsresistent war! Sie wissen, ich bin der Tourismussprecher, und jetzt mache ich einen Vergleich zwischen der Schweiz und Österreich. Im ersten Lockdown hat die Schweiz denselben Weg beschritten wie Öster­reich: Sie hat das Land zugesperrt. Der Einbruch war massiv. Die Schweiz hat aber dazugelernt: Es hat, wie Sie wissen, von November letzten Jahres bis Mai dieses Jahres einen zweiten Lockdown gegeben, und da hat die Schweiz die Hotels geöffnet, auch die Bergbahnen waren geöffnet. Unter dem Strich haben sie erkannt, dass man die Wirt­schaft arbeiten lassen muss, dass Geld verdient werden muss und dass dieses Geld nicht aus dem Zauberkasten herauskommt und in die Wirtschaft hineinfließt. (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen Sie sich bitte diese Grafik an: Die Schweiz hatte zum Beispiel im letzten April ein Nächtigungsminus von nur 20 Prozent, während wir in Österreich im April ein Näch­tigungsminus von 87 Prozent gehabt haben – selbst verschuldet, Dauerlockdown. Schauen Sie sich an – ich nehme noch eine Zahl heraus –: Im Jänner 2021 hatte Öster­reich ein Nächtigungsminus von 95 Prozent (Abg. Hörl: Weil die Grenze zu war!), die Schweiz nur eines von 50 Prozent. Die Schweizer haben unter dem Strich nur 30 Pro­zent Wertschöpfungsverlust gehabt. (Beifall bei der FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Wir als Freiheitliche Partei haben in diesem Hohen Haus gefordert: Sperrt wenigstens die Ferienwohnungen und Ferienhäuser auf! Nehmen wir Geld in die Hand, um Sicher­heitskonzepte zu erstellen! – Lieber Franz Hörl, wir haben Sicherheitskonzepte erstellt (Zwischenruf des Abg. Hörl), nur haben die Sicherheitskonzepte, die wir erstellt haben, die Schweizer angewendet – unsere Sicherheitskonzepte! (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Hörl.) Ihr habt zugeschaut, auch ihr von der Wirtschaftskammer, dass bei uns der Tourismussektor zugesperrt worden ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Das hat natürlich einen massiven Schaden für die Volkswirtschaft und für die Mitarbeiter verursacht. Die Mitarbeiter haben deswegen die Branche verlassen. Jetzt fehlen uns 50 000 Mitarbeiter. (Zwischenruf der Abg. Salzmann.) Wieso sind sie gegangen? – Weil sie nicht über ein Dreivierteljahr mit einer Nettoersatzrate von 55 Prozent auskommen. Auch das ist selbst verschuldet. Wir wollten haben, dass die Nettoersatzrate auf 70 Pro­zent erhöht wird – das habt ihr abgelehnt. So gesehen habt ihr einen großen Beitrag – leider Gottes negativ – dazu geleistet (die Tafel vom Rednerpult nehmend), dass jetzt massiv Mitarbeiter fehlen.

Noch ein schnelles Wort zur sogenannten Nachhaltigkeit: Ich bin immer wieder erstaunt darüber, was mittlerweile alles nachhaltig ist. Das Budget ist nachhaltig, die Umwelt­politik ist nachhaltig. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen (ein Bild auf das Rednerpult stellend, auf dem der österreichische Expo-Pavillon in Dubai zu sehen ist, der aus kegel­förmigen Bauwerken besteht), auch das ist nachhaltig. Was erkennen Sie auf diesem


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Bild? Was erkennen Sie da? (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.) – Das sind Schlote. Das wird von der Österreich-Werbung, von der österreichischen Tourismus­wer­bung, als nachhaltig präsentiert. Das ist unser Stand bei der Expo in Dubai, die derzeit läuft, und das wird uns Österreichern als nachhaltig verkauft.

Es ist also ein Geldverbrennen, vom Dauerlockdown bis hin zu einer Tourismuswerbung, die weder nachhaltig noch heimatverbunden ist. Dafür, was die Österreich-Werbung da präsentiert hat und was wir da jetzt machen, dafür geniere ich mich, das sage ich ganz ehrlich. Es ist Geld, das man viel, viel besser verwenden könnte, als es für solche Dinge (das Bild in die Höhe haltend), die nicht nachhaltig sind, zu verbrennen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Eßl.)

12.57


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Julia Herr zu Wort. – Bitte.


12.57.46

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Eigentlich wollte ich gerade den neuen Kollegen, den neuen Nationalratsabgeordneten Kurz willkommen heißen (Zwischenruf des Abg. Obernosterer), aber nach seiner allerersten Rede und den erwartungsgemäß da­nach erfolgten kritischen Redebeiträgen ist er jetzt hinausgegangen. (Abg. Ottenschläger: Das war das erste Mal! – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) Ist das die verantwor­tungsvolle Politik, dass man, wenn Kritik kommt, hinausgeht? (Heftiger Widerspruch bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Also lächerlicher geht es ja nicht mehr!) Alle haben gerade auf seine erste Rede geantwortet. (Ruf bei der ÖVP: Wo ist denn Ihre Fraktions­vorsitzende? – Abg. Sieber: Wo ist Pamela Rendi-Wagner? Wo ist sie? – Ruf bei der ÖVP: Geh, mach dich nicht lächerlich! – Abg. Wöginger: Das ist ein Witz!) – Ja, da sind Sie ganz nervös, aber was ich sagen wollte, ist (anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP – Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen): Das war die erste Rede von Abgeordnetem Kurz, danach gab es ein paar Redebeiträge, die direkt auf ihn repliziert haben, und da ist er aufgestanden. Was ich ihm sagen wollte, ist - - (Zwischenruf des Abg. Strasser. – Abg. Lopatka: Ungeheuerlich! – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich sage es auch gerne Ihnen.


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, ich ergreife kurz das Wort. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen: Zwischenrufe sind ein parlamentarisches Instrument, und daher machen wir davon auch Gebrauch. Das geht nur nicht so weit, dass man dann die Rednerin oder den Redner nicht mehr hört. Das heißt, ich ersuche darum, dass wir den Lärmpegel wieder ein wenig senken, damit die Frau Abgeordnete jetzt ihre Ausführungen fortführen kann. – Bitte. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen.)


Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin! – Da sieht man, wie nervös die ÖVP derzeit ist. (Zwischenruf des Abg. Strasser.) Ich verstehe es, in der Regierung läuft es wohl nicht so rund (Ruf bei der ÖVP: Wo ist denn die Rendi-Wagner?), da hat es ein paar Chats gegeben. Ich stelle aber einfach an Sie die Frage, die ich Herrn Abgeordneten Kurz stellen wollte. (Abg. Wöginger: Klubobmann ist er!) Ich habe ihm nämlich sehr genau zugehört (Abg. Lopatka: Da können Sie was lernen!), und die Entschuldigung war immer noch nicht dabei. Kommt die noch? (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Auch an Sie gerichtet: Kommt noch eine Entschuldigung dafür (Beifall bei der SPÖ), dass den Familien in diesem Land der Rechtsanspruch auf Kinder­betreu­ung genommen wurde, wie wir alle in den Chats nachlesen konnten?

Herr Abgeordneter Ottenschläger kommt heraus und sagt: Nein, der hat ja nichts gesprengt, es waren ja nur die Länder nicht eingebunden!, hin und her. Wir konnten es


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ganz genau lesen (Abg. Steinacker: Das stimmt ja gar nicht, das stimmt ja nicht!): Da wurden Bundesländer aufgehetzt, um ganz einfach diese Reform zu verhindern. (Abg. Steinacker: Das wissen Sie gar nicht! Sie behaupten ...!) – Das kann ich lesen, schwarz auf weiß (Abg. Steinacker: Sie behaupten ...!), aber okay, Sie sind nervös, die Nerven liegen blank, das ist ja nachvollziehbar. (Zwischenruf der Abg. Steinacker. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich komme daher zu einem anderen Punkt, den ich ansprechen wollte, der ökosozialen Steuerreform. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Wir haben gehört: histo­risch!, wir haben gehört: Quantensprung!, all diese Wörter. Ich will es kurz einordnen. Es gibt 80 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß in diesem Land. Nicht einmal für die Hälfte gilt die CO2-Bepreisung, denn 30 Millionen Tonnen für die Industrie wurden gleich von vorn­herein ausgenommen. Es stimmt schon – die Grünen haben vorhin darauf verwiesen –, dass dafür der Zertifikatehandel auf EU-Ebene da ist, aber auch da wollen Sie ja – Ministerin Schramböck – Gratiszertifikate weiter verlängern, um genau diese Unterneh­men, die einen so großen CO2-Ausstoß haben, auszunehmen; erste Klientel, die die ÖVP ausgenommen hat. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Zweitens: die Landwirtschaft. Circa 10 Millionen Tonnen kommen aus der Landwirt­schaft. Methan ist anscheinend nicht so ein gefährliches Treibhausgas wie CO2, denn das haben Sie ausgenommen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Die dritte Gruppe, die Menschen mit vielen Immobilien, Grundbesitzer, -besitzerinnen, die ihre Immobilien vermieten, haben Sie auch gleich ausgenommen. Der Mieter und die Mieterin sollen die CO2-Bepreisung zahlen, obwohl die ja nichts – nichts! – mit dem Heizungssystem zu tun haben, denn das müsste der Vermieter tauschen.

Also ganz klar: Einige Gruppen haben Sie ausgenommen, die arbeitenden Menschen sollen es zahlen. Was wird davon überbleiben? – Das Einsparungspotenzial von circa 1 Prozent. (Abg. Lopatka: Bleiben Sie bei der Wahrheit! – Abg. Berlakovich: Das stimmt einfach nicht!) Ich sage das jetzt ja gar nicht hämisch, denn ich will ja auch, dass wir CO2 einsparen, und frage deshalb nur: Was machen wir mit den anderen 99 Prozent? (Abg. Lopatka: Lügen haben kurze Beine!)

Mein Vorschlag wäre: Schaffen wir endlich ein Klimaschutzgesetz mit echten gesetz­lichen Einsparungszielen, das in diesem Land seit einem Jahr fehlt! Wir haben keine gesetzlichen CO2-Reduktionsziele. Das wäre doch einmal wichtig. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Klubobmann Wöginger, zur Geschäftsbehand­lung? – Bitte.

*****


13.02.18

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich ersuche darum, dass wir jetzt nicht eine Diskussion darüber beginnen, was die Anwesenheit der Klubobleute hier im Plenarsaal anbelangt. Ich habe erahnt, dass das kommen wird, wenn Sebastian Kurz als Klubobmann angelobt wird. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Kollegin Rendi-Wagner – ich sage es nur; wir haben gestern mitgeschrieben – war eine Stunde anwesend (Rufe bei der SPÖ: Schon wieder ein Schmuddeldossier? Wer hat denn da mitgeschrieben? Der Herr Hanger?), von 10 bis 11 Uhr, und dann von 19 Uhr bis zum Schluss, sonst den ganzen Tag nicht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Ich ersuche wirklich darum, das ruhen zu lassen. Es sind jetzt alle Oppositionsklub­obleute nicht da. Wir haben das noch nie gemacht, und ich ersuche darum, dass das auch jetzt nicht gemacht wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zur Geschäftsbehandlung: Bitte schön, Herr Abgeord­neter Leichtfried. (Abg. Lopatka: Der vermeintliche Klubobmann spricht jetzt!)


13.03.12

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Also es ist interessant, dass jetzt auch schon im Nationalrat Schmuddeldossiers verfasst werden. (Abg. Lopatka: Was?! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich würde meinen – ich bin da vielleicht etwas kritischer als Herr Wöginger –, das hier ist nicht der Platz, das zu tun, geschätzte Damen und Herren! (Abg. Wöginger: Ihr habt es ja getan! – Ruf bei der ÖVP: „Schmuddeldossiers“? Einen Ordnungsruf, das ist eine Unterstellung!) Wir haben zu debattieren und uns auszutauschen, aber nicht Notizen übereinander zu machen! (Beifall bei der SPÖ.) Das ist nicht das, was ich mir unter Parlamentarismus vorstelle. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Zum konkreten Fall: Ja, selbstverständlich sind nicht alle Mitglieder dieses Hauses hier immer anwesend. (Abg. Wöginger: Ja eben, dann lasst es!) Ich möchte da gar keinen Unterschied machen (Zwischenruf der Abg. Steinacker – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), aber ich hätte schon etwas erwartet. Ich gehe einmal von mir aus: Wenn ich als Abgeordneter hier meine Erstrede halte, erwarte ich schon (Ruf bei der ÖVP: Das hat er schon gemacht!), dass auch darauf repliziert werden wird. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn darauf repliziert wird, dann wäre ich auch anwesend gewesen. (Abg. Lopatka: Das geht ja gar nicht mehr!)

Das ist vielleicht ein anderer Zugang zu diesem Thema, aber das wäre mein Zugang dazu, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

13.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Bitte schön, Herr Abgeordneter Scherak. (Abg. Lopatka: Der sucht die Rendi, der andere sucht die Meinl-Reisinger!)


13.04.17

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Ich mag mich in die Diskussion zwischen SPÖ und ÖVP gar nicht einmischen, ich mag nur grund­sätzlich auf das hinweisen, worauf wir uns in der Präsidialkonferenz geeinigt haben: dass es auch aufgrund der Pandemie weiterhin möglich ist, dass Abgeordnete aus den Klub­räumlichkeiten, auch aus dem Dachfoyer der Sitzung folgen.

Das ist vielleicht etwas Grundsätzliches, woran wir uns erinnern sollten. Ich finde diese Debatten, ob jemand anwesend ist, insbesondere vor dem Hintergrund, worauf wir uns geeinigt haben, einigermaßen entbehrlich. (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie bei Abge­ordneten von FPÖ und Grünen.)

13.04

13.04.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Besten Dank, meine Damen und Herren.

Für die Zuseherinnen und Zuseher darf ich auch anmerken, dass es natürlich ganz nor­mal ist, dass Mandatare auch nicht immer anwesend sein können – man nimmt einmal eine kleine Mahlzeit ein, man hat auch Termine zwischendurch.


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Ich kann nur sagen, was ich aus den Beschwerde-E-Mails herauslese, ist vielmehr, dass sich die Zuseher und Zuseherinnen beschweren, dass die Mandatare gar so oft mit dem Handy beschäftigt sind. (Beifall des Abg. Laimer.)

*****

Zu Wort ist nun dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise die Regierungsvorlage 1034 der Beilagen dem Budgetausschuss zu.

13.05.312. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 1890/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdoppelung des Schulstartgeldes (1064 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 1734/A(E) der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schul­startgeld für alle Schülerinnen und Schüler der Primar- und Sekundarstufe (1065 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Frau Kollegin Eva Maria Holzleitner. – Bitte schön, Frau Abgeord­nete.


13.06.15

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Ministerin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir wissen alle, der Schulstart ist eine immense finanzielle Belastung, gerade für die Eltern. Schulmate­rialien, Hefte, Stifte, Schultaschen, Taschenrechner et cetera, sind teuer. All das ent­spricht eigentlich nicht mehr wirklich einer tatsächlich beitragsfreien Schule. Im Schnitt betragen die Ausgaben von Eltern zum Schulstart circa 100 bis 300 Euro. Die Arbeiter­kammer hat auch eine Studie zum Schulstart gemacht: Im letzten Schuljahr haben Eltern durchschnittlich 2 132 Euro für den Schulbesuch ihrer Kinder ausgegeben.

Natürlich hinterlässt die Coronakrise auch Spuren in den Budgets der Familien, auch im letzten Jahr. AlleinerzieherInnen sind davon besonders betroffen, das wirkt sich natürlich auch auf die Teilhabechancen ihrer Kinder aus. Deswegen haben wir als SPÖ zwei Anträge zum Thema Schulstartgeld eingebracht. Einer ist vertagt worden, einer ist abge­lehnt worden. Diesen diskutieren wir heute, und zwar jenen zur Verdoppelung des Schul­startgeldes. Das ist unserer Meinung nach, da der Schulstart eben immer teurer wird, eine positive und eine wichtige Weiterentwicklung.

Das Schulstartgeld ist 2011 eingeführt und erstmalig ausbezahlt worden. Da die Kosten immer steigen, wäre es wichtig, eine Weiterentwicklung zu machen und das Schul­startgeld auf 200 Euro zu verdoppeln. Diese Unterstützung muss einfach passieren. Wir finden es auch ehrlicherweise nicht sehr in Ordnung, dass die Bundesregierung einfach wegschaut, wenn es um diese finanzielle Spitze in einem Kalenderjahr geht. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es braucht unserer Meinung nach eine Entlastung von Eltern, eine Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, und zwar durch die Verdoppelung des Schulstartgeldes. Ganz wichtig wäre auch die frühe Auszahlung – dazu war der zweite Antrag. Wir wissen, am Ende eines Schuljahres werden oft Listen für Unterrichtsmaterialien mitgegeben. Der Handel hat schon im Sommer die ersten Angebote, wenn es um Schulmaterialien geht. Eine Auszahlung des Schulstartgeldes im September ist einfach zu spät. Die Unter­stützung sollte dann ausbezahlt werden, wenn die finanzielle Last auch tatsächlich an­fällt, und zwar im Sommer, im August.

Im Ausschuss haben wir auch darüber diskutiert und ich war wirklich total über die Argumentation schockiert, die dann mit der Vertagung quasi eingebracht worden ist: Man sei ja nicht sicher, ob das Geld zum Schulstart dann auch noch tatsächlich bei den Familien da ist. – Ich glaube, das ist wirklich eine Verhöhnung und eine Unterstellung, dass dieses Schulstartgeld zweckentfremdet wird. Ich glaube, das kann man den Familien schon zutrauen, dass es auch den Kindern und Jugendlichen für den Schulstart zugutekommt. So etwas überhaupt zu diskutieren ist eigentlich ziemlich letztklassig. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden nächstes Jahr die Regierungsfraktionen auch wieder an diesen wirklich extrem konstruktiven Vorschlag erinnern, weil uns versprochen wurde, dass das Finanz­ministerium die frühe Auszahlung prüft. Wir sind der Meinung, es wäre möglich. Es muss spätestens im Sommer 2022 möglich sein. Spätestens dann werden wir Sie daran erinnern. Wir hoffen auch, dass diese Unterstützung für die Familien tatsächlich kommen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

13.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Maria Großbauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.09.49

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Vor viereinhalb Wochen hat die Schule wieder begonnen und als Mama eines siebenjährigen Sohnes, der in die 2. Klasse Volksschule geht, freut mich das sehr. Wir wissen alle: Schule bedeutet viel mehr als Lernen, Schule bedeutet Gemeinschaft, sie bedeutet auch Freundschaft und hoffentlich auch wieder Spaß, denn diesen können Kinder und Jugendliche jetzt nach der Pandemie auch wieder dringend gebrauchen.

Ja, Schulstart ist aber auch eine Herausforderung für alle, eine logistische Heraus­forderung, aber natürlich auch eine finanzielle Herausforderung. Deswegen gibt es aber auch jedes Jahr das Schulstartgeld in der Höhe von 100 Euro für alle Kinder von sechs bis 15 Jahren, also solange die Schulpflicht gilt, und es wird im September automatisch mit der Familienbeihilfe ausbezahlt.

Die SPÖ hätte halt gerne wieder die Geldgießkanne ausgepackt, pauschal verdoppelt von 100 auf 200 Euro. Abgesehen davon, dass das eine Mehrbelastung des Budgets um 90 Millionen Euro wäre, verstehe ich nicht ganz die Logik dahinter, denn Sie fordern 200 Euro, aber es gibt ja 2 000 Euro für jedes Kind – mit dem Familienbonus Plus. Man muss also schon sagen: Bleiben Sie auch bei den Fakten! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Loacker: Es verdient halt nicht jeder so viel wie du! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was gibt es sonst noch an Kinder- und Familienleistungen? – Österreich liegt – und das ist Fakt – in Europa auf Platz drei bei den finanziellen Familienleistungen. 10 Prozent des Bundesbudgets kommen Familien zugute. Allein 2020 sind 8 Milliarden Euro an Fa­milienleistungen ausbezahlt worden.


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Wenn wir schon bei der Schule sind, dann muss ich natürlich auch auf das Thema Kinderbetreuung eingehen: Ich habe es vorhin bereits gesagt, ich bin auch eine Mama, ich bin eine arbeitende Mutter eines siebenjährigen Sohnes. Kinderbetreuung ist mir natürlich wichtig und ist uns wichtig und ich brauche sie auch und ich will sie auch. Bleiben wir aber bei den Fakten: Ja, es gab 2016 Diskussionen zwischen ÖVP und SPÖ zur schulischen Nachmittagsbetreuung, und das ist kein Geheimnis, das war in den Medien. Ich habe hier einen Artikel von der Tageszeitung „Die Presse“ vom 15. Juli 2016 (eine Kopie des genannten Artikels in die Höhe haltend), da ist das thematisiert. (Zwischenruf des Abg. Shetty.) 750 Millionen Euro für Ganztagsschulen?, war da die Frage, und da steht auch: „SPÖ und ÖVP sind uneins.“ – Na ja, dann ist es aber kein Wunder, dass das auch intern diskutiert wird. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Shetty. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Was war das Problem? – Eine verpflichtende Ganztagsschule, das sehen wir einfach nicht, das ist nicht unser Zugang. Ich möchte selber entscheiden können, wann mein Kind wie oft und wie lange in eine Tagesbetreuung geht. Das muss nicht immer den ganzen Tag sein, vielleicht möchte ich das flexibel gestalten. Außerdem möchte ich vielleicht das Talent meines Kindes auch noch fördern und selber darüber entscheiden, ob es am Nachmittag vielleicht dreimal in der Woche zum Fußballtraining geht oder ein Instrument lernt oder, oder, oder. (Zwischenruf der Abg. Kucharowits.) Wir stehen für Wahlfreiheit. – Das war die Diskussion, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie wissen auch ganz genau, dass beim Thema Schule Bund, Länder und Gemeinden zusammenarbeiten müssen, sonst funktioniert es nämlich nicht. Fragen Sie einmal Ihre Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, wie das ist! Und ja, einen Rechtsanspruch gibt es sogar, seit 2016, ab 15 Kindern. Kleine Gemeinden können das vielleicht nicht alleine stemmen, fragen Sie einmal Ihre Bürgermeisterinnen und Bürgermeister! Das ist auch ein Faktum, und das war kein Geheimnis, dass wir nicht für eine Ganztagsschule sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Unsere Bundesministerin Susanne Raab setzt sich wahnsinnig für Familien und für Kinder ein, und hier zu sagen, es ist etwas verhindert worden: Bleiben Sie bei den Fak­ten! (Abg. Kucharowits: Bleiben Sie bei den Fakten!) Es sind seit 2016 nicht nur 1,2 Milliarden Euro investiert worden, nein, es sind 1,6 Milliarden Euro in die Tages­betreuung von Kindern investiert worden. Also: Hier wird gestaltet, bleiben Sie bitte bei den Fakten! (Beifall bei der ÖVP.)

13.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Selma Yildirim zu Wort gemeldet. – Frau Abgeordnete, Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung dazu. Bitte schön.


13.14.08

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Abgeordnete Maria Großbauer hat in ihrer Rede behauptet, dass es mit dem Familienbonus Plus für jedes Kind 2 000 Euro geben wird. – Das ist unrichtig. (Ruf bei der ÖVP: Das hat sie auch nicht behauptet!)

Der richtige Sachverhalt lautet: Nur wenn es entsprechend hohe Steuerleistungen gibt, wird es diese bis zu 2 000 Euro pro Kind geben. All diejenigen – und das betrifft zu zwei Drittel Frauen –, die in Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen verharren müssen, fallen um diese 2 000 Euro um. Das bedeutet, das ist nicht nur ein Von-unten-nach-oben-Um­verteilen (Abg. Eßl: Was wollen Sie uns jetzt sagen?), sondern auch eine Umverteilung von Geldern von Frauen an die Männer. Das ist der Grund, warum wir uns über diese 1,2 Milliarden Euro so empören (Beifall bei der SPÖ), die Herr Sebastian Kurz aktiv


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verhindert hat. (Abg. Schnabel: Ist das eine tatsächliche Berichtigung? – Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Das ist der Grund, warum wir gesagt haben, vom Bund direkt an die Gemeinden, weil die Länder - -


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, Sie haben perfekt im Sinne der Geschäftsordnung begonnen, aber Sie müssen jetzt den Debattenteil bitte auslassen.


Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (fortsetzend): Alles klar, berichtigt ist es. Die Be­hauptung ist also unrichtig, Frau Abgeordnete Großbauer. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf der Abg. Pfurtscheller.)

13.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Edith Mühlberghuber gelangt nun zu Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.15.49

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wir alle wissen oder sollten eigentlich wissen, dass Schulkinder viel Geld kosten. Gerade der Schulanfang kommt vielen Eltern sehr teuer und sie werden finanziell stark belastet, denn ein Startpaket für Schulanfänger kostet weit mehr als 100 Euro, und die Eltern müssen zu Schulbeginn für ihre Erst­klässler, für ihre Pflichtschüler viel zusteuern. Im Schnitt betragen die Ausgaben der Eltern zum Schulstart bis zu 300 Euro pro Schulkind.

Das ist aber auch noch nicht alles: Im Laufe des Schuljahres kommen zusätzliche Kosten hinzu wie für Kopien, Schulausflüge, Theaterbesuche, Skikurse, Schulsportwochen, Sprach­wochen, Kennenlerntage – und das alles geht in die Geldtasche der Eltern. Je höher die Schulstufe, desto höher werden auch die Kosten. Im Bereich der höheren Schul­stufen sind es sogar 1 400 bis 2 000 Euro pro Kind und pro Schuljahr. Gerade für Eltern mit einem geringeren Einkommen oder für Alleinerziehende ist das oft schwer finanzierbar.

Das Schulstartgeld in der Höhe von 100 Euro wird im September mit der Familienbeihilfe ausbezahlt, und das gilt nur für Kinder von sechs bis 15 Jahren. Für Kinder über 15 Jahre, die nach der Pflichtschule eine weiterführende Schule oder die Oberstufe im Gymnasium besuchen, gibt es kein Schulstartgeld. Das sehen wir als unfair, als ungerecht an. Wir sagen, dass Eltern von diesen Jugendlichen nicht länger benachteiligt werden dürfen. Daher finden wir, dass unser Antrag richtig und wichtig ist, wir wollen das Schulstartgeld für alle Schülerinnen und Schüler der Primar- und Sekundarstufen. Dieser Antrag ist vollkommen richtig.

Zum Antrag der SPÖ, jenem von Frau Holzleitner, die das Schulstartgeld von 100 Euro auf 200 Euro verdoppeln will: Wir haben diesbezüglich auch schon im Ausschuss mitge­stimmt und diesen Antrag unterstützt. Wir sind auch dafür, dass die Ausbezahlung vorgezogen wird, dass dieser Betrag schon früher, im August, ausbezahlt wird, denn viele Eltern kaufen die Schulsachen schon früher ein, viele bekommen schon zum Schulschluss die Einkaufslisten und suchen auch nach Angeboten. Daher finden wir, dass dieser Antrag unterstützenswert ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.19.05

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Erlauben Sie mir, zu Beginn


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 85

ganz kurz noch darauf einzugehen, dass der Herr Präsident gesagt hat, es gab Be­schwerden von den ZuseherInnen, die angemerkt haben, dass wir sehr viel am Handy wären. Vielleicht nur ganz kurz zur Erklärung: Wir sind nicht am Candy-Crush-Spielen oder Sonstigem, sondern wir müssen es als Arbeitsgerät nutzen, wir haben auch die Parlamentsapp am Handy. Auch wenn das ein fragwürdiges Bild macht, aber wir sind am Handy, weil es ein Arbeitsgerät ist – dies nur zur Klarstellung. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Bernhard.)

Zur Kinderbetreuung: Ich möchte jetzt gar nicht so viel darauf eingehen, sondern nach­her zum Thema sprechen, ich würde aber sagen: We have a long way to go, und wir müssen jetzt nur schauen, dass wir da wirklich mit schnellen Schritten vorwärtskommen, im Sinne der Wirtschaft, im Sinne der Gleichberechtigung und vor allem im Sinne der Kinder.

Ja, der Schulstart ist für viele Familien, vor allem für Familien, die mehrere Kinder haben, eine finanzielle Herausforderung, vor allem für Personen, die Sozialhilfe beziehungs­weise Mindestsicherung beziehen. Das ist finanziell zum Teil kaum zu stemmen, ich glaube, so viel ist klar. Zum Antrag von Kollegin Holzleitner, in dem es darum geht, dass das Schulstartgeld im August ausbezahlt wird, haben wir gesagt, wir schauen uns das an, weil das ein konstruktiver, guter Vorschlag ist.

Zum Schulstartgeld generell: Blicken wir kurz zurück und schauen wir uns die ganze Sache ein bisschen an! 2010 wurde von der damaligen Regierung, in der die SPÖ den Kanzler gestellt hat, die 13. Familienbeihilfe gestrichen und durch das Schulstartgeld in Höhe von 100 Euro ersetzt beziehungsweise – muss man ehrlicherweise sagen – herab­gesetzt, und das wurde dann im Schuljahr 2015/2016 durch die österreichweite Einfüh­rung des Schulstartpaketes wenigstens teilweise wieder kompensiert.

Das Schulstartpaket gibt es zum Glück jetzt noch, es wird vom Sozialministerium und vom Europäischen Hilfsfonds finanziert. Die Evaluierung stellt der Maßnahme übrigens ein sehr gutes Zeugnis aus: 90 Prozent der Befragten haben angegeben, dass sie es als sehr hilfreich und als große Unterstützung ansehen. Das Schulstartpaket ist also treff­sicher, weil es genau bei jenen Haushalten ankommt, die es wirklich benötigen.

Es geht aber nicht nur um den finanziellen Ausgleich, sondern es geht auch um die so­genannten Sachleistungen, denn wir dürfen nicht vergessen, dass die Schule nicht mehr völlig analog stattfindet, sondern die Digitalisierung auch in die Schulen Eingang ge­funden hat. Wir wissen, dass die elektronische Ausstattung wesentlich teurer ist als ein paar Schulhefte, und darum haben wir mit den Laptops beziehungsweise Tablets für die 5. und 6. Schulstufen eine sehr gute Aktion gestartet, mit einem maximalen Selbstbehalt von 25 Prozent, auf vier Jahre aufgeteilt. Das sind 25 Euro im Jahr, und für einkom­mensschwache Familien ist es völlig kostenlos. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Schnabel.)

Wir sind auch gerade dabei, die SchülerInnenbeihilfe zu erhöhen, die seit 2008 nicht mehr valorisiert wurde. Wir schauen, dass wir den BezieherInnenkreis erweitern können. Voraussichtlich werden wir im Dezember dazu etwas im Plenum einbringen können.

Zusammengefasst: Ich halte wenig davon, wenn wir auch da wieder beginnen, das Geld mittels Gießkannenprinzip auszuschütten, denn wir müssen schauen, dass wir einen finanziellen Ausgleich in unserer Gesellschaft schaffen. Da ist das Instrument der Gieß­kanne nicht die beste Lösung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Maximilian Köllner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 86

13.23.19

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass wir relativ früh in der Tages­ordnung die Möglichkeit haben, die Sorgen und Probleme, teilweise aber auch die Wut, die viele Familien in Österreich zu Recht haben, zu thematisieren, denn was in den letzten Tagen ans Licht der Öffentlichkeit gelangt ist, hat vor allem viele Familien in Österreich zugleich fassungslos und wütend gemacht.

Fassungslos und wütend nämlich darüber, was die türkise Familie unter Familienpolitik versteht – und da geht es weniger darum, wie Sie in Ihrer türkisen Parteifamilie miteinan­der umgehen, das bleibt Ihnen überlassen. Wenn wir als SPÖ aber von Familienpolitik sprechen, dann geht es uns darum, die Lebenssituationen der Menschen in unserem Land zu verbessern.

Sebastian Kurz und seine Prätorianer hingegen hat es offensichtlich nie wirklich inter­essiert, ernsthaft interessiert, wie sich etwa eine alleinerziehende Mutter fühlt, die Job und Erziehung unter einen Hut bringen muss. Sie haben in den Chatverläufen selbst den Beweis dafür geliefert, wo ihre Prioritäten liegen, nämlich: Statt mehr als 1 Milliarde Euro für den Ausbau ganztägiger Schulformen und der Nachmittagsbetreuung gibt es 1 Milliarde Euro an Steuergeschenken für Konzerne, für die Großspender von Sebastian Kurz. (Zwischenruf des Abg. Schnabel.) Das ist in Wahrheit die Familienpolitik der ÖVP! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Sebastian Kurz hat aus Egoismus seine persönlichen Interessen vor die Interessen der Bevölkerung gestellt, und er hat damit wichtige Errungenschaften für Kinder, Eltern und Frauen verhindert, für unzählige Familien, die diese Unterstützungsleistung gerade in Zeiten der Coronapandemie dringend gebraucht hätten. Das ist das, was ihm die Men­schen auch so übel nehmen.

Sie hätten jetzt die Chance gehabt, das wieder auszubügeln! Wir haben im Rahmen dieser Sitzungstage wieder einen Antrag zur Bereitstellung einer Kinderbetreuungs­milliarde eingebracht, den Sie, die Regierungsparteien von ÖVP und Grünen, abgelehnt haben, und wir haben seitens der SPÖ im Ausschuss weitere wichtige Initiativen gesetzt, um Familien zu unterstützen – meine Kolleginnen haben es bereits angesprochen.

Dazu gehört eben die Verdoppelung des Schulstartgeldes von 100 Euro auf 200 Euro, dazu gehört aber auch die Auszahlung des Schulstartgeldes schon im August, weil Eltern viele Anschaffungen für die Kinder schon im Sommer machen. Auch da gibt es aber seitens der Regierungsparteien keinerlei Unterstützung unserer Anträge.

Sebastian Kurz hat vielleicht den Platz gewechselt, sein türkises System sitzt mit Rücken­deckung der Grünen aber nach wie vor auf dieser Regierungsbank, und das müssen die Familien in Österreich schmerzhaft spüren. (Beifall bei der SPÖ.)

13.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.26.23

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Anträge, über die wir jetzt debattieren, handeln davon, ob das Schulstartgeld verdoppelt werden soll oder nicht, ob es ausgeweitet werden soll oder nicht.

Ich sage für meine Fraktion, die NEOS, dass wir glauben, dass der hier vorgeschlagene Weg nicht zum Ziel führt. Ich möchte zuerst ganz kurz erklären, was unser Ziel ist: Unser


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Ziel ist, dass alle Kinder, ungeachtet ihrer Herkunft, in unserem Land die gleichen Chancen bekommen und dass sie sich frei entfalten können.

Das ist weder im jetzigen System gewährleistet noch wird es durch die Erhöhung des Schulstartgelds verbessert. Genau da wollen wir ansetzen, und da gehen wir einen anderen Weg als ÖVP-Abgeordnete Kollegin Großbauer – das muss man vielleicht auch noch einwenden –, die gesagt hat, jedes Kind habe ja jetzt durch die Erhöhung des Familienbonus 2 000 Euro im Jahr zur Verfügung. (Abg. Sieber: Das hat sie so nicht gesagt!)

Das ist natürlich vollkommener Unfug! Es ist das großbürgerliche Denken der ÖVP-Ab­geordneten, die glauben, dass der Familienbonus tatsächlich allen Eltern zugutekommt. Nur ein ganz einfaches Rechenbeispiel: Was müsste denn eine alleinerziehende Mutter mit zwei bis drei Kindern verdienen, damit sie den Familienbonus ausschöpfen kann? – Wir sprechen da von einem Einkommen von 4 500 bis 5 000 Euro brutto. Wie viele Menschen verdienen denn bei uns im Land 4 500 bis 5 000 Euro brutto im Monat? Das ist wirklich an den Haaren herbeigezogen!

Jetzt aber zurück zum Schulstartgeld: Beim Schulstartgeld ist der Zugang von uns als NEOS, dass wir wirklich eine Basis für alle Kinder schaffen, und wir glauben, es ist nicht zielführend, mehr Geld auszuschütten, sondern die Schulen, und zwar von der Volks­schule über das Gymnasium und die Mittelschule bis hin zu jeder weiterführenden Schule, sollen dieses Schulmaterial zur Verfügung stellen. Stellen Sie sich einfach vor: Kinder kriegen das Material, das sie in der Schule brauchen, wirklich in der Schule! Das hätte riesengroße Vorteile. Es wäre auch keine solche Stigmatisierung mehr möglich, und als dreifacher Vater darf ich Ihnen ganz nebenbei sagen, es würde auch ein bisschen Druck von den Eltern nehmen, weil sie dann nicht lauter einzelne Einkäufe pro Fach zu erledigen hätten. (Beifall bei den NEOS.)

In diesem Sinne: Suchen wir nach Lösungen, die den Kindern die Flügel heben, und nicht nach Lösungen, die nur den Staatshaushalt aus den Angeln heben! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

13.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Frau Bundes­ministerin MMag. Dr.in Susanne Raab zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


13.29.03

Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir sind uns alle einig, dass Corona insbesondere für Familien eine sehr schwierige Zeit war. Wir sind uns auch alle einig, dass Familienpolitik bedeutet, dass wir die Familien in unserem Land entlasten. Und ja, das Schulstartgeld ist eine Maßnahme, die dazu beiträgt, diese Entlastung herbeizuführen, sie ist aber nur eine von vielen Maßnahmen.

Lassen Sie mich als Familienministerin sagen, was für uns Familienpolitik und die Ent­lastung der Menschen in unserem Land wert ist und bedeutet: Wir haben ein umfas­sendes Netz an Familienleistungen. Wir haben zum einen finanzielle Familienleistungen wie die Familienbeihilfe und das Kinderbetreuungsgeld, das allen Menschen und Familien in unserem Land zusteht. Allein mit diesen finanziellen Leistungen sind wir unter den top drei in der Europäischen Union.

Es gibt zum Zweiten auch die Sachleistungen für Familien wie beispielsweise die Schul­buchaktion.

Zum Dritten gibt es auch steuerliche Entlastungen, die besonders dort zielgerichtet entlasten sollen, wo Menschen arbeiten und gleichzeitig Kinder zu Hause haben. Das ist


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 88

ja auch ganz logisch. Ich verstehe nicht, dass irgendjemand etwas dagegen haben kann, dass jene Menschen, die mehr in unser System einzahlen und damit garantieren, dass wir für alle Menschen in unserem Land Familienleistungen sicherstellen können, auch ein Mehr an Entlastung erfahren. (Beifall bei der ÖVP.)

Das soll der Familienbonus sicherstellen. Er wurde 2019 eingeführt und ist ein Meilen­stein in der österreichischen Familienpolitik. Gleichzeitig wird nun die Erhöhung des Familienbonus von 1 500 auf 2 000 Euro die arbeitenden Eltern, insbesondere nach dieser schwierigen Zeit, nochmals entlasten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sind nicht auf einem Auge blind! Natürlich sehen wir, dass es Familien gibt, die in finanziell schwierigen Situationen sind. Besonders als Frauenministerin sehe ich, dass es viele AlleinerzieherInnen und AlleinverdienerInnen gibt, die in einer schwierigen finanziellen Situation sind und bei denen die Doppelbelastung noch einmal mehr zu­schlägt, und deshalb haben wir natürlich auch dafür Vorsorge getroffen und werden den Kindermehrbetrag von 250 auf 450 Euro erhöhen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Neßler.)

Das bedeutet, dass besonders jene Familien, die weniger verdienen, über die Negativ­steuer noch einmal mehr Unterstützung bekommen, und zwar nicht nur die AlleinerzieherInnen und die AlleinverdienerInnen, sondern wir haben den Bezugskreis auf alle Erwerbs­tätigen erweitert.

Ich glaube, dass die Steuerreform besonders für die Familien einen wirklich großen Mehrwert bringt. Ich bin überzeugt davon, dass das Geld dort richtig investiert ist, denn Familien sind, und das haben wir in der Coronakrise gesehen, die stärkste Einheit in unserem Staat. Dass wir im Rahmen der Steuerreform den Familien das Geld genau dafür zurückgeben, für das es besonders gebraucht wird, nämlich zur Entlastung inner­halb der Familie, ist ein richtiger und wichtiger Schritt. Dafür bin ich als Familienministerin sehr dankbar. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Neßler.)

13.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Joachim Schnabel. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.32.50

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte Frau Ministerin, danke für Ihre Worte! Sie haben umfas­send erklärt, wie wichtig uns in Österreich die Familien sind, und das eint uns ja alle hier.

Wenn wir hier über die Erhöhung des Schulstartgeldes sprechen, dann ist das ja nur ein Aspekt der Familienleistungen. Die Erhöhung des Familienbonus Plus auf 2 000 Euro wurde schon angesprochen, und auch der Kindermehrbetrag für die einkommens­schwachen Familien wird auf 450 Euro erhöht. Das sind Leistungen, die für das ganze Jahr und bis zum 25. Lebensjahr gelten, also nicht nur in der Phase der Schulzeit.

Ein anderes Thema liegt mir auch am Herzen – das wurde bereits mehrfach debattiert, und das möchte ich jetzt auch ansprechen –, nämlich der gesetzliche Anspruch auf Kinderbetreuung: Laut Imas – und das betrifft vor allem den ländlichen Raum – müssen Gemeinden zwei Faktoren bieten, um in Zukunft gut dazustehen. Ein Faktor ist eine gute Breitbandinfrastruktur, eine digitale Infrastruktur. Dahin gehend haben wir ja gestern mit dem Telekommunikationsgesetz Wichtiges beschlossen – die SPÖ verwunder­licherweise nicht; daran sieht man, wie wichtig ihnen der ländliche Raum ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Die qualitätsvolle Kinderbetreuung ist uns ganz wichtig. Diese Mär von 1,2 Milliarden Euro, die verhindert wurden, wurde mit Fakten bereits mehrfach widerlegt. Wir haben seit 2017 1,6 Milliarden Euro bereitgestellt. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)


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Wenn Herr Kollege Muchitsch sagt, er findet im Budget keine weiteren Maßnahmen zur Kinderbetreuung, dann muss ich sagen: Auch das Ausbauprogramm für die Kinder­betreuung wird weiterhin fortgesetzt.

Ein weiterer Faktor ist die Errichtung von Gebäuden und die Schaffung von Raum­an­gebot – Herr Kollege Stark hat das heute schon angesprochen –: Wir vonseiten des Bundes finanzieren ungefähr ein Viertel oder ein Drittel mit, aber die wesentlich größere Hürde hinsichtlich des finanziellen Bereichs ist für die Gemeinden der laufende Betrieb. Die Kinderbetreuung für eine Gruppe kostet circa 150 000 Euro pro Jahr, und das geht an die Grenzen der Gemeindebudgets. Da braucht es Verhandlungen, um auch den Betrieb in den Gemeinden langfristig sicherzustellen, um damit auch im ländlichen Raum eine wohnortnahe Kinderbetreuung zu ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die größte Engstelle, und das wurde auch schon genannt, ist der Personalbereich. Wir haben wirklich einen großen Bedarf an Pädagoginnen und Pädagogen. Heute gibt es ja dazu auch einen Tagesordnungspunkt, mit dem wir erste Maßnahmen setzen, um mehr Personal bereitzustellen, um die Gruppen auch dementsprechend betreuen zu kön­nen. – Da darüber diskutiert wird, die Gruppengrößen zu verringern: Das ist gut und mittelfristig wichtig, aber man sieht am Beispiel Wien, wo pro Jahr 500 Sondergenehmigungen zur Überschreitung einer Gruppengröße erteilt werden müssen, wie schwierig das ist.

Ich danke aber auch unserem Herrn Klubobmann Sebastian Kurz, dass er schon vor fünf Jahren mit Weitblick erkannt hat, dass die Gemeinden und die Städte die Partner der Kinderbetreuung sind, dass es gemeinsame Verhandlungen und gemeinsame Ziel­setzungen braucht. Dieses Gemeinsame eint uns heute, und das muss auch für die Zukunft gelten, damit wir dementsprechend flächendeckend eine qualitätsvolle Kinder­betreu­ung anbieten können. (Beifall bei der ÖVP.)

13.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Familie und Jugend und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

13.36.394. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 1743/A(E) der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verschwinden von Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung (1066 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.37.07

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Menschen flüchten aus verschiedensten Gründen aus ihren Heimatländern, und die Flucht birgt immer große Gefahren in sich. Besonders gefährlich ist es für Kinder und Jugendliche, die ohne Bezugspersonen ihre Heimat ver­lassen oder ohne diese bei uns ankommen.


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Während der Flucht erleben sie unfassbare Dinge und sehen die Abgründe mensch­lichen Verhaltens, aber oft ist auch nach der Ankunft in einer Flüchtlingsunterkunft ihr Trauma noch nicht vorbei. Allein in der Bundesbetreuungsstelle Ost in Traiskirchen sind unter den 1 350 betreuten Flüchtlingen 400 unbegleitete minderjährige Kinder und Jugend­liche, die alle nicht von der Kinder- und Jugendhilfe betreut werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich einmal einen Moment lang vor, Ihr Kind wäre eines dieser unbegleiteten Kinder in einem Flüchtlingshaus – alleine, traumatisiert, in einem Haus voller Erwachsener, die selber auch alle traumatisiert sind, ohne An­sprechperson, die sich speziell um die Bedürfnisse Ihres Kindes kümmern würde! Seien Sie ehrlich zu sich selbst! Denken Sie einen Moment darüber nach, ob Sie das für Ihr Kind wollen würden! Ich mag mir das für meine Kinder nicht vorstellen. Auch die Kindes­wohlkommission kommt zu dem Schluss, dass unbegleitete Minderjährige besonderen Schutz und Unterstützung brauchen.

Der umfangreiche Bericht der Kommission wird auch demnächst im Ausschuss behan­delt, und spätestens da erwarte ich mir, dass Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und Grünen, die Empfehlungen ernst nehmen und die entsprechenden Schritte setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir nehmen sie ernst, daher haben wir auch im Ausschuss dem §-27-Antrag der Regie­rungsparteien zugestimmt, obwohl dieser unsere Forderungen wieder einmal verwäs­sert. Aus gutem Grund wissen wir, dass unbegleitete Flüchtlinge ab dem ersten Tag unter der Obsorge der Kinder- und Jugendwohlfahrt stehen sollten. Auch im Sinne der Kinderrechte und der Kinderrechtskonvention brauchen wir das, um ihnen ein sicheres Leben zu ermöglichen und sie zu schützen. 700 Kinder sind allein in Österreich einfach verschwunden, 18 000 in ganz Europa. Da können wir nicht wegschauen, das kann uns nicht gleichgültig sein! Da reichen keine Absichtserklärungen, da braucht es konkret Ressourcen und finanzielle Mittel für die Länder. Setzen Sie Taten, sehr geehrte Damen und Herren! Setzen Sie die Empfehlungen der Kindeswohlkommission um! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

13.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Lukas Brandweiner ist der nächste Redner. – Bitte schön.


13.40.12

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Für uns als Volkspartei steht außer Frage, dass wir die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die in unserem Land sind, schützen müssen und ihnen helfen müssen. Diesen Schutz für geflüchtete Kinder wollen wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner weiter verbessern.

Worum geht es aber konkret? – Wir müssen die unbegleiteten minderjährigen Flücht­linge möglichst schnell in die Obsorge der Kinder- und Jugendhilfe bringen. Dazu braucht es ein Schulungsangebot für das Betreuungspersonal und auch für die verfahrensf­ührenden Referenten. Ich bin davon überzeugt, dass wir das gemeinsam mit unserer Familien- und Jugendministerin schaffen und Verbesserungen zusammenbringen wer­den. Gerade uns als Familienpartei liegen die Kinder und Jugendlichen am Herzen; nicht nur die geflüchteten, sondern auch die eigenen. Das haben wir in den vergangenen Jahren unter Bundeskanzler Sebastian Kurz immer wieder bewiesen.

Es wurde schon mehrfach erwähnt: Seit 2017 wurden 1,6 Milliarden Euro für die Tages­betreuung bereitgestellt, der Familienbonus wurde von 1 500 auf 2 000 Euro erhöht. (Ruf bei der SPÖ: Davon haben aber die ...!) Insgesamt bringt die geplante Steuerreform für


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eine durchschnittliche Familie (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek) eine Entlastung von über 2 000 Euro. Diesen familienfreundlichen Weg werden wir auch in Zukunft fortführen, darauf können Sie sich verlassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.42.26

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Wir Freiheitliche werden beiden Anträgen, also auch dem Regierungsantrag, nicht zustim­men, sondern sie ablehnen. Ich begründe Ihnen das wie folgt: Aus unserer Sicht ist es unerklärlich, dass man in Zeiten wie diesen so einen Antrag stellt, da seit Wochen und Monaten nicht nur von den Skandalen der ÖVP, sondern auch von der Situation an den Grenzen der Republik Österreich, die durch die Arbeit von Schleppern in fast ähnlichen Dimensionen wie 2015 überschwemmt werden, weshalb die Polizei schon das Bun­desheer zu Hilfe nimmt, in den Medien berichtet wird.

Ich sage Ihnen gleich: Es geht uns jetzt nicht um die Kinder. Zu meinem Vorredner, Kollegen Brandweiner: Es ist bezeichnend für die selbst ernannte – das ist sie ja eigentlich nicht mehr! – Sicherheitspartei ÖVP, die ständig nur selbst den Innenminister stellen darf, dass solch ein Antrag durch Kollegen Sieber unterstützt wird. Redet ihr nicht mit den Polizisten und Soldaten darüber, was diese tagtäglich mit Flüchtlingen, die über die Grenze kommen und von denen 16-Jährige, 17-Jährige, die schon graue Haare aufweisen, falsche Papiere vorzeigen, mitmachen? Man weiß ja schon, dass die mindes­tens 25 bis 30 Jahre alt oder noch älter sind. Die Altersfeststellung kostet extrem viel Geld und belastet die Exekutive in Österreich – aber ihr kommt jetzt mit diesem Antrag daher.

Wir Freiheitliche sind sofort dabei, wenn es um wirkliche Kinder – also bis zur Straf­mündigkeit, bis zum 14. Lebensjahr – geht. Das wäre ein super Antrag, da wären wir dabei. Macht aber doch den Schleppern nicht die Tür auf und schafft damit für die Polizei und für die Exekutive eine Erschwerung, indem ihr mit minderjährigen Flüchtlingen daherkommt! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Um Gottes willen, wo lebt ihr denn?

Schon jeder dritte, vierte Flüchtling ist minderjährig. Die Schlepper wissen das, das alles hat ja System, das ist ja alles mafiös organisiert. Ihr stellt euch aber jetzt damit hierher – da muss sich doch jeder Soldat und jeder Polizist in dieser Republik mehr oder weniger verraten vorkommen. (Abg. Shetty: Unfassbar! – Abg. Stögmüller: Können Sie die Behauptung belegen?!)

Ich verstehe es ja bei den Grünen. Es ist ja schon wieder nett, dass die Grünen euch die Mauer machen, das verstehe ich alles. Ich verstehe die Intentionen, auch die Intention für den Antrag der Kollegin Kucharowits verstehe ich. Bei euch, die ihr euch immer als die Sicherheitspartei, die Unterstützer der Beamten aufspielt, verstehe ich aber nicht, dass ihr so etwas unterstützt und dass euch nichts Besseres einfällt. (Zwischenruf des Abg. Brandweiner.)

Ihr sagt: Im Sinne unserer Polizistinnen und Polizisten, unserer Soldatinnen und Sol­daten, die an der österreichischen Grenze tagtäglich ihren Kopf für uns hinhalten, machen wir für die Illegalität die Tür zu!, und kommt dann mit so einem Antrag, der quasi den Schleppern sagt: Schiebt Flüchtlinge mit illegalen Papieren nach Österreich und macht alle zu Minderjährigen! (Abg. Brandweiner: Sehr kreativ!) – Das verstehe ich ehrlich gesagt nicht, dafür fehlt mir das Verständnis, und das geht in eure Richtung als


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selbst ernannte Sicherheitspartei, die ihr schon lange nicht mehr seid. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Shetty und Stögmüller.)

13.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.46.10

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Ich muss schon sagen: Was hier von der FPÖ kommt, macht mich ein bisschen sprachlos. Entschuldigen Sie, aber diesen rassistischen Schmarren können Sie sich komplett schenken! Was Sie hier abliefern, ist eine komplette Themenverfehlung. Es geht nicht um einen Aufenthaltstitel, sondern es geht um Betreuung. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Wenn man schon hetzt, dann sollte man zumindest Ahnung vom Thema haben. (Hei­terkeit bei der SPÖ.) Weil Sie „wirkliche Kinder“ gesagt haben: Geflüchtete Kinder sind auch wirkliche Kinder, denn ein Kind ist ein Kind. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Ein Kind ist ein Kind, das Betreuung braucht, das versorgt werden muss – ich hoffe, da stimmen mir die Parteien im Parlament zumindest über weite Strecken zu. Es gibt in Österreich aber Kinder, die auf sich allein gestellt sind. Die Kollegin von der SPÖ hat es schon angesprochen: Derzeit befinden sich über 400 un­begleitete minderjährige Schutzsuchende im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen, 14 davon sind unter 14 Jahre alt.

Was ist der Status quo? – Derzeit ist die Obsorge von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Österreich gesetzlich quasi nicht geregelt. Das bedeutet, dass geflüch­tete Jugendliche größtenteils auf sich allein gestellt sind; sie gehören zu den vulnera­belsten Gruppen, die es in Österreich gibt. Kinder werden in Österreich in solchen Fällen normalerweise zur Kinder- und Jugendhilfe überstellt, bei geflüchteten Minderjährigen ist das aber zum Teil nicht der Fall. Zudem muss man sagen, dass die Praxis von Bun­desland zu Bundesland variiert; in Tirol beispielsweise haben wir das an den Findel­kindparagrafen angehängt, was sehr gut funktioniert, in anderen Bundesländern ist das nicht so.

Es ist leider traurige Realität, dass durch diese Lücke Kinder verschwinden und wir nicht wissen, wo sie sind. Wir wissen nicht, wo diese Kinder sind – das ist katastrophal. Die Kindeswohlkommission hat daher genauso wie der Beirat vom Innenministerium gefordert, dass wir die Obsorge ab dem ersten Tag brauchen.

Ich danke unserem Koalitionspartner, dass wir diesen Antrag einbringen konnten (Abg. Lausch: Danke!), denn im Asylverfahren soll besonderes Augenmerk auf das Kindes­wohl gelegt werden. Ein umfassendes Schulungsangebot soll einerseits für die verfah­rensführenden Referentinnen und Referenten und andererseits für das Betreuungs­per­sonal gemacht werden.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ein Kind ist ein Kind, egal ob es hier geboren wurde oder zu uns gekommen ist. Man muss ganz klar dazusagen: Natürlich kann man es auch bei uns schlecht erwischen, aber im Grunde haben wir alle einen Lottosechser gezogen, weil wir in Österreich und damit in einem Land, in dem es sicher ist, auf die Welt gekom­men sind. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Krisper.)

Ich habe selbst in einem Flüchtlingsheim gearbeitet, und als ich dort die Erfahrungs­berichte von Personen gehört habe, habe ich mir gedacht: Es ist schon ein Wahnsinn, wie viel manch eine Person ertragen muss und wie viel manch eine Person aushalten kann. (Zwischenruf des Abg. Lausch.)


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Ein Kind ist ein Kind, egal, wo es zur Welt gekommen ist, denn ein Geburtsort ist kein Leistungsnachweis und darf auch kein Schicksalsurteil sein. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)

Es ist unsere menschliche Pflicht, dass wir jedem Kind hier in Österreich eine Kindheit geben, egal, ob es hier geboren wurde oder zu uns gekommen ist – und Sie können sich darauf verlassen, dass wir Grüne uns mit aller Kraft dafür einsetzen werden, dass die Obsorge ab dem ersten Tag Realität wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.50.41

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Werte Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Kollegin Neßler hat es in ihrem Rede­beitrag auf den Punkt gebracht: Ein Kind ist ein Kind ist ein Kind, und alle Kinder haben die gleichen Rechte. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Darauf haben wir uns in Österreich schon lange committet – schon lange aufgrund der UN-Kin­derrechtskonvention, aber natürlich auch aufgrund des Bundesverfassungsgesetzes be­treffend Kinderrechte.

Ich sage: eigentlich, weil das leider nicht für alle Kinder in Österreich gilt. Es gilt nämlich genau für jene Kinder nicht, die nach Österreich geflüchtet sind. Für diese gelten an­scheinend nicht alle Rechte, und das ist absolut traurige Realität.

Sie kommen in Österreich an, haben eine unfassbare Fluchterfahrung, sind traumatisiert, sind – es ist angesprochen worden – die vulnerabelste Gruppe, waren konfrontiert mit Gewalt, mit sexueller Ausbeutung, ja, und mit Menschenhandel, auch mit militärischer Ausbeutung oder auch mit Kinderarbeit. Wir können uns das in Österreich nicht vor­stellen, aber das ist die Realität von vielen Kindern, die sich auf den Weg machen mussten, um ein besseres Leben zu haben. Deshalb gilt es, in Österreich, endlich, end­lich alles zu tun, damit alle Kinder zu diesen Rechten kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, wir als Sozialdemokratie haben einen Antrag eingebracht, der genau das behandelt, nämlich Obsorge ab dem ersten Tag. Es ist nämlich unfassbar, hier allein zu sein, auch nicht kindgerecht untergebracht zu sein, keine Bezugsperson zu haben – nämlich bis zu dem Zeitpunkt, zu dem man das Asylverfahren beendet hat. Das geht so nicht!

Und ja, ich finde es wichtig und gut, dass ÖVP und Grüne unseren Antrag aufgenommen haben – aber eben nur bedingt. Kollegin Neßler! In eurem Antrag steht leider nichts von Obsorge ab dem ersten Tag, ihr sprecht davon, dass es „schnelle Obsorge“ geben soll. Es braucht sie aber eben ab dem ersten Tag, an dem die Kinder und Jugendlichen unbegleitet hier ankommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dafür setzen wir uns einfach verstärkt ein, und dafür braucht es – Frau Bundesministerin, deswegen ist der Antrag auch an Sie adressiert – ganz klar mehr Gelder in den Ländern. Es braucht mehr SozialarbeiterInnen in den Bezirksverwaltungsbehörden, in den Bezir­ken, die dann auch für die Kinder- und Jugendhilfe zuständig sind. Das braucht es drin­gend, einfach im Sinne der Kinder, damit alle Kinder wirklich zu ihrem Recht kommen, nämlich zu ihrem Recht auf Schutz und zu ihrem Recht auf ein kindgerechtes Leben.

Ich bitte Sie wirklich, das mit aller Vehemenz zu unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.53



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 94

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Norbert Sieber. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.53.27

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir debattieren zwei Anträge – einen der Opposition und einen Antrag der Regierungsfraktionen – betreffend den bes­seren Schutz von unbegleiteten Flüchtlingen.

Mein Kollege Lukas Brandweiner hat bereits vieles dazu ausgeführt, aber, Kollege Lausch, nur um die Dinge auch etwas auseinanderzuhalten: Du sagst hier, uns gehe es nicht um die Kinder, aber der Antrag behandelt eben Kinder, also kann man da nicht so leicht darüber hinweggehen. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Du sagst in deinem Rede­bei­trag: Wir sind bei einer Altersgrenze der Strafmündigkeit bei 14 Jahren dabei! Wo ist dazu der Antrag von euch? – Ihr wisst ja selber, dass das Unsinn ist, denn die UN-Kinderrechtskonvention sagt vollkommen klar: Alle Jugendlichen, Kinder unter 18 Jah­ren sind als Kinder zu behandeln (Abg. Lausch: Ja, eh!), und auch darüber können wir uns nicht einfach so locker hinwegturnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auch für uns ist vollkommen klar, dass wir in diesem Bereich durchaus auch mit Miss­brauch konfrontiert sind, und ja, es ist selbstverständlich, dass wir bei begründeten Fällen, bei denen Minderjährige einen Bart oder graue Haare haben, natürlich über die Altersfeststellung den Missbrauch hintanhalten werden, aber das heißt noch lange nicht, dass wir nicht rechtsstaatliche Prinzipien ansetzen und eben auch versuchen, Kindern hier eine bessere Unterbringung und Versorgung zukommen zu lassen.

Nun, meine Damen und Herren, aber auch zur aktuellen Debatte über die Kinder­betreu­ung: Ich habe hier den Antrag der SPÖ, den Entschließungsantrag von Frau Rendi-Wagner und Eva Maria Holzleitner. Meine Kollegin Angela Baumgartner hat einen Ord­nungsruf bekommen, weil sie unterstellt hat, dass nicht sinnerfassend gelesen werden kann. – Herr Präsident, ich versuche es jetzt mit sinnerfassend zuhören, vielleicht ist das möglich.

In diesem Chatprotokoll, das Sie in Ihrem Antrag abgedruckt haben, steht: „Wir müssen bei Banken aufpassen. Die [Kern und Mitterlehner] wollen [...] 1,2 Mrd für Nachmittags­betreuung mit Rechtsanspruch und Vereinbarungen Bund Gemeinden ohne Länder!“ – ohne Länder. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Jetzt lese Ihnen noch etwas von Herrn Mitterer, dem Gemeindeverbandspräsidenten, vor, der auch klar sagt, der Widerstand gegen dieses Paket kam nicht aus Wien, sondern von den Gemeinden, weil sie nicht in der Lage gewesen wären, dieses Paket zu stem­men. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Deswegen sage ich vollkommen klar: Danke, Sebastian Kurz, dass hier die Initiative ergriffen wurde und dass hier auch die Zusammenarbeit mit den Ländern und den Gemeinden gesucht wurde! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich weiß, meine Damen und Herren, dass die SPÖ es nicht so mit Fakten hat (Zwischen­rufe bei der SPÖ) und uns gegenüber vielleicht eine verständliche Skepsis gegeben ist, aber nehmen wir doch die „Salzburger Nachrichten“ her. (Ruf bei der SPÖ: Nehmen ... die Chatprotokolle!) Die „Salzburger Nachrichten“ schreiben klar: „Hat Kurz Kinder­betreuung sabotiert? [...] Durch Fakten ist das nicht zu belegen.“ – Durch Fakten ist das nicht zu belegen! Na, wie schauen wir denn da aus? Also wirklich, es ist unfassbar! (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Betreffend das Lesen – weil die Kollegin gesagt hat, Sie sind nicht in der Lage, sinn­erfassend zu lesen –: Sie haben immer von der Kinderbetreuung in den Kindergärten


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geredet. Darum ist es überhaupt nicht gegangen! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Es ging nicht um Klein-, sondern um Schulkinder, das ist Faktum (Zwischenruf der Abg. Greiner), aber in Ihrem Zorn, in Ihrer Wut haben Sie das natürlich alles vermischt.

Faktum ist, dass wir damals in einer gemeinsamen Koalition mit Ministerin Sonja Hammerschmid auf den Weg gebracht haben, dass 750 Millionen Euro für Kinderbe­treu­ung, Nachmittagsbetreuung bereitgestellt werden. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Ein Anspruch, meine Damen und Herren, auf schulische Nachmittagsbetreuung ist ab 15 Kindern natürlich gegeben. Das ist für die Gemeinden, für die Schulerhalter der Länder zu stemmen und deswegen richtig.

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen eines: Für uns als ÖVP ist und bleibt die Wahlfreiheit der Eltern – die Wahlfreiheit, wie sie eben ihre Kinder betreuen wollen – ein wichtiges und zentrales Gut. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Es wurde bereits mehrfach gesagt, ich möchte es noch einmal wiederholen: Seit dem Jahr 2017 wurden 1,6 Milliarden Euro für die Kinderbetreuung bereitgestellt, beispiels­weise, wenn es um einen Anspruch auf einen Ganztagesschulplatz gemäß 15a-Ver­einbarungen geht, auch solche zur Elementarpädagogik. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Wir haben darüber hinaus den Familienbonus geschaffen, bei dem Sie ganz genau wissen, dass die Familien davon massiv profitieren.

Darüber hinaus wissen wir, dass wir gemeinsam – gemeinsam! – über all die Jahre – auch in anderen Regierungskonstellationen – extrem viel für die Familien erreicht haben. Österreich hat ein Budget von über 9 Milliarden Euro, das für die Familien zur Verfügung steht. (Ruf bei der SPÖ: Nicht alle! – Zwischenruf der Abg. Kucharowits.) Wichtig ist jedoch, und das möchte ich schon betonen, dass es gerade die letzten Jahre, ob es in der Koalition ÖVP-FPÖ war oder auch jetzt in der Koalition mit den Grünen unter Bundeskanzler Sebastian Kurz, gelungen ist, Familien wirklich nachhaltig und kräftig zu entlasten – ein Weg, den wir auch in Zukunft weitergehen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Ausschusses für Familie und Jugend.

13.59.22Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 2 bis 4


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen sogleich zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Ausschusses für Familie und Jugend, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, frage ich: Wünschen die Klubs eine Unterbrechung? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Aus­schus­ses für Familie und Jugend, seinen Bericht 1064 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.


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Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Ausschus­ses für Familie und Jugend, seinen Bericht 1065 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, ebenfalls um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 4.

Hier kommen wir zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Fa­milie und Jugend, seinen Bericht 1066 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungs­antrages 1743/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1066 der Beila­gen angeschlossene Entschließung betreffend „Schutz von unbegleiteten minderjäh­rigen Flüchtlingen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Auch das ist mehrheitlich angenommen. (204/E)

14.00.545. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1928/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kol­legen betreffend die aktuelle Situation in Afghanistan (1061 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Mag. Hannes Amesbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.01.19

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Wir besprechen hier einen Antrag der Regierungsfraktionen betreffend die aktuelle Situation in Afghanistan, und in diesem Antrag sind durchaus einige unterstützenswerte Punkte. Es gibt aber einen Punkt, den ich absolut nicht nachvollziehen kann, nämlich: Die Regierungsparteien fordern die wei­tere Evakuierung von Österreichern und – und das ist besonders entscheidend – Asyl­berechtigten, also afghanischen Staatsbürgern mit Aufenthaltstitel in Österreich, die dort Heimaturlaub oder was auch immer gemacht haben. Das finde ich besonders spannend.

Wir hatten ja schon die Situation, dass Soldaten des österreichischen Bundesheers unter Einsatz ihres Lebens solche Menschen aus Kabul gerettet haben, und Sie wollen das weiterhin machen. Da stelle ich mir die Frage, wie das vor allem zur Linie der ÖVP passt, deren Vertreter uns ja immer wieder erklären, sie wollen weiterhin nach Afghanistan abschieben. Stattdessen aber wollen sie zusätzliche Afghanen ins Land holen.

Wir wissen ja, dass wir in Österreich derzeit rund 45 000 Afghanen haben, das sind ungefähr 0,5 Prozent der österreichischen Bevölkerung. Wenn man das in Relation setzt, ist das, gemessen an der Bevölkerung, der höchste Anteil in der gesamten Euro­päischen Union und der dritthöchste Anteil weltweit – und Sie wollen zusätzliche holen. Wir wissen auch, dass Afghanen besonders schwer bis kaum integrierbar sind, dass unter Afghanen eine besonders hohe Kriminalitätsrate und Gewaltbereitschaft vor­herrscht. Zum Beispiel waren auch die Mörder der kleinen Leonie Afghanen, meine sehr geehrten Damen und Herren!


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Ich kenne jetzt schon die Argumente, die von Kollegen Lopatka und von anderen Red­nern wahrscheinlich kommen werden – das haben wir schon im Menschenrechts­aus­schuss gehört. Da heißt es: Wir sind rechtlich dazu verpflichtet, unsere österreichi­schen Staatsbürger zu evakuieren. – Na ja, das mag vielleicht stimmen, bei den Asyl­berech­tigten aber, die Sie auch im Antrag drinnen haben, die einen Aufenthaltstitel in Österreich haben, die aber Afghanen, afghanische Staatsbürger sind, sehe ich das nicht so. Wer Heimaturlaub im angeblichen Fluchtland macht, trotz der schärfsten Reisewar­nungen des Außenministeriums, hat dort zu bleiben, meine Damen und Herren, und hat in Österreich überhaupt nichts mehr verloren! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen auch, dass es die rechtliche Mög­lichkeit gibt, wegen solcher Heimaturlaube den Aufenthaltstitel und den Asylwerber­status abzuerkennen – eine Möglichkeit, die übrigens unter einem Innenminister Herbert Kickl geschaffen wurde.

Sie, Herr Neoabgeordneter, Herr Kollege Kurz, haben als ehemaliger Bundeskanzler ja auch immer den strengen Asylkurs versprochen. Jetzt würde mich interessieren, wie Sie es schaffen, heute hier diesem Antrag zuzustimmen, der nichts anderes bedeutet, als dass Österreich zusätzliche Afghanen, die das Asylrecht missbraucht haben, um Urlaub in dem angeblich so gefährlichen Fluchtland zu machen, nach Österreich bringt. Diese Erklärung werden Sie nicht schaffen.

Wir brauchen andere Lösungen. Wir brauchen ein Aussetzen des Asylrechts, wir brauchen einen echten Grenzschutz, sodass die Polizisten nicht mehr nur ein Empfangskommando sind, und wir brauchen außereuropäische Asylzentren. In Wahrheit brauchen wir das Zehnpunkteprogramm von Herbert Kickl, dann könnten wir die Asylproblematik in Öster­reich in absehbarer Zeit lösen. Ich fordere Sie, insbesondere die ÖVP, auf: Unter­stützen Sie uns dabei! (Beifall bei der FPÖ.)

14.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Dr. Reinhold Lopatka. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.05.07

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Kollege Amesbauer, man kann das Thema natürlich tagespolitisch oder grundsätzlich abhandeln. Ich glaube, bei Afgha­nis­tan geht es um eine Grundsatzfrage. Ich werde aber später noch auf Ihre Behauptungen zurückkommen, die so nicht stimmen.

Das Grundsätzliche ist: Österreich hat sich schon sehr früh festgelegt, wo die inter­nationale Gemeinschaft Schwerpunkte setzen soll – und das war die Linie der Bundes­regierung Sebastian Kurz, wie Sie das richtig angesprochen haben. Das Interessante ist, es hat letzte Woche Tagungen gegeben: Die G20 haben sich auf Einladung des italienischen Ministerpräsidenten getroffen, um sich mit dieser Frage zu beschäftigen, und die Europäische Union hat sich mit dieser Frage befasst. Beide kommen genau zu dem Ergebnis, das unsere Grundhaltung am Beginn war: Wir müssen alles tun, um die Region zu stärken, und wir müssen alles tun, um den Taliban ganz klar zu sagen: keine Anerkennung, aber im Interesse der Menschen, die dort leben, sehr wohl Vereinba­rungen, was Hilfslieferungen betrifft. – Also: Hilfe vor Ort, Stärkung in der Region, aber niemand von uns hat gesagt, dass wir Afghanen aufnehmen wollen! Das sei ganz deutlich gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

Afghanistan ist ein Problem für die Staatengemeinschaft, und Afghanistan war immer ein Problem für die Staatengemeinschaft. Wir reden von Afghanistan, aber wer sind die


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Menschen in Afghanistan? – 38 Millionen Menschen leben dort, mit einem starken Be­völ­kerungswachstum  das hängt mit der Unterdrückung der Frauen, mit der patriarchalischen Gesellschaft zusammen , noch immer gibt es im Schnitt rund fünf Kinder pro Frau.

42 Prozent der Afghanen sind Paschtunen, 29 Prozent Tadschiken – ich habe die Region angesprochen: in Tadschikistan selbst leben weniger Tadschiken als in Afghanistan –, 9 Prozent Usbeken – ein weiterer Nachbar –, und dann eine besondere Gruppe – da kommt die Religion hinzu: die Taliban, eine besondere Ausprägung der Sunniten, haben in ihrer letzten Schreckensherrschaft eine Minderheit furchtbar behandelt –, die Hasara. Diese sind Schiiten und machen auch 9 Prozent der Bevölkerung aus. Was noch hinzu­kommt: In Afghanistan werden 50 Sprachen gesprochen. In einem Land, in dem 50 Sprachen gesprochen werden, in dem so unterschiedliche Volksgruppen sind, bei den Strukturen, die dort herrschen, ist es schwer, zu Lösungen zu kommen.

Ich war in den Achtzigerjahren, als die Sowjetunion Afghanistan besetzt hatte, von Pakistan kommend in Afghanistan. Ich habe damals die Mudschahedin in ihrer Brutalität kennengelernt, und ich war auch, als jetzt US-Amerika das System dort gestützt hat, in Kabul. Beide Male habe ich eines bemerkt: Es ist beide Male als Besatzung angesehen worden.

Daher: Bei all den Milliarden, die investiert worden sind, ist man nicht zur Zivil­bevöl­kerung durchgedrungen. Wenn man Millionen für Bauten, auch für Schulen ausgibt, aber nichts für die ortsansässigen Lehrkräfte zur Verfügung stellt, dann wird man das Herz der Menschen nicht erreichen. Das muss man einfach sagen.

Was ist jetzt das große Problem in diesem Land? – Die Taliban haben eines ver­sprochen: Sie werden Stabilität bringen, und die Menschen in Afghanistan haben sich nach dieser Stabilität gesehnt. Das haben sie jetzt aber leider nicht erreicht – ich spreche von den Menschen, die dort leben, wenn ich leider sage –, weil quasi ihre Glaubensbrüder, die eben nicht zu den Taliban gehören, sondern die eine größere Lösung wollen, ein großes Kalifat wollen, nach wie vor Terroranschläge verüben. Erst letzte Woche wieder sind in Kundus 50 Menschen gestorben. Das heißt, die Taliban wollen gemäß ihren islamischen Vorstellungen nur Afghanistan regieren, andere Muslime wollen dort eine größere Lösung im Rahmen eines Kalifats, eines Islamisches Staats, in dem Afghanistan nur eine Pro­vinz wäre.

Das heißt, es gibt im Land diese massiven Auseinandersetzungen, dazu kommt eine massive Wirtschaftskrise. Afghanistan hat immer Unterstützung gebraucht. Was wir leisten müssen – das haben die G20 festgelegt, das ist auch von der Europäischen Union festgelegt –, ist Hilfe für die Menschen mit einem Plus: Wir müssen etwas verlan­gen! Das können wir. Wir müssen den Taliban Standards abringen, denn sie können nicht zusehen, wenn Menschen verhungern. Die VN haben berechnet, dass im Laufe des nächsten Jahres 90 Prozent der Afghanen – 90 Prozent! – in absoluter Armut leben werden und nicht einmal die notwendigsten Bedürfnisse decken können. 90 Prozent der Bevölkerung! Das ist eine Katastrophe.

Daher folge ich dem UNO-Generalsekretär, der meint: Wenn wir da nicht vor Ort helfen, werden wir einen hohen Preis zahlen, weil sich dann die Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben zu uns aufmachen müssen, denn jeder von uns hat Gott sei Dank einen starken Drang, zu überleben. Daher ist die Positionierung der österreichischen Bundesregierung absolut richtig: Hilfe vor Ort, Stabilisierung in der Region, aber nicht – wie fälschlicherweise von Kollegen Amesbauer behauptet worden ist – jetzt quasi die Einladung aussprechen, dass Afghanen zu uns kommen sollen. Das macht auch die Europäische Union nicht mehr. (Abg. Amesbauer: Lesen Sie den Antrag!) Lesen Sie die Schlussfolgerungen der G20! Auch dort finden Sie das nicht. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Abg. Amesbauer.)


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Im Übrigen leisten österreichische Abgeordnete auch einen Beitrag. Wir sind über­nächs­tes Wochenende in Usbekistan – damit möchte ich schließen –, um dort die Wahlen zu beobachten, auch der nächste Redner aus Ihrer Fraktion, Kollege Amesbauer (Abg. Amesbauer: Das hat ja damit nichts zu tun!), ist mit dabei, und Kollege Troch. Ich darf diese Wahlbeobachtung leiten. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Usbeken, die Tadschiken, die Kirgisen, die Nachbarn können viel mehr helfen als wir von Europa aus leisten können. Sie kennen die Mentalität, sie wissen, was notwendig ist, um zu einer halbwegs friedlichen Lösung zu kommen, um dort eine Stabilisierung zu erreichen. Das ist der richtige Weg. (Abg. Amesbauer: ... überhaupt nichts verloren da!) Machen wir den Österreicherinnen und Österreichern keine unnötigen Sorgen! (Beifall bei der ÖVP.)

14.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist MMMag. Dr. Axel Kassegger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.12.47

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Lopatka hat ja jetzt sehr eindrücklich dargestellt und bewiesen, dass die ÖVP auch in diesem Bereich ein Glaub­würdigkeitsproblem hat. Was Sie jetzt gerade formuliert haben, ist eben nicht glaub­wür­dig. Wenn Sie sagen: Wir haben niemals gesagt, dass wir weitere Afghanen aufnehmen!, dann widerspricht das dem Text im Antrag, dem Sie ja zustimmen werden – davon gehe ich aus –, in dem es darum geht, dass wir uns dafür einsetzen werden, dass „weiterhin [...] die Evakuierung der verbliebenen Österreicherinnen und Österreicher und afghani­schen Staatsangehörigen mit gültigem Aufenthaltstitel in Österreich“ stattfinden wird.

Das widerspricht sich also (Zwischenruf der Abg. Ernst-Dziedzic), ist aber typisch und bezeichnend für das grundsätzliche Glaubwürdigkeitsproblem, das nicht nur Sie, Herr Kollege Lopatka, haben, sondern auch der neue Kollege hier im Nationalrat (in Richtung Abg. Kurz blickend), der ja die Balkanroute geschlossen hat – was auch nicht stimmt! –, oder Herr Innenminister Nehammer, der sagt: Ja, selbstverständlich finden die Abschie­bun­gen wie gehabt statt!, und auf Nachfrage, wie viele das seien, dann zugeben muss: null. Das ist also eine völlig sinnverzerrende Behauptung.

Auch Ihr Verhalten als Österreichische Volkspartei auf europäischer Ebene, wenn es darum geht, dem neuen EU-Migrationspakt, der im Wesentlichen nur eine ablauforga­nisatorische Verteilung der Migranten in Europa vorsieht, selbstverständlich zuzustim­men, führt doch zu keiner Lösung, vor allem nicht zu einer Lösung im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher.

Wenn man sich die Geschichte Afghanistans anschaut, sieht man, dass Interventionen dort immer – flapsig formuliert – schwerst in die Hose gegangen sind. Wenn man es ein bisschen ernster formuliert, haben sie immer zu Hunderttausenden Toten, vor allem Zivilisten, zu totalem Desaster und zu Chaos geführt, so auch bei der Intervention der Vereinigten Staaten im Jahre 2001, die dann in der Fortsetzung der Doktrin von George W. Bush gipfelte, der gesagt hat: Wir werden einen Dominoeffekt erzielen, indem wir – mit Afghanistan beginnend – der Welt unsere Prinzipien der Demokratie, der Menschenrechte und der Freiheit sozusagen beibringen oder aufs Aug drücken, und wenn sie es sich nicht aufs Aug drücken lassen, dann gebrauchen wir Gewalt. Das ist der amerikanische Zugang, der jedes Mal im Desaster endet, und die Europäer fahren mit, im konkreten Fall natürlich die europäischen Nato-Partner – aber Österreich nicht.

Da bin ich schon bei der Verantwortung: Wo liegt die Verantwortung für dieses Chaos und dann auch die Verpflichtung, etwas zur Beseitigung dieses Chaos zu tun? – Ich sehe diese Verantwortung nicht bei Österreich. Wir sind keine kriegsführende Nation.


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(Zwischenruf der Abg. Ernst-Dziedzic. – Abg. Amesbauer: Das geht uns nichts an! – Abg. Ernst-Dziedzic: Sehr wohl!) Die Verantwortung liegt zuallererst bei den Amerika­nern und in zweiter Linie bei den Nato-Ländern, die sich am Krieg beteiligt haben. Wenn man es ein bisschen weiter spannen will, liegt sie möglicherweise auch noch bei Russ­land als Nachfolgestaat der Sowjetunion, weil die ja in den Neunzigerjahren Ähnliches erlitten haben, als sie geglaubt haben, durch kriegerische Intervention irgendwelche Probleme lösen zu können.

Die Verantwortung liegt also nicht bei uns. Kollege Amesbauer hat es schon erwähnt: Wir haben bereits 44 000 Menschen aus Afghanistan aufgenommen. Das ist doch bitte genug der Pflichterfüllung, denn im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, die einen Bruchteil davon aufgenommen haben, die 40-mal mehr Einwohner haben als wir, die hundertmal größer sind als wir, haben wir da bei Gott unseren Beitrag schon geleistet.

Man darf nicht vergessen: Das kostet ja richtig Geld. Das kostet Hunderte Millionen von Euro. Wir haben heute in der Budgetsitzung schon erfahren, insbesondere von FPÖ-Rednern, dass einerseits dieser Budgetentwurf nicht das Gelbe vom Ei ist – auch die Steuerreform nicht – und dass andererseits die Menschen in unserem eigenen Land mit einer nicht nur drohenden, sondern jetzt bereits einsetzenden Kostenlawine konfrontiert sein werden, die im Winter noch viel, viel stärker sein wird. Das heißt, vielen Menschen in Österreich geht es wirklich nicht gut und es wird ihnen über den Winter noch viel, viel schlechter gehen.

Da ist die Freiheitliche Partei die einzige, die die richtigen Prioritäten setzt  es geht ja um die Frage der Prioritäten und darum, auch die richtige Verhältnismäßigkeit im Auge zu haben – und die glaubwürdig ist. Ich akzeptiere das ja durchaus und es ist absolut in Ordnung, wenn die Grünen und die SPÖ da andere Zugänge haben, andere Lösungs­möglichkeiten sehen und sagen, wir sollen möglichst viele Afghanen bei uns aufnehmen. Das ist das Tolle in einer pluralistischen Demokratie, dass es gestattet ist, unterschied­liche Meinungen zu haben.

Womit ich aber ein Problem habe – da schließt sich jetzt der Kreis –, ist die Österreichi­sche Volkspartei und deren Glaubwürdigkeit in dieser Frage. Ich habe es schon gesagt: Kollege Lopatka, was du hier formuliert hast, ist wenig glaubwürdig. Auch das Schließen oder eben Nichtschließen der Balkanroute ist nicht glaubwürdig. Die Anzahl der Abschie­bungen in der Höhe von null sind nicht glaubwürdig. In Österreich heißt es: Ja, wir wer­den stark gegen den Migrationspakt auftreten!, gleichzeitig gibt es dann Zustimmung auf europäischer Ebene – das ist alles nicht glaubwürdig.

Das ist meines Erachtens der springende Punkt. Es geht nicht um die SPÖ oder die Grünen, es geht um die FPÖ, die in diesem Bereich die richtigen Prioritäten setzt, die Verhältnismäßigkeit im Auge hat und glaubwürdig ist, und es geht um die ÖVP, die all diese drei Dinge eben nicht hat. (Beifall bei der FPÖ.)

14.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr. Harald Troch. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


14.18.45

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Afghanistan: Menschen verstecken sich, Menschen verstecken sich aus Todesangst, Frauen verstecken sich in Scheunen, in Kellern, in Dachböden. Die Frauen, die sich da verstecken, sind jene, die vor allem die Rache der Taliban fürchten, Richterinnen – es gibt immerhin 300 Richterinnen in diesem Land –, Journalis­tinnen, die über die Taliban kritisch berichtet haben, und Menschenrechtsaktivistinnen in Afghanistan.


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Die SPÖ hat am Höhepunkt der Krise die Einberufung des Rates für Fragen der öster­reichischen Integration und Außenpolitik gefordert. Dem ist der Außenminister auch nachgekommen. Unser Antrag hat sich insbesondere mit der Frage der Einrichtung von Schutzzonen beschäftigt, aber auch damit, Fluchtwege aus Afghanistan heraus zu sichern.

Im Menschenrechtsausschuss haben wir von der SPÖ diesen Antrag auch noch einmal eingebracht, leider ist er von den Regierungsfraktionen nicht fürs Plenum zugelassen worden. Ich halte das für eine Zensur. Wenn das Thema Afghanistan ohnehin schon auf der Tagesordnung steht, dann den SPÖ-Antrag abzusetzen, also zu vertagen (Beifall bei der SPÖ), aber schnell an einem türkis-grünen Gegenantrag zu basteln, damit man doch etwas macht, das halte ich nicht für seriös. Das halte ich auch nicht für eine gute parlamentarische Gepflogenheit – von Pluralismus brauchen wir da gar nicht zu reden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Jahrelang war der Vorwurf, es kämen nur Männer aus Afghanistan, und seitens der Kollegen der FPÖ ist immer wieder gesagt worden: die Afghanen. Jetzt geht es primär um Frauen und Mädchen, es geht um Afghaninnen, um eben diese vulnerable Gruppe, um Frauen, die Todesängste haben, und da sollte es wie auf einem Katastrophenschiff heißen: Frauen und Kinder zuerst!

Dass die ÖVP kein Herz für Kinder hat, ist wiederholt bewiesen worden. Die ÖVP ist nicht die Familienpartei, für die sie sich ausgibt. Wir haben jahrelang gehört: Keine Kinder aus dem Ausland! Was Moria betrifft, so hat die ÖVP beziehungsweise die Regie­rung, mithilfe der Grünen eben, auch eher ein Trauerspiel abgegeben. Jetzt, wo man gezielt Frauen und Mädchen helfen könnte, die gleiche Leier: Hilfe vor Ort, jene Beruhi­gungspille, die immer wieder kommt. Aber es geht nichts weiter. In Moria liegen immer noch Flüchtlinge im Schmutz, im Dreck, in der Kälte, nichts ist passiert!

Natürlich gibt es in Afghanistan auch große Enttäuschung über die internationale Ge­meinschaft. Das Scheitern der Amerikaner ist ja eigentlich unglaublich, auch, wie die Menschen im Stich gelassen wurden. Der Minister für Bildung in Afghanistan, Haqqani, sagt nur, die Koedukation sei mit dem Islam nicht vereinbar. Bei dieser Trennung von Frauen und Männern in Afghanistan sind nur die Frauen die Leidtragenden: Sie sollen zu Hause bleiben, solange ihre Sicherheit nicht gewährleistet ist. Das ist der Zynismus der Taliban, und da müssen wir etwas machen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

14.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr.in Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.22.19

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt überlegt, was man alles richtigstellen müsste, es wäre aber eigentlich schade um meine Redezeit. Nur vielleicht eines in Richtung FPÖ: Sie wollen keine Flüchtlinge in Europa, Sie wollen nicht vor Ort helfen, Sie sprechen sich gegen jegliche Maßnahmen aus, und ich habe von Ihnen noch nie einen lösungsorien­tierten Ansatz gehört, was es wirklich bräuchte, um diese globalen Herausforderungen gemeinsam bewältigen zu können. (Abg. Kassegger: Dann haben Sie nicht zugehört!) Es ist aber egal, es ist immer der gleiche Mix: ein bissel Populismus, ein bissel rassis­tische Polemik, ein bisschen Resistenz gegen jegliche Fakten; und das spricht sozusa­gen anscheinend auch Ihre Wählerschaft an, der das genügt.

Zu den sachlichen Koordinaten, die auch unsere politische Handlungsfähigkeit vorge­ben: Vor eineinhalb Monaten – das werden Sie wissen – verließ das letzte amerikanische


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Flugzeug Afghanistan, und ja, der Versuch, dort Frieden, Stabilität oder sonst eine Art Demokratie, wenn man so möchte, aufzubauen, ist ja nicht nur gescheitert, sondern das war auch nie das Ziel. Das sagen die Amerikaner ja selber, dass es nie wirklich das Ziel gewesen ist.

Was wir wissen, ist, dass sich Afghanistan seitdem im freien Fall befindet. Das ist eine sicherheitspolitische Herausforderung, genauso eine für Frauenrechte, Menschen­rechte, vor allem aber auch eine humanitäre Katastrophe. Ich mag die Zahlen nicht mehr wie­derholen, sie sind erschreckend. Bereits jetzt – Kollege Lopatka hat das schon gesagt – sind 90 Prozent der Bevölkerung dort ohne Unterstützung von Armut betroffen, haben nicht einmal die Möglichkeit, die elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, und Afgha­nistans Wirtschaft ist schlicht zusammengebrochen.

Und ja, Guterres hat recht: Wenn wir nichts tun, machen sich die Menschen klarerweise auf den Weg, denn ohne Perspektive, ohne Aussicht auf Bildung, auf Nahrung werden die Menschen natürlich nach Perspektiven suchen. Wenn sie diese im eigenen Land nicht finden, werden sie es als Binnenflüchtlinge in unmittelbarer Nähe versuchen oder sich eben weiter auf den Weg Richtung Europa machen.

Wir haben jetzt auf unterschiedlichen Ebenen geschaut, was wir tun können, was wir international tun können, was wir europäisch tun können, was wir national tun können. Was in diesem Antrag steht, sind ganz, ganz wichtige Dinge, nämlich – na no na ned! –: Österreich muss weiter Menschen evakuieren, die ein Bleiberecht in Österreich oder die Staatsbürgerschaft haben. Wenig überraschend!

Das Zweite ist ein konsequenter, koordinierter Umgang mit den Taliban auf operativer Ebene, vor allem wenn es darum geht, die Hilfsgüter zu verteilen. Ohne das wird es nicht funktionieren.

Weiters: eine koordinierte Abstimmung mit unseren internationalen und unseren euro­päischen Partnern sowie in multilateralen Gremien, um zu schauen, wie wir das Land stabilisieren können. Da geht es im ersten Schritt wirklich um Stabilisierung.

Um jetzt nicht weiter auf diese vielen notwendigen Dinge einzugehen, vielleicht eines, das mir ganz wichtig ist, wenn wir schon über Afghanistan reden, und weil Sie, Frau Frauenministerin, bei dieser Debatte heute hier zu Gast sind: Kollegin Faika El-Nagashi und ich hatten hier kürzlich eine Mädchengruppe zu Besuch, also junge Afghaninnen, weil wir einfach auch von ihnen wissen wollten, wie sie die Debatte im Land wahr­neh­men, aber natürlich auch, wie es ihnen mit den Entwicklungen in ihrem Herkunftsland, in ihrem ursprünglichen Heimatland geht. Das war insofern sehr berührend, als diese Mädchen kaum imstande waren, zu sprechen. Man nennt das den sogenannten Kloß im Hals. Es rannen ihnen die Tränen über das Gesicht, und sie waren nicht imstande, zu sprechen.

Wieso nicht? – Die Situation vor Ort ist dramatisch, das ist einer der Gründe dafür. Der zweite Grund, an dem wir aber etwas ändern können, ist, dass unser Diskurs über Afghanen und Afghaninnen in Österreich fehlgeleitet ist, auf Kriminalfälle reduziert ist. Wir sehen nicht alle Afghanen und Afghaninnen als Community, die es hier aufzufangen gilt, gerade in so einer Situation, sondern wir reduzieren sie auf einzelne Personen.

Deshalb mein Plädoyer abseits der außenpolitischen Komponente an Sie, Frau Bundes­ministerin: Nehmen Sie solche Treffen auch wahr! Reden Sie mit der afghanischen Com­munity! Es sind wunderbare Menschen, die hier leben. Da geht es um unsere Zukunft – Sie sagen selber, vor allem Mädchen sind die Zukunft –, und diese sollten wir pflegen und nicht permanent kriminalisieren. Das wäre meine innenpolitische Bitte an dieser Stelle. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.27



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 103

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Dr.in Stephanie Krisper. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.27.50

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren zu Hause! Wir haben diesem Antrag der Regierungsparteien zugestimmt, weil man nichts dagegen sagen kann, weil er nichtssagend ist. Auch die Kollegin von den Grünen hat gemeint, der Inhalt sei „na no na ned“.

Er ist deswegen nichtssagend und das Ergebnis eines lauen Kompromisses, weil er sich einem Thema widmet, bei dem besonders die Bilder und das Menschenbild von Türkis und Grün sehr auseinandergehen. Der Antrag beginnt mit Empathie, mit Verweis auf den Jahrzehnte andauernden bewaffneten Konflikt, auf wiederkehrende Naturkatastro­phen und dem Fazit: „Beinahe die Hälfte der afghanischen Bevölkerung ist auf humani­täre Hilfe angewiesen, jeder dritte Afghane weiß nicht woher seine nächste Mahlzeit kommen soll.“ – Da zeigt sich, dass auch der ÖVP bewusst ist, dass wir über Menschen reden, die sich Hilfe vonseiten der österreichischen Bundesregierung verdient haben, besonders die Frauen.

Aus der Begründung: „Der gleichberechtigte Zugang zu essentiellen lebensrettenden Maßnahmen soll gewährleistet werden“. – Ich kann nur sagen: Was für ein Glück für die Frauen in Afghanistan, die nicht mehr auf die Uni gehen können und auf der Straße ausgepeitscht werden, dass wir hier in Österreich vonseiten der Bundesregierung einen Schwerpunkt auf die Unterstützung von Frauen und Mädchen legen und wir uns daher dafür einsetzen, dass das Geld so ausgegeben wird, dass gleich viele Frauen wie Män­ner überleben. – Das kann der UNHCR von selbst, dazu braucht er nicht die ÖVP und nicht die Grünen!

Bis dahin lässt einen der Text aber glauben: Man sieht das Leid des Nächsten, Kollegin Kugler, man sieht Frauen und Kinder als Menschen, auch wenn sie afghanische Staats­bürger sind. Warum will man dann als türkis-grüne Regierung nicht ein einziges Kind, eine einzige Frau aus diesem Land über EU-Resettlement retten, sicher sein, dass ein paar Frauen und Kinder nicht verhungern, dass die Frauen nicht ausgepeitscht wer­den? – So europäisch konstruktiv ist man ja dann doch nicht! So viel Mensch sind die afghanischen Frauen und Kinder dann auch wieder nicht, nicht genug Mensch, um ge­zielt über legale Fluchtrouten in Sicherheit gebracht zu werden, ein paar nach Öster­reich!

Und mit dem Menschsein, mit der Menschenwürde ist es dann ganz aus, je näher sie kommen. Dann werden sie entpersonalisiert, werden zur gefährlichen Welle. Wenn sie sich auf der Westbalkanroute wiederfinden, dann kann man sie auch schlagen, von ver­mummten Schlägertrupps wieder über die Grenze knüppeln lassen. – Darüber schweigt sich der Antrag aus. Denn – Moment! – hat nicht jemand für die neue Volks­partei Stim­men gewonnen, weil er meinte, die Westbalkanroute geschlossen zu haben? Oder war das nur Kurz-sichtig, einer der vielen populistischen PR-Gags zur richtigen Zeit, Betrug – auch da – am Wähler? Oder weiß man sich nur mehr mit barbarischen Schlägen zu helfen, weil man ja so tun muss, als wäre die Route geschlossen?

Und ja: Österreich macht bei den illegalen Pushbacks mit. Ich würde heute dem Herrn Innenminister gerne die Frage stellen, ob Gesetze nicht einzuhalten sind, die Menschen­rechtskonvention, Artikel 8, Artikel 3 EMRK. Für die, denen das egal ist: Zeugen Schlä­gertrupps von Kontrolle? – Nein. Die Politik von Herrn Kurz brachte und die Politik des Herrn Innenministers bringt Chaos und Leid.

Türkis-Grün möchte laut Entschließungstext, dass sich die Regierung weiterhin für die Achtung der Menschenrechte einsetzt – also kein Schlagen durch die Taliban, bitte. Aber


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wie glaubwürdig sind wir denn, wenn dann an den EU-Grenzen geschlagen wird? – Darüber schweigt sich der Antrag aus.

Wir haben einen Antrag eingebracht, dass sich die Grundrechteagentur der EU diese Situation anschauen soll, damit wir hier ehrlich diskutieren können. Wir können an den europäischen Grenzen die Menschenwürde der Flüchtlinge achten, um uns in den Spie­gel schauen zu können, und Kontrolle durchsetzen, indem wir registrieren, in konstruk­tiver europäischer Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten Verfahren aufteilen, ab­handeln, integrieren oder abschieben – das aber nicht mit Türkis und auch nicht mit Grün. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

14.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Dr.in Gudrun Kugler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.32.09

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es zeigt sich wieder einmal, dass der beste Weg der Weg der Mitte ist. (Beifall des Abg. Zarits. – Heiterkeit bei der FPÖ.) Wenn man dieser Debatte folgt, stellt man fest, dass der Weg der Mitte der einzig richtige ist. Ich werde jetzt auf einiges, was hier gesagt wurde, eingehen und darf bei der FPÖ beginnen.

Die Kollegen Amesbauer und Kassegger sagen also, die ÖVP wolle zusätzliche Afgha­nen einfliegen. – Liebe Kollegen, die Afghanen mit Aufenthaltstitel sind schon bei uns aufgenommen. (Abg. Amesbauer: Aber die wollen ...!) Ihre Fälle sind individuell geprüft, und dass wir ihnen helfen, versteht sich von selbst. Ich sage euch auch, warum: weil wir hier auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit stehen. Ja, es ist möglich, dass jemand, der aufgrund der Asylbestimmungen einen Aufenthaltstitel in Österreich hat und dann in das Herkunftsland fährt, diesen Aufenthaltstitel verliert, das entscheidet aber nicht die FPÖ, die sagt: Alle weg!, sondern das entscheiden bei uns die Behörden, und das nennt man Rechtsstaatlichkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Liebe FPÖ, uns sind die Menschen nicht egal. (Abg. Amesbauer: Uns auch nicht, die Österreicher! Ihr wollt ...!) Als wir die Mittel für den Auslandskatastrophenfonds erhöht haben, haben Sie dagegengestimmt. Die Menschen hungern, den Menschen ist kalt. Uns ist wichtig, dass wir die humanitäre Situation nicht vergessen. (Abg. Kassegger: Auf der ganzen Welt, nur nicht in Österreich, das ist Ihnen wichtig! Aber wenigstens ...!)

Jetzt ein Gedanke zur Rede des Kollegen Troch: Zuerst möchte ich dir, lieber Herr Kollege, für deine Initiative danken. Ich finde das wichtig und ich unterstütze das. Ich möchte dir aber erklären, warum wir euren Antrag hier nicht gleichwertig behandeln. Der Antrag beinhaltet mehrere Probleme: Erstens gibt er einem abgelehnten SPÖ-Vor­schlag, der sich schon anderswo nicht durchgesetzt hat, sehr viel Platz. Zweitens stehen darin Sachen, die bereits obsolet sind, wie zum Beispiel eine UNO-Sicherheitszone in Kabul oder eine regionale Sicherheitskonferenz nach OSZE-Vorbild. Das wird schon gar nicht mehr diskutiert. Und drittens fordert er die finanzielle Hilfe, die wir schon geben. Wir hingegen haben einen Antrag, der viel tiefer geht und der auch viel aktueller ist.

Jetzt noch zu den NEOS, zu dem, was Kollegin Krisper gesagt hat: Liebe Frau Kollegin, niemand am G20-Gipfel, haben wir gerade gehört, hat sich für Aufnahmen ausge­sprochen, und das hat gute Gründe: In Afghanistan gibt es 3,5 Millionen Flüchtlinge, Binnenvertriebene. Wenn wir jetzt anfangen, ein paar auszusuchen, dann ist das will­kürlich und dann ist das auch ungleich (Abg. Krisper: EU-Resettlement-Programm!), und mit all dem Geld, das wir dafür verwenden würden, können wir dort so viel mehr Menschen helfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Noch etwas: Du hast eindrucksvoll davon gesprochen, was es heißt, Mensch zu sein, und was es heißt, Frau zu sein. Es ist gut, dass du das ansprichst, denn die gleiche Frage, nämlich was es heißt, Mensch zu sein, und was es heißt, Frau zu sein, können wir uns auch in Bezug auf Afghaninnen in Wien stellen. In Wien sind die NEOS in der Regierung, und da müsstet ihr viel mehr tun (Abg. Krisper: Oh mein Gott! – Zwischenruf des Abg. Loacker), denn wir wissen, wie schwierig es in Fragen der Integration in Wien ist. Das AMS sagt, dass gemäß Kompetenzcheck 25 Prozent der Afghaninnen und Afghanen Analphabeten sind. (Zwischenruf der Abg. Krisper.) Ihr müsstet da mehr machen.

Wir wissen, dass Frauen in den Bereichen Arbeit und Bildung unterdurchschnittlich vor­kommen, dass mehr als die Hälfte der Afghanen in Österreich sagen, Gewalt ist eine Möglichkeit zur Verteidigung der Ehre und so weiter. Wenn die NEOS sich hier also um das Menschsein und das Frausein sorgen, dann beginnt bitte schön in Wien! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Hoyos-Trauttmansdorff.)

Zusammenfassend kann ich nur sagen: Danke für die breite Unterstützung unseres Antrages. Es geht um die Stabilisierung der Region, es geht um die Einhaltung der Konditionalitäten der Europäischen Union, die, liebe Frau Kollegin Krisper, sehr wohl etwas bringen, denn dort geht es um den Schutz der Menschenrechte und den Schutz und die Einbindung von Frauen und Mädchen, und es geht um humanitäre Hilfe. Es geht um Hunger und Kälte, die vor Ort herrschen. Und Österreich – das ist eine gute Nach­richt, mit der ich meine Rede beenden möchte – ist erstmals im Donorklub des UNHCR, weil wir so viel und so viel mehr geben. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Selma Yildirim. – Bitte, Frau Ab­ge­ordnete.


14.37.28

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! (Die Rednerin stellt eine Box mit der Aufschrift „Wir wählen Mensch­lichkeit“ auf das Rednerpult.) „Wir wählen Menschlichkeit“. – Wir als sozialdemokratische Fraktion werden dem Regierungsantrag zustimmen, weil wir der Auffassung sind, dass Österreich auch international Verantwortung hat und es sehr viele menschliche Stimmen in diesem Land gibt. (Die Rednerin nimmt den Deckel mit der Aufschrift „643 Wahlzettel in dieser Wahlurne“, „3.759 Unterschriften für die Online-Petition“, „4.402 Stimmen“ von der Box und stellt ihn vor der Box auf das Rednerpult.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgesehen davon, dass Hilfe vor Ort natürlich wichtig ist: Vor allem für die Frauen, die heute oft zitiert wurden, für all jene, die eigentlich westliche Systeme und Werte dort etablieren und stärken wollten, für diese Frauen hat es einen fatalen Ausgang gefunden, indem sie im Stich gelassen wurden. Mit dem Abzug der US-Truppen und dieser unkoordinierten, eigentlich kaum vollzogenen Evakuierung sind viele, viele Frauen enttäuscht worden; ihre Schicksale sind ausreichend beschrie­ben worden.

Immer, wenn von diesem Thema – Menschen auf der Flucht, politisch Verfolgte – die Rede ist, möchte ich der populistischen Ansage vor allem – seit vier Jahren – der ÖVP entgegenhalten, dass in diesem Land auch wirklich sehr, sehr viele gute Beispiele da sind. Da ich Sie sehe, Herr Abgeordneter Kurz: In der Zeit, als Sie noch Bundeskanzler waren, wurde ich von Initiativen und InitiatorInnen aus Innsbruck, noch in dem guten Glauben, Sie könnten Ihre Stimme auch einmal für Menschlichkeit erheben, gebeten,


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Ihnen etwas mitzubringen: Es wurden mir in etwa 4 500 Stimmen für Sie mitgegeben. Ich hatte aber nie die Gelegenheit, sie Ihnen zu geben, und ich bin mir nicht sicher, ob es Sinn macht, sie Ihnen heute zu geben, Ihnen diese Stimmen für Menschlichkeit aus Innsbruck, die nur von einer kurzzeitig ins Leben gerufenen Initiative gesammelt wurden, heute anzuvertrauen.

Ich möchte einfach sagen: Es gibt so viele gute Beispiele, etwa den Fall des jungen afghanischen Burschen, der erfolgreich in einer Sozialberufsschule in Stams seine Ausbildung macht, hervorragend integriert sowie unbescholten ist und sich in einem Mangelberuf ausbilden lässt. Ich nenne exemplarisch den Fall von Reshad, es gibt aber sehr viele Frauen und Männer, die sich als Pflegerinnen und Pfleger ausbilden lassen, die auch in Mangelberufen in der Gastronomie hervorragende Ausbildungen absolvie­ren, und diese Leute stehen vor der Abschiebung. Das versteht keiner, nicht nur aus volkswirtschaftlicher Sicht, sondern auch aus menschlicher Sicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte einfach betonen: Es gibt so wie diese Initia­tive aus meinem Heimatbundesland Tirol viele Initiativen, viele, viele andere Initiativen in diesem Land, und das ist auch mein Plädoyer! Deswegen werden wir diesem Regie­rungsantrag zustimmen, weil wir nämlich an die vielen Stimmen der Menschlichkeit glau­ben.

Und verzeihen Sie mir, Herr Präsident, Ihnen gebe ich diese Stimmen jetzt auch nicht und Herrn Altbundeskanzler Kurz auch nicht. Ich werde mein Glück beim neuen Bun­deskanzler versuchen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

14.40

14.40.56

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist, wie ich sehe, nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen: Wünschen die Klubs eine Unter­brechung? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5, die dem Ausschuss­bericht 1061 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „die aktuelle Situ­ation in Afghanistan“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (205/E)

14.41.316. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1042 d.B.): Bun­desgrundsatzgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze betreffend die fachlichen Anstellungserfordernisse für Kindergärtnerinnen und Erzieher geändert wird (1074 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau MMag. Dr. Agnes Totter. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.42.07

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 107

Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. – Seneca hat einst Kritik an den römischen Philosophen­schu­len geübt, das allerdings mit dem umgekehrten Spruch: Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir.

Meine Damen und Herren! Non scholae, sed vitae discimus, ist heute aktueller denn je. Die Schulen und die Bildung an unseren Schulen müssen den Auszubildenden dienen und nicht umgekehrt. Bildung beginnt schon sehr früh, in der Familie, aber auch im Kindergarten und nicht erst in der Oberstufe, wie manche glauben. Kindergärten und Volksschulen stellen die ersten Bildungsinstitutionen im Leben eines Kindes dar. Dort werden schon früh in der Kindheit wichtige Grundsteine für ein gelingendes und erfülltes Leben gelegt.

Als Direktorin einer Mittelschule bin ich, genauso wie meine Lehrerinnen und Lehrer, immer wieder erstaunt darüber, mit wie viel Wissen und mit welchen Fähigkeiten die zehnjährigen Kinder nach dem Besuch des Kindergartens und der Volksschule zu uns in die Sekundarstufe I kommen. Für diese großartige Arbeit der Pädagoginnen und Pädagogen möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Übrigens hat Kollegin Baumgartner recht: Sinnerfassend lesen lernt man tatsächlich in der Volksschule. Der Beruf einer Pädagogin und eines Pädagogen ist in der Tat eine sehr herausfordernde Tätigkeit, gleichzeitig aber auch der schönste Beruf, den ich kenne. Leider fehlt uns sowohl im Bereich der Elementarpädagogik als auch an den Volksschulen wertvolles Personal. Daher müssen wir alles dafür tun, dass junge Men­schen diesen Beruf ergreifen und ausüben.

Diese Tatsache hat uns und unseren Bundesminister Faßmann dazu veranlasst, dieses Gesetz vorzulegen, womit wir im Bereich der Elementarpädagogik die Ausbildungsmög­lichkeiten weiterentwickeln. Die bisherigen Ausbildungsabschlüsse für Elementarpäda­goginnen und -pädagogen werden um einen neuen Abschluss erweitert. Der Hoch­schul­lehrgang Elementarpädagogik im Umfang von 60 ECTS an den pädagogischen Hoch­schulen dient als Quereinstiegsmöglichkeit in das Berufsfeld der Elementarpädagogik. Mit diesem Hochschullehrgang können sich facheinschlägig vorgebildete Personen zu gruppenführenden Elementarpädagogen fortbilden. Die bisherigen Ausbildungsab­schlüsse für Inklusive Elementarpädagoginnen und -pädagogen werden ebenso um einen neuen Abschluss erweitert.

Besonders freut mich, dass in meinem Bezirk in der Südoststeiermark seit Schulbeginn ein Kolleg für Elementarpädagogik angeboten wird. Dies trägt dazu bei, dass in unserer ländlichen Region, in der großer Bedarf besteht, Personen für diesen wunderbaren Beruf ausgebildet werden können. – Vielen Dank dafür, Herr Minister Faßmann! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Hamann und Maurer.)

Bedanken möchte ich mich aber auch bei Minister Kocher, der es möglich gemacht hat, Elementarpädagogik in die Liste der förderbaren Ausbildungen im Rahmen des Fach­kräftestipendiums beim Arbeitsmarktservice aufzunehmen. So können Interessierte den Umstieg in die Elementarpädagogik gefördert bekommen. Das ist eine richtige und wich­tige Maßnahme. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Hamann und Maurer.)

Mit dem vorliegenden Gesetz wird darüber hinaus die Bezeichnung der Berufsgruppe, die in elementaren Bildungseinrichtungen tätig ist, angepasst. Mit der Umbenennung der Bil­dungsanstalten für Kindergartenpädagogik in Bildungsanstalten für Elementarpäda­gogik wird der Begriff für diese Berufsgruppe auch einheitlich festgelegt: Kindergärtne­rin­nen und Kindergärtner werden in Zukunft als Elementarpädagoginnen und -pädago­gen be­zeich­net. Mit der Anpassung der Berufsbezeichnung wird jedenfalls dem Zeitgeist ent­sprochen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 108

und mit den neuen Ausbildungsmöglichkeiten werden die Elementarpädagogikberufe weiter attraktiviert. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Petra Vorderwinkler gelangt nunmehr zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.46.56

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Diese Regierungsvorlage ist grundsätzlich zu begrüßen, denn die Novelle bietet Quereinsteigern, die facheinschlägige Ausbildung haben, die Möglichkeit, diesen Beruf zu ergreifen, und es ist ein Weg, dem Personalmangel in diesem Beruf entgegen­zuwirken.

Es darf aber nicht die einzige Maßnahme bleiben. Es müssen vielmehr die Arbeitsbedin­gungen verbessert werden, es braucht ein Gesamtkonzept für die Rahmenbedingungen, für einheitliche Rahmenbedingungen, und die Gehälter müssen erhöht werden, denn ElementarpädagogInnen sind genauso PädagogInnen wie jene in der Volksschule, in der Mittelschule oder in der AHS. Die Gruppengrößen gehören verringert. Man darf auch den Praxisanteil in der Ausbildung nicht vergessen. Das sind alles Maßnahmen, die die­sen Beruf insgesamt attraktiver machen würden und vielleicht auch mehr Männer dazu bringen würden, ihn auszuüben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Maurer und Künsberg Sarre.)

Diese Berufsgruppe war in der Pandemie systemrelevant, und sie sind vergessen wor­den. Tausende haben demonstriert, am Dienstag schon und heute auch. Sie haben ge­nug. Seit 30 Jahren hat sich nichts verändert. Es ist wirklich an der Zeit, hinzuschauen. Die Mängel, die es vorher schon gab, sind jetzt massiv an die Oberfläche gekommen, und es gehört hingesehen – im Budget ist aber nichts für Verbesserungen vorgesehen.

Es gibt wahrlich viel zu tun. Wenn es da vorgestern einen Antrag von Kollegin Hamann und von Kollegen Taschner gab, der den Bundesminister auffordert, bei den 15a-Ver­einbarungen hinzuschauen und, und, und, dann ist das zwar lieb und nett, wenn aber im Budget nichts dafür vorgesehen ist, dann wird auch der Herr Bundesminister nichts dafür tun können.

Lassen Sie mich auf die 1,2 Milliarden Euro zurückkommen, die in aller Munde sind, die es schon seit 2016 für den Ausbau der Ganztagsschulen und der Kinderbetreuung geben sollte. Das wurde als Projekt gutgeheißen, wurde dann aber für eigene Bedürf­nisse eingestanzt, torpediert und abgedreht. Und Frau Kollegin Großbauer, nur zur Information: Es war damals nicht eine verpflichtende Ganztagsschule, sondern es war das Recht auf einen ganztägigen Schulplatz vorgesehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Seit 2017 könnten Tausende Familien, Kinder und vor allem Frauen Chancen auf ein besseres Leben, auf eine bessere Ausbildung haben, vor allem Frauen, die statt einer Teilzeitstelle eine Vollzeitstelle haben könnten und damit dann auch ihre Pensions­beiträge anders hätten einzahlen können. Die großen Verlierer einer solchen Politik sind die Kinder und die Frauen, vor allem die Alleinerziehenden waren in den letzten vier bis fünf Jahren die großen Verlierer. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich sagen, warum ich das so genau weiß. Ich kann Ihnen das sagen, weil ich damals alleinerziehend war. Ich wollte einen Ganztagesplatz, ich habe aber keinen bekommen und musste meinen Sohn in eine Privatschule geben. (Abg. Strasser: Sie wohnen in einer SPÖ-Gemeinde, oder?) Das hat viel Geld gekostet, das ich damals nicht hatte. Dank meiner Eltern, die mich da mitfinanziert haben, war das möglich. Die öffentliche Schule ist nicht ausgebaut worden. (Abg. Strasser: SPÖ-Gemeinde, Frau


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Kollegin?) Ich bin auch eine von denen, deswegen weiß ich, wovon ich spreche. (Abg. Strasser: Das glaube ich schon!) Das war keine SPÖ-Gemeinde, nein, es war eine ÖVP-Gemeinde, und das seit vielen Jahren.

Die Anträge, die vorgestern von den Oppositionsparteien eingebracht wurden, um das auszubessern, sind abgelehnt worden. Sie haben ja also nicht einmal den Willen, da etwas zu ändern. Wenn Sie einen Funken Anstand hätten, dann würden Sie das repa­rieren, denn diese 3,1-prozentige Erhöhung für das Bildungssystem, die im Budget abgebildet ist, beinhaltet hauptsächlich die Anpassungen der Gehälter – die normalen Gehaltserhöhungen – und die Coronatests, die da mit drinnen sind.

Finanzminister Blümel hat gestern in der „ZIB 2“ gesagt: Die Pandemie ist vorbei, und deswegen gibt es für das Bildungssystem und für die Kinder kein Geld.  Das ist sehr interessant, bitte erzählen Sie das den Kindern und Jugendlichen! Das ist ein schlechter Scherz, denn die Kinder, die Jugendlichen und die Schulen werden mit ihren Heraus­forderungen alleingelassen. Es gibt keine zusätzliche Unterstützung für Kinder mit psychischen Problemen, es gibt für Schulen, die vor besonderen Herausforderungen stehen, nicht mehr Geld, es gibt nicht mehr Personal für jene Volksschulen, die es brauchen. Das wird sich in den nächsten Jahren sicher gesamtvolkswirtschaftlich auswir­ken, denn das Schlechteste, was man tun kann, ist, nicht in die Bildung zu investieren.

Das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit sind weg. Sie sind keine Familienpartei, bei allem Respekt, und die Entscheidung zur Verhinderung dieser Investitionen, die 2016 gefällt wurde, ist moralisch nicht in Ordnung. Zum Schluss spreche ich hier für viele Tausende, die das wahrscheinlich gerne an meiner Stelle gesagt hätten: Schämen Sie sich! (Beifall bei der SPÖ.)

14.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.52.07

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte eingangs einen kurzen Lagebericht zur Personalsituation in unserem Bildungssystem – im Schulsystem, im Elementarbereich, in den Kindergärten – bringen. Sie wurde sehr treffend von einer oberösterreichischen Tageszeitung beschrieben, die noch vor den Sommerferien getitelt hat: „Eklatanter Lehrermangel [...]: Schulen retten sich mit Sonderverträgen“. – Die Schulen retten sich mit Überstunden, sie retten sich mit Aufstockungen von Lehrver­pflichtungen, sie retten sich dadurch, dass sie Studenten für den Unterricht heranziehen, oder auch mit pensionierten Lehrern, die einspringen müssen.

Doch nicht nur in den Schulen haben wir dieses Personalproblem, sondern auch im Elementarbereich haben wir Probleme, mit dem Ergebnis, dass erst vor wenigen Tagen hier in Wien 5 000 Personen vor der Votivkirche demonstriert haben. Sie sind zur soge­nannten Kindergartendemo gekommen, auch mit Forderungen nach mehr Personal und nach kleineren Gruppen.

Was tut die Regierung? – Sie legt uns hier einen Gesetzentwurf zur Beschlussfassung vor, gegen den grundsätzlich nichts spricht – wir Freiheitliche werden diesem Gesetzent­wurf zustimmen –, die derzeit völlig unbefriedigende Situation, Herr Bundesminister, wird sich dadurch aber nicht auflösen. Es wird also so weitergehen.

Es ist einerseits gut, dass man Quereinstiegsmöglichkeiten schafft, dass man den Berufs­wechsel erleichtert – das sollte grundsätzlich auch in den Schulen möglich sein. Was aber tut die Regierung nicht, oder was sollte die Regierung tun? Eines der größten Problemfelder in diesem Bereich ist ja, dass wir zwar an den berufsbildenden höheren


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 110

Schulen für Elementarpädagogik ausreichend Absolventen haben, viele Absolventen haben, nur wenige von ihnen aber nach der Matura tatsächlich in diesem Berufsfeld aktiv werden.

Da muss man ganz einfach die Arbeitsbedingungen in Angriff nehmen, die Verdienst­möglichkeiten ändern. Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten variieren je nach Bundesland, ich denke, da braucht es grundsätzlich eine einheitliche Regelung, die im gesamten Bundesgebiet gleichlautend ist. Es braucht eine Attraktivierung der Besol­dungs- und der Belohnungsmöglichkeiten, und diese Attraktivierung muss auch für Män­ner geschaffen werden, damit mehr Männer in diesen Beruf, in diese Sparte kommen.

Zu den Einrichtungen der frühkindlichen Bildung: Unsere Kindergärten sind neben der Familie ein ganz, ganz wichtiger Grundpfeiler unseres Bildungssystems. Die Kinderbe­treuungseinrichtungen sind für unsere Kinder ein Lebensraum, in dem sie ergänzend zur Familie ein Umfeld vorfinden sollen, das ihnen die besten Entwicklungsmöglichkeiten, die besten Chancen sichert.

Ein Punkt noch, Herr Bundesminister, zum Schluss: Ich denke, es wäre auch eine Auf­gabe, da private Initiativen massiv zu fördern und zu unterstützen. Der Ausbau von Be­triebskindergärten bietet viele Vorteile sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer. Um ein Beispiel zu nennen: Alleine aufgrund der Arbeitszeiten, die entsprechend ange­passt werden können, wäre die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und das trifft vor allem Mütter  eine bessere, es würde sich daran auch eine höhere Lebensqualität anschließen.

Hohes Haus, diesem Gesetzentwurf, der neue Quereinstiegsmöglichkeiten bietet, wer­den wir zustimmen. Das kann aber nicht der Schluss sein, da muss noch mehr kommen, da muss noch mehr folgen, denn unsere Kinder müssen uns das schlussendlich auch wert sein. (Beifall bei der FPÖ.)

14.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Kollegin Hamann, Sie wissen, dass wir um 15 Uhr mit der Dringlichen Anfrage beginnen. 3 Minuten – das wird wahrscheinlich eine Punkt­landung werden. (Abg. Hamann: Dann muss ich halt schneller reden!) – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.56.32

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Herr Präsident! Lieber Herr Bundes­minister! Ja, die Elementarpädagogen und Elementarpädagoginnen haben sich heute draußen auf der Straße wieder in Erinnerung gerufen – und das ist gut so. Ich möchte ihnen nicht nur für ihre Arbeit danken, sondern auch für ihren Protest (Beifall bei Abge­ordneten von Grünen und ÖVP – Zwischenruf der Abg. Kucharowits), weil er uns immer wieder daran erinnert, wie wichtig ihr Beruf ist, und dass ohne das, was sie jeden Tag machen, alles zusammenbrechen würde, inklusive unserer Wirtschaft.

Ich verstehe auch sehr gut, dass viele von ihnen unter den derzeitigen Arbeitsbedin­gungen ausbrennen. Was sie und was wir alle brauchen, ist völlig klar: mehr Zeit, auch für Vorbereitung und Reflexion, für Gespräche, kleinere Gruppen, weniger Stress, bes­sere Bezahlung und auf jeden Fall einheitliche Standards in ganz Österreich. (Neuer­licher Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)

Vieles von dem, was ich jetzt aufgezählt habe, eigentlich alles, ist im Moment Kompetenz der Länder, auch von Wien – was Kollegin Vorderwinkler gerade vorhin erwähnt hat. Dass wir uns alle einig sind, dass wir da etwas ändern müssen, ist wunderbar. Ich zähle darauf, dass im Zuge der 15a-Verhandlungen, die jetzt stattfinden, wir alle von allen Seiten anschieben, damit dabei auch etwas Substanzielles herauskommt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Vorderwinkler.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 111

Zuständig ist der Bund nur für eines: für die Ausbildung. Das Problem ist ja bekannt, dass viele der Personen, die wir ausbilden, nicht im Beruf bleiben. Wir haben eine Aus­bildungsoffensive gestartet, ich erinnere an die fünf neuen Kollegstandorte, und auch – das hat Kollegin Totter schon erwähnt – an die Möglichkeit der Fachkräftestipendien, um die Zeit der Ausbildung zu finanzieren.

Ich möchte die Gelegenheit gleich für einen Appell nützen: Machen Sie das, nützen Sie die Chance, diese Ausbildung zu machen! Es werden in der Elementarpädagogik dringend Menschen mit verschiedensten Hintergründen gebraucht. Es kann ein fordernder, aber auch ein sehr spannender und schöner Beruf sein.

Ein paar Worte zur Gesetzesvorlage: Teil dieser Ausbildungsoffensive, die wir begonnen haben, ist ja die Tertiärisierung, das heißt, die Ausbildung auch auf akademischem Niveau. Da gibt es jetzt eben diesen neuen PH-Lehrgang für QuereinsteigerInnen, die nicht aus den Bafeps kommen, und diese bekommen dank dieser Gesetzesvorlage die Berufsberechtigung. Neu ist außerdem auch der Lehrgang für Inklusive Elementarpäda­gogik, der von den Bafeps auf die PHs wandert, was selbstverständlich auch mit einer Aufwertung einhergeht.

Und weil Sprache auch immer Bewusstsein schafft, war die Umbenennung der Bezeich­nung KindergärtnerIn, die künftig überall durch das Wort Elementarpädagoge bezie­hungsweise Elementarpädagogin ersetzt wird, dringend notwendig – wie so vieles, das in diesem Bereich noch weitergehen muss. Ich kann Ihnen versprechen: Wir bleiben dran. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ich die Verhandlungen unterbreche, darf ich mitteilen, dass sich der Herr Vizekanzler aufgrund eines Verkehrsproblems minimal verspätet. Sollte er nach meinen einleitenden Worten noch nicht da sein, werde ich die Sitzung kurz unterbrechen, damit er an der Debatte teilnehmen kann und auch hört, was Sie zu sagen haben.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über Punkt 6 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Ich unterbreche die Sitzung, bis der Herr Vizekanzler einlangt.

15.01.21*****

(Die Sitzung wird um 15.01 Uhr unterbrochen und um 15.02 Uhr wieder aufge­nom­men.)

15.02.07*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Sitzung wieder aufnehmen und den Herrn Vizekanzler herzlich begrüßen.

15.02.18Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanz­ler betreffend „Schluss mit Schreddern – Aufklärung statt Aktenvernichtung, Herr Bundeskanzler!“ (8234/J)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 112

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 8234/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Die „Operation Reisswolf“ sorgte im Sommer 2019 für großes Aufsehen. Damals wurde bekannt, dass ein Mitarbeiter des Kabinetts des Bundeskanzlers kurz nach Veröffent­lichung des Ibiza-Videos fünf Festplatten unter falschem Namen bei der Firma Reisswolf schreddern ließ. Mehrere Ermittlungsverfahren folgten, wurden jedoch zum Teil unter dubiosen Umständen und mit Hilfe von Weisungen ÖVP-naher Beamter eingestellt.

Die unterzeichneten Abgeordneten erhielten nunmehr von Whistleblowern beunruhi­gende Informationen aus dem Bundeskanzleramt: Nach dem Schreddern von Festplatten scheint sich die Vorgangsweise dort professionalisiert und massiv ausgeweitet zu haben. Nun­mehr sollen mit Stichtag 10. November sämtliche (!!) Daten von MitarbeiterInnen des Kanzleramts am Outlook-Server sowie in der elektronischen Dateiablage, die älter als ein Jahr sind, zentral und serverseitig gelöscht werden. Dies ist aus mehreren Gründen verstörend und hochgradig bedenklich.

Zunächst zur Chronologie:

4. Oktober 2021:

-             Die WKStA informiert das Innenministerium (Bundesamt für Korruptions­bekämp­fung) über die gerichtliche Bewilligung der Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt, dem Finanzministerium und der ÖVP-Zentrale.

-             Um 12:58 Uhr beginnt ein Mitarbeiter des Kanzleramts auf Anweisung des Ge­neralsekretärs und Kurz-Intimus Bernd Brünner mit der Ausarbeitung eines Dokuments, das den Bediensteten des Kanzleramts die vorgesehene serverseitige Löschung ihres gesamten Outlook-Datenbestands sowie serverseitiger Speicher mit 10. November 2021 ankündigt.

-             Um ca. 15 Uhr versendet der Leiter der IT-Abteilung des Kanzleramts das genannte Dokument unter Hinweis auf eine Besprechung „mit dem Herrn General­sekretär“ an die Personalvertretungen.

5. Oktober 2021:

-             Andreas Hanger gibt in der ÖVP-Zentrale eine skurrile Pressekonferenz, bei der er von „konkreten Plänen“ für Hausdurchsuchungen bei der ÖVP berichtet und die Justiz in selbst für ihn ungekannter Manier beschimpft und verunglimpft

-             Die Beschuldige Meinungsforscherin Sabine Beinschab löscht umfassend Daten.

6. Oktober 2021:

-             Die WKStA führt die gerichtlich bewilligten Hausdurchsuchungen ab frühmorgens im Bundeskanzleramt, Finanzministerium, bei der Tageszeitung „Österreich“ und in der ÖVP-Zentrale durch.

Die Originalunterlagen wurden den unterzeichneten Abgeordneten zugespielt:

-             E-Mail des IT-Abteilungsleiters:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 113

-             Anordnung des Generalsekretärs Bernd Brünner:

Der Ibiza-Untersuchungsausschuss musste erst beim Verfassungsgerichtshof die Vor­lage von E-Mails von MitarbeiterInnen des Sekretariats des damaligen Bundeskanzlers Kurz durchsetzen. Nunmehr sollen solche Beweisanforderungen des Untersuchungs­ausschusses von vornherein verhindert werden. Denn wo nichts mehr existiert, kann nichts mehr gefunden werden – so offenbar die Devise bei der türkise Truppe im Kanz­leramt.

Wohlgemerkt wurde bereits damals vom Kabinettschef Bonelli auf die IT-Abteilung Einfluss genommen, um keinen übertriebenen Aufwand bei der Datenwiederherstellung zu treiben. Externe Gutachter, die auf dieses Problem hinwiesen, wurden einfach nicht beauftragt bzw. nicht mehr kontaktiert.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 114

All dies erhärtet den Verdacht, dass die geplanten Hausdurchsuchungen der WKStA vorab verraten wurden und eine systematische Behinderung der Aufklärungsarbeit so­wohl der Staatsanwaltschaft als auch des Parlaments mit seinem neuen Untersuchungs­ausschuss durch ÖVP-Gefolgsleute in den Bundesministerien im Gange ist. Denn der neue Untersuchungsausschuss kann selbst bei voller Kooperation der ÖVP erst am 17. November eingesetzt sein. Der Vergleich mit Mafia-Methoden verdichtet sich immer mehr.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Anfrage

1.          Warum wurden die Vorbereitungen für die Datenlöschung gerade am 4. Oktober 2021 begonnen?

2.          Warum wurde die Datenlöschung binnen drei Stunden und somit in enormer, unüblicher Eile vorbereitet und versandt?

3.          Aus welchen dienstlichen Gründen ergab sich die Dringlichkeit der Maßnahme?

4.          Wurde zur Löschung ein Akt angelegt und wenn ja, unter welcher Nummer?

5.          Welche Personen sind im Akt vermerkt?

6.          Wie lautete der von Generalsekretär Bernd Brünner erteilte Auftrag?

7.          Wurde dieser Auftrag schriftlich erteilt?

8.          Handelte es sich dabei um eine Weisung?

9.          Wurde der Weisung von Bediensteten wegen möglicher Rechtswidrigkeit widersprochen?

10.        Wann wurde der Auftrag bzw. die Weisung genau erteilt?

11.        Das Mail des IT-Abteilungsleiters referenziert auf eine Besprechung mit dem Generalsekretär. Um welche Besprechung handelte es sich dabei?

12.        Wurde der Bundeskanzler über diese geplante Vorgangsweise informiert?

13.        War das Kabinett des Bundeskanzlers in die Vorgangsweise eingebunden?

14.        Welche anderen Daten wurden zwischen 4. Oktober 2021 und dem heutigen Tag im Bundeskanzleramt vernichtet?

15.        Welche Gegenstände wurden zwischen 3. Oktober 2021 und dem heutigen Tag im Bundeskanzleramt vernichtet?

16.        Wurden Geräte wie Computer oder Festplatten im genannten Zeitraum aus dem Bundeskanzleramt entfernt?

17.        Welche Transportunternehmen führten zwischen 3. Oktober 2021 und 6. Oktober 2021 Aufträge für das Bundeskanzleramt durch?

18.        Welche Datenmenge befindet sich derzeit auf den Exchange-Servern des BKA?

19.        Wie viele E-Mails des Kabinetts sind aktuell im System gespeichert?

20.        Warum wurde der 10. November 2021 (Mittwoch in der Mitte des Monats) als Tag der Löschung gewählt?

21.        Welchen Zeitraum decken die Back-Ups des Bundesrechenzentrums bzw. des Zentralen Ausweichsystems des Bundes (ZAS) aktuell ab?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 115

22.        Sollen auch diese Back-Ups gelöscht werden?

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Abgeordnetem Krainer als erstem Frage­steller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Mi­nuten nicht überschreiten darf, das Wort erteilen. – Herr Abgeordneter, bitte sehr.


15.02.50

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute eine Dringliche Anfrage betreffend „Schluss mit Schred­dern – Aufklärung statt Aktenvernichtung, Herr Bundeskanzler!“ eingebracht. Der Bun­deskanzler ist in Brüssel und wird vom Herrn Vizekanzler vertreten. – Vielen Dank, dass Sie das übernehmen.

Warum das dringend ist, kann man relativ einfach erklären: Wir hatten ja den Ibiza-Unter­suchungsausschuss, und wenn ein Untersuchungsausschuss das Handeln der Regie­rung kontrollieren soll, dann will der Untersuchungsausschuss natürlich die Kommuni­kation und auch die Kalender vom Minister, von Kabinettsmitarbeitern, von Kabinetts­mitarbeiterinnen haben, damit man sehen kann, wie sie Einfluss auf die Geschäfte ihres Ressorts genommen haben.

Als wir das angefordert haben, haben wir von allen ÖVP-Ministerien die Antwort be­kommen: Wir haben alles gelöscht! Es gibt keinen Kalender, der ist gelöscht, es gibt keine E-Mails, die sind alle gelöscht! Alle Kabinettsmitarbeiter haben alles gelöscht.

Wir sind dann einen Umweg gegangen und haben die Kommunikation von Beamten des Hauses mit Ministern beziehungsweise mit Mitarbeitern des Ministers oder der Ministerin angefordert. Dafür mussten wir zwar zum Verfassungsgerichtshof gehen, weil man das auch nicht rausrücken wollte, aber am Ende musste, sowohl aus dem Finanzministerium als auch aus dem Bundeskanzleramt, geliefert werden.

Beim Finanzministerium musste erst der Bundespräsident dafür sorgen, dass geliefert wird. Beim Bundeskanzleramt war das Beispiel des Finanzministers Blümel offenbar ab­schreckend genug, dass es selber geliefert hat, und da hatten wir sehr, sehr viele Treffer.

Der Bundeskanzler sagte zum Beispiel, sein Kalender sei gelöscht, er habe ihn gar nicht mehr. Wir haben dann aber Teile seines Kalenders bekommen, weil die in elektronischen Dateien und E-Mails bei anderen Beamten des Hauses gespeichert waren. Wir haben eine Reihe von Kommunikationen zwischen Kabinettsmitarbeitern und Beamtinnen und Beamten bekommen, aus denen wir die Einflussnahme und die Absprachen der ÖVP-geführten Ressorts mit der Novomatic betreffend Casinos und dergleichen herauslesen konnten.

Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass es diese E-Mails, Akten und Unterlagen gibt, denn wenn wir Minister, Bundeskanzler, Kabinette haben, die nichts anderes tun, als ihre ganzen Unterlagen zu schreddern und zu löschen, kommen wir so trotzdem über Umwege an wichtige Kommunikation heran, die wir brauchen, damit ein Untersuchungs­ausschuss seine Arbeit machen kann.

Jetzt haben wir seit mehreren Tagen, bereits seit über einer Woche Hinweise darauf bekommen, dass in mehreren Ministerien – im Finanzministerium, im Innenminis­te­rium – und im Bundeskanzleramt große Löschaktionen, große Schredderaktionen vorbe­reitet werden. Gestern spät in der Nacht haben wir das erste Mal Beweise bekommen, dass genau das vorbereitet wird, genau das geplant ist, und zwar im Bundeskanzleramt.


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Der Zeitplan dazu ist auch höchst interessant: Am 4. Oktober werden Beamte des Innen­ministeriums über die bevorstehenden Hausdurchsuchungen bei der ÖVP, im Bundes­kanzleramt et cetera informiert, und am selben Tag kommt offenbar der Auftrag des Generalsekretärs – zu dem komme ich später noch –, dass diese Löschaktion vorbe­reitet werden soll. Noch am selben Tag geht ein E-Mail an die Personalvertreter des Hauses raus, mit dem sie informiert werden, dass diese Löschaktion vorbereitet wird. Es gibt auch schon ein Datum für den Tag des großen Löschens, nämlich den 10. No­vem­ber.

Bisher war es im Bundeskanzleramt so, dass alle E-Mails, alle Kalendereinträge von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses in einer Art elektronischem Tresor waren. Nach einem Jahr sind sie in diesen Tresor gekommen. Jeder Mitarbeiter hatte den Schlüssel, konnte immer seine E-Mails, seine Kalendereinträge und so weiter anschauen, suchen, was er noch braucht, und konnte natürlich Sachen, die er nicht mehr braucht, jederzeit löschen.

Jetzt soll das umgedreht werden, jetzt soll alles, was über ein Jahr alt ist, automatisch gelöscht werden. Am 10. November soll diese große Löschung quasi stattfinden, und nur das, was manuell schnell in Sicherheit gebracht wird, würde dann überhaupt beste­hen bleiben. Dieser Auftrag kommt von einem gewissen Bernd Brünner. Bernd Brünner ist nicht jemand, den alle besonders gut kennen. Ich hoffe, dass der ehemalige Bun­deskanzler Kurz ihn kennt, denn er sagte ja vor Kurzem auch, dass er seinen Presse­sprecher nicht allzu gut kennt.

Hier (eine Tafel mit Fotos von Sebastian Kurz und weiteren Personen in die Höhe hal­tend und der Reihe nach auf die jeweiligen Fotos deutend) haben wir das Team des Projekt Ballhausplatz, das sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Projekt Ball­hausplatz: in der Mitte natürlich der ehemalige Bundeskanzler Kurz, Stefan Steiner zum Beispiel, der als Beschuldigter geführt wird, ebenso Gerald Fleischmann – Herr Kurz wird ja auch in mehreren Verfahren als Beschuldigter geführt – und Herr Bernd Brünner, der im Projekt Ballhausplatz – bei der Übernahme des Bundeskanzleramts – dafür zu­ständig war, dass dort möglichst schnell alle nicht-türkisen Sektionschefs und Abtei­lungs­leiter entfernt und durch Getreue ersetzt werden. Das war seine Aufgabe.

Bernd Brünner war auch der erste Kabinettschef von Herrn Kurz als Bundeskanzler und ist seitdem von ihm als Generalsekretär eingesetzt gewesen – und er hat diesen Auftrag gegeben. Er hat diesen Auftrag zur großen Löschung gegeben, noch dazu zu einem Zeitpunkt, als Herr Kurz noch im Amt war. (Abg. Strasser: Ganz transparent!)

Da kommt von der rechten Hand des Bundeskanzlers an alle Beamtinnen, an alle Beamten des Hauses der Auftrag – das letzte Mal hat der Untersuchungsausschuss Material bekommen, das geht nicht ein zweites Mal –: Wir werden am 10. November alles löschen, alles löschen, was nicht manuell gesichert ist! – Das ist der Auftrag, was da passieren soll, den die rechte Hand des ehemaligen Bundeskanzlers Kurz gegeben hat. Ich sage: Das darf sich ein Parlament nicht gefallen lassen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Das geht einfach nicht. Seit einigen Wochen ist allen, die es wissen wollen, bekannt, dass ein neuer Untersuchungsausschuss kommt, der dort beginnt, wo der Ibiza-Unter­suchungsausschuss aufgehört hat. Der wurde ja wegen großen Erfolges von der ÖVP abgedreht, und deswegen kommt jetzt ein neuer. (Zwischenruf des Abg. Gahr.) Wir wissen, das ist alles eine Zeitverzögerung. Wir wissen, dass die Akten und die Unter­lagen vom Parlament an die Ministerien zurückgestellt werden mussten.

Wir haben ja damals, weil beteuert wurde, es werde nichts gelöscht, es werde nichts geschreddert, einen Antrag eingebracht, in dem die Bundesregierung explizit aufgefor­dert wurde, diese Akten und Unterlagen zu archivieren und nicht zu schreddern, nicht zu


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löschen. Der wurde leider noch von einer Mehrheit hier im Haus abgelehnt. Wir sehen, es beginnt das große Löschen und das große Schreddern, und wir haben jetzt erstmals Beweise dafür.

Wir sind gespannt, ob wir nicht auch noch Beweise bekommen, dass genau diese Vorgangsweise nicht nur im Bundeskanzleramt, sondern genauso im Finanzministerium und in anderen Ministerien vorbereitet wird oder womöglich bereits praktiziert wurde. Wir werden aber sicher nicht lockerlassen.

Der Untersuchungsausschuss ist noch nicht eingesetzt, sondern er ist erst eingebracht. Da bedarf es noch der Behandlung im Geschäftsordnungsausschuss und einer weiteren Plenarsitzung. Wir wissen alle: Die nächste Plenarsitzung ist am 17. November, also eine Woche nach dem Tag des großen Löschens. Das ist der frühestmögliche Zeitpunkt, zu dem er eingesetzt wird, und erst wenn er eingesetzt wird, wird das Löschen zu einem Problem für die Regierung. Derweil dürfen sie auf Teufel komm raus löschen. Sobald der Untersuchungsausschuss eingesetzt ist, dürfen sie das nicht mehr.

Jetzt höre ich, dass die ÖVP und die Grünen einen Entschließungsantrag einbringen, mit dem sie diese große Löschaktion absagen. Das hören wir. Ich habe auch bereits ein Exemplar bekommen (eine Kopie in die Höhe haltend), und ich muss Sie darauf aufmerk­sam machen: Dieser Entschließungsantrag löst nicht das Problem. Ich kann Ihnen erklären, wieso.

Im Entschließungsantrag steht: „Die Bundesregierung wird aufgefordert“. – Die Bundes­regierung ist ein Kollegialorgan. Sie kann zum Beispiel über Ministerratsprotokolle ent­scheiden, aber nicht über das Vorgehen in einzelnen Ressorts. Da müsste, wenn über­haupt, die Bundesministerinnen und Bundesminister oder alle Bundesministerinnen und Bundesminister stehen, weil die das jeweils in ihrem eigenen Wirkungsbereich durch­setzen müssen.

Weiters steht darin: Sie werden „aufgefordert, jedenfalls sicherzustellen, dass für die Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrollrechte, wie insbesondere den zuletzt ein­gesetzten Untersuchungsausschuss“ - - – Was ist der zuletzt eingesetzte Untersuchungs­ausschuss? – Der Ibiza-Untersuchungsausschuss. Das ist der zuletzt eingesetzte Untersuchungsausschuss. (Zwischenrufe der Abgeordneten Blimlinger und Maurer.) – Ich sage es Ihnen: Der zuletzt eingesetzte Untersuchungsausschuss ist nicht der ÖVP-Korruptionsausschuss. Der ist eingebracht, der ist verlangt, aber nicht eingesetzt. Eingesetzt kann er erst im nächsten Plenum werden, am 17. November. Das heißt, die Formulierung mit dem „zuletzt eingesetzten Untersuchungsausschuss“ bezieht sich auf den Ibiza-Untersuchungsausschuss und nicht den ÖVP-Korruptionsausschuss. (Zwi­schenruf des Abg. Stögmüller.)

Dann steht da noch, dass ausschließlich „im Bundeskanzleramt“ die „vorgesehene auto­matisierte Löschung“ von allen Dateien, Kalendereinträgen und E-Mails, „die älter als 365 Tage sind“, „ausgesetzt werden“ soll. Sie schreiben nicht einmal hin, bis wann. Für zwei Tage, für vier Tage? Ich weiß, das meinen Sie nicht, aber wenn Sie diesen Ent­schließungsantrag ernst nehmen und ernst meinen, dann müssen Sie auch hin­schreiben, wie lange das ausgesetzt sein soll. Für die Dauer des Ausschusses? Ich weiß es nicht, aber Sie müssen hinschreiben, bis wann, weil es sonst halt für zwei Tage ausgesetzt ist.

Der Antrag ist an die falsche Person gerichtet, es ist der falsche Untersuchungs­aus­schuss genannt, weil der ÖVP-Korruptionsausschuss noch nicht eingesetzt ist (Abg. Maurer: Mimimimimi! – Zwischenruf des Abg. Stögmüller), und es muss auch ganz klar gesagt werden, wie lange die Aussetzung dauert.


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Es ist sehr lustig, Frau Kollegin Maurer, dass Sie jetzt „Mimimimimi“ sagen. Das ist kein mimimimimi, denn es geht um ein Kontrollrecht dieses Hauses. (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Früher hat es einmal Grüne gegeben, denen dieses Kontrollrecht heilig war. Ich weiß, dass Ihnen das nicht heilig ist. Ich weiß, wie Sie damit umgehen, nämlich persönlich. Solche Zwischenrufe sollten Sie sich wirklich sparen. (Abg. Wöginger: Und du solche Dringlichen! – Abg. Strasser: Solche Fantasiekonstrukte! – Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Ich sage noch eines, bevor ich zum Schluss komme: Wir sind sehr gespannt auf die Anfragebeantwortung. Ich möchte besonders auf Frage 17 aufmerksam machen. Da geht es nämlich darum, dass wir auch Hinweise haben, dass wenige Stunden vor der Hausdurchsuchung ein externer Dienstleister, ein Transportunternehmen, Sachen aus dem Bundeskanzleramt abgeholt hat und angeblich verschiedene Ordner, verschiedene Akten, Unterlagen, angeblich sogar PCs eingeladen und weggeführt wurden. (Zwischen­ruf des Abg. Hörl.) Wir sind sehr gespannt, ob diese Informationen, die wir haben, wirklich akkurat sind und ob wirklich wenige Stunden vor der Hausdurchsuchung Akten, Unterlagen und Computer aus dem Bundeskanzleramt abgeholt worden sind.

Ich ersuche wirklich alle, vor allem auch die Regierungsparteien, das ernst zu nehmen. Es geht nicht, dass Ministerien, das Bundeskanzleramt et cetera wenige Tage bevor ein Untersuchungsausschuss beginnt großflächig löschen und schreddern, damit sie dann dem Untersuchungsausschuss keine Akten liefern müssen. Etwas, das es nicht gibt, kann man nicht liefern, das ist schon klar. Wir müssen als Parlament wirklich ein ernst­haftes Zeichen setzen, dass wir es nicht zulassen, dass so mit dem Kontrollrecht um­gegangen wird.

Ich ersuche Sie wirklich, diesen Entschließungsantrag entsprechend abzuändern, weil er sonst nämlich überhaupt keine Wirkung hat. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

15.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Kogler. Ich darf ihm das Wort erteilen. – Bitte sehr, Herr Vizekanzler.


15.15.49

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Hohes Haus! Das ist eine außergewöhnliche Situation. So oft kommt es, glaube ich, nicht vor, dass der Vizekanzler die Beantwortung einer Dringlichen Anfrage für einen Bundeskanzler vornimmt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Rauch.) Es ist aber klar geregelt. Ich darf Ihnen diese Regeln auch gleich näherbringen, damit es zu keinen Missverständnissen kommt.

Jedenfalls: Bundeskanzler Schallenberg hält sich heute in Brüssel auf und trifft dort unter anderem Kommissionspräsidentin von der Leyen oder hat sie schon getroffen, und er hat dort noch weitere Termine im Zuge seiner ersten Auslandsreise. Dies hat er mir mitgeteilt, das haben wir besprochen – ich habe diese Auslandsreise im Übrigen begrüßt –, und er hat mich bei dieser Gelegenheit und dann in der Folge schriftlich auch darum gebeten, ihn gegebenenfalls – dieser Fall ist eingetreten – im Parlament zu vertreten. Eine umfassende Vertretung in allen seinen Aufgaben ist bei einem EU-Aufenthalt allerdings nicht in unserer Verfassung vorgesehen, sehr wohl aber eine parlamentarische Vertretung. Das findet ja gerade statt.

Die Anfrage der Abgeordneten der Sozialdemokratischen Partei richtet sich nun eben an den Bundeskanzler und wurde von den verantwortlichen Beamten im BKA und dem Kabinett in der aufrechten übertragenen Ministerverantwortung des Bundeskanzlers


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beantwortet. Ich habe darüber hinaus versucht, Bundeskanzler Schallenberg in Brüssel telefonisch zu erreichen. Das ist nicht gelungen – so weit, so gut –, es liegt aber die schriftliche Mitteilung des Kabinettschefs vor, dass der Bundeskanzler, Kollege Schallenberg, mit dem Inhalt der dann folgenden Anfragebeantwortung einverstanden ist.

Ich hoffe jedenfalls, dass ich mit dieser Vorgangsweise eine für alle Seiten nach­vollzieh­bare gewählt habe und die Darstellung der Ergebnisse dann auch entsprechend einge­ordnet werden kann.

Ich werde extra ausweisen, wenn ich – und das betrifft jetzt nur die folgende Passage – in meiner Verantwortung als Vizekanzler und Minister etwas sagen möchte. Ich möchte in dieser Verantwortung festhalten, dass es weder in meinem noch in einem anderen grün geführten Ressort, jedenfalls nach meinem Informationsstand, eine Anordnung zur zentralen Löschung von Daten gibt und es auch keine geben wird. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Zwischen der Zielsetzung und den Maßnahmen im Projekt IT-Konsolidierung, das ja ein gutes ist – es ist auch im Regierungsprogramm zu finden –, und einer allfällig möglichen Anordnung von Löschungen von E-Mails und Daten besteht deshalb aus meiner Sicht und der Sicht meiner Ressortkollegen, die ich angesprochen habe, kein kausaler Zu­sammenhang. (Abg. Rauch: Sagt wer?) Ich betone aber: einer allfällig möglichen Anordnung von Löschungen von E-Mails. Das wird sich ja noch aufklären, denken wir. Abschließend: Der Umsetzungsstand ist bei dieser IT-Konsolidierung je nach Ressort natürlich unterschiedlich weit gediehen – so weit meine Stellungnahme dazu.

Nun werde ich im Sinne des Anliegens der unterzeichneten Abgeordneten die Antworten auf die Dringliche Anfrage an den Bundeskanzler Ihnen, sehr geehrte Abgeordnete, zur Kenntnis bringen. Ich hoffe, Sie haben alle die Unterlagen vor sich liegen, was die Anzahl und die genaue Ausformulierung der Fragen betrifft, und erlaube mir deshalb, nur die Nummern der Fragen anzugeben.

Zu den Fragen 1 bis 3 antwortet das Bundeskanzleramt beziehungsweise der Bundes­kanzler:

Bei den in der Anfrage genannten Dokumenten geht es um Prozessschritte im Rahmen eines Projekts der IT-Konsolidierung, die eine gemeinsame Anstrengung aller Minis­terien der Bundesregierung ist. Dabei sollen IT-Systeme, so möglich, in das Bundes­rechenzentrum übertragen werden, da dort aufgrund des vorhandenen Fachwissens teilweise noch bessere und höhere Sicherheitsstandards für die IT-Systeme gewähr­leistet werden können als in den Ministerien selbst.

Für die Umsetzung der IT-Konsolidierung in den einzelnen Ressorts gibt es daher einen Beschluss aller Generalsekretariate aus dem Juni 2020. In der Folge wurde im August 2020 ein Lenkungsausschuss bestehend aus BKA, BMKÖS, BMF und BMDW einge­richtet. Vor diesem Hintergrund plant das Bundeskanzleramt die Migration der bishe­rigen IT-Infrastruktur samt darauf verfügbarer IT-Anwendungen, unter anderem eben Microsoft Exchange, in das Bundesrechenzentrum.

Seit Jahresbeginn 2021 finden dazu gemeinsame konzeptionelle Arbeiten mit dem Bun­desrechenzentrum statt. In diesem Rahmen wurde auch die IT-Umgebung im Bun­desrechenzentrum für die Verwaltung der E-Mails abgestimmt. Die technischen Vorbe­reitungsmaßnahmen dazu, insbesondere mit dem Bundesrechenzentrum, laufen seit Juli dieses Jahres. Im Rahmen der Übertragung von Exchange – des Servers jetzt – als einem Teilprojekt der IT-Konsolidierung im Bundeskanzleramt findet seit September auch die Einbeziehung der Personalvertretung statt.


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Das Bundeskanzleramt plant mit der Migration der E-Mail-Applikationen in das Bun­desrechenzentrum einen Schritt, den auch viele andere Dienststellen des Bundes derzeit planen oder bereits vollzogen haben. Darunter sind das Bundesministerium für Finanzen, die Bundesbuchhaltungsagentur, das Bundesministerium für Arbeit, die Sek­tion Familie und Jugend des Bundeskanzleramts, retrospektiv das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, das Bundesministerium für Klimaschutz, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. – So weit die Erhebungen im Bundeskanzleramt.

Das Vorgehen, das im E-Mail vom 4. Oktober an die Personalvertretung beschrieben ist, wurde bereits im Rahmen einer Sitzung mit den Dienststellenausschüssen am 14. Sep­tember thematisiert. Für die Rückmeldung wurde auch auf die gesetzlich vorgesehene Frist in solchen Fällen verwiesen.

Zu den Fragen 4 und 5 antwortet das Bundeskanzleramt beziehungsweise der Bun­deskanzler:

Eine gesamthafte Löschung war und ist nicht vorgesehen, vielmehr werden IT-Anwen­dungen für die Migration in das Bundesrechenzentrum vorbereitet. An der Verfügbarkeit bestehender Daten ist keine Änderung vorgesehen. Die technische Umsetzung wurde noch nicht begonnen, daher gibt es auch noch keinen aktenmäßigen Ablauf. Es handelt sich bei dem Informationsschreiben um ein Konsultationsverfahren nach PVG § 9, in dem, wie gesetzlich vorgesehen bei solchen Projekten, die angesprochene Personal­vertretung eingebunden wird.

Zu den Fragen 6 bis 10 antwortet das Bundeskanzleramt beziehungsweise der Bundeskanzler:

Das vorliegende Informationsschreiben wurde im Rahmen des Projekts Umsetzung der IT-Konsolidierung im Bundeskanzleramt und regelmäßige Informationen über den Fortschritt – so der Projektname – von der zuständigen Gruppe im Bundeskanzleramt konzipiert. Der Auftrag für die Abstimmung mit der Personalvertretung wurde im Rahmen der im Haus vorgesehenen Strukturen durch den Generalsekretär mündlich erteilt. Es handelt sich dabei um eine Arbeitsanweisung, es haben keine Bediensteten wider­sprochen. Der Auftrag zur IT-Konsolidierung wurde schriftlich erteilt, und zwar im Juni 2020.

Zur Frage 11 antwortet das Bundeskanzleramt beziehungsweise der Bundeskanzler:

Es handelt sich um eine Sitzung mit den Dienststellenausschüssen vom 14. September 2021.

Zu den Fragen 12 und 13 antwortet das Bundeskanzleramt beziehungsweise der Bundeskanzler:

Der Bundeskanzler und sein Kabinett sind über die Umsetzung des Regierungs­pro­gramms und der darin enthaltenen IT-Konsolidierung informiert.

Zu den Fragen 14 bis 16 antwortet das Bundeskanzleramt beziehungsweise der Bun­deskanzler:

In dem Zeitraum wurden keine zentralen Löschungen durchgeführt oder angeordnet und auch keine Geräte entfernt.

Ich habe, glaube ich, in Erinnerung, dass Abgeordneter Krainer Frage 17 explizit auf­gerufen hat, deshalb will ich Ihnen als ein Sonderservice Frage 17 vortragen: „Welche Transportunternehmen führten zwischen 3. Oktober 2021 und 6. Oktober 2021 Aufträge für das Bundeskanzleramt durch?“


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Zur Frage 17 antwortet das Bundeskanzleramt beziehungsweise der Bundeskanzler:

Das Bundeskanzleramt hat in der Zeit von 3. bis 6. Oktober 2021 keine Trans­port­unter­nehmen beauftragt.

Zu den Fragen 18 und 19 antwortet das Bundeskanzleramt beziehungsweise der Bun­deskanzler (Zwischenrufe bei der SPÖ) – ziehen Sie Ihre Schlüsse selbst, aber lassen Sie mich die letzten Fragen noch beantworten –:

Die Datenmengen auf den Exchange-Servern unterliegen einer ständigen technischen Dynamik. Derzeit werden für die Nutzung der Applikationen des Bundeskanzleramts Daten in der Größenordnung von mehreren 100 Terabyte gespeichert. Diese inkludieren dann aber auch die E-Mail-Postfächer der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Zur Frage 20 antwortet das Bundeskanzleramt beziehungsweise der Bundeskanzler:

Es handelt sich dabei um kein Datum einer Löschung, sondern der Datenmigration, und ist ein in Abstimmung befindliches Datum, um sicherzustellen, dass im Rahmen dieser angesprochenen Migration keine Daten verloren gehen.

Zur Frage 21 antwortet das Bundeskanzleramt beziehungsweise der Bundeskanzler:

Der Zeitraum bleibt unverändert bei einem Jahr.

Abschließend antwortet zur Frage 22 das Bundeskanzleramt beziehungsweise der Bundeskanzler:

Eine Löschung im Rahmen der Migration ist nicht vorgesehen.

Damit sind, denke ich, vom Bundeskanzleramt alle Fragen beantwortet. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Leichtfried ist zu Wort gemel­det. – Bitte sehr.


15.27.07

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Ge­schätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! (Abg. Hörl: Entschuldige dich jetzt für die Vorwürfe vom Krainer!) Herr Vizekanzler Kogler, ich bin jetzt schon ein bisschen entsetzt. Sie kennen mich gut, wir kennen uns gut: Wenn ich ein bisschen entsetzt sage, bin ich eigentlich ordentlich entsetzt. (Abg. Hörl: Na was jetzt?)

Ich war schon entsetzt, als die Grünen gemeinsam mit den Türkisen den Ibiza-Unter­suchungsausschuss abgedreht haben (Abg. Hörl: Der ist ausgelaufen, mein Freund!), weil eigentlich noch genug herauszufinden gewesen wäre. (Abg. Lopatka: Was heißt „abgedreht“?)

Und jetzt, Herr Vizekanzler, wiederholt sich mein Entsetzen ein bisschen. Ich erkenne das an, Sie sagen, in Ihrem Zuständigkeitsbereich wird es keine Löschungen geben. Sie stellen sich aber her und lesen vor, was die türkise Familie Ihnen sozusagen zur Ver­fügung stellt. Das müssen Sie machen, das verstehe ich auch. (Vizekanzler Kogler: Aber Sie kennen schon die Bundesverfassung?) Dass aber kein Wort der Kritik, keine wie immer geartete Kritik an diesen Vorgängen, die jetzt anscheinend im Bundes­kanzleramt stattfinden, geäußert wird – Herr Kogler, das wäre früher sicher nicht so ge­schehen. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) Das muss man auch einmal ganz klar sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Strasser und Wöginger. – Ruf bei der ÖVP: Das ist ja nur Show!)


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Ich darf Sie nur auf eine interessante Antwort aufmerksam machen. À la longue sind wahrscheinlich die meisten Antworten sehr interessant, die Sie vorgelesen haben, ich möchte aber nur auf eines aufmerksam machen. Frage 17 war: Wurden Transporte durchgeführt? Und die Antwort war: Es wurden keine beauftragt! – Das ist schon etwas anderes. Anscheinend sind also Transporte durchgeführt worden, und ich glaube, es wird für die Zukunft sehr interessant sein, was aus dem Bundeskanzleramt abtrans­portiert worden ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Wöginger: Nur Unterstellungen! Nur Unterstellungen! – Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller. – Abg. Strasser: Wo ist jetzt die sachliche Kritik?)

Der Wahlkampf der Grünen war von einigen interessanten Schlagwörtern geprägt, unter anderem dass der Anstand die Grünen wählen würde. Ich glaube, sicher zu wissen (Abg. Wöginger: Ich glaube, sicher zu wissen!), dass Sie jetzt ein bisschen versucht haben, die Fortsetzung der größten Schredderaktion in dieser Republik zu rechtfertigen. (Abg. Stögmüller: Ist das jetzt der Bundeskanzler?!) Das, Herr Vizekanzler, sind nicht Sie, das ist Ihrer nicht würdig! Das muss ich auch einmal ganz, ganz klar sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)

Auch wenn jetzt in dieser – vorgegebenen – Anfragebeantwortung zu erläutern versucht wurde, dass am Ende eh nichts gelöscht wurde (Abg. Stögmüller: Aber geh! Das ist eine schlechte Rede!), geht aus der Anordnung, die der Generalsekretär erlassen hat – und die zählt in diesem Fall, und da steht es wortwörtlich drinnen –, ganz, ganz klar hervor, dass gelöscht wird. (Abg. Tomaselli: Return to sender! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Das ist die größte Löschungsaktion der Zweiten Republik, um zu verhindern, dass weitere Korruption, weitere Missstände und weitere Unmoral in diesem Land aufgedeckt werden. Daran werden wir uns sicher nicht beteiligen. Im Gegenteil: Wir werden alles dafür tun, dass das aufgedeckt wird, geschätzte Damen und Herren! Es ist einfach unpackbar, das muss ich ganz offen sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Womit haben wir es da zu tun? Da können Sie (in Richtung Vizekanzler Kogler) nichts dafür, das ist mir klar, und ich höre schon mit der Kritik an Ihnen auf. (Abg. Prammer: Ja aber dann - -! – Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Womit haben wir es da aber zu tun? – Wir haben es mit dem Versuch zu tun, diese illegale Verhinderung von Daten­lieferungen, wie Herr Blümel es vorgemacht hat, weiter zu betreiben. (Zwischenruf des Abg. Strasser.) Es hat den Verfassungsgerichtshof und den Bundespräsidenten ge­braucht, um das zu unterbinden. Jetzt versucht das Bundeskanzleramt, so davonzu­kommen. Das ist etwas, was nicht akzeptabel ist, geschätzte Damen und Herren! Sie wollen so den Rechtsstaat beugen und das akzeptieren wir einfach nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Wöginger: Das ist eine bodenlose Frechheit, wirklich!)

Geschätzte Damen und Herren! Herr Klubobmann Wöginger hat gerade einen Zwi­schenruf getätigt und gemeint, was ich hier sage sei eine „bodenlose Frechheit“. Ich sage Ihnen etwas: Das, was die türkise Familie treibt, ist eine bodenlose Frechheit, und zwar gegenüber dem ganzen Land! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Die Frage ist aber, und das ist meines Erachtens die wichtigste Frage: Warum tun sie das? Warum machen sie ständig Dinge, die für andere Menschen einfach nicht nach­vollziehbar sind? Warum wollen sie, wie es passiert ist, anonym etwas schreddern? Das macht doch kein normaler Mensch. Warum wollen sie sämtliche E-Mails im Bundes­kanzleramt löschen? (Abg. Pfurtscheller: Die werden nicht gelöscht! – Abg. Gabriela Schwarz: Die werden nicht - -!) Warum tut man das? – Erklären Sie mir das bitte einmal! Warum tun Sie das? (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 123

Ich kann Ihnen die Antwort liefern. Die Antwort ist, dass Sie verhindern wollen, dass weitere Dinge, die dort geschehen sind, ans Licht kommen. Das ist das, was Sie möch­ten. (Zwischenruf des Abg. Strasser.) Es gibt ja den Verdacht, dass die Hausdurch­suchungen verraten worden sind, es gibt den Verdacht, dass die Ermittlungen konzertiert eingeschränkt und behindert werden. Vielleicht, geschätzte Damen und Herren, steht das in diesen E-Mails, die es im Bundeskanzleramt vielleicht gibt, und sie wollen ver­hindern, dass es herauskommt. Darum geht es einfach in dieser Frage und da spielen wir nicht mit. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, deshalb wollen wir auch einen Entschließungsantrag einbringen (Abg. Hörl: Seit wann braucht der ...?) – Herr Präsident, ich trage den Antrag jetzt vor –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unver­züglich Schluss mit Schreddern“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, unverzüglich Vorhaben zur Löschung elektroni­scher Daten einzustellen.

Die Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, unverzüglich eine umfassende Sicherung aller bestehenden Akten und Unterlagen einschließlich elektronischer Daten aus dem Untersuchungszeitraum des (verlangten) ÖVP-Korruptionsuntersuchungs­aus­schusses durchzuführen.“

*****

Herr Vizekanzler! (Rufe bei den Grünen: Wie lange?) Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen von der grünen Fraktion! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Türkisen! Wenn Sie es mit der Aufklärung ernst nehmen, dann stimmen Sie diesem Antrag und nicht Ihrem, der in Wahrheit nicht viel bewirken wird, zu. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Ein Wahnsinn! – Abg. Stögmüller: Das war keine gute Rede!)

15.34

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, GenossInnen

betreffend „Unverzüglich Schluss mit Schreddern“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Jan Krainer, Genossinnen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Schluss mit Schreddern – Aufklärung statt Aktenvernichtung, Herr Bundeskanzler!

Es besteht der Verdacht, dass in mehreren ÖVP-geführten Bundesministerien derzeit systematische Aktionen zur Aktenvernichtung laufen. Damit soll die Aufklärungsarbeit sowohl der Staatsanwaltschaften als auch des Nationalrates, insbesondere des neu ein­zusetzenden ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses, behindert bis verunmöglicht werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 124

Abgesehen davon, dass die Löschung von Daten uU strafrechtlich relevant sein kann, werden durch solche Aktionen die verfassungsrechtlich garantierten Kontrollrechte des Nationalrates unterlaufen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, unverzüglich Vorhaben zur Löschung elektroni­scher Daten einzustellen.

Die Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, unverzüglich eine umfassende Sicherung aller bestehenden Akten und Unterlagen einschließlich elektronischer Daten aus dem Untersuchungszeitraum des (verlangten) ÖVP-Korruptionsuntersuchungsaus­schusses durchzuführen.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstl, der heute einen runden Geburtstag, den Sechziger, feiert. – Alles Gute zum Geburtstag, lieber Wolfgang! Ich darf dich zur Prä­sentation des Geburtstagsgeschenks auffordern. (Allgemeiner Beifall.)


15.34.52

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident, vielen Dank für die Glück­wünsche! Ich hätte eigentlich gerne begonnen mit: Schämen Sie sich, Herr Krainer!, aber, Herr Kollege Leichtfried, Sie haben mich jetzt mehr entsetzt, denn obwohl der Herr Vizekanzler Ihnen klar dargelegt hat, dass es eine IT-Sicherheitsstrategie gibt und das keine Löschung ist, beharren Sie auf Ihren Vorwürfen. Das enttäuscht mich von der Sozialdemokratie. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Steger.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Vizekanzler! Herr Präsident! Frau Gewessler hat es schon getan. Der Herr Arbeitsminister hat es schon getan. Die Frau Kulturstaats­sekretärin hat es schon getan. Herr Mückstein hat es schon getan. Der Herr Finanz­minister hat es schon getan. Alle haben das Gleiche gemacht, nämlich die Sicherheits­strategie des Bundes erfüllt, indem sie die Daten aus Sicherheitsgründen von ihrem Ressort in das Bundesrechenzentrum migrieren, also dorthin entsenden, zur Sicherung der Daten. (Abg. Leichtfried: Lesen Sie einfach das Schreiben des Generalsekretärs! – Abg. Hafenecker: Warum lachen Sie, Herr Präsident?) Wir haben da also eine Siche­rung der Daten und keine Löschung, Herr Kollege Leichtfried. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es geht uns nämlich darum, dass die IT-Sicherheit nicht nur in jedem Unternehmen gewährleistet ist und dass neue Betriebssysteme auch entsprechend verbessert werden, sondern dass es im Bund genauso passiert. Ich bin besonders enttäuscht, Herr Kollege Leichtfried, dass Sie Ihr Verlangen anscheinend nicht einmal selbst gelesen haben, denn im Verlangen selbst zitieren Sie die Anordnung des Generalsekretärs Bernd Brünner. Er sagt, dass E-Mails im E-Mail-Postfach zur „Aufrechterhaltung des ordentlichen Dienst­betriebes“ bis 10. November „in einen elektronischen Akt“ transferiert werden sollen –


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also zur Sicherstellung in den elektronischen Akt. Sie behaupten das Gegenteil. Herr Kollege Leichtfried, schämen Sie sich! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Litschauer.)

Wenn Sie mir nicht glauben wollen, Herr Kollege Leichtfried, dann schauen Sie sich (den genannten Bericht in die Höhe haltend) den Rechnungshofbericht von September 2021 betreffend die „IT-Sicherheit in der Verwaltung ausgewählter Bundesministerien“ an. Darin empfiehlt der Rechnungshof vielen Ressorts, was sie zur Sicherheit zu tun haben, und dem Bundeskanzleramt unter anderem, „die IT-Sicherheitsstrategie allen Bediens­teten aktiv kundzumachen.“

Was machen Sie? – Das Mail, das an die Personalvertretung des Bundeskanzleramtes geht – und dort saß wahrscheinlich einer von der Sozialdemokratie (Abg. Pfurtscheller: Ja eh!) –, interpretieren Sie jetzt als Mail, wo irgendetwas hintenherum gemacht werden sollte, und Sie versuchen, das zu skandalisieren, obwohl das Bundeskanzleramt da § 9 des Personalvertretungsgesetzes nachkommt, damit alle Bediensteten wissen, wie ihre Daten in Zukunft gesichert werden und gesichert werden sollen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Hafenecker: Gelöscht werden!)

Wenn Sie noch einmal nachlesen wollen: Das Projekt heißt „Stärkung der Cyberab­wehr­fähigkeiten im BKA“ – im Bundeskanzleramt. Dafür ist eine „Leitlinie Informationssicher­heit“ geschaffen worden. (Abg. Belakowitsch: Ah so einfach ist das! – Abg. Matznetter: Cyberabwehr gegen ...!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist die Aufgabe der Opposition, auch für Kontrolle zu sorgen, aber Kontrolle braucht Qualität. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.) Skandalisierungen sind zu wenig.

Erst heute ist bekannt geworden, dass die Anzeige der SPÖ gegen den Vizegouverneur der Oesterreichischen Nationalbank wegen falscher Beweisaussage in der Sache Com­merzialbank Mattersburg mangels Anfangsverdacht von der Staatsanwaltschaft zurück­gelegt wurde.

Meine Damen und Herren! So skandalisiert die SPÖ. (Abg. Meinl-Reisinger: Habt ihr nicht den Doskozil angezeigt? Ich meine, Entschuldigung!) Sie versucht, mit Strafanzei­gen Politik zu machen. Wir weisen das auf das Schärfste zurück. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Herr Kollege Matznetter, lieber hätte ich gehabt, wenn Sie uns etwas über den Ermittlungsstand in der Sache Commerzialbank erzählen, zum Beispiel, wo die Millionen geblieben sind. Lieber hätte ich gewusst, und viele Leute fragen sich das auch: Gab es Hausdurchsuchungen im Land Burgenland? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Was ist der Ermittlungsstand in der Sache Commer­zialbank?

Viele Leute fragen sich auch: Wie war das, als Frau Kollegin Wehsely – seinerzeit Stadt­rätin der SPÖ in Wien, verantwortlich für den Millionenschaden des Krankenhauses Wien Nord – ihr Amt übergeben hat? (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Warum ist zu diesem Zeitpunkt der Reisswolf im Rathaus gestanden? Was ist da geschehen? – Klären Sie uns darüber einmal auf! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Vielleicht ist es normal, dass bei Ihnen der Reisswolf steht, wenn von Frau Wehsely nach dem Skandal Krankenhaus Wien Nord ihr Amt übergeben wird. Von vielen in der Bevölkerung wird das nicht so gesehen. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Matznetter. Wei­tere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, viele Leute fragen sich auch: Warum wird in der Öffentlichkeit nur über diese eine Sache geredet? (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Warum wird nicht auch darüber geredet: Wie viele Beschuldigte gab es in der Sache Chorherr? (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wie viele Hausdurchsuchungen gab es in der Sache Chorherr, gab es dort auch Mobiltelefonauswertungen? – Man wundert sich über


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so manche Berichterstattung in den Medien. Wir können aber davon ausgehen (Zwi­schenruf des Abg. Scherak), dass die Justiz ihrer Aufgabe nachkommt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Meine Damen und Herren, in Zeiten wie diesen kommt es nicht nur auf Kontrolle an, sondern noch mehr auf den Zusammenhalt. Wir brauchen weder Zündler von links noch Zündler von rechts. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf bei der SPÖ.) Wir haben  Corona ist immer noch nicht vorbei weiterhin eine ernste Situation, die Auswirkungen auf unser privates Leben und auf das gesamte Wirtschaftsleben hat, daher gilt es für uns alle, zusammenzuarbeiten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Bevölkerung erwartet sich, dass nicht skandalisiert, nicht Dreck geschleudert wird, sie erwartet sich keine Giftküche, Herr Krainer, sondern Mitarbeit am Aufbau dieses Landes. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Rauch.)

15.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.


15.42.13

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungs­mitglieder! Lieber Kollege Gerstl, alles Gute zum heutigen Geburtstag! Ich bin nur einigermaßen verwundert, warum gerade Sie als Redner herausgeschickt worden sind, denn Sie haben ja leider Gottes den Ibiza-Untersuchungsausschuss nicht bis zum Ende begleitet, sondern sind – noch bevor er von Ihnen oder von Ihren Kollegen abgedreht wurde – aus dem Ausschuss ausgeschieden. Vielleicht haben Sie deshalb den Schluss nicht ganz mitbekommen und auch den Grund, warum wir einen weiteren Unter­suchungs­ausschuss eingesetzt haben, nicht ganz verstanden.

Vielleicht noch eines, Herr Kollege Gerstl, was interessant ist, wenn die ÖVP das Wort Reisswolf in den Mund nimmt, ich kann Ihnen vielleicht ein bisschen helfen: Das ist die Firma, deren Rechnung – sie ist damals unter einem falschen Namen ausgestellt worden – ein Mitarbeiter aus dem Kanzleramt nicht bezahlt hat. Es ist diese Firma, also vielleicht schauen Sie, wie die Kooperation mit dieser Firma ist.

Noch eines ist interessant: Ich schaue zum Herrn Vizekanzler, der mir in diesem Zu­sammenhang wirklich leidtut (Vizekanzler Kogler: Wobei?), weil er heute einige Prob­leme hatte, zuerst war es ein Verkehrsproblem. Dass man zu spät kommt, kann pas­sieren, das ist nicht schlimm, ich bin aber trotzdem dankbar, dass es passiert ist, da es auch zeigt, wie wichtig es ist, dass Ihre Verkehrsministerin ordentliche Verkehrspolitik macht und nicht Straßenbauprojekte stoppt. Man sieht, sogar der Vizekanzler ist mittler­weile von dieser Situation betroffen. Vielleicht richten Sie ihr aus, dass sie sich ein bisschen darauf konzentrieren soll. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine andere Sache muss ich Ihnen, Herrn Vizekanzler, auch noch sagen: Sie haben ja gesagt, es ist total wichtig, dass die Regierung handlungsfähig ist.  Das sehen wir auch so. Sie haben uns ja auch bestätigt, dass die Regierungskrise beendet sei. Jetzt stelle ich mir natürlich schon vor, dass das interessant ist, wenn ein Vizekanzler versucht, den Bundeskanzler telefonisch zu erreichen, der nicht abhebt und sich in Brüssel vielleicht noch denkt: Wer ist denn jetzt dieser Kogler, der da dauernd versucht, mich zu er­reichen? Ich weiß nicht, wie man sich das vorstellen muss, wie Sie momentan mitei­nander kooperieren, aber seien Sie mir nicht böse: Wenn der Vizekanzler den Bundes­kanzler nicht erreicht, geht das gar nicht. Es tut mir leid, dass Sie jetzt sozusagen dafür auch noch den Kopf hinhalten müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum stehen wir heute eigentlich da und warum diskutieren wir all diese Themen? Der Altbundeskanzler ist auch gerade amüsiert


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ob seiner Handlungen. Vielleicht, Herr Altbundeskanzler Kurz, können Sie ja dann direkt herauskommen und können es uns hier vom Rednerpult aus sagen, was Sie sich dabei gedacht haben, als Sie diesen Nero-Befehl gegeben haben, alles im Bundeskanzleramt, was die Akten betrifft, zu vernichten und warum die Lkws, von denen Sie jetzt sagen, die hat es nie gegeben, in Livesendungen auf Oe24  aus dem Bundeskanzleramt heraus­gefahren sind. Sind das Potemkin’sche Lastwägen gewesen? Ich weiß nicht, was Sie da geritten hat, diese Antwort zu geben. Das werden wir natürlich noch in den Livestreams nachschauen, was da alles aus dem Bundeskanzleramt herausgebracht wurde, was nie vorhanden war. Das ist eigenartig, da gibt es anscheinend Fata Morganas und Sie müssen das alles erklären.

Also warum machen wir das eigentlich? – Weil wir im Untersuchungsausschuss gesehen haben, dass es ein System Kurz gibt. Es gibt ein System Türkis, es gibt eine Familie, die sich diese Republik Stück für Stück unter den Nagel gerissen hat. Das, was wir jetzt in dieser Dringlichen Anfrage diskutieren, ist ein weiterer Schritt, der gesetzt worden ist, um genau diese Spuren zu verwischen, die Sie eigentlich in der Republik hinterlassen haben: Ihr Sittenbild, Herr Altkanzler Kurz, und das, was Sie mit Ihren Freunden in der Republik gemacht haben. Sie haben in den letzten Tagen den Staat erschüttert – das sollte man nicht vergessen –, man hat das immer wieder gesehen, Sie haben ein ent­sprechendes internationales Echo gehört. Sie haben Umfragen manipuliert, Sie haben den eigenen Parteiobmann mit Steuergeldern weggeputscht. Das kann man nicht weg­diskutieren und nicht wegleugnen, Herr Bundeskanzler außer Dienst, das war so.

Sie wollten Bundesländer aufhetzen, um die Kinderbetreuung zu verhindern. Wissen Sie, wenn Sie heute schon angelobt worden sind, und ich gratuliere Ihnen natürlich dazu, dass Sie jetzt auch den Schritt in die Legislative gemacht haben, das ist ein spannender Wechsel in der Gewaltentrennung – relativ schnell bei Ihnen –, Herr Altkanzler, so hätte ich mir von Ihnen schon erwartet, dass Sie zumindest einmal die Schneid haben und hier herauskommen und sagen: Ich habe einen Fehler gemacht, ich habe die Bevöl­kerung um Steuergelder betrogen, aus Eigennutz (Beifall bei der FPÖ – Zwischenrufe bei der ÖVP), ich habe eine Verantwortung, mein Handeln der letzten Jahre wieder gutzumachen!, oder dass Sie, wenn es nicht anders geht, Herr Altkanzler, schlicht und ergreifend Entschuldigung dafür sagen, was Sie getan haben. Niemand aus Ihrer Fraktion hat das bisher zustande gebracht, und ich finde das auch entsprechend schade.

Kollege Ottenschläger, die Gewaltentrennung ist recht interessant, das ist mein nächster Punkt auf der Liste, dahin wollte ich gerade kommen. Die Gewaltentrennung sehe ich mit dem System, das da gerade fortgesetzt wird, sehr, sehr gefährdet, einfach deswe­gen, weil gerade aus der Legislative heraus – das hat uns ja der neue Bundeskanzler Schallenberg auch gesagt – ein Bundeskanzler von einem Klubobmann ferngesteuert wird, der jetzt sozusagen nur auf Pause hier sitzt und wartet, bis er eventuell wieder zurückkommt. (Abg. Strasser: Was hat das mit der Anfrage zu tun?) Ich kann Ihnen nur sagen: Das wird nicht der Fall sein.

Was die Anfrage betrifft – da kommen wir zum nächsten Punkt, danke für den Hinweis (Abg. Strasser: Sehr gerne!) –, ist da aus meiner Sicht ein sehr perfides Spiel gespielt worden, werte Kollegen von der ÖVP, denn man hat da ja auf jeden Fall Cyberangriffe und Cybersicherheit vorgeschoben. Ich sage Ihnen eines: Der ärgste Cyberangriff, den es in dieser Republik gegeben hat, ist von Ihnen ausgegangen, das war Ihre Lösch­aktion. Was dahintersteht, toppt ja alles bisher Dagewesene. Was heißt es aber im Umkehrschluss, wenn man erstens einmal automatisiert Nachrichten löscht, die älter als ein Jahr sind, und auf der anderen Seite so perfide ist, so vorgeht und sagt: Wenn Sie Nachrichten länger behalten wollen, dann gehen Sie bitte zum EDV-Administrator und sagen Sie, dass diese Nachrichten nicht gelöscht werden sollen!? – Es ist sozusagen ein automatisiertes Spitzelwesen innerhalb Ihres Ministeriums gewesen. Sie hätten sozusagen


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nachvollziehen können, wenn irgendwelche E-Mails, die älter als ein Jahr sind, noch in Umlauf geraten wären und hätten dann sofort gewusst, wer dieses E-Mail weiter ge­speichert hat. Ich denke, da sind wir genau bei dem tiefen Staat, vor dem wir warnen. (Zwischenruf des Abg. Strasser.)

Ich glaube nicht, dass es seitens der ÖVP angebracht ist, darüber hinwegzureden, weiter zu vertuschen und zu mauern. Es geht einfach darum, dass wir es nicht angehen lassen wollen, dass Sie weiter verdunkeln. Herr Altbundeskanzler, das System funktioniert so nicht. Ich würde Sie wirklich bitten und ich appelliere auch an Ihre Vernunft, dieses System nicht weiter fortzusetzen und sich nicht an dieses System zu klammern, denn es ist – es wurde ja schon mehrfach gesagt  diesbezüglich Game over. Es ist eine Frage der Zeit, bis wir die weiteren Informationen bekommen, was in den anderen Ministerien passiert ist. Ich habe ähnliche Informationen aus dem Finanzministerium erhalten, auch dort wird auf Hochtouren geschreddert, manchmal sieht man ja diese Lichtschwan­kungen im Haus, das ist immer dann, wenn Ihre Ministerien die Schreddermaschinen anwerfen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Steinacker und Strasser.)

Also, Herr Altbundeskanzler, bitte stellen Sie sich hierher und entschuldigen Sie sich für das, was Sie getan haben! Stellen Sie klar, warum Sie diesen Nero-Befehl erteilt haben, wieso Sie Akten im großen Stil vernichten lassen, und beantworten Sie die Fragen, die gestellt worden sind! Der Herr Vizekanzler hat es leider nicht machen können, weil ihm halt die türkise Gruppierung nicht die entsprechenden Antworten mit auf die Reise gegeben hat.

Auch wenn die Diskussion unangenehm war, Herr Altbundeskanzler, bitte trotzdem: Klä­ren Sie uns auf, was da passiert ist! (Abg. Strasser: Kein einziges Argument!) Sagen Sie uns auch, was der weitere Plan ist und ob sich die ÖVP jetzt doch noch an der Aufklärung der ganzen Geschichten beteiligen möchte oder ob Sie weiterhin auf Ihrem Standpunkt beharren und es nicht der Mühe wert finden, sich bei der Bevölkerung zu entschuldigen! (Beifall bei der FPÖ. Ruf bei der ÖVP: Der Einzige, der sich zu entschuldigen hat, ist Hafenecker! Zwischenruf des Abg. Martin Graf. Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

15.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Blimlinger. Ich darf ihr das Wort erteilen. – Bitte.


15.49.17

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Minister, Ministerinnen! Ich möchte die SPÖ schon darauf hinweisen, dass es gegen alle parlamentarischen Usancen ist, jemanden vorzu­laden, von dem man weiß, dass er nicht in Österreich ist und dass stattdessen hier der Vizekanzler erscheinen muss. Sie machen das wider besseres Wissen. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Wenn Sie das alles schon eine Woche wissen, wie Kollege Krainer sagt, na dann hätten Sie sie halt gestern eingebracht und nicht heute, dann hätten Sie den Bundeskanzler dagehabt und nicht den Vizekanzler. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Das ist nicht nachvollziehbar und verstößt wirklich gegen jede parlamentarische Usance. Seid mir nicht böse, aber das ist wirklich kein Benehmen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Noch etwas – das sage ich gleich vorab: Euer Entschließungsantrag ist ja rührend, aber warum unterstützt ihr nicht unseren? (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Die Bun­desregierung ist ein Kollegialorgan – ja –, aber es gibt eine Einzelbindung. Ich kann doch nicht sagen: Die sind nicht verpflichtet, nur als Kollegialorgan! – Natürlich ist der Einzelne


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im Kollegialorgan verpflichtet und diese Entscheidung ist bindend. Also, Herr Kollege Krainer: ein bisschen mehr Übersicht über Vorgänge, Kollegialorgane, Einzelent­schei­dungen! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Vielleicht noch eine kleine Anmerkung: Die größte Schredderaktion – zu diesem Zeit­punkt war ich im Staatsarchiv tätig – hat unter Bundesminister Edlinger stattgefunden, als er 2000 sein Büro geräumt hat. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Dort war nämlich am Ende nicht einmal mehr ein Telefon drinnen. Es war empty, und es war geschreddert, und nur ein kleiner Teil – ein ganz kleiner Teil – ist im Staatsarchiv gelandet. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Hörl.) Die Vorwürfe der beiden Parteien – wer was mehr geschreddert hat – sind also immer gegenseitig. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ein Wort zur IT-Konsolidierung im Bund (neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ – Prä­sident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen): Wir haben das im Regierungs­pro­gramm stehen, das ist auch gut und richtig so. Ich sage nur zwei Beispiele: IT-Konsolidierung bestehender Bundessysteme, Verankerung des Einsatzes des Elaks im E-Government-Gesetz. Ein einheitlicher IT-Arbeitsplatz: dass es nicht einheitlich ist, davon können viele Beamte und Beamtinnen im Bundesdienst ein Lied singen, die würden sich das sehr wünschen. Auch ein einheitliches E-Mail-System gibt es im Bund nicht. Ich würde das gleich zusätzlich für alle Zoom-artigen Meetings erbitten, weil auch da hat, wie wir in den letzten eineinhalb Jahren gesehen haben, jedes Ministerium ein anderes System. Sozusagen im Sinne der Übersichtlichkeit wäre da eine Koordinierung sicher sinnvoll.

Die grünen Ministerien sind natürlich auch Teil dieser IT-Konsolidierung. Es wird bei manchen, auch bei einzelnen Sektionen, schon jetzt ins BRZ migriert – Kollege Gerstl hat ein paar Ministerien angeführt –, das ist noch nicht vollständig durchgeführt. (Abg. Martin Graf: Es gibt kein grünes Ministerium, es gibt nur ...!) Dort, wo die Migration der Daten ins BRZ schon stattfindet, wird nicht gelöscht. Es gibt auch keine Anordnungen zu irgendwelchen Löschungen.

Ich darf aber schon darauf hinweisen, dass, sobald jemand aus dem Amt scheidet – und zwar egal, ob politisches Amt oder beamtetes Amt –, die E-Mail-Adresse gelöscht wird. Er hat sie am nächsten Tag nicht mehr, sie hat sie nicht mehr. Je nachdem ist in einzelnen Bundesministerien die Übergangsfrist ein Monat oder vielleicht auch zwei, aber ich habe überhaupt keinen Zugriff mehr auf die Daten, und diese – der Account und sämtliche E‑Mails – werden natürlich aus diesem Postfach – manchmal eben sofort danach, manchmal ein paar Monate später – gelöscht. In der Cloud verbleiben sie in der Regel. Das ist dann oft unterschiedlich – je nachdem, welche Skartierordnungen Dienst­stellen oder auch Ministerien haben –, aber meistens werden sie nach einem Jahr gelöscht. Sie werden dann gelöscht, wenn sie nicht, wie es so schön heißt, im Elak veraktet sind. Es sind einfach Mails, die im normalen Parteienverkehr oder auch im internen Verkehr geschrieben worden sind.

Deswegen – wie ich schon mehrfach an dieser Stelle gesagt habe – braucht es dringend eine Reform des Bundesarchivgesetzes, damit es an diese Erfordernisse genau ange­passt wird, weil wir einen Begriff des Akts haben, der etwas überkommen ist, sage ich jetzt einmal.

Zu diesem Zwecke ein kurzer Blick in die Geschichte zur Frage des Aufhebens, des Archivierens, des Schredderns oder des Skartierens: Ich rate Ihnen, schauen Sie sich das Haus-, Hof- und Staatsarchiv an – es ist momentan gesperrt, weil umgebaut wird. Es ist heute – neben dem Allgemeinen Verwaltungsarchiv, dem Finanz- und Hofkam­merarchiv, dem Archiv der Republik und dem Kriegsarchiv – eines der Archive des Österreichischen Staatsarchivs, und wurde im Jahr 1749 von Kaiserin Maria Theresia


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gegründet. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Es ist ihrer Initiative zu verdanken, dass es das überhaupt gibt, dass das jahrhundertelange Projekt und der immer wieder gescheiterte Plan, ein zentrales Herrschaftsarchiv des Hauses Habsburg zu machen, verwirklicht werden konnten – ein Meilenstein, wie ich meine. (Abg. Silvan: Der Abgeordnete Krainer ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Maria Theresia wollte damit die Verfügbarkeit von Akten sicherstellen. Ausschlaggebend dafür waren schließlich die Schwierigkeiten, in die sie beim Ausbruch des Österreichi­schen Erbfolgekriegs 1740 bis 1748 geraten war. Der Österreichische Erbfolgekrieg brach aus, als nach dem Tod Kaiser Karls VI., und damit dem Aussterben der männ­lichen Linie des Hauses Habsburg, seine Tochter Maria Theresia den österreichischen Erzherzogthron bestieg und mehrere europäische Fürsten eigene Ansprüche auf die Habsburgischen Erblande erhoben. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Ottenschläger: Hören Sie zu, jetzt ist es einmal inter­essant!) Es haben nämlich jene alten Urkunden zum Beweis ihrer Erbfolgerechte gefehlt. Solche Malversationen wollte sie für alle Zukunft ausschließen – eine gescheite Frau, die daran interessiert war, Akten aufzuheben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sämtliche wichtigen Rechts- und Herrschaftstitel des Hauses Habsburg – in der Regel Dokumente, alles, was es gegeben hat – wurden aus den entlegensten Archiven zusam­mengetragen und in das Hausarchiv gebracht, das dann 1918 endlich zugänglich gewor­den ist. Heute regelt das Bundesarchivgesetz die Archivierung und die Nutzung von Archivgut des Bundes. Es gibt überhaupt erst seit 2000 ein Bundesarchivgesetz, das den Zugang zu den Akten und das Aufheben von Akten regelt.

Ein zweiter wichtiger Teil in diesem Gefüge ist aber die Kanzleiordnung, die – auch von Maria Theresia – vor mehr als 200 Jahren erlassen wurde. Sie ist ähnlich schön wie die Verfassung – ich würde sagen: anmutig. Diese wurde erst 2004, da es keine Kanzleien mehr gibt, durch die sogenannte Büroordnung abgelöst. In dieser Büroordnung steht in § 26, einem Paragrafen über die Vernichtung elektronischer Akten, sehr genau vermerkt, dass die „elektronische Ablage“ – und dazu gehört alles, nicht nur die Akten – „jährlich auf die Erforderlichkeit der weiteren Aufbewahrung der Akten zu überprüfen“ ist. Dies – überprüfen, ob es zu skartieren ist oder aufgehoben werden soll – tut das Staatsarchiv.

Aus der Sicht einer Historikerin kann ich immer nur sagen: Bitte, bitte, alles, alles auf­heben! Es werden alle verrückt – auch bei uns im Klub –, weil ich immer sage: Hebt alles auf, schreddert nichts! – Die IT-Menschen werden auch wahnsinnig, weil sie da Daten­mengen verwalten müssen.

Ich sage nur eines: Hätte es die Erbfolgedokumente nicht gegeben, wären wir vielleicht heute Schlesier, Bayern, Spanier – je nachdem, aus welcher Perspektive des Erbfol­gekriegs man das sieht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

In diesem Sinne kann ich nur sagen, dass im Übrigen die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die historische Aufklärung war interessant, ich habe etwas gelernt.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brandstätter. Er hat ein Buch mit. – Bitte.


15.58.42

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Eines, das Ihnen gefallen wird, Herr Präsident! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Frau Bun­desministerin! Herr Bundesminister! Da soll noch einer sagen, man lernt nichts im Parla­ment! – Herzlichen Dank, Frau Kollegin Blimlinger, für diese Vorlesung – ich habe vor


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Kurzem mit meiner Tochter ein Referat über Maria Theresia vorbereitet –: Da waren Details drinnen, die habe ich nicht gewusst. Ich bin sehr dankbar dafür, und ich werde auch noch auf das Staatsarchiv zu sprechen kommen.

Kollegen Gerstl gratuliere ich auch sehr herzlich zu diesem jugendlichen Geburtstag – 60! – Da kann ich Ihnen sagen, ich wünsche Ihnen alles Gute, Sie haben noch einiges vor sich. Was uns auf jeden Fall auch verbindet, ist, dass wir uns – ich noch ein bisschen mehr – an viele Stationen in dieser Zweiten Republik schon erinnern.

Wenn wir schon von Geschichte reden: Ich könnte jetzt die Regierung Klaus II oder die Regierung Kreisky I aufzählen. Was möchte ich damit sagen? Die Geschichte der Zweiten Republik ist sehr wechselhaft, aber einmal mit ein bisschen mehr Vertrauen in die Politik, einmal mit ein bisschen weniger Vertrauen in die Politik – ausgelöst durch verschiedene Ereignisse, auch Skandale der beiden ehemaligen Großparteien. Eines aber sage ich jetzt ganz ernst: In so kurzer Zeit so die Politik zu beschädigen und so viel Vertrauen zu verlieren, das hat es noch nie gegeben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich freue mich über alle jungen Politikerinnen und Politikern hier, von allen Parteien – tolle Leute, herzlich willkommen –, aber dass junge Menschen, bevor sie an der Macht sind, schon so viel Hybris verbreiten, das ist einmalig. Ich verweise darauf, was wir von 2015, 2016, 2017 gelesen haben.

Ich muss Ihnen sagen, das führt auch zu traurigen persönlichen Erlebnissen. Ich habe vorhin kurz das Parlament verlassen und sehe vor mir eine Frau, die einen Kinderwagen schiebt. Ich schaue wirklich gern in Kinderwagen hinein, weil ich das Wunder Mensch und das Wunder Leben so faszinierend finde. (Abg. Rauch: ... ist mit dem Laptop spazieren gegangen!) – Es war Gott sei Dank ein Baby drin (Heiterkeit bei der FPÖ), aber allein, dass wir bei so wunderbaren Erlebnissen wie jenem, einen Kinderwagen und ein Baby zu sehen, an solche Straftaten denken müssen – und nun gelange ich gleich zum Schreddern –, das macht mich dann schon sehr traurig. (Zwischenruf des Abg. Angerer.)

Dann wurde die Justiz angegriffen; ich möchte den Zusammenhang auch noch einmal erklären. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es gab im November 2019 Hausdurchsuchungen bei Herrn Schmid und bei ÖVP-Politikern; und im Jänner 2020 gab es ein sogenanntes Hintergrundgespräch – Auftrag: bitte schreiben –, bei dem Herr Kurz damals Jour­nalistinnen und Journalisten erzählt hat, das sei ein Netzwerk roter Staatsanwälte, die kommen alle aus dem BSA (Zwischenruf bei der ÖVP), da müsse man nun die Strafgesetze ändern, weil das ganz gefährlich ist, was die machen, und man müsse die Kompetenzen beschneiden. Ich habe vor Kurzem über Rumänien gesprochen. Liviu Dragnea hat auch versucht, die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft zu beschneiden, weil er verfolgt wurde. Da hat jemand schon gewusst, dass er einmal verfolgt werden wird. Ich habe nicht für möglich gehalten, was in diesem Land möglich war.

Nun gelange ich zu einer zweiten wesentlichen Einrichtung, nämlich zur Bundes­verwal­tung: Bei allem, worüber wir uns da und dort vielleicht beschweren wollen – dass etwas zu langsam geht, dass etwas nicht in Ordnung ist –, habe ich persönlich immer auf die österreichische Bundesverwaltung vertraut. Wir haben jedoch erlebt, dass da einfach Festplatten geschreddert werden. Wer die Anweisung gegeben hat, müssen wir noch klären. Wir wissen inzwischen, dass es unwahr ist – und auch der Innenminister hat etwas Unwahres gesagt –, dass sie von irgendwelchen Kopierern waren. Sie waren zu­mindest teilweise sehr wohl von Computern beziehungsweise von Laptops. Von wem? Was war drauf? – Wir werden es nicht mehr erfahren, aber – und da bin ich wieder bei dem Punkt – weil so viel Schreckliches passiert ist, traut man ihnen halt so viel zu.


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Wenn ich bei der Verwaltung bleibe: Ja, in der SPÖ und in der ÖVP sind immer wieder politische Besetzungen vorgenommen worden, da sind die Kabinette gebildet worden und sie sind größer geworden. Es ist neu, dass ein Finanzminister 30 Kabinetts­mitglie­der – glaube ich – hat, dass überall in den Kabinetten immer mehr Leute sind, 80 Presse­sprecher! Gleichzeitig ist es auch neu, dass die Kabinettsmitglieder auch noch in die Verwaltung hineingehen, um dort wirklich alles politisch – nein, parteipolitisch! – zu kontrollieren. Auch das hat zu einem extrem starken Vertrauensverlust geführt. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Nun komme ich zu Herrn Kurz: Im Ausschuss war die Frage (Zwischenruf des Abg. Hörl), ob denn alles weitergegeben wurde (Zwischenruf des Abg. Strasser) – Mo­ment! –, weil das ja ins Staatsarchiv muss, Frau Kollegin Blimlinger. Ich habe heute selbst mit einem der Beamten dort gesprochen, der erklärt hat: Natürlich müssen die Kalender der Bundeskanzler eins zu eins, so wie sie sind, übergeben werden – und alle Bundeskanzler der Zweiten Republik und die Frau Bundeskanzlerin haben das gemacht. Was hat Herr Kurz gesagt? – Nein, das habe ich nicht gemacht, weil ja ich entscheide, was ich übergebe! – Falsch, schon wieder eine Falschaussage. Ich gebe zu, in diesem Fall war es vielleicht nicht vorsätzlich, in anderen Fällen auch. (Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Da ja auch von Back-ups die Rede war: Wir alle bekommen ja nun Informationen von verschiedenen Seiten, auf dieses und jenes aufzupassen. Mich wollte jemand treffen, der mir erklärt hat, es gibt natürlich Back-ups für alles, was im Bundeskanzleramt ge­schrieben und verschickt wurde. Diese Back-ups hat das Bundesrechenzentrum. Nun ist nur mehr die Frage: Wo werden sie körperlich aufbewahrt? Meine Information ist: angeblich im Bundeskanzleramt, vielleicht sind sie inzwischen ins Bundesrechen­zen­trum gekommen. Die zuständige Frau Bundesministerin ist leider nicht da, ich würde sie sehr gerne fragen: Wo sind all die Back-ups körperlich? Werden sie dann hoffentlich an den nächsten Ausschuss weitergegeben?

Die nächste Frage, Herr Vizekanzler – Sie können sie nicht beantworten, aber der Herr Bundeskanzler muss sie schon beantworten –, lautet: Soll unsere Verwaltung, von der wir noch immer hoffen, dass sie ordentlich funktioniert, wirklich teilweise von Leuten geleitet werden, die entweder der falschen Aussage vor dem Ausschuss oder auch der Untreue und Bestechlichkeit beschuldigt sind? Finden Sie das in Ordnung, dass Beschuldigte an wesentlichen, zentralen Stellen der österreichischen Verwaltung sind? Auch der zuständige Herr im Finanzministerium redet noch immer mit Journalisten und gibt noch Aufträge – vielleicht vergibt er auch Inserate, ich weiß es nicht, sie haben ja so viel Geld. Aber ist das wirklich notwendig? Könnte da nicht der Anstand auftreten und sagen: Liebe Kolleginnen, wenn jemand beschuldigt ist, dann kann er da doch selbst­verständlich nicht mehr mitarbeiten, so wie ja auch Sektionschef Pilnacek nicht mehr mitarbeiten kann!

Es geht darum – und das möchte ich ganz deutlich sagen –, wieder Vertrauen aufzu­bauen. Es sind auch andere Berufsgruppen beschädigt worden. Was können die hier­zulande ordentlich und gut arbeitenden Meinungsforscher dafür, dass sie jetzt alle schlechtgemacht werden? – Nein, da gibt es auch anständige, ich habe auch mit welchen zusammengearbeitet. So wie da gearbeitet wurde, ist allerdings Vertrauen verloren gegangen. (Abg. Strasser – ein Dokument in die Höhe haltend –: Zur ...!) Ich möchte es noch einmal sagen: Sie haben so viel Vertrauen beschädigt. Bitte fangen wir an, dass wir dieses Vertrauen zurückholen! Ich begrüße es sehr, dass der Bundes­kanz­ler heute in Brüssel ist – und er soll auch andere Auslandsreisen in Europa machen, weil unser Ansehen in Europa massiv gelitten hat.

Es scheint so, als würde der Vizekanzler nicken – er hat ja auch Kontakte. Unser An­sehen in Europa hat massiv gelitten, weil so viel Vertrauensverlust im Land eingetreten


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ist. Das finde ich so bedauerlich, da müssen wir alle gemeinsam handeln. Klubobfrau Meinl-Reisinger hat dazu gesagt: Wir haben die Hand gereicht. Ich möchte das von meiner bescheidenen Stelle aus auch sagen, ich habe es auch dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten gesagt: Machen wir es gemeinsam! Dann müssen wir aber auch Vertrauen aufbauen, die Unanständigkeit abstellen, die Unanständigkeit derje­nigen, die politisch mutmaßlich unanständig gehandelt haben – ich rede nicht vom Straf­recht, sondern ich rede von Politik; deswegen habe ich dieses Buch mitgebracht.

Ich sage das nur ganz bescheiden zum Schluss: Es ist eine tolle Biografie über Alois Mock (Zwischenruf des Abg. Strasser): „Ein Politiker schreibt Geschichte“. (Der Redner hält das Buch „Alois Mock. Ein Politiker schreibt Geschichte“ von Martin Eichtinger in die Höhe.) Ich möchte nur so viel sagen: Alois Mock hat allein mit seiner Europapolitik, als er in den 1970er- und 1980er-Jahren schon gesagt hat, wie wichtig Europa ist, Ge­schichte geschrieben, obwohl er nicht Bundeskanzler war. Sie können das nun auch umdrehen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS. – Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)

16.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Bitte. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Ein guter ..., war nur kein Witz!)


16.07.22

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Wertes Hohes Haus! Jetzt ist schon wieder etwas passiert, die nächste politische Bombe ist geplatzt. In der öster­reichischen Innenpolitik ist mittlerweile mehr Drama zu finden als in jeder Netflix-Serie. Aber von Anfang an: Alle Abgeordneten hier im Hohen Haus haben die parlamentarische Aufgabe, die Bundesregierung, die Macht und Einfluss genießt, zu kontrollieren. Die Regierung arbeitet, wir kontrollieren, weil Macht immer Kontrolle braucht, das ist klar. (Beifall bei der SPÖ.) – Ja, da kann man auch applaudieren.

Unser wichtigstes Instrument für diese Aufklärung ist ein Untersuchungsausschuss, wenn man ihn nicht abdreht – an dieser Stelle: danke, ÖVP und Grüne. Wenn er nicht abgedreht wird, gibt es in einem Untersuchungsausschuss die Möglichkeit, Unterlagen anzufordern, Dingen nachzugehen und möglicherweise Korruption aufzudecken. (Zwi­schenruf des Abg. Koza.) Noch bevor der nächste Untersuchungsausschuss zu arbeiten beginnen kann – wann auch immer das ist –, wenn nicht wie zuletzt wieder die Ein­set­zung verhindert wird – danke ÖVP, danke Grüne! –, müssen wir uns allerdings die Frage stellen: Was ist denn dann noch da?

Wir haben es schon gehört: Gestern in der Nacht haben Whistleblower und Whistle­blowerinnen sich an die SPÖ gewendet, mit einem Mail, das gekommen ist, mit dem Auftrag, Daten zu löschen. Noch bevor die Aufklärung beginnen kann, wird also bereits schon wieder gelöscht. Wenn das kein demokratiepolitischer Skandal ist (Zwischenruf des Abg. Gerstl), dann weiß ich auch nicht weiter! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Blimlinger, zur Frage, warum heute diese Dringliche Anfrage kommt: na, weil diese Information erst gestern in der Nacht gekommen ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Eines müssen Sie mir nun auch zugestehen: Dass Sie sich nun als grüne Abgeordnete hierherstellen, quasi in den Dienst der ÖVP, und das mit verteidigen, das geht gar nicht! Das geht gar nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Was wäre wirklich zu tun? – Drei Dinge: nicht länger die politische, die parlamentarische Aufklärungsarbeit behindern; mit allen Mitteln dafür sorgen, dass das weitere Löschen, das weitere Schreddern gestoppt wird – ich hoffe, Sie unterstützen unseren diesbe­züglichen Antrag. (Zwischenruf des Abg. Eßl.) Und drittens: Schützen Sie bitte nicht länger mutmaßliche, vermeintliche Verbrecher und Verbrecherinnen – auch das muss man ja klar sagen –, denn wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu löschen,


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wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu schreddern, das ist ja wohl logisch. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Umkehrschluss: Wer etwas zu schreddern hat, der hat wohl etwas zu verbergen.Wir wissen ja, dass es im Bundeskanzleramt bereits vor Jahren, nämlich unter Sebastian Kurz als Bundeskanzler, zum Schreddern gekommen ist. Im Übrigen wurde diese Mail, die Sie alle vor sich liegen haben, verschickt, als Sebastian Kurz noch Bundeskanzler war, nämlich von einem Beamten aus dem Bundeskanzleramt – dass Sie auch das nicht vergessen. Er ist ja heute hier, vielleicht will er sich dazu noch zu Wort melden.

Somit komme ich zu einem letzten Punkt. Geschreddert wurde ja nicht nur im Bundes­kanzleramt. Ich gehe davon aus, dass auch in der ÖVP geschreddert wurde. Wir erin­nern uns an ganz skurrile Pressekonferenzen, in denen behauptet wurde: „Es ist nichts mehr da.“, und: „Es ist (...) nichts zu finden“.

Was sollen wir daraus schließen, wenn jemand sagt: „Es ist nichts mehr da“? Offen­sichtlich war etwas da. Offensichtlich liegt da vieles im Dunklen. Da will ich auch nur erinnern: All diese Chats, all das, was wir bisher diskutiert haben, stammt von einem einzigen Handy. Da wird noch einiges kommen, da werden noch einige politische Bom­ben platzen. Wir sind darauf vorbereitet. Die Aufklärung wird stattfinden, der nächste Untersuchungsausschuss, wenn Sie nicht schon alles geschreddert haben, wird stattfin­den.

In einem allerletzten Satz: Wir warten immer noch auf eine Entschuldigung für all diesen großen Schaden, der dieser Republik zugefügt wurde – wegen des Anstands wär’s. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hafenecker.)

16.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gödl. – Bitte. (Abg. Martin Graf – in Richtung Abg. Herr –: Eine Superrede! Und einen englischen Begriff deutsch zu gendern ist eine Meisterleistung! – Unruhe im Saal. – Ruf bei der SPÖ: Danke!)


16.12.03

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Damen und Herren hier im Hohen Haus! Werte Zuhö­rerinnen und Zuhörer! Sie merken an der Diskussion im Plenum, dass es in diesem Haus durchaus turbulent zugehen kann.

Ich möchte an eine vor zwei Tagen hier gehaltene Rede anschließen, nämlich an eine Rede von meiner sehr geschätzten Kollegin Claudia Plakolm, JVP-Bundesobfrau. Sie hat vor zwei Tagen in der Sondersitzung folgende Fragen aufgeworfen: „Warum tust du dir das an?“ Warum gehst du in die Politik? – Diese Fragen wurden in den vergangenen Tagen sicher einigen von uns gestellt. Diese Fragen wurde auch mir gestellt, von mehreren Seiten, unter anderem auch von meiner 13-jährigen Tochter. Das Bild, das wir hier abgeben, meine Damen und Herren, ist wirklich fatal (Abg. Rauch: Das Sie hier abgeben!): ein Bild des Streits, ein Bild der Missgunst (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), ein Bild des gegenseitigen Belauerns, ein Bild der verbalen Respektlosigkeit. (Abg. Rauch: Kollege Gödl, Sie sind zu bedauern!) Der Eindruck, den manche Abgeordnete vermitteln, ist tatsächlich beschämend. (Abg. Matznetter: Dann sagen Sie Ihrer Tochter ...!) – Ich sage ganz bewusst manche Abge­ordnete – wie Sie, Herr Matznetter, von der Opposition. Ich will es einfach nicht glauben, dass Sie Ihren vom Wählerwillen abgeleiteten Auftrag darin sehen, gegen alles zu kam­pagnisieren und dauernd mit Unterstellungen zu arbeiten! (Beifall bei der ÖVP. – An­haltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich will es einfach nicht glauben, dass Abgeordnete


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der Opposition ihren einzigen Auftrag darin sehen, all ihre Energie in die Zerstörung des politischen Klimas zu investieren.

Diese Dringliche Anfrage passt genau in dieses Bild: Ein Projekt, das im Regie­rungs­programm verankert ist, das seit über einem Jahr über alle Ministerien läuft, wofür seit August 2020 ein Lenkungsausschuss eingesetzt ist und IT-Server aus guten techni­schen Gründen von den Ministerien an das Bundesrechenzentrum übertragen werden, soll aus billigsten populistischen Motiven kriminalisiert werden, und das kann es doch nicht sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte daher an dieser Stelle zur völligen Klarstellung, dass es ein Projekt ist, das nichts mit Schreddern und Aktenvernichtung zu tun hat, den schon angekündigten Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufbewahrung von Akten und Daten in den Ministerien“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedenfalls sicherzustellen, dass für die Wahr­nehmung der parlamentarischen Kontrollrechte, wie insbesondere den zuletzt einge­setzten Untersuchungsausschuss, die notwendigen Akten- und Datenbestände, etwa in Sicherungskopien, aufbewahrt werden. Die im Bundeskanzleramt durch den Daten­migrationsprozess in das BRZ (derzeit im Abstimmungsprozess mit der PV) für 10. November 2021 vorgesehene automatisierte Löschung von bzw. Beschränkung des Zugriffs auf Inhalte, die älter als 365 Tage sind, soll ausgesetzt werden.“

*****

Das ist der Antrag, den ich hiemit einbringe, damit unmissverständlich klargestellt ist, worum es bei diesem Projekt geht.

Ich will einfach nicht daran glauben, meine Damen und Herren, dass Sie Ihren einzigen Wählerauftrag darin sehen – so wie heute schon den ganzen Tag in der Debatte –, gegen alles zu sein, gegen eine ökosoziale Steuerreform, gegen den Budgetentwurf für das kommende Jahr 2022, in dem zum Beispiel sichergestellt wird, dass mehr denn je in Bildung, in die Umwelt, in Beschäftigungsprogramme investiert wird. Nein, meine Damen und Herren, ich will nicht daran glauben, dass die einzige Mission Ihres Daseins in diesem Haus ist, Ihre Energie in Destruktion, in Zerstörung zu investieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Sepp Schellhorn hat es übrigens treffend formuliert, als er hier ausgeschieden ist. Er hat nämlich damals unter anderem gemeint: „Zum anderen verlasse ich die Politik auch, weil [...] eine Überdosis an politischem Gift uns Abgeordnete aufzufressen droht.“

Warum tut man sich dann Politik eigentlich an, meine Damen und Herren? – Ich sage Ihnen: weil ich an Besseres glaube (Zwischenruf der Abg. Erasim), weil ich daran glaube, dass am Ende des Tages in einer Demokratie nicht die Zerstörer, sondern die Gestalter der Zukunft das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen (Beifall bei der ÖVP), weil ich daran glaube, meine Damen und Herren, dass die Justiz alles aufklären wird und jegliche politische Agitation ins Leere laufen lässt.

Wir leben, meine Damen und Herren, in einem wirklich wunderbaren, florierenden Land. Es ist ein Land mit höchster Lebensqualität, ein Land, in dem alle Menschen viele, viele Chancen haben, ein Land, in dem ein breites soziales Netz aufgespannt ist. Ein


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florierendes Land ist kein Zufall, ein florierendes Land ist ein Ergebnis, nämlich das Ergebnis einer jahrelangen guten Politik – in der Vergangenheit wie in der Gegenwart.

Es ist kein Zufall, dass Österreich heute in vielen internationalen Rankings Spitzenposi­tionen erreicht, so beispielsweise in jenem von Bloomberg im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung, in dem Österreich weltweit weit vorne ausgewiesen ist. Dieser Erfolg, meine Damen und Herren, ist das Ergebnis der positiven politischen Arbeit in unserem Land, ganz besonders unter der Führung von Kanzler Kurz und Vizekanzler Werner Kogler. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Allein die Tatsachen, dass wir heute nach der im Auslaufen befindlichen Pandemie und nach der größten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik sogar weniger Arbeitslose als vor zwei Jahren haben, dass wir ein sehr hohes Wirtschaftswachstum haben, zeigen, wozu positive Politik imstande ist. (Abg. Lausch: Herr Kollege ...!) Dafür tue ich mir Politik an, nämlich für diese positive Politik, und das erwartet sich auch die Bevölkerung.

Meine Damen und Herren, ich rufe alle Österreicherinnen und Österreicher auf, sich hinter jenen Kräften zu versammeln, die positive Politik im Auge haben, die Positives gestalten wollen, hinter jenen Abgeordneten, die in der Mehrheit in diesem Haus sind, die Positives gestalten wollen, hinter dieser Bundesregierung, die Positives gestalten will, und hinter einem Sebastian Kurz, der schon bisher bewiesen hat, wie positiv er gestalten kann, und der in Zukunft noch vieles positiv für unser Land gestalten wird. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, wir stehen für positive Gestaltung und nicht für Destruktion, wir stehen für Verbesserung im Lebensalltag und nicht für Zerstörung. Dafür sind wir gewählt – auch Sie von der Opposition. Wir sind dafür gewählt, dass wir dereinst unsere Kinder nicht als Hinterbliebene, sondern als Erben eines florierenden Landes hinter­lassen. Dafür tue ich mir Politik an. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Maurer.)

16.19

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wolfgang Gerstl, Eva Blimlinger,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Aufbewahrung von Akten und Daten in den Ministerien

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage der Abgeordneten Jan Krainer, Genossinnen und Genossen, betreffend „Schluss mit Schreddern – Aufklärung statt Aktenvernichtung, Herr Bundeskanzler!“

Begründung

In der Dringlichen Anfrage äußern die einbringenden Abgeordneten die Befürchtung, dass durch die derzeit in Vorbereitung befindliche Umstellung auf ein neues E-Mail-System im Bundeskanzleramt und möglicherweise auch in anderen Ministerien, Daten, die für den am 13.10.2021 verlangten Untersuchungsausschuss relevant sein könnten, verloren gehen könnten.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedenfalls sicherzustellen, dass für die Wahr­neh­mung der parlamentarischen Kontrollrechte, wie insbesondere den zuletzt einge­setzten Untersuchungsausschuss, die notwendigen Akten- und Datenbestände, etwa in Sicherungskopien, aufbewahrt werden. Die im Bundeskanzleramt durch den Daten­migrationsprozess in das BRZ (derzeit im Abstimmungsprozess mit der PV) für 10. November 2021 vorgesehene automatisierte Löschung von bzw. Beschränkung des Zugriffs auf Inhalte, die älter als 365 Tage sind, soll ausgesetzt werden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der eingebrachte Entschließungsantrag ist aus­reichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ries. – Herr Abgeordneter Ries, Sie haben das Wort. Bitte sehr.


16.19.35

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Später wird unter Punkt 14 der Tagesordnung eine Petition zur Kenntnis genommen, deren Anliegen sich einerseits zwischenzeitlich erle­digt hat, aber andererseits doch erfüllt hat. Es ist die Petition zur Fortführung des Ibiza-Untersuchungsausschusses. ÖVP und Grüne haben damals gemauert, und ich glaube, heute wäre es ihnen aber lieber, wäre dieser Ausschuss verlängert worden, denn der, der jetzt kommt, wird quasi tagesaktuell sein.

Für uns war damals das Ziel des Ibiza-Untersuchungsausschusses klar: Es sollte eine angeschlagene FPÖ zu Fall gebracht werden. – Das war das, was eigentlich bestellt worden war. Zunächst lief es ja auch sehr gut für die Jagdgesellschaft, alles lief wie am Schnürchen: eine gute Wahl geschlagen, neue Regierung – alles gut. Irgendwann aber reißt jede Glückssträhne und einiges beginnt, schiefzulaufen: die Coronapandemie, dazu einige Verordnungen, die für den Mistkübel waren, falsche Budgetzahlen und ein U-Ausschuss, der nicht das bringt, was erwartet wird.

Was lieferte der U-Ausschuss? – Einen Einblick in einen türkisen Staat im Staate mit einer eigenen Prätorianergarde. Plötzlich geht es um falsche Beweisaussagen, falsche Treue und Untreue, um Bestechung und Bestechlichkeit und um Veröffentlichung ge­fälschter Umfragen, bezahlt aus Steuermitteln, und alles belastet die ÖVP. Gerade der Sachverhalt, der dieser Dringlichen Anfrage zugrunde liegt, beweist doch, wie dringend dieser kommende Ausschuss sein wird, denn es fällt mittlerweile schwer, der ÖVP zu glauben.

Wir werden wie in den vorhergehenden Untersuchungsausschüssen mitwirken, um festzustellen, was an diesen ungeheuerlichen Vorwürfen dran ist, die sich bereits aus den bestehenden Aktenteilen ergeben. Seit den Hausdurchsuchungen vorige Woche, der Festnahme einer Meinungsforscherin und dem Löschungsauftrag im BKA stehen nun weitere Verdachtsmomente im Raum. (Ruf bei der ÖVP: ... wieder freigelassen!) Es sind dies der Bruch des Amtsgeheimnisses, Unterdrückung von Beweismitteln und Datenbeschädigung.

Wie gesagt, wir werden sehen, ob sich diese und andere Vorwürfe bestätigen. Wir als freiheitliche Fraktion im Nationalrat werden unserem Auftrag korrekt nachgehen, so viel können wir jedenfalls versprechen. Wir können versprechen, dass wir keine Behörden


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ungerechtfertigt anpatzen werden, weder die Justiz, noch die Polizei. Kritik werden wir üben, wenn sie angebracht ist, aber eine Pauschalverdächtigung, wie wir sie von Ihnen aus der ÖVP gehört haben, werden Sie von uns nicht hören. (Abg. Strasser: Das ist eine Anfrage!)

Wer das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat nicht endgültig zerstören will, liebe ÖVP, sollte sich auch überlegen, was er zum Thema von Pressekonferenzen macht, denn wer der Justiz via Pressekonferenz mitteilen will, dass eh keine Beweismittel da sind, und dieser andererseits den Bruch des Amtsgeheimnisses vorwirft, darf sich nicht wundern, wenn das Grundbedürfnis der Bevölkerung nach einem Vertrauen in den Staat schwerstens gestört wird.

Werte Damen und Herren der ÖVP, ein Abgeordneter aus Ihren Reihen hat mir am Dienstag den Spruch: Wer anderen eine Grube gräbt!, nahegelegt – eine sehr passende Redewendung in der derzeitigen Situation, wie ich finde. Er hat damit voll ins Schwarze getroffen, denn jetzt sitzt die ÖVP in einer Grube, die ursprünglich für andere gegraben wurde.

Liebe Christdemokraten in der ÖVP, Sie werden doch sicher die Bibelgeschichte vom Propheten Daniel in der Löwengrube kennen. An Ihrer Stelle würde ich nicht darauf ver­trauen, dass Sie aus Gottes Gnade aus dieser Grube errettet werden. Da werden Sie schon selber mithelfen müssen. Wenn Sie nichts zu verbergen haben, dann werden Sie ohne Kratzer wieder aus dieser Grube emporsteigen. Wenn sich aber die bestehenden Vorwürfe erhärten, dann werden es die scharfen Zähne der Justiz und des Unter­suchungsausschusses sein, die ein biblisches Happy End verhindern werden. (Beifall bei der FPÖ.)

16.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Prammer. – Bitte sehr.


16.24.11

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe mich gefragt, warum diese Anfrage an den Bundeskanzler heute gestellt wird, wo er – breit angekündigt – einen Auslandsbesuch macht. (Zwischenruf der Abg. Herr.) Wir wissen es jetzt: Ihr hattet tatsächlich die Befürchtung (Zwischenruf des Abg. Matznetter), es wäre Gefahr in Verzug. (Abg. Matznetter: Die ist beantwortet! Gestern Nacht!) Ihr hattet die dahinter liegenden Vorgänge nicht verstanden, das ist okay. Die Anfrage wurde beantwortet, es sollte jetzt alles klar sein. (Abg. Herr: Gestern Nacht! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Viel wichtiger sind aber jene Informationen, um die es euch geht. Das dahinter liegende Anliegen, nämlich Informationen zu sichern, die ein künftiger Untersuchungsausschuss zur Aufklärung braucht, unterstützen wir ja zu 100 Prozent. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Aber?! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir sind der festen Überzeugung, dass Demokratie nur dann funktionieren kann, wenn Verwaltung transparent ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Nur dann, wenn der Souverän Zugang zu den Vorgängen hat, die in den Amtsstuben passieren, um sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob die Verwaltung in seinem Sinne arbeitet, kann das System funktionieren. In einer Demokratie ist der Souverän das Volk. Wir alle sind der Souverän. (Beifall bei den Grünen.)

Darum ist es wichtig, dass wir die Möglichkeit haben, zu sehen, was in den Amtsstuben pas­siert. Das ist die simple Überlegung, die hinter der Abschaffung des Amtsgeheimnisses


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steht. Dies werden wir mit dem Informationsfreiheitsgesetz machen. (Zwischenruf des Abg. Köchl.) Ich weiß, es ist noch nicht da, und es wird auch noch eine Zeit lang dauern, bis es kommt – da will ich euch gar nichts vormachen –, aber ich kann Ihnen sagen, warum das so lange dauert (Zwischenruf des Abg. Matznetter): Wir stellen damit ein Prinzip auf den Kopf, das es in diesem Land seit dem 18. Jahrhundert gibt. Das ist jetzt sicher keine Ausrede, aber es ist eine Erklärung dafür, warum es so viele Widerstände gibt.

Es ist ein kompletter Wandel in dem Verständnis, das die Beamtenschaft seit Jahrhun­derten hat. Damit dürfen wir die Menschen, die an den betroffenen Stellen arbeiten, auch nicht alleine lassen. Wir nehmen diese Bedenken, die sich daraus ergeben, ernst, weil wir wissen, dass wir damit einen Kulturwandel schaffen, aber: Wir werden das umsetzen. Wir werden in Österreich einen durchsetzbaren Anspruch auf Information über alle Verwaltungsvorgänge schaffen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Köchl.)

Wir schaffen damit Transparenz in einem noch nie dagewesenen Ausmaß. Wir alle hier im Hohen Haus (Zwischenruf bei der SPÖ) sind Parlamentarierinnen und Parlamentarier und wir haben den Auftrag und die Pflicht, die Kontrolle über die Verwaltung auszuüben. Deshalb sind wir alle daran interessiert, dass Untersuchungsausschüsse effektiv arbei­ten können. Weil hier schon ein paar Mal gesagt wurde: Ihr habt den Unter­suchungs­ausschuss abgedreht! – Wäre der Untersuchungsausschuss damals verlängert worden, hätte er auch Mitte September zu arbeiten aufgehört, und wir hätten nicht schon den nächsten in der Pipeline. Ich wollte es nur noch einmal angemerkt haben. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Abg. Rauch: Das können Sie gar nicht wissen! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Wir haben hier einen Entschließungsantrag eingebracht, der sicherstellen wird (Abg. Rauch: Wie wollen Sie denn wissen, was die Opposition gemacht hätte?), dass nichts gelöscht wird und dass alles vorhanden ist, was der zukünftige Untersuchungs­aus­schuss theoretisch brauchen könnte. Ich nehme an, ihr werdet da zustimmen, aber wenn nicht, ist es auch nicht schlimm, denn dann sorge eben die Regierungsparteien allein dafür, dass der Untersuchungsausschuss alles hat, was er braucht. (Beifall bei den Grünen. – Heiterkeit der Abg. Yılmaz. – Ruf bei der FPÖ: Wird das jetzt auch ein Satire­projekt?)

16.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Krisper. – Bitte.


16.28.05

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Regie­rungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Hat man im türkisen System Beweismittel für Strafverfahren bezüglich strafrechtlich relevan­ten Verhaltens, Beweismittel für den Untersuchungsausschuss – den vergangenen, den zukünftigen – bezüglich korrupten Verhaltens im weiteren Sinne, charakterlich korrum­pierten Verhaltens gelöscht? – Wir wissen es nicht, naturgemäß, weil es weg ist. Wir haben aber unsere Erfahrungen mit den türkisen Verhaltensweisen aus dem letzten Ibiza-Untersuchungsausschuss. Es gibt auch Fakten, und ich möchte mich hier auf die Fakten beschränken.

Wir erinnern uns an die Schredderaffäre. Zu dieser konnten wir im U-Ausschuss klären, dass Festplatten im Eigentum der Republik entgegen der üblichen Vorgehensweisen eigenhändig unter dubiosesten Umständen vernichtet wurden. Das hat nun einmal dazu geführt, dass das Ermittlungsverfahren verendet ist und aufgrund der Feststellungen und Erkenntnisse des U-Ausschusses wieder aufgenommen wurde.


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Was sind die weiteren Fakten? Was wissen wir? – Wir wissen, dass wir im Ibiza-Unter­suchungsausschuss kaum Unterlagen erhalten haben. Von welcher Seite? – Vom türkisen Bundeskanzleramt und den türkisen Ministerien. Wir waren auf den Strafakt der Justiz angewiesen. Was nahm die türkise ÖVP dafür in Kauf? – Gesetzesbruch. Das ist auch ein Faktum, denn ganz klar kam es vonseiten des türkisen Kanzleramts insbeson­dere zu einer Verletzung der Archivierungspflicht nach dem Bundesarchivgesetz, die besteht und von der nur persönliche Unterlagen ausgenommen sind.

Das hat damals nicht zu weitreichender Empörung geführt, man hat das eher hin­ge­nommen. Woanders passiert das nicht. Denken Sie an die USA! – Dort müssen auch alle amtlichen E-Mails von Ministerien gespeichert und archiviert werden. Dort wird die Archivierungspflicht seriös betrieben, mit der Folge, dass das Versenden beruflicher Inhalte – das kennen wir, berufliche Inhalte mit einer privaten E-Mail-Adresse, also auf privaten Wegen – ohne Archivierung zu einem Skandal um die damalige US-Präsident­schaftskandidatin Hillary Clinton führte – hier kein großer Aufruhr.

Wir NEOS hielten damals diesen Gesetzesbruch vonseiten des türkisen Bundeskanz­leramtes sehr wohl für unfassbar, insbesondere da wir uns daran erinnert haben, dass wir uns im April 2019 – vor Ibiza – aufgrund eines Antrages von Kollegen Schellhorn hier einstimmig – alle Parteien – auf eine Entschließung geeinigt haben, dass man in Zukunft daran arbeitet, digitale Archivalien der obersten Staatsorgane nachhaltig zu sichern, und zwar auch die Social-Media-Auftritte. Das heißt, das wäre noch weiter gegangen, als es jetzt gilt. Gerichtet war der Antrag zur Umsetzung an den damals zuständigen Minister Blümel, und unsere Anfragen haben von ihm und von Ministerin Edtstadler folgende Antwort generiert: Arbeitsgruppen, es gibt Arbeitsgruppen.

Was ist nach April 2019 passiert? – Ibiza. Das türkise System geht plötzlich in eine andere Richtung als diese Entschließung, der auch die ÖVP zugestimmt hat, und bricht die Gesetze. Das sieht auch der ehemalige Generaldirektor des Staatsarchivs so; er wies bereits vor Monaten darauf hin, dass die Löschung von archivierungspflichtigem Material rechtswidrig ist. Er sagte: „Sollte verwaltungsrelevantes Material vernichtet worden sein, dann widerspricht das klar dem Bundesarchivgesetz und hätte eine neue Qualität.“

Da sind wir wieder bei der neuen Qualität der Ruchlosigkeit eines türkisen Systems, das auch gerne Rechtsbrüche wiederholt, wenn es einfach nötig ist, um sich möglicherweise vor Aufklärung vonseiten der Justiz oder eines Untersuchungsausschusses schützen zu müssen. Diesem neuen System kann man anscheinend nur mit dem Strafrecht kommen, denn die neue Benchmark für das türkise System ist ja im Moment anscheinend wirklich nur das Strafrecht.

Deswegen hat mein Kollege Hannes Margreiter schon im April dieses Jahres einen Initia­tivantrag eingebracht, der nächste Woche im Justizausschuss diskutiert wird, nämlich dahin gehend, dass man Beweismittelunterdrückung auch vor dem Untersuchungs­aus­schuss strafbar macht. Im Moment sind nur die falsche Beweisaussage – was wir wissen – vor dem Untersuchungsausschuss und die Verfälschung eines echten Beweis­mittels strafbar. Jetzt könnte man aber sagen, wenn nur die Verfälschung eines Beweis­mittels, nicht aber die Unterdrückung strafbar ist, dann verliert halt ein Zeuge lieber ein Handy, bevor er es aufwändig manipuliert. Da gibt es also eine klare Gesetzeslücke bezüglich Beweismittelunterdrückung, und diese wollen wir nächste Woche im Justiz­ausschuss schließen. (Beifall bei den NEOS.) Jeder redliche Geist in diesem Hause sollte sich dem anschließen, besonders jeder, der nichts zu verbergen hat.

Weiters erwarte ich mir, natürlich aufgrund der heutigen Aussagen und des Antrages der Regierungsparteien, dass es keinen Grund gibt, nächste Woche nicht mitzugehen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.33



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 141

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fürlinger. Das Wort steht bei ihm.


16.33.22

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich habe mich eigentlich schon sehr auf das Comeback der Politik im Herbst gefreut – auf Sacharbeit, auf Steuerreform, Budget, Arbeitsmarkt, viele besondere Dinge, die anstehen, die in unserem Regierungsprogramm drinnen sind. Mit dieser Motivation bin ich hierher nach Wien gefahren, aber wie es so schön bei Schiller heißt, meine Damen und Herren: „Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben, / Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.“ (Ruf bei der SPÖ: Jetzt sind die anderen schuld! Wir haben nicht geschreddert!) Leider ist die Stunde der Misanthropen wieder angebrochen, leider sind jene Damen und Herren, die es vereinzelt in diesem Haus gibt, die die Destruktion vor die Konstruktion setzen, wieder unter uns. (Abg. Belakowitsch: Was ist Konstruktion? – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Leider leben wir wieder in der Zeit, in der ganz normale Dinge, die für die Republik wichtig sind, wie die Modernisierung eines EDV-Systems, die Zentralisierung eines EDV-Sys­tems, die Verschlankung der Strukturen, dazu führen, dass Menschen das kriminalisie­ren. Es kommen Leute hierher, die Dringliche Anfragen machen, weil sie einen Teil eines Mails an einen Personalvertreter bekommen haben, in dem drinnen steht, dass Daten gesammelt und nicht gelöscht werden. Das alleine aber reicht vor dem Hintergrund einer ganz besonderen Pressekonferenz, die gestern stattgefunden hat, in der man ein Verlan­gen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eingebracht hat. (Die Abgeord­neten Lausch und Rauch halten Tafeln mit den Aufschriften „Game over“ beziehungs­weise „# Game over“ in die Höhe.) Diese Überschrift deckt sich allerdings in keiner Weise mit dem, was in dieser (ein Schriftstück in die Höhe haltend), ich würde sagen, parteipolitischen Hetzschrift, meine Damen und Herren, drinnen ist, denn juristisch ist nicht das drinnen, was oben draufsteht.

Es wäre schön, wenn sich Juristen gelegentlich auch damit beschäftigen würden, denn dieses Verlangen ist mit den Worten des Gesetzes und unserer Bundesverfassung nicht in Einklang zu bringen. Würde man heute einen Rechtspraktikanten bitten, ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu schreiben, und er würde das schreiben, würde seine berufliche Karriere möglicherweise nicht sehr weit führen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Litschauer.)

Meine Damen und Herren, dass jene, deren politisches Geschäft das Herabsetzen und das Verächtlichmachen oder das Verleumden ist, das so haben wollen, ist der eine Teil, dass bedauerlicherweise der von mir sehr geschätzte Kollege Scherak, der gerade nicht im Saal ist, seine Unterschrift daruntergesetzt hat, kann wohl nur damit im Zusam­menhang stehen, dass er es nicht gelesen hat, denn es wäre seiner Kompetenz nicht angemessen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Entschuldigung, was soll denn das?)

Ich würde mir wünschen, dass Kollege Bürstmayr, der auch schon einmal festgestellt hat, dass das juristische Niveau im Haus durchaus zu wünschen übrig lässt, vielleicht noch einmal einen Blick darauf wirft, denn ich glaube nicht, dass ein solcher Schriftsatz je seine Kanzlei verlassen hat. Dieses Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungs­ausschusses ist nicht das wert, was darübersteht, es ist juristisch eine Armutserklärung. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, wie wir wissen, sind Vorwürfe in dieser Republik schnell erhoben, ganz egal von wem sie kommen, und es dauert lange, sie zu widerlegen. Das eine aber, meine Damen und Herren, kann ich Ihnen mit Sicherheit sagen: Wir werden


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jeden dieser Meter gehen, um diesen teilweise ungeheuerlichen Vorwürfen und Unter­stellungen, die Sie uns hier machen, entgegenzutreten – und wir werden sie Punkt für Punkt aufklären. Das, was ich dann möchte, ist, dass jene, die in diesem unglaublichen Pamphlet so viel Schmutz verbreiten, die Ehre und den Anstand haben, hier herauszu­kommen und sich für das, was sie getan haben, zu entschuldigen, weil wir das einfordern werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger. – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

16.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Kogler. (Abg. Meinl-Reisinger: Herr Präsident, zur Geschäftsordnung!)

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Klubobfrau Abgeordnete Meinl-Reisinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

*****


16.37.47

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich melde mich selten zur Geschäftsordnung zu Wort, aber den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der gestern eingebracht wurde, hier vor allen im Hohen Haus als „Hetzschrift“ und „Pamphlet“ zu benennen, das verdient, wie ich finde, einen Ordnungsruf. Das ist der Würde des Hohen Hauses nicht ange­messen! – Danke. (Beifall und Bravoruf bei den NEOS sowie Beifall bei SPÖ, FPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.38

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Herr Vizekanzler ist zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Kollross: Was macht er jetzt, der Präsident? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Der Herr Vizekanzler ist zu Wort gemeldet. (Ruf bei der SPÖ: Was? – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.)


16.38.25

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: In möchte in anderer Angelegenheit – ich will mich da in keiner Weise an dieser Debatte, die gerade eben aufgebrochen ist, beteiligen – aber schon einen Hinweis geben, weil ich mir nicht immer sicher bin, ob alle Abgeordneten sozu­sagen Text und Intention der Bundesverfassung genau auslegen. Ich mache das jeden­falls, bevor der letzte Abgeordnete sich zu Wort meldet, weil ich ja auch die Usancen hier kenne.

Den Usancen entspricht es allerdings auch, dass diejenigen Bundesregierungsmit­glieder eine Dringliche Anfrage ereilt, die auch wirklich im Lande sind. Es gibt jetzt vielleicht Gründe dafür, wir haben uns darüber nicht beschwert, aber eines möchte ich schon sagen, insbesondere an den sehr geschätzten, ansonst sehr geschätzten Abgeordneten Leichtfried: Wenn man sich mit zunehmender Energie in zunehmende Empörung reinsteigert, dann darf man schon erwarten, dass man einen Teil dieser Energie dafür verwendet, die österreichische Bundesverfassung zu verstehen, auf die Sie immerhin angelobt wurden, und da sind die Vertretungsrechte klipp und klar geregelt – klipp und klar geregelt! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass Art. 73 Abs. 3 B-VG gewisse Hinweise dazu gibt. Es geht da um eine parlamentarische Vertretung und nicht darum, dass ich in Abwesenheit des Bundeskanzlers ins Bundeskanzleramt hineinregiere – wo würden wir da überhaupt hinkommen? Sie haben das aber hier absichtlich verdreht, und das müssen Sie sich jetzt vorhalten lassen, selbst von der Regierungsbank aus. So geht das nicht! (Anhaltender Beifall bei den Grünen sowie Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. )

16.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Wortwahl anlässlich dieser Debatte: Ich habe zu den Aussagen, man habe „die Bevölkerung um Steuergelder betrogen“ sowie „ver­meintliche Verbrecher und Verbrecherinnen“ keine dementsprechende Anmerkung ge­macht, um nicht schlussendlich noch mehr Emotionen hineinzubringen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Wir werden das in der Präsidiale diskutieren. Dass ich alle dazu aufrufe, sich zu mäßigen und dementsprechend zuzuhören, auch wiederholt und auch mit dem Glockenzeichen, ist, glaube ich, als Vorsitzender meine Aufgabe.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schnedlitz. – Bitte. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)


16.41.23

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Herr Vizekanzler! Werte Regierungsmitglieder! Dann fassen wir einmal zusam­men! Ja, es ist schon wieder etwas passiert, denn es vergeht kein Tag, ohne dass neue türkise Grauslichkeiten in unserer Republik detonieren. Kein Tag vergeht, ohne dass unsere Republik erschüttert wird und Schaden nimmt, sehr geehrte Damen und Herren, und kein Tag vergeht, ohne dass Unfassbares ans Tageslicht tritt, für das jeder redliche Politiker längst zurückgetreten wäre. Bei Ihnen (in Richtung ÖVP) wird man zur Beloh­nung noch zum Klubobmann gewählt, Gratulation! (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der SPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Die Opposition muss natürlich handeln und kann jetzt nicht auch noch auf Termine Rücksicht nehmen, wenn die Republik täglich Schaden nimmt. Wir würden eh gern, aber es geht halt nicht! Weder die SPÖ noch die NEOS noch die Grünen – und auch nicht die Freiheitlichen – können etwas für das, was Sie aufgeführt haben, sehr geehrte Damen und Herren, und deshalb müssen Sie auch aushalten, wenn hier so etwas eingebracht wird. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Herr Kollege Gerstl! Ein trauriger Vergleich – Sie löschen Daten wie jene, über die Sie gerade täglich stolpern, und nennen das „IT-Sicherheitsstrategie“. (Abg. Gerstl schüttelt den Kopf. – Rufe bei der ÖVP: Es wird ja nichts gelöscht!) – Werte Kollegen der ÖVP, nur weil ihr es den Grünen einreden könnt, heißt das noch lange nicht, dass ihr die Menschen in diesem Land mit dem Schmäh für dumm verkaufen könnt oder dass es SPÖ, NEOS und wir euch abkaufen! So einfach ist das. (Beifall bei der FPÖ.)

Und liebe Grüne, es ist ja auch offensichtlich, warum ihr hier so zur Verteidigung ausrückt! Ihr habt euch von der ÖVP so schnell über den Tisch ziehen lassen, dass allein durch die Reibungswärme 2 Grad Klimaerwärmung entstanden sind. Deshalb müsst ihr jetzt hier ausrücken. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

IT-Sicherheitsstrategie übersetzt: eine Strategie, um Informationen zu beseitigen, um die ÖVP in Sicherheit zu bringen. Das ist es, worum es geht. Was glauben Sie, werte Damen und Herren der Österreichischen Volkspartei, was die Leute draußen über Sie denken, wenn Ihr ehemaliger, Ihr gefallener türkiser Engel einen Schritt zur Seite von der Regie­rungsbank hin zu den Sitzplätzen der ÖVP-Abgeordneten macht und Sie sich trotzdem Tag für Tag mit sich selbst beschäftigen müssen und diese Republik weiter in Geiselhaft


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halten? (Zwischenruf des Abg Ottenschläger.) Was denken Sie, was die Menschen draußen über Sie denken, wenn Sie, anstatt dass Sie Ihren Job erledigen, mit Dingen beschäftigt sind, für die jeder Otto Normalbürger längst seinen Job verloren hätte? Gerade in Zeiten wie diesen würde man sich von einer staatstragenden oder – Pardon! – ehemals staatstragenden Partei erwarten (Abg. Michael Hammer: Das wart ihr nie, ja!), dass sie etwas Weitsicht an den Tag legt und zumindest – und darauf wartet ganz Öster­reich – das Verhalten, das zu diesem tiefen Fall ihres ehemaligen türkisen Engels, der da jetzt in der ersten Reihe sitzt, nicht einmal auf dem ersten Platz (Heiterkeit des Red­ners), sondern auf dem zweiten, geführt hat, sofort – aber auch sofort! – einstellt. Wir warten vergebens, und die Österreicherinnen und Österreicher warten vergebens.

Als ob das, was Sie gemacht haben und worüber Sie gestolpert sind, nicht schon schlimm genug wäre, fliegen Sie jetzt auch noch damit auf, dass Sie versuchen, zuzudecken und zu vertuschen. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist der Beweis, dass es täglich schlimmer wird und nicht besser! (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) Es wird täglich nicht sauberer, sondern schmutziger – und auch deshalb danke für diese Dringliche, sehr geehrte Damen und Herren! Deshalb müssen wir diesem Schauspiel Einhalt gebieten und diesem System endlich den Stecker ziehen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Niemand in Österreich will von jemandem regiert werden, dessen Schmutz zeigt, wie moralisch bankrott er ist. Eines aber verspreche ich Ihnen, so wahr ich hier stehe: Wir Freiheitlichen werden gemeinsam mit der österreichischen Bevölkerung dafür sorgen und in diesem Land sicherstellen, dass Ihrem moralischen Bankrott auch Ihr politischer Bankrott folgen wird. Kurz ist weg, sehr geehrte Damen und Herren, die Türkisen kommen weg. Dafür wird der Wähler sorgen, versprochen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

16.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Matznetter. – Bitte.


16.46.08

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Es ist wirklich sonderbar, welche Aufregung zu Förmlichkeiten anstatt zum Inhalt aufpoppt. Das ist ja unfassbar!

Bleiben wir ruhig und sachlich: Just am 4. Oktober, genau an jenem Tag, an dem die Staatsanwaltschaft sozusagen die Einsatzkräfte für die Hausdurchsuchungen am 6. Ok­tober sammelt, kommt eine Anordnung, die darauf hinausläuft, dass am 10. ­ im Bun­deskanzleramt die gesamten Back-up-Daten, die hinter dem Exchange Server laufen, gelöscht werden, es sei denn, dass jeder einzelne Mitarbeiter, jede einzelne Mitarbeiterin des Amtes individuell meldet: Wir brauchen das noch. (Abg. Lopatka: Das ist eine bewusste Irreführung! Das stimmt ja nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und genau dieser Umstand wurde in der Nacht von gestern auf heute bekannt gegeben. Alle Einwendungen, man hätte es früher machen können: gegenstandslos. Was sonst, wenn nicht das, ist Anlass für eine solche Dringliche? – Ehrlich!

Das Ganze geht jetzt natürlich weiter. Abgeordneter Krainer hat ganz klar nachgewiesen, warum der geplante – damals war er noch nicht eingebracht – Entschließungsantrag untauglich ist: Statt jedes einzelnen Mitglieds der Bundesregierung wird das Kollektiv­organ aufgefordert. Den entscheidenden Teil, nämlich zum „eingesetzten Unter­suchungs­­ausschuss“ (Rufe bei den Grünen: „Insbesondere“!), hat Kollege Krainer völlig richtig ja während seiner Begründung noch einmal vorgelesen. (Neuerliche Rufe bei den Grünen:


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„Insbesondere“!) – Ihr habt 30 Minuten für die Korrektur gehabt. (Abg. Stögmüller:Ins­be­sondere“!  Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Habt ihr es zusammenge­bracht? – Nein! (Abg. Stögmüller: Da kennst du dich aber nicht aus damit! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Keiner hat es erklärt, nur: Ihr habt das falsch eingebracht. 

So, und jetzt komme ich aber zum Inhalt dessen, was sonst passiert ist. Wieso führt ihr das auf? Ist das ein Stockholmsyndrom? (Zwischenrufe bei den Grünen.) Habt ihr eigentlich Kollegen Gerstl zugehört, der Vorwürfe getätigt hat? Nicht, dass er gesagt hat: Wir werden keine Straftaten mehr begehen, damit niemand eine Anzeige machen muss!, nein, er hat gesagt: Wieso findet beim Chorherr keine Hausdurchsuchung statt? (Zwi­schenruf des Abg. Stögmüller.) Er hat sich verstiegen in der Unterstellung, dass die frühere Stadträtin Wehsely unter falschem Namen die Firma Reisswolf beschäftigt hätte, die Rechnung nicht bezahlt hätte und Festplatten geschreddert hätte. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Und wie reagiert ihr auf solche Unterstellungen? – Eva Blimlinger hält uns einen Vortrag über die Einrichtung des Archivs im 18. Jahrhundert (Zwischenrufe bei Grünen und ÖVP) ehrlich?! –, statt dass ihr hergeht und sagt: Freunde, aus jetzt! Es wird unter­sucht, das Schreddern wird jetzt gestoppt (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abge­ordneten der FPÖ), jetzt schauen wir uns jede einzelne Information an, um diesen Sumpf trockenzulegen!

Das wäre eure Aufgabe gewesen, und ich wiederhole hier, was ich gestern schon gesagt habe: Möge der Anstand grün gewählt haben – aber wenn er es gemacht hat, hat er inzwischen politisches Asyl in Skandinavien gesucht. Dort gibt es nämlich ein Infor­mationsfreiheitsgesetz – ihr habt es nicht zusammengebracht. Es hätte uns geholfen, denn dann wären die ganzen Lösch- und Schredderaktionen, die jetzt flächendeckend stattfinden, nicht möglich gewesen. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Zur Ausrede: Wir machen doch jetzt ein anderes System! Freunde, die Back-ups der Back-ups müssen da sein. (Abg. Zorba: Ja ...!) Und die Frage, ob eine Hausdurch­suchung verraten wurde, möge jeder einzelne für sich beantworten. Liebe Zuseherinnen und Zuseher, denkt einmal darüber nach! (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Bei Herrn Schmid gibt es eine Hausdurchsuchung, das Handy ist gelöscht, er gibt sogar den Code her. Der Herr Bundeskanzler a. D. erklärt uns: Das Diensthandy verwende ich ja gar nicht, ich verwende nur das private Handy von der Partei! Die Nächste, zu der sie kom­men, Frau Beinschab, müssen sie für zwei Tage festnehmen (Zwischenruf der Abg. Scheucher-Pichler), weil die Festplatten gelöscht waren, als sie dort erschienen sind. (Ruf bei der ÖVP: So ein Blödsinn!) Frau Gaby Schwarz erklärt eine Woche vor der Hausdurchsuchung: Es gibt bei uns in der ÖVP-Parteizentrale nichts mehr zu finden! (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

Fällt Ihnen irgendein Zusammenhang auf? Ehrlich gesagt gibt es also zwei Möglich­keiten: Entweder die Staatsanwaltschaft sagt: Wir wissen nicht, was wir mit Ihnen machen!, sie kündigt sich vorher an, schreibt ein Brieferl: Wir kommen vielleicht im Oktober!, oder es gibt andere Quellen (Zwischenruf des Abg. Haubner), die rechtzeitig darüber infor­mieren. Eines ist aber bitte auch klar, meine Damen und Herren von der ÖVP: Ein an­ständiger Mensch hat vielleicht die Unterlagen vorbereitet, aber übergibt nicht ein gelöschtes Handy. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Über die Intelligenz dieser Truppe kann man nur sagen: Es deutet nicht auf besondere Intelligenz hin, zu glauben, dass wenn die Back-ups in der I-Cloud gelöscht sind, sind sie gelöscht, und daher kann der Ex-Bundeskanzler im Untersuchungsausschuss erzäh­len, was er will. Selbst mein zwölfjähriger Sohn weiß, dass die Firma Apple wie jeder Cloudanbieter natürlich ein Back-up der Back-ups hat und dass man nach einer kurzen Anfrage der Staatsanwaltschaft in den USA ein Wiederherstellen mit allen Bildern, die


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drauf waren, beantragen kann. (Abg. Gabriela Schwarz: Da braucht man das Handy des Landeshauptmannes Doskozil!) So viel zum Thema Intelligenz.

Mein letzter Appell geht an die junge Frau Gödl: Sie haben recht, wenn Sie Ihren Vater kritisieren, weil er dabei ist, aber, junge Dame, versuchen Sie Ihren Papa zu überreden, dort auszutreten, denn wenn er nicht mehr dabei ist, ist er ein anständiger Abgeordneter. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich beglückwünsche Sie, wenn es Ihnen gelingt, Frau Gödl! – Vielen Dank, auf Wiederschauen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Tanja Graf:  ... letztklassig! – Weitere Rufe bei der ÖVP: Super! Na gratuliere! Das gibt’s ja nicht!)

16.52

16.52.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unverzüglich Schluss mit Schreddern“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gerstl, Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufbewahrung von Akten und Daten in den Ministerien“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, daher angenommen. (206/E)

16.52.38Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die Verhandlungen über Tagesord­nungspunkt 6 wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Künsberg Sarre. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.


16.52.48

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir von den NEOS, das ist kein Geheimnis, sind fest davon überzeugt, dass der PädagogInnenberuf – egal ob für die Schule oder für den Kindergarten – der wichtigste in der Republik ist. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Wir brauchen für den PädagogInnenberuf die Besten und die Motiviertesten, und für diese brauchen wir die besten Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen.

Wir diskutieren hier eine einstimmig beschlossene Regierungsvorlage – der wir mit eini­gem Bauchweh zustimmen –, die wir als ersten Schritt in die richtige Richtung sehen. Es gibt aber noch viel zu tun. Was ist unsere Kritik? – Der Quereinstieg ist - - (Unruhe im Saal.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, die Lautstärke etwas runterzufahren. Frau Abgeordnete Künsberg Sarre ist am Wort und würde mit ihrer Rede gerne fortfahren. – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (fortsetzend): Wir kritisieren daran, dass das hinsichtlich der Berufsgruppen, die infrage kommen, zu eng gefasst ist, dass man da Berufsgruppen, die auch infrage kommen würden, nicht miteingeschlossen hat und


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dass in dieser Ausbildung auch die Praxis zu kurz kommt und es sozusagen schwierig werden wird, die Leute sofort als GruppenleiterInnen verwenden zu können.

Seit dem letzten Ausschuss ist aber relativ viel passiert. Ich sage es jetzt noch einmal, denn man kann es nicht oft genug sagen: „1,2 Mrd“ – Milliarden – „für Nachmittags­betreuung mit Rechtsanspruch [...] Mega Sprengstoff!“, „Gar nicht gut!!!“, „Wie kannst du das aufhalten?“ – Kollege Sieber von der ÖVP hat vorhin erklärt, es handelt sich hinsichtlich der 1,2 Milliarden Euro ja gar nicht um Kindergartenkinder, sondern um Schulkinder. Ich weiß nicht, was Sie erwarten. Das macht doch das Geschriebene nicht weniger arg, nur weil es Schulkinder betrifft! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Ofenauer.)

Wir hatten in dieser Woche zwei Demonstrationen von Elementarbildungspersonal. Was glauben Sie eigentlich, wie es denen geht, wenn sie diese Akten lesen? Was glauben Sie, wie es denen geht, wenn sie sehen, dass für das Jahr 2022 wieder keine zusätz­lichen Budgetmittel des Bundes für den Elementarbildungsbereich zur Verfügung gestellt werden? Und das nach dieser langen Zeit der Pandemie!

Die ÖVP ist ja heute mehrmals ausgerückt, um klarzustellen, dass wir im Vergleich mit anderen Ländern hinsichtlich Kinderbetreuung gar nicht so weit weg sind. Ein Kollege von der ÖVP hat gemeint, es gibt ganz wenige Länder, die mehr in die Kinderbetreuung investiert haben als wir. Ich darf das kurz für Sie darstellen: Die skandinavischen Länder geben für die Kinderbetreuung 2 Prozent des BIP aus, das OECD-Mittel ist 0,8 Prozent. Österreich – große Überraschung! – hat 0,6 Prozent des BIP für die Kinderbetreuung ausgegeben. (Beifall bei den NEOS.)

Ich sehe, Herr Kollege Taschner setzt sich gerade auf seinen Platz. Mit ihm haben Sie ja einen Mathematiker in Ihren Reihen. Gehen Sie bitte einmal zu ihm hin und lassen Sie sich erklären, wie man Statistiken liest, wie man sich das ausrechnen kann, wo Österreich bei den Ausgaben steht!

Liebe Frau Kollegin Hamann, Sie haben gesagt, dass wir beim Kindergartenthema alle zusammenhelfen müssen. Ja, das stimmt, da gebe ich Ihnen recht; Bund, Länder und Gemeinden, wir alle müssen schauen, dass da etwas weitergeht. Dann aber immer automatisch in einem Nebensatz zu sagen: Eigentlich sind die Länder dafür zuständig!, damit machen Sie es sich, finde ich, echt ein bisserl leicht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist mir ehrlich gesagt auch vollkommen egal, wer den Lead bei diesem Thema über­nimmt, ob das der Bildungsminister, ob das die Familienministerin, ob das der Vize­kanzler oder sogar der Bundeskanzler ist oder vielleicht auch Sie sind. Es muss irgendjemand die Verantwortung übernehmen, sich dafür verantwortlich fühlen (Abg. Meinl-Reisinger: Genau!), das zu übernehmen und etwas auf die Beine zu stellen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Es reicht nicht, immer nur zu sagen: Wir wollen eh, aber eigentlich sind es die Länder, die das dann vielleicht nicht wollen!

Seit diesen unsäglichen Kommentaren sind 2 000 Tage vergangen – 2 000 Tage, in denen Kinder besser hätten betreut werden können, egal ob in der Schule oder im Kindergarten. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister Faßmann ist zu Wort gemel­det. – Bitte sehr.


16.57.58

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Frau Künsberg Sarre, ich habe aufgepasst, was Sie gesagt haben, und ich möchte gerne


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auf einige Punkte eingehen. Ich glaube, uns beide verbindet unzweifelhaft der Wunsch nach einem quantitativen Ausbau und nach einer qualitativen Anhebung der elementar­pädagogischen Einrichtungen. Davon gehe ich aus.

Ich bin klar dafür, weil es für die schulische Laufbahn von Kindern sehr günstig ist, wenn sie früh in eine vorschulische Bildungseinrichtung kommen und dann gleichsam Schritt für Schritt in die Primarstufe hineinwachsen. Wir haben das bei der 15a-Vereinbarung gesehen, das war für die sprachliche Frühförderung ein Gewinn. Deswegen glaube ich, dass es – auch im Sinne der Kinder – gut ist, wenn wir den elementarpädagogischen Bereich ausbauen.

Ich bin auch dafür, und das ist das zweite Argument, weil wir uns mitten in einem demografischen Wandel befinden und daher die Vereinbarungsproblematik noch einmal akzentuiert wird. Herr Brandstätter, Jahrgang 1955, und ich, wir sind ja gleichsam die Vorboten dieses demografischen Wandels. Wir sind schon nahezu in der Pension (Abg. Brandstätter – erheitert –: Nein!), die anderen, die Babyboomer folgen uns und hinter­lassen eine ordentliche Lücke. Wir werden daher so etwas wie die Anhebung der Frauenerwerbsquote als eine Notwendigkeit eines funktionierenden Arbeitsmarktes betrachten müssen, und damit die Erwerbsquoten steigen, ist es unzweifelhaft not­wendig, die Vereinbarungsproblematik zu lösen. Das ist also abermals ein Argument für den Ausbau der elementarpädagogischen Einrichtungen. (Beifall bei der ÖVP.)

In Österreich arbeiten in allen elementarpädagogischen Einrichtungen für Null- bis Sechsjährige rund 30 000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, wenn ich die Assistenten und Assistenzkräfte nicht berücksichtige. Gleichzeitig bilden die Bafep und die Kollegs in etwa 3 000 Absolventen jährlich aus. 30 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im System, 3 000 werden jährlich ausgebildet – also, Herr Brückl, eigentlich genug, um für die Re­produktion in diesem System zu sorgen. Da brauche ich keine „Oberösterreichischen Nachrichten“, sondern da brauche ich nur auf die Homepage der Statistik Austria zu schauen, um das zu sehen.

Der Ausbau der elementarpädagogischen Einrichtungen hängt gar nicht so sehr davon ab, ob ich genügend Mitarbeiter finde, denn ich hätte sie – ich hätte sie, und jetzt kommt ein entscheidender Punkt –, wenn sie tatsächlich im System blieben. Wir beobachten eine Fluktuation hinaus und nicht hinein.

Frau Künsberg Sarre! Die Bedingungen im elementarpädagogischen Bereich sind – das ist keine Ausrede – von den Erhaltern abhängig, sprich: von den Gemeinden und Ländern. Das ist so, darüber können wir nicht hinweg. Wir als Bund sagen natürlich auch, da müssen wir Geld in die Hand nehmen und müssen schauen, dass die Bedingungen besser werden, das ist ja gar keine Frage. Der Bund wird auch Geld in die Hand nehmen und beginnt Verhandlungen im Rahmen der 15a-Vereinbarung zur quantitativen Verbes­serung und qualitativen Anhebung. Es wäre ungeschickt, Frau Künsberg – so machen Sie keine Verhandlungen! –, wenn Sie schon vorher sagen: Soundsoviel Geld steht zur Verfügung! – Das macht man am Ende eines Verhandlungsprozesses, und hier mache ich das genauso: Natürlich wird es einen Verhandlungsprozess geben, natürlich wird es eine Verbesserung geben, und dann werden wir wissen, was wir in die 15a-Vereinbarung investieren müssen.

Weil die Sache mit den Arbeitsbedingungen so ist, wie sie ist, und weil viele nicht in den Bereich hineingehen und viele auch wieder hinausgehen, ist es aber auch notwendig, gleichsam über die Möglichkeit eines Quereinstiegs neue Interessenten für diese Berufs­tätigkeit zu finden. Das ist ja der eigentliche Inhalt unserer Regierungsvorlage: den Quereinstieg zu fördern und auch eine sprachliche Modernisierung durchzuführen. (Prä­sidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)


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Dahinter gibt es also eigentlich nur positive Dinge, aber die grundsätzliche Problematik habe ich Ihnen kurz geschildert: Das ist natürlich ein Zusammenspiel zwischen Bund, Land und Gemeinden, und je besser wir dieses Zusammenspiel schaffen, desto besser werden wir die grundsätzlichen Ziele, die wir, glaube ich, beide teilen, auch erreichen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.02


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Claudia Plakolm zu Wort. – Bitte.


17.03.09

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen und Zuseher der Nationalratssitzung! Ich möchte kurz auf die Regierungsvorlage eingehen, die bei diesem Tagesordnungspunkt zur Debatte steht. Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir die Ausbildungsmöglichkeiten für Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen erweitern und auch den Quereinstieg in diesen Beruf deutlich erleichtern.

Zusätzlich zur fünfjährigen Bafep und zu den Kollegs, die der Bundesminister schon an­gesprochen hat, soll es auch die Möglichkeit eines eigenen Lehrgangs an pädago­gis­chen Hochschulen geben, nämlich Elementarpädagogik genauso wie Inklusive Elemen­tarpädagogik. Das erleichtert den Quereinstieg – da denke ich jetzt nicht nur an Rück­kehrerInnen, Wiedereinsteiger und Wiedereinsteigerinnen ins Berufsleben, sondern auch an viele Jugendliche, und darunter auch Gott sei Dank immer mehr junge Bur­schen, die sich gerade nach einem Zivildienst im Sozialbereich – vielleicht auch direkt in einem Kindergarten – für die Elementarpädagogik begeistern können und sich für eine Ausbildung in diesem Bereich entscheiden. Auch das ist ein Quereinstieg, den wir drin­gend brauchen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann.)

An dieser Stelle möchte ich allen Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen ganz herzlich danken, nämlich besonders für die großartige Arbeit im letzten doch sehr herausfordernden Jahr, das gerade durch Corona auch viele Schwierigkeiten gebracht hat. Ihr gebt den Kindern einen Ort zum Entwickeln ihrer Talente und Fähigkeiten, ihr legt den Grundstein für eine gute Ausbildung der Erwachsenen von morgen, und es ist absolut nicht selbstverständlich, mit wie viel Herzblut Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen an ihre Arbeit herangehen.

Ich möchte noch ganz kurz auf den nächsten Tagesordnungspunkt eingehen, da geht es um die deutlich gestiegenen Zahlen bei den Schulabmeldungen im heurigen Schul­jahr, für die wir die Gründe und Ursachen mit einer Motivforschung erkunden wollen und damit auch politische Ableitungen treffen wollen.

Ich halte es für extrem wichtig, dass wir unbegründeten Schulabmeldungen deutlich den Riegel vorschieben. Im aktuellen Schuljahr hat sich die Zahl der Schulabmeldungen verdreifacht: In Österreich werden über 7 500 Kinder von zu Hause aus unterrichtet. In begründeten und gut geprüften Einzelfällen ist der häusliche Unterricht durchaus auch berechtigt, aber wenn es so willkürlich und ohne triftigen Grund erfolgt, wie das gerade auch wegen Corona passiert ist, dann sind nur die Kinder die Leidtragenden. Deswegen braucht es auch deutliche gesetzliche Rahmenbedingungen dafür.

Schülerinnen und Schüler brauchen das soziale Umfeld, sie brauchen den lehrplan­mäßigen Unterricht im Klassenzimmer durch Lehrerinnen und Lehrer, und da haben wir deutlichen Handlungsbedarf. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann.)

17.05



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 150

Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits zu Wort. – Bitte.


17.05.56

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Frau Präsidentin! Werter Herr Bundes­minister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Endlich wird heute einmal auch im Rahmen einer Regierungsvorlage über Elementar­pädagogik diskutiert. Man möchte eigentlich fast schon jubeln – aber auch nur fast, weil es in der Regierungsvorlage, die da am Tisch liegt, das ist ja auch schon ausgeführt worden, vorwiegend um Adaptierungen geht, was Berufsbezeichnungen anbelangt. Na­türlich geht es auch um eine Personalinitiative, die gesetzt wird, um einen Quereinstieg zu ermöglichen, aber, Herr Bundesminister und werte Kollegen und Kolleginnen von den Grünen und der ÖVP, das kann und darf ganz einfach nicht das Einzige einer Kinder­bildungsinitiative sein! (Beifall bei der SPÖ.) Da braucht es mehr – bedeutend mehr! –, aber leider machen Sie im Moment nicht mehr, denn auch im Budget ist nicht mehr zu finden.

Es braucht zum Beispiel dringend eine bessere Bezahlung für PädagogInnen, für Be­treuerInnen, weil da – ganz ehrlich – tagtäglich ungemein viel geleistet wird. Die Entloh­nung aber ist, mit Verlaub, ziemlich mau. Auch in der Coronakrise waren sie System­erhalterInnen, und das Einzige, das kam, war Applaus – und auch mit dem ist es jetzt schon ein bisschen vorbei. Deshalb auch: Volle Solidarität mit den PädagogInnen, Be­treuerInnen und AssistentInnen, die gestern auf den Straßen waren, die heute auf den Straßen sind und die auch morgen auf den Straßen sein werden, bis zu dem Zeitpunkt, Herr Bundesminister, an dem sie endlich Ihr Gehör finden!

Es braucht außerdem ein einheitliches System für ganz Österreich. Es kann, glaube ich, niemand verstehen, warum es für Kinder am Neusiedler See anders ist als am Boden­see. Deshalb braucht es dringend den bundeseinheitlichen Qualitätsrahmen, den wir schon so oft gefordert haben, den wir aber noch immer nicht auf die Füße gebracht haben, verbunden mit einem Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz ab dem ersten Lebensjahr. (Beifall bei der SPÖ.)

Der, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, soll bitte auch kostenlos sein, denn es darf nicht vom Geldbörsel der Eltern abhängen, ob ein Kind in die Kinderkrippe geht und da­mit Bildung erfährt oder nicht. Ganz ehrlich, drei Bundesländer machen es vor – Wien, das Burgenland und Kärnten –, und es wäre höchst an der Zeit, in ganz Österreich den kostenlosen Bildungsplatz von Anfang an auf die Füße zu bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht, ganz ehrlich, außerdem einen Kindergarten, der den Öffnungszeiten der Arbeitswelt entspricht und der nicht um 12 Uhr schließt, der nicht mehr als fünf Wochen Urlaub im Jahr hat. Das kann man sich nämlich nur dann leisten, wenn man das notwen­dige Kleingeld hat und Babysitter bezahlen kann oder durch Zufall Großeltern hat, die nicht mehr erwerbstätig sind. Deshalb ist es ziemlich traurig, dass wir im Jahr 2021 noch immer diesen Zustand in Österreich haben. Und klar – apropos Geld –: Es braucht ganz eindeutig und dringend mehr Geld, und es braucht mehr Geld, als die 15a-Vereinbarun­gen hergeben – das reicht ganz einfach nicht!

Werfen wir einen Blick zurück! Es ist so unfassbar niederträchtig, dass eigentlich im Jahr 2017 die Gelder – ob jetzt für die Kinderkrippen, die Kindergärten, aber auch die Nachmittagsbetreuung und die Ganztagsschulen – auf die Füße gebracht worden wären – nämlich 1,2 Milliarden Euro für Kinder, für Eltern, für PädagogInnen und Be­treuerInnen – und diese leider aufgrund der Selbstprofilierung des Sebastian Kurz und des Systems der ÖVP gestohlen wurden, nämlich den Kindern, den Eltern und vor allem


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den Frauen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist wirklich unerträglich und erschütternd, deshalb umso mehr und umso lauter: Her mit den 1,2 Milliarden Euro, die Herr Kurz bewusst versemmelt hat! Es braucht ganz einfach wirklich dringend mehr Geld für die Kinder, eine bessere Bezahlung für die Päda­gogInnen und BetreuerInnen und den kostenlosen Kindergarten überall, für alle Kinder in Österreich. Und: Bitte mehrknoedel.at der Kinderfreundinnen und Kinderfreunde un­terstützen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.09


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.


17.09.46

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist durchaus wichtig, was wir heute hier in Form dieser Regierungsvorlage beschließen: Es geht um eine sprachliche Wert­schät­zung, würde ich meinen, gegenüber den Elementarpädagoginnen und -pädago­gen, dass ihre Berufsbezeichnung in einer gesetzlichen Grundlage, die für sie wichtig ist, auch entsprechend verankert ist. Und es geht darum, dass die Ausbildung in ver­schiedenster Art und Weise erweitert wird, sodass sie auch dann, wenn sie berufs­begleitend erfolgt oder aufbauend ist, hier verankert ist, damit in Zukunft diese Ausbil­dungsform, die jetzt noch nicht inkludiert war, gesichert ist und anerkannt wird.

Wenn hier moniert wird, dass sich die Debatte heute viel zu wenig um die Elementar­pädagogik gedreht hat, dann muss ich den Ball wieder an die SPÖ zurückspielen: Wer hat denn heute diese Diskussion vor allem für ein politisches Hickhack genutzt (Zwi­schenruf bei der SPÖ), das so viele in diesem Land im Prinzip schon leid sind? Ich muss aber aus der Debatte auch eines mitnehmen: Zumindest größtenteils nehme ich heute mit, dass uns allen beziehungsweise den meisten in diesem Raum das Thema Betreu­ung (Ruf bei der SPÖ: Nein, dem Kurz nicht!) im Kindergarten oder in der Schule ein zentrales und wichtiges Thema ist. Es ist in den letzten Jahren auch in diesem Bereich sehr viel investiert worden.

Ich darf Sie daran erinnern: Auch wenn Sie es jetzt anders wahrnehmen, sind im Bil­dungsinvestitionsgesetz 750 Millionen Euro für die schulische Nachmittagsbetreuung vorgesehen (Abg. Heinisch-Hosek: 428, erstreckt bis 2032!) beziehungsweise ist dies in einer 15a-Vereinbarung festgeschrieben worden. Ich bin durchaus der Meinung, dass es, wenn wir so etwas umsetzen, dann nicht nur der Bund ist, der hier Verantwortung trägt, sondern natürlich auch das Land, die Länder und die Gemeinden, die wir alle drei an Bord brauchen, um da voranzuschreiten. (Abg. Heinisch-Hosek: Die Summe stimmt nicht!) Da verstehe ich, dass man durchaus skeptisch ist, wenn bei einem Beschluss wie jenem, der 2016 hätte gefasst werden sollen, die Länder gänzlich zur Seite geschoben werden, denn: Wer baut denn aus? – Nicht der Bund, sondern die Länder und die Ge­meinden sind für die Nachmittagsbetreuung und die Betreuungsform vor Ort zuständig. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Herr.) Also dass man diese da einbinden wollte, verstehe ich absolut. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sehe das zumindest auch bei mir in der Region. – Ich muss immer dazusagen, nicht ganz Österreich ist Wien, nicht alle Probleme, die wir aus Wien kennen, kennen wir auch in den anderen Bundesländern, Gemeinden und Städten. (Ruf bei der SPÖ: Auch die Vorteile nicht!) Das Land Österreich ist sehr divers – Gott sei Dank –, wir haben sehr unterschiedliche Herangehensweisen und auch sehr unterschiedliche Herausforde­run­gen. Es gibt Regionen, die von Überalterung betroffen sind, es gibt aber auch Regionen,


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die einen massiven Zuzug erleben, sodass wir heute schon wissen, dass dort in einigen Jahren viel mehr Bedarf an Kinderbetreuung bestehen wird; deswegen finde ich es umso wichtiger, dass die Länder und Gemeinden mit an Bord sind, denn deren Vertreter sind vor Ort, sie sehen, was notwendig ist, und sind in der Planung für ihre Regionen mit dabei, und dementsprechend ist es wichtig, das zu tun.

Meine Redezeit ist schon wieder vorbei, es gäbe noch viel mehr zu sagen. Ich darf trotzdem allen danken, die heute diesem Gesetz ihre Zustimmung geben, und ich freue mich auf vieles Weitere, das hier noch kommen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

17.13


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Weber. – Bitte.


17.13.16

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Als letzter Redner in diesem Block tue ich mir leicht, ich kann es kurz machen und ein bisschen zusammenfassen. Wir haben schon gehört: Wer glaubt, dass die Schulbildung erst in der Volksschule, in einer mittleren oder höheren Schule passiert, der irrt. Das wissen wir alle. Es beginnt nämlich schon früher, es beginnt bereits im Elementarbereich.

Ich möchte aber die Gelegenheit nützen, um mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, Lehrerinnen und Lehrern für die von ihnen in diesem nachgelagerten Bereich, nach dieser Elementarstufe, geleistete Arbeit zu bedanken. Genauso Danke sagen muss ich aber allen Kindergärtnerinnen und Kindergärtnern, die in diesem Bereich die Funda­mente für die Zukunft der heranwachsenden jungen Generation legen. Sie legen spiele­risch die Grundsteine, damit eine entsprechende Entwicklung für das Leben möglich wird. Die Zeiten ändern sich, die Herausforderungen ändern sich, und heute müssen wir eben auch einmal die Gesetze im Hinblick auf die Ausbildung entsprechend anpassen.

Wir haben auch schon gehört, dass es betreffend die Bezeichnung eine Änderung geben wird. Es wird jetzt auch der Überbegriff Erzieher verwendet werden. Wir haben auch gehört, dass wir zu wenige in diesem Bereich Tätige haben. Wir haben gehört, dass zwar sehr viele die Ausbildung machen, aber dann letztendlich nicht in diesem Berufsfeld tätig werden und wirken. Da ist entsprechend Vorsorge zu treffen. Der Herr Bundesminister – und dafür ein großes Dankeschön – hat eine entsprechende Initiative gestartet, damit es in Zukunft auch möglich sein wird, Quereinsteiger in diese Ausbildung zu bekommen, um letztendlich in diesem Bereich mehr Personal zur Verfügung zu haben.

Jetzt möchte ich noch auf einen zweiten Punkt zu sprechen kommen, und da spreche ich ganz besonders die Zuseher und Zuseherinnen zu Hause an: Wir sind heute den dritten Tag in dieser Woche hier im Plenum. Ich sitze da ganz hinten, oben im Eck, und habe das ganze Plenum ständig vor mir, und ich muss mir wirklich um die Zukunft der Politik in Österreich Sorgen machen. (Abg. Brandstätter: Die mach ich mir schon länger!) Die Kultur, die hier teilweise gelebt und praktiziert wird, macht mich sehr, sehr nachdenklich. (Abg. Brandstätter: Ja!) Unter Umständen wird es nicht lange dauern, und wir werden dasselbe Problem, das wir in der Elementarpädagogik haben, auch in der Politik haben: dass wir einen Mangel an Leuten haben, die noch bereit sind, über­haupt in die Politik zu gehen (Abg. Brandstätter: Ja! Gib Vollgas der Kirche, wer hat das gesagt? Wer hat es gesagt: Gib Vollgas der Kirche!?), denn das, was hier vorgelebt wird, ist alles andere als motivierend. Mich wundert es daher nicht, dass die Politikverdros­senheit in der Bevölkerung draußen im Steigen begriffen ist. (Abg. Brandstätter: Der Kirche Vollgas geben, macht ihr das? Wer hat das gesagt?) Das ist etwas, da müssen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 153

wir alle dagegenwirken. (Abg. Brandstätter: Wer hat es gesagt: Der Kirche Vollgas geben!? Wer hat es gesagt? Wer?)

Wir Politiker werden vom Volk gewählt. Wir werden auf Zeit gewählt (Abg. Brandstätter: Ja!), während dieser Zeit haben wir den Auftrag, für das Volk zu arbeiten (Zwischenruf des Abg. Lausch), und diesem Auftrag müssen wir nachkommen.

Jede Legislaturperiode hat auch ein Ende, das wissen wir alle, und dann gibt es die nächste Wahl. In der Schule gibt es das Zeugnis, für uns Politiker gibt es die Wahl, und da wird man bestätigt oder eben nicht bestätigt. Wir sollen es den Menschen draußen, der Bevölkerung überlassen, sich frei die Meinung zu bilden. (Zwischenruf des Abg. Hauser.) Sie sollen die Arbeit der Politiker an ihren Taten messen, an dem, was sie für das Volk leisten, und ich verwehre mich gegen jede Art der Vorverurteilung, denn man muss sich schon auch fragen: Was ist dann, wenn sich herausstellt, dass alles nicht so ist, wie man immer gesagt hat, dass diese Anschuldigungen alle nicht zutreffen? (Rufe: Die sind frei erfunden! – Wer hat die Chats ...?) Was dann? – Jemanden anzupatzen oder zu beschädigen, das ist etwas ganz Einfaches, aber den Ruf, der zerstört worden ist, dann wieder hinzubringen, das ist sehr, sehr schwierig.

In diesem Sinne: Wir alle sind gewählt, um für Österreich zu arbeiten – und das ist das, was zählt, und das fordere ich von jedem Einzelnen ein. Das sind wir unserem wunder­baren Staat und der Bevölkerung Österreichs schuldig! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

17.17


Präsidentin Doris Bures: Da dazu niemand mehr zu Wort gemeldet ist, ist diese De­batte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Unterrichtsausschusses, wie das vereinbart wurde.

17.18.167. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1899/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Sibylle Hamann, Petra Vorderwinkler, Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Analyse der Schulabmeldungen im aktuellen Schuljahr (1075 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1920/A(E) der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Diskriminierung von Schülern im häuslichen Unterricht (1076 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1921/A(E) der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung von Schülern im häuslichen Unterricht und im ortsungebundenen Unterricht (1077 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1786/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Multiprofes­sionelles Unterstützungspersonal für Schulen (1078 d.B.)



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Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zu den Punkten 7 bis 10 der Tagesord­nung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. – Bitte.


17.19.36

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minis­ter! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Rede betrifft den Ent­schließungsantrag aller im Parlament vertretenen Parteien an den Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, eine Analyse in Auftrag zu geben, die Aufschluss darüber gibt, warum so viele Kinder von der Schule abgemeldet worden sind.

Die Zahl hat sich verdreifacht – über 7 500 Kinder –, und das macht uns allen Sorgen. Wir wollen die wahren Motive und Gründe wissen, und es freut mich, dass wir das in Auftrag geben können beziehungsweise dass Sie diesen Auftrag entgegennehmen.

Die meisten abgemeldeten Kinder sind im Volksschulalter. Das macht mir große Sorgen. Die Kinder brauchen einander, sie lernen voneinander, und wir können da nicht zu­schauen. Es hat mit Sicherheit auch mit Vertrauensverlust zu tun, aber ich freue mich darauf, die wahren Gründe zu erfahren. Die gute Nachricht dieser Woche ist: Es sind mehr als 500 Kinder wieder zurück in die Schule gekommen – und die anderen holen wir uns auch noch. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

17.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.


17.21.12

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Nachdem Frau Kollegin Blimlinger eine wunderbare Rede mit historischem Hinter­grund gehalten hat, erlaube ich mir auch, einen leisen historischen Ansatz zu finden. Ich denke an Ludwig Wittgenstein, den meiner Meinung nach größten Philo­sophen und Denker des 20. Jahrhunderts, ein Vorbild für mich. Er hatte interessan­terweise ungefähr bis zu seinem 14. Lebensjahr häuslichen Unterricht – es war natürlich ein reiches Haus –, dann musste er in die Schule gehen. Er konnte nicht in ein Gym­nasium gehen – offen­sichtlich hat er im häuslichen Unterricht kein Latein gelernt –, son­dern musste nach Linz in eine Realschule gehen. Er war auch ein bisschen eigenartig in der Schule, er hat seine Mitschüler sofort mit Sie angesprochen. Nebenbei gesagt: Er ist in Deutsch bei der Matura durchgefallen, der größte Sprachphilosoph des 20. Jahrhun­derts! – Er war also ein etwas eigenartiger Mensch. Er war im Umgang – also ich würde Wittgenstein gar nicht so gern begrüßen müssen – nicht einfach, aber er war wirklich ein großer Denker.

Häuslicher Unterricht kann durchaus gelingen, es ist durchaus denkbar, dass es das gibt. Es gibt keine Schulbesuchspflicht, es gibt nur die Unterrichtspflicht. Das ist sozu­sagen die Freiheit, die der Staat den Bürgerinnen und Bürgern gibt, das sollte man nicht übersehen, aber selbstverständlich ist es eine Abwägung: auf der einen Seite diese Freiheit und auf der anderen Seite das Kindeswohl. Das bereitet uns natürlich Sorgen, denn wir wissen, dass höchstwahrscheinlich bei vielen das Gelingen des häuslichen Unterrichtes – dass man dann etwa zum größten Philosophen des Jahrhunderts wird – wohl nicht so leicht möglich ist.

Wir müssen die Eltern, die sich dafür entscheiden, darauf aufmerksam machen und ihnen sagen, welche Risiken sie dabei eingehen. Das ist ganz entscheidend. Wir müssen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 155

selbstverständlich auch wissen, warum das so ist, daher ist die Motivforschung, die wir zu betreiben versuchen, sehr wichtig – wiewohl es wie gesagt eine Abwägung ist; das sollte man nicht vergessen.

Mag sein, dass einige Eltern sich deshalb so entscheiden, weil sie auf die Äußerungen der Klubobfrau der NEOS gehört haben, dass unser Bildungssystem grottenschlecht sei. Das ist natürlich falsch! Es ist genauso falsch wie die Aussage, dass fünf eine gerade Zahl wäre. Wenn jemand behauptet, fünf sei gerade, ist es einfach falsch und es macht nichts. Wenn jemand aber behauptet, dass das Bildungssystem grottenschlecht sei, nimmt er mit dieser falschen Aussage auch eine Verantwortung auf sich, nämlich die Verantwortung dafür, dass die Eltern glauben, dass dieses Schulsystem wirklich schlecht ist. Das ist es nämlich nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Shetty.)

Die Eltern wissen, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer, die Direktorinnen und Direk­toren und auch das Ministerium bemühen, dass das Bildungssystem sehr gut ist. Wir haben auch gute Erfolge: bei den Lehrlingen bis hin zu den Universitätsprofessoren. Unser Bildungssystem ist gut und nicht grottenschlecht. (Abg. Shetty: Bezeichnend! – Zwischenruf des Abg. Eypeltauer.) Hier wird verantwortungslos einfach nur etwas Falsches gesagt. (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Ich erlaube mir ganz zum Schluss noch, das Ganze auf eine größere Bühne zu bringen, betreffend die Causa prima, denn da wird ja auch gesagt, es drohe eine katilinarische Verschwörung. Das ist nicht nur falsch, das ist verantwortungslos, auch der Demokratie gegenüber, der wir zu dienen haben. Das möchte ich betonen. Vor allem: Von denje­nigen, die das sagen, hat keiner das Format eines Cicero. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Brandstätter. – Abg. Obernosterer: Ich hoffe, ihr habt das ver­standen!)

17.24


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Hermann Brückl zu Wort. – Bitte.


17.24.52

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzter Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde gesagt, § 11 Schul­pflichtgesetz lautet: „Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden“. Die Zahl der Eltern, die ihre Kinder dazu ange­halten haben, diesen häuslichen Unterricht jetzt selbst zu gestalten, ist in den vergan­genen eineinhalb Jahren massiv gestiegen.

Herr Professor Taschner, wer eins und eins zusammenzählen kann – Sie sind der Mathematikprofessor, Sie können es –, der weiß auch, was in Wirklichkeit die Gründe dafür sind. Natürlich gibt es auch andere Gründe, aber in erster Linie sind es die Maß­nahmen der Bundesregierung, die in den Schulen gesetzt wurden. Die Zwangsmaß­nah­men, die bei unseren Kindern gesetzt wurden, sind mit Sicherheit einer der Hauptgründe, warum die Zahl von Schülern im häuslichen Unterricht steigt.

Diese Zahl steigt, weil die Eltern Angst haben: Sie haben Angst um ihre Kinder, sie haben Angst um die Zukunft ihrer Kinder, sie haben Angst um das Fortkommen ihrer Kinder, sie haben Angst, dass ihre Kinder psychische Schäden erleiden, und sie haben vor diesen Regierungsmaßnahmen Angst. (Abg. Totter: Das redet ihr ihnen ein!) Nur ein paar Zahlen – um das nicht unbegründet stehen zu lassen –, die schon sehr oft genannt wurden, aber ich darf sie immer wieder in Erinnerung rufen: Der Anteil der Kinder mit Angstzuständen und Zukunftsängsten ist im Zuge der Coronakrise um 220 Prozent gestiegen, der Anteil der Kinder mit Schlafstörungen um 240 Prozent – aufgrund der Regierungsmaßnahmen –, der Anteil der Kinder mit Suizidgedanken um fast 60 Prozent.


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Etwas, das ich dieser Regierung auch ankreiden muss: Man hat institutionell in Kauf genommen, dass Kinder zurückbleiben. Man hat institutionell in Kauf genommen, dass Kinder diese Schäden erleiden. Dem muss Einhalt geboten werden. Insgesamt hat die Belastung durch Corona über 70 Prozent aller Kinder und Jugendlichen getroffen. Das Risiko für psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen ist von 18 auf 31 Pro­zent gestiegen. Depressionen, Albträume, Zukunftsängste, Zwangshandlungen, Abdrif­ten in surreale Computerwelten, seelische Unruhe, all das sind Folgen dessen, wie wir mit unseren Kindern in den vergangenen eineinhalb Jahren umgegangen sind. Das ist auch einer der Hauptgründe, warum Eltern ihre Kinder von der Schule abgemeldet haben und sich für häuslichen Unterricht entscheiden.

Wir dürfen diese Kinder aber nicht alleine lassen. Wir dürfen sie nicht zurücklassen. Anstatt Hürden aufzubauen, anstatt diese Eltern zu kriminalisieren, sie zu diskreditieren, anstatt die Maßnahmen zu verschärfen, müssen wir diesen Eltern und vor allem diesen Kindern helfen.

Hohes Haus! Schülerinnen und Schüler im häuslichen und im ortsungebundenen Unter­richt sind keine Menschen zweiter Klasse. Von den Grünen war heute der Satz zu hören: Ein Kind ist ein Kind. – Ja, das sind unsere Kinder, und um diese unsere Kinder müssen wir uns umschauen.

Es muss Schluss damit sein, dass das Bildungsministerium als Gesundheitsministerium dilettiert und sich nur noch über Maskenzwang, über Testpflicht, über Gurgeln, über 2G, 2,5G, 3G oder über FFP2-Masken unterhält. Es braucht Gedanken zur Normalität im Unterricht, es braucht Gedanken zu Bildungsrückständen, zu Bildungslücken, zu den Folgen der Schulschließungen, auch Gedanken dazu, dass diese Kinder Nachteile im späteren beruflichen Leben haben werden; ich denke zum Beispiel an geringere Ver­dienstmöglichkeiten. Da fehlt der Regierung bislang der Wille, und das muss sich än­dern.

In diesem Zusammenhang darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Tag der Freiheit am 26.10. – Schluss mit Corona-Maßnahmen im Bildungsbereich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, sämt­liche Corona-Zwangsmaßnahmen im Bildungsbereich spätestens am 26. Oktober 2021 zu beenden“

*****

Das ist der einzige Weg, die einzige Möglichkeit für diese Kinder, die jetzt im häuslichen Unterricht sind. Ich darf das auch anmerken: Ich würde das meinen Kindern vermutlich nicht zumuten, aber die gesetzliche Möglichkeit ist da. Wir müssen diesen Kindern helfen, und daher muss mit den Maßnahmen in den Schulen Schluss sein. Das Ablauf­datum muss mit 26. Oktober, dem Tag der Freiheit, vorgegeben werden. (Beifall bei der FPÖ.)

17.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 157

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Brückl, MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend Tag der Freiheit am 26.10. - Schluss mit Corona-Maßnahmen im Bildungs­bereich

eingebracht in der 127. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Oktober 2021 im Zuge der Debatte zu TOP 8, Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1920/A(E) der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Diskriminierung von Schülern im häuslichen Unterricht (1076 d.B.)

Zahlreiche Eltern nehmen die gesetzliche Möglichkeit in Anspruch, ihre Kinder im häus­lichen Unterricht zu unterrichten. Wahrscheinlicher Grund dafür ist, dass die Bundes­regierung nun seit 20 Monaten Schülerinnen und Schüler mit - von vielen Experten als völlig sinnlos bewertet - zum Teil auch kontraproduktiven Corona-Zwangsmaßnahmen drangsaliert.

Wieso es diese Maßnahmen nach wie vor gibt ist insofern auch völlig unklar, da in der Nationalratssitzung vom 12. Oktober 2021 der ÖVP-Klubobmann August Wöginger verkündete: „Sebastian Kurz hat die Pandemie besiegt“.

Deshalb ist es Zeit, dieses Regime zu beenden und Kinder wieder Kinder sein zu lassen.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, sämt­liche Corona-Zwangsmaßnahmen im Bildungsbereich spätestens am 26. Oktober 2021 zu beenden“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sibylle Hamann. – Bitte.


17.30.05

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Ja, ich sage es einmal ganz klipp und klar: Mir ist im Moment um jedes Kind leid, das aus der Schule abgemeldet wird. Warum? – Nicht nur aus Bildungsgründen, sondern Kinder, die abgemeldet werden, müssen auch auf ein soziales Umfeld verzichten, das sich die Eltern nicht für sie ausgesucht haben. Das heißt, sie müssen auf weltanschauliche Vielfalt verzichten, auf eine Chance, sich mit Andersdenkenden auseinanderzusetzen. Sie verlieren auch ein Stück Unabhängigkeit von der eigenen Familie. Ich glaube, dass das für Heranwach­sende extrem wichtig ist, und ihnen diese Chance wegzunehmen, ist nicht gut.

Das mag ein bisschen besser zu bewältigen sein, wenn es nach reiflicher Überlegung geschieht und wenn man eine tolle Alternativschule mit einem ausgefeilten pädago­gischen Konzept gegründet hat und wenn man sehr viel Zeit hat und so tollen Unterricht machen kann. Wenn man ein Kind aber hauptsächlich deswegen abmeldet, weil man den sogenannten Coronamaßnahmen in der Schule ausweichen will, weil man das


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Testen oder das Impfen aus ideologischen Gründen ablehnt oder weil man gar der Regierung eins auswischen will, wie man das auch manchmal hört, dann tun mir diese Kinder leid; auch dann, wenn der Grund darin liegt, wie es Herr Brückl gerade ange­deutet hat, dass sie Angst haben. Diese Angst wird ja gemacht (Beifall bei Grünen und ÖVP), sie wird gemacht, indem man immer wieder von Zwangsmaßnahmen spricht und so dazu beiträgt.

Aber warum genau das so ist, wissen wir nicht, und deswegen sind wir jetzt hier, um eine Studie zu beauftragen, die die Ursachen für diese ansteigende Zahl an Schulabmel­dungen untersucht. Das zu wissen ist immer wichtig. Wir müssen die Motive und die Ursachen kennen, damit wir wissen, wie wir diese Familien erreichen können, und damit wir auch wissen, wie wir diese Kinder zurückholen können.

Ich bin ja immer und in allen Zusammenhängen für aufsuchende Elternarbeit; das gilt natürlich dann auch für diese Situation. Ich bin sehr dafür, dass man Kontakt zu den Familien hält, immer wieder nachschauen geht, spätestens nach einem Semester, wie das mit dem Unterricht zu Hause funktioniert. Ich will auch, dass der Staat dort ein­schreitet, wo es Anzeichen gibt, dass Parallelgesellschaften entstehen, wo es vielleicht sogar Anzeichen gibt, dass sektenähnliche Bewegungen am Werk sind, wo Gesetze verletzt werden oder wo gar das Kindswohl gefährdet ist. Aber ich will auf jeden Fall – egal, aus welchen Gründen die Eltern diesen Schritt gesetzt haben –, dass für alle Kinder die Tür in die Schule sperrangelweit offen bleibt. Laut Medienberichten dieser Tage kommen ja bereits einige Hundert Kinder zurück – wahrscheinlich, weil sich die Eltern den Heimunterricht einfacher vorgestellt haben, als er ist, weil sie überfordert sind, oder einfach auch, weil die Kinder sich beschweren und quengeln, weil sie die Schule und ihre Freunde und Freundinnen vermissen. In Richtung all dieser Kinder wollen und werden wir die Hand ausstrecken und wir freuen uns, wenn sie wieder da sind. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.33


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Martina Künsberg Sarre. – Bitte.


17.33.18

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Taschner, Sie machen es mir echt nicht einfach. In Bezug auf diesen Antrag muss ich Ihnen jetzt schon noch etwas zu unserem Schulsystem sagen. Also wenn wir in internationalen Studien immer maximal ins Mittelfeld kommen, wenn wir wissen, dass seit 20 Jahren zwischen 20 und 25 Prozent der 15‑Jährigen, die aus der Pflichtschule rauskommen – nach neun Jahren –, nicht sinnerfassend lesen können, dann müssen doch selbst auch Sie einmal zugeben, dass im Bildungssystem irgend­etwas nicht so gut funktioniert, wie Sie das vielleicht glauben. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Taschner: Das Wort grottenschlecht rechtfertigt das trotzdem nicht!)

Aber jetzt möchte ich meine Redezeit nützen, um mich einerseits bei den Bildungs­sprechern von allen Fraktionen für die gute Zusammenarbeit bei diesem Antrag, der auf NEOS-Initiative zustande gekommen ist, zu bedanken. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir herausfinden, warum Kinder abgemeldet werden: Sei es, weil es den Eltern an inno­vativen Schulkonzepten, Lehr- und Lernmethoden fehlt oder weil sie die Coronamaß­nahmen nicht so toll finden oder weil sie Angst haben, dass ihre Kinder in der Schule angesteckt werden? Also wir spekulieren da ja die ganze Zeit, und es ist wichtig, dass da jetzt ein bisschen Licht ins Dunkel kommt.

Wie wir sehen, kommen auch die ersten Schulrückkehrer wieder in ihre Klassen. Das ist gut. Die Stadt Wien beispielsweise – die anderen Bundesländer können diesem Beispiel


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vielleicht folgen – hat mit sämtlichen Familien das Gespräch gesucht, und jetzt sind mehr als 350 Kinder wieder zurück in ihren Klassen. Das halte ich für einen sehr, sehr guten Weg. (Beifall bei den NEOS.)

Das zeigt auch, dass es wichtig ist, dass wir neben dieser Motivstudie, die wir machen werden, auch andere Maßnahmen – wie eben das Gespräch zu suchen – ergreifen sollen, bevor die Kinder in den häuslichen Unterricht gehen. Es geht um die Kinder, die sind im Fokus, denen muss es gut gehen und die müssen die bestmögliche Bildung erhalten.

Vielen Dank für die Zusammenarbeit. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.35


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Gertraud Salzmann zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.35.36

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Aber auch liebe Zuse­herinnen und Zuseher daheim – ich hoffe, dass noch einige dieser doch interessanten Bildungsdebatte folgen! Im letzten Jahr, meine Damen und Herren, haben wir alles darangesetzt, die Schüler möglichst lange im Präsenzunterricht zu halten. Mit den regel­mäßigen und verpflichtenden Tests, Herr Minister, die von Ihrem Ministerium unter Ihrer Führung angeordnet wurden, und den wichtigen Hygienemaßnahmen konnten wir die Schüler ab 8. Februar wieder sukzessive aus dem Distancelearning heraus und in die Schulen hinein bringen. Österreich hat da unter Ihrer Federführung wirklich eine absolute Vorreiterrolle in Europa eingenommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir haben in den Wochen des Distancelearnings, die für alle – Lehrer, Schüler, Eltern – extrem belastend waren, das wissen wir, gesehen, wie wichtig Schule ist. Und ja, wir haben ein sehr gutes Schulsystem, liebe Martina Künsberg Sarre von den NEOS, und dort, wo es weiterzuarbeiten gilt, werden wir auch gemeinsam weiterarbeiten. Wir reden nicht alles schön, wir wissen, wo es knackt, und das müssen wir auch angehen, das ist klar. Das Distancelearning aber hat gezeigt, Schule ist ein wichtiger Ort des Lernens, und Schule ist noch viel mehr: Schule ist ein Ort des sozialen Lebensraums, den gerade unsere Kinder ganz dringend brauchen. Empathie, Teamfähigkeit, Konfliktlösung, das Entwickeln der Persönlichkeit, das Rollenverhalten, all das wird in einer Gruppe Gleich­altriger gelernt.

Mehr als 7 500 Kinder sind in diesem Schuljahr vom Schulbesuch abgemeldet. Das tut uns hier herinnen, glaube ich, allen weh, denn für jedes einzelne Kind ist es wichtig, dass es in die Schule geht. 7 500 Kinder, viermal so viele wie in den Jahren zuvor, diese aktuelle Steigerung bei den Abmeldezahlen ist für mich rational kaum nachvollziehbar. Ich würde wirklich allen hier herinnen, insbesondere auch den Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, nahelegen: Mit Panikmache kommen wir nicht weiter. Ich halte es für unabdingbar, den Kindern die Angst davor zu nehmen, in die Schule zu gehen, und ihnen auch die Freude am Schulbesuch mit auf den Weg zu geben.

Herr Kollege Brückl – ich sehe ihn jetzt nicht –, Sie sprechen zu Recht von den Lern­rückständen. Ja, die sollten wir aufholen, aber bitte im Klassenverband, das ist wichtig. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Genau!)

Der häusliche Unterricht, meine Damen und Herren, ist ein ganz altes Recht, er reicht zurück ins Staatsgrundgesetz von 1867 und ist im Schulpflichtgesetz geregelt. Aber wie? – Die Schulpflicht kann auch durch den häuslichen Unterricht erfüllt werden, aber dabei gibt es eine klare Einschränkung. Die Schulpflicht kann durch den häuslichen


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Unterricht erfüllt werden, wenn „der Unterricht jenem an einer [...] Schule [...] mindestens gleichwertig ist“. Und da überschätzen sich die allermeisten Eltern, was ihre eigene Kompetenz, aber wohl auch ihre Kraft anlangt, meine Damen und Herren.

Ich weiß um die gute Qualität, die im Unterricht geleistet wird. Ich kenne das hohe Engagement der Pädagoginnen und Pädagogen, das weit über den Unterricht hinaus­geht. Herr Minister Faßmann, Sie haben auch bereits erste Maßnahmen auf Schiene gebracht. Es gibt Beratungsgespräche mit den Eltern, nicht nur in Wien. Ich weiß de­zidiert, es gibt sie auch in Salzburg und in anderen Bundesländern. Daher konnten auch etliche Eltern davon überzeugt werden, die Schüler doch in die Schule zu schicken. Es wird auch Rückmeldungen über den Lernstand im Semester geben, und für die Prüfun­gen, die am Ende abzulegen sind, wird es in Zukunft fixe Schulen und somit keinen Prüfungstourismus mehr in andere Bundesländer geben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich begrüße den Entschließungsantrag, den wir hier in großer Einheit eingebracht haben, ausdrücklich. Herr Minister Faßmann, wir beauftragen Sie damit, die Gründe und Ursachen für diese Schulabmeldungen zu analysieren. Wir werden prüfen, wie wir diese Gleich­wertigkeit – dem Unterricht entsprechend – auch einbringen können, es braucht dies­bezüglich ganz klare Kriterien. Mir und vielen hier herinnen, wie ich sehe – und das ist das Schöne bei uns im Unterrichtsausschuss –, geht es wirklich auch um den Schutz der Kinder.

Lassen Sie mich abschließend auf mein Pink Ribbon verweisen – Frau Präsidentin Bures, Sie sitzen hinter mir, Sie haben uns diese Pink Ribbons gestern zur Verfügung gestellt – und sagen: Meine Damen und Herren, bitte gehen Sie zur Vorsorgeunter­suchung! Die Früherkennung ist der beste und wichtigste Schritt bei der Krebstherapie! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

17.40


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Klaus Köchl zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.40.58

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der häusliche Unterricht wird meines Erachtens immer dann interessant, wenn es im Schulsystem nicht hundertprozentig klappt – das kann ich aus meiner Erfahrung sagen –, denn alle Kinder haben ein Recht auf Bildung, auf die beste Ausbildung, egal, welche Position welcher Elternteil hat, ob das ein Diplomatenkind ist oder ein Kind von einer Feinkostverkäuferin – das muss ganz einfach gleich sein.

Ich glaube, dass ist so wie im Gesundheitsbereich: Minister Stöger hat damals die Gratis­zahnspange für Kinder eingeführt, und das hat einen guten Grund gehabt: Viele Eltern konnten sich eine solche in unserem Gesundheitssystem nicht leisten. Heute ist es so, dass alle die gleiche Zahnspange bezahlt bekommen, und das ist ein großer Vorteil. Und genauso muss es auch im Schulbereich sein. Es kann den Kindern nur geholfen werden, wenn sie die beste Ausbildung bekommen.

Herr Minister, wenn diese Bundesregierung 1 Euro in die Bildung investiert, dann bringt das im Endeffekt, davon bin ich überzeugt, 14 bis 15 Euro an Wertschöpfung.

Deshalb ist es für die Eltern wichtig, dass ihr Kind in eine Ganztagsschule gehen kann, dass die Eltern die Möglichkeit haben, ihr Kind zu Hause zu lassen – wenn Diplomaten ihr Kind irgendwo in einen Unterricht geben wollen, was sehr viel kosten kann –, aber das Kind von der Verkäuferin muss die gleichen Möglichkeiten haben, denn nicht immer sind die Kinder von Diplomaten gescheiter als die Kinder einer Feinkostverkäuferin. Das,


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glaube ich, müssen wir machen. Die Kinder müssen die entsprechenden Vorausset­zun­gen haben. Unser Ziel als SPÖ ist es, dass man sagt: Es muss so sein, dass das Kind, wenn es in der Schule fertig ist, die Schultasche gar nicht mehr mitzunehmen braucht. Das wäre, glaube ich, das Entscheidende. Jedes Kind soll dort Förderunterricht kriegen, wo es notwendig ist; ist es sportlich begabt, auch im Bereich Sport, liest es gerne, dann dort, so sollte das gehen. Ich glaube, dass die Politik der ÖVP diesbezüglich einfach zu konservativ ist.

Das Gleiche gilt bei den Lehrlingen – ich als Lehrlingssprecher ersuche Sie immer wie­der darum –: Machen wir etwas in den Berufsschulen! Schauen wir, dass die Lehrlinge eineinhalb oder zwei Tage in die Berufsschule gehen, dass sie dort eine top Ausbildung bekommen – Englisch, Förderunterricht, alles, was diese Jugendlichen brauchen –, geben wir Geld aus für Ausbildungsplätze, für Berufsschulen, für Lehrwerkstätten! Dann wird das, glaube ich, besser gehen, dann wird es Arbeitslosigkeit nicht so sehr geben, und gut ausgebildete Kinder sind Garanten dafür, dass wir alle einmal eine Pension kriegen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.43


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Romana Deckenbacher. – Bitte.


17.43.45

Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich lade Sie alle ein, jetzt einmal einen kurzen Moment an Ihre eigene Schulzeit zurückzudenken. Wir alle haben in der Schule mehr oder weniger gute Erfahrungen gemacht. Mein sehr ge­schätzter Kollege Prof. Taschner hört jetzt bitte weg: Meine Erfahrungen mit der Mathe­matik waren jetzt nicht die guten, aber ich weiß auch, dass Schule mehr ist als Wissens­vermittlung.

Schule ist auch ein Ort von Innovation, von Kreativität, ist ein Ort, wo auch Konflikte und Herausforderungen bewältigt werden, und ist auch ein Ort, wo Freundschaften oft für das ganze Leben geschlossen werden.

Wie bedeutend soziale Kontakte sind, kann man in den heutigen „Oberösterreichischen Nachrichten“ nachlesen, wo es heißt, dass ein 13-jähriger Schüler nach vier Wochen häuslichem Unterricht wieder in die Schule zurückgekehrt ist, weil seine Eltern sich Sorgen um ihn gemacht haben. Er wurde immer ruhiger, hat sich immer mehr zurück­gezogen. Es haben ihm auch seine Freunde gefehlt.

Für viele Kinder und Jugendliche hat sich einmal mehr auch in der Krise gezeigt, wie wichtig der Präsenzunterricht ist. Immer wieder haben Schülerinnen und Schüler kom­muniziert, wie sehr sie sich auf ihre Schule freuen. Bundesminister Faßmann hat alle notwendigen Maßnahmen gesetzt, damit Präsenzunterricht jetzt wieder möglich ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Unser Schulpflichtgesetz bietet aber auch die Option, Kindern einen häuslichen Unter­richt oder einen Unterricht in Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht zu ermöglichen. Ja, das ist für viele vielleicht der richtige Weg.

Zu Beginn des Schuljahres 2021/22 waren es, wir haben es schon gehört, über 7 500 Schülerinnen und Schüler, die von der Schule abgemeldet wurden. Österreich hat, denke ich, etwa eine Million Schülerinnen und Schüler, und somit kann man, meine ich, nicht von einem Massenphänomen, sondern, wie es auch der Herr Bundesminister bezeichnet hat, von einem temporären Phänomen sprechen. Aktuelle Zahlen zeigen, dass wir zum momentanen Zeitpunkt eine große Zahl von Schulrückkehrern haben.


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Die Ursachen für die Abmeldungen sind vielfältig. Jeder von uns, auch Sie, Herr Ab­geordneter Brückl von der FPÖ, können diesbezüglich wirklich nur Vermutungen anstellen. (Abg. Hauser: Nein! Geh ins Netz!) Umso wichtiger ist es auch, die Gründe zu eruieren.

In der letzten Sitzung des Unterrichtsausschusses haben wir uns in einem Allparteien­antrag, der auch heute zur Abstimmung steht, darauf geeinigt, das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung zu ersuchen, eine Analyse über die Gründe der Schulabmeldungen durchzuführen.

Erlauben Sie mir zum Schluss, eines noch zu erwähnen: Das, was alle am Schulleben Beteiligten an allen österreichischen Standorten und in allen Schultypen täglich für unse­re Kinder leisten, ist großartig, und dafür möchte ich mich herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


17.47.17

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minis­ter! Hohes Haus! Ich bin froh, dass ich heute noch einmal die Möglichkeit habe, den Herrn Minister direkt anzusprechen. Wir sind zwar öfters unterschiedlicher Meinung, aber es ist, glaube ich, gegenseitiger Respekt vorhanden. Herr Minister Faßmann, Sie sind ja Wissenschaftler (Abg. Hörl: Und Professor!), und gerade bei Ihnen kann man annehmen, dass Sie wissenschaftlich fundierte Entscheidungen treffen, die Wissen­schaft akzeptieren und sich auch mit der Wissenschaft auseinandersetzen. Davon gehe ich aus und an sich weiß ich auch, dass Sie das machen. Deswegen bin ich sehr über­rascht, dass Sie die Entscheidungen nicht faktenbasiert treffen.

Natürlich sind die 7 500 Schulabmeldungen im Zusammenhang mit den Coronazwangs­maßnahmen zu sehen. Kolleginnen und Kollegen, schaut doch ins Netz, das ist so! Die permanente Testpflicht, die Maskenpflicht und jetzt auch noch der Impfzwang, Herr Minister, der direkt und indirekt in den Schulen – auch auf die Volksschüler – ausgeübt wird, tragen das ihre dazu bei, dass Eltern sagen: Wir halten diesen Druck nicht mehr aus!

Glauben Sie nicht, dass der häusliche Unterricht für die Eltern das Angenehmste ist! Ich glaube, Eltern, die ihre Kinder aus der Schule herausnehmen, um genau diesen Zwangs­maßnahmen zu entgehen, leisten Unglaubliches – Hut ab vor diesen Eltern! –, weil sie ihre Kinder schützen müssen. Deswegen hat Kollege Brückl auch einen Antrag dahin gehend eingebracht, dass man diese Kinder und diese Eltern auch unterstützen muss oder ihnen die Angst nehmen muss.

Nun, bitte, zu den Fakten – ich argumentiere mit den Zahlen der Ages, mit wirklich offi­ziellen Zahlen, die Sie jederzeit nachlesen oder nachschauen können –: (Der Redner stellt eine Tafel mit der Überschrift „Todesfälle nach Alter in Österreich“ und einer Grafik auf das Rednerpult.) Herr Minister, die Ages hat am 30. September, vor einigen Tagen, die Statistik herausgegeben: „Todesfälle nach Alter in Österreich“. In der Altersgruppe bis fünf Jahre, Herr Minister, ist Gott sei Dank kein einziges Kind an Corona verstorben. In der Altersgruppe von fünf bis 14 Jahre sind es drei Kinder, und diese drei Kinder hatten schwerste Vorerkrankungen. Insgesamt, das zeigt das Bild, sind in Summe 64 Personen in Österreich an Corona verstorben – von 11 000 –, die jünger als 45 Jahre waren.

Was bedeutet das? – Covid stellt für jüngere Menschen wirklich keine große Gefahr dar. Die Impfungen und deren Nebenwirkungen sind die viel größere Gefahr (Zwischenruf der Abg. Götze), nämlich auch für die Kinder.


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Herr Minister, ich darf Sie fragen: Wie viele Kinder in der Altersgruppe zwischen drei und zwölf Jahren sind in der Grippesaison 2017/2018, in diesem halben Jahr, an der Grippe verstorben? Ich weiß, es ist keine Fragestunde, und man sollte eigentlich davon ausgehen, dass Sie das wissen. Ich sage es Ihnen, Herr Minister (eine Tafel mit der Aufschrift „‚Grippetote‘ zu ‚Covid-19-Toten‘ bei Kindern in Österreich“ auf das Rednerpult stellend): In der Altersgruppe zwischen drei und zwölf Jahren sind in der Grippesaison 2017/2018 neun Kinder an der Grippe verstorben – das sind dreimal mehr als in den eindreiviertel Jahren mit Corona. Das sollte Ihnen doch zu denken geben.

Wie ist es denn nun? Sperren Sie, da die Zahl der Toten durch Grippe dreimal so hoch ist, im kommenden Winter die Schulen zu (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Götze), weil nicht jedes Kind eine Grippeimpfung hat? Man muss sich diese Zahlen wirklich anschauen. (Abg. Kirchbaumer: So einen Blödsinn habe ich schon lange nicht gehört!) Sie müssen doch sehen, dass die Grippe laut dieser Statistik wesentlich gefährlicher ist, da dreimal so viele Kinder an Grippe verstorben sind wie an Covid. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hamann und Stögmüller.)

Herr Minister, ich fasse die Absurdität von Zwangsimpfungen in Schulen und speziell an Volksschulkindern noch einmal zusammen: In Österreich gibt es 1,3 Millionen Kinder, die unter 15 Jahre alt sind. Davon sind in den letzten eindreiviertel Jahren, ich habe es Ihnen bereits gesagt, drei Kinder an Covid-19 verstorben. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Der prozentuelle Anteil an Covid-Toten beträgt in dieser Altersgruppe 0,00023 Prozent. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.) Das Nationale Impfgremium hat die Impfung von Kindern über zwölf Jahren deshalb zugelassen, weil Biontech/Pfizer eine Studie betreffend Zulassung des Impfstoffes für Zwölf- bis 15-Jährige gemacht hat. Diese Studie umfasste lediglich 1 131 Teilnehmer und bei 86 Prozent davon traten Impf­reaktionen auf. Bei 0,4 Prozent gab es schwerwiegende unerwünschte Ereignisse – 0,4 Prozent! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Der Anteil der an Covid-19 verstorbenen Kinder liegt dagegen bei 0,00023 Prozent.

Die Schlussfolgerung ist also: Hören Sie bitte auf, mit der Zwangsimpfung Druck auf Kinder und Eltern zu machen. Schauen Sie auf die Wissenschaft und agieren Sie bitte zukünftig wissenschaftlich basiert, damit die Schulabmeldungen von Kindern zurück­gehen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lukas Hammer: Schlechte Rede!)

17.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Manfred Hofinger. – Bitte.


17.53.07

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Herrn Hauser gleich antworten, da er die Impfungen und die Testungen von Kindern infrage stellt. Ich schildere ein kurzes Beispiel aus meiner Gemeinde: In der Volksschule sind letztes Jahr vor Weihnachten drei Kinder erkrankt. (Abg. Hauser: Sie sollen keine Geschichten erzählen, schauen Sie auf die Wissen­schaft! – Zwischenruf der Abg. Salzmann.) Danach sind fünf Großfamilien schwer erkrankt und mussten zum Teil sogar ins Spital. – In der Praxis ist das also leider ein bisschen anders, als Sie es mit den Zahlen immer darstellen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Hauser: ... die Statistik der Ages!)

Vorhin haben wir in der Diskussion auch gehört, dass die Schulen grottenschlecht seien – das hat Frau Beate Meinl-Reisinger gesagt. Das ist nicht der Fall. Es ist so, dass die Schulen immer nur dann gut sind, wenn die Lehrer motiviert sind. Ich war selbst 18 Jahre lang Lehrer und ich kann sagen: Wenn man von Politikerinnen und Politikern


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hört, dass unser Schulsystem so schlecht sein soll, motiviert einen das wirklich nicht. Es kommt immer auf die handelnden Personen vor Ort an. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Götze und Litschauer.)

Jetzt zum Heimunterricht: Ja, die Schule ist der Ort der Bildung, wo einerseits Fach­wissen vermittelt wird, aber andererseits natürlich auch soziale Kompetenzen erlernt werden. Soziale Kompetenzen – man lernt, Konflikte zu lösen und das Verhalten in der Gruppe, man lernt, sich durchzusetzen und dass man auch einmal zurückstecken muss, man feiert gemeinsam Erfolge und lernt, Niederlagen gemeinsam hinzunehmen – sind Kompetenzen, welche die jungen Menschen für das Leben prägen. Fachwissen – das ist durch Studien erwiesen – ist vergänglich, vor allem wenn man es nicht oft abruft, diese Grundkompetenzen sind aber ganz wesentlich, und daher kommt den Lehrerinnen und Lehrern in diesem Bereich ganz große Verantwortung zu. Und dass sie diese wahrnehmen, dafür möchte ich mich recht herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Auf dieser Basis sehe ich auch den Heimunterricht sehr kritisch, muss ich sagen. Das sehen natürlich auch die Eltern, die Schüler und die Lehrer so; vor allem jene Eltern, die ihre Kinder jetzt wieder zurück in die Schule bringen. Die Zahlen der Rückkehrer sprechen für sich, und die anonyme Befragung, die dazu gelaufen ist, sagt ja auch aus, dass die Eltern sich überfordert fühlten. Das ist, glaube ich, wirklich ein wesentlicher Grund. Ich halte das auch für eine temporäre Situation.

Natürlich ist uns allen bewusst, dass die Coronasituation den Beteiligten im Schul­sys­tem – den Eltern, den Lehrern, den Kindern – alles abverlangt, aber die Vorkehrungen müssen derzeit einfach so sein. Man sieht seit dem Beginn des Schuljahres, wie viele Kinder – auch in meinem eigenen Umfeld – ausgeforscht werden konnten, wodurch die Ansteckung anderer Schüler und anderer Familien verhindert werden konnte. Das hat schon einen Sinn, Herr Hauser!

Noch ganz kurz zu den Anträgen der FPÖ, mit denen der Heimunterricht attraktiviert und die Benachteiligungen aufgehoben werden sollen: Es gibt vonseiten des Ministeriums schon jetzt Unterstützung für den Heimunterricht. Ich gebe nur zu bedenken, dass sich die – aufgrund des Fehlens der gemeinsamen Zeit mit gleichaltrigen Schülern – fehlenden sozialen Kompetenzen natürlich sehr, sehr negativ auf die Kindesentwicklung auswirken.

In diesem Sinne bedanke ich mich bei allen Lehrerinnen und Lehrern, welche diese Mühen auf sich nehmen, unsere Kinder schützen und einen großartigen Einsatz für diese leisten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.57


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Heinz Faßmann zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.57.15

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ich musste mich zu Wort melden, denn Sie haben mich hinsichtlich einer faktenbasierten politischen Maßnahme natürlich bei meiner Ehre gepackt. Herr Hauser, ich weiß, dass wir in diesem Punkt nicht zusammenkommen. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Ich versuche es dennoch und sage Ihnen meine Motive, warum wir so vorgegangen sind – und ich glaube, dass wir hinsichtlich der Schulen vernünftig vorgegangen sind.

Frau Abgeordnete Salzmann hat erwähnt, dass wir durch Maßnahmen wie das Testen natürlich auch sehr viel mehr Präsenzunterricht abhalten konnten, als dies in anderen, vergleichbaren Staaten der Fall war. Und da wir Präsenzunterricht hatten, konnten wir auch den Schülerinnen und Schülern wieder so etwas wie eine Zeit- und Sinn­struk­tur zurückgeben. Aufstehen in der Früh, in die Schule gehen, sich mit anderen


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auseinandersetzen – das ist ein Korsett, manchmal will man das nicht, es ist aber extrem wichtig für die psychische Gesundheit der Kinder.

Hinsichtlich der Motive wäre ich nicht ganz so voreilig. Es ist ja das Wesen einer Analyse, dass man abwarten sollte, was am Ende der Analyse herauskommt. Sie sagen, es seien sogenannte Zwangsmaßnahmen. – Ich komme viel mit Eltern in Kontakt und manche sagen mir, dass es genau umgekehrt ist, sie sagen: Es sind zu wenige Maßnahmen, ich habe Angst, dass sich meine Kinder infizieren! (Zwischenruf des Abg. Hauser.) – Warten wir ab, was herauskommt, dann können wir die weiteren Schritte setzen.

In einem Punkt haben Sie sicherlich recht: Covid ist, Gott sei Dank, keine Krankheit, die bei Kindern und Jugendlichen in der Regel schwer verläuft. Nichtsdestotrotz gibt es solche Fälle, es gibt Krankheitssymptome und es gibt Long Covid. Das betrifft auch Kinder und Jugendliche. Das Wesentliche ist aber, dass Kinder, wenn sie infiziert sind, andere anstecken können. (Abg. Hauser: Herr Minister, auch Geimpfte stecken an! Sie wissen das!) Ich habe daher auch immer gesagt: Wenn die Eltern gleich einem Schutzschild um die Kinder herum alle geimpft wären, dann wäre das ein viel geringeres Problem. (Abg. Hauser: Auch Geimpfte können anstecken! – Zwischenruf der Abg. Salzmann.) Herr Hauser, das sind sie aber leider nicht. Sie wissen ganz genau, dass die Impfquote bei den Jahrgängen der über 35-, 45-Jährigen auslässt. Hätten wir dort eine höhere Quote, wäre ich viel beruhigter.

Ihr letzter Punkt war die Geschichte von der Zwangsimpfung. Ich habe nie von einer Zwangsimpfung gesprochen, ich habe immer gesagt: Die Impfung ist eine Option, die den Eltern zur Verfügung steht. Sie ist eine Option nach einem langen Prüfverfahren, in dem klar erwiesen wurde, dass der Nutzen größer ist als die Impfrisken, sonst würden weder die EMA noch das Nationale Impfgremium dem zustimmen.

Im Nationalen Impfgremium sitzen wirklich kluge Köpfe, denen ich vertraue. Sie erinnern sich, die österreichische Gesellschaft der Kinderärzte hat das auch bestätigt und letztlich in etwa gesagt: Nach Abwägen aller Fakten würden wir anraten, dass Eltern ihre Kinder impfen lassen – anraten, keine Impfverpflichtung, und das seitens der österreichischen Gesellschaft der Kinderärzte. Ich kann da nur sagen: No comment!, ist weiterhin notwendig; da gibt es ein ganz klares Urteil. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

18.00


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.


18.00.44

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute unter anderem einen abgelehnten Antrag meiner Kollegin Künsberg Sarre. Im Übrigen glaube ich, dass er aus Versehen abgelehnt wurde, er hätte eigentlich vertagt werden sollen, aber es ist ja auch ein Teil der Freuden der Opposition, dass man sich auch über so etwas freuen kann. Dieser Antrag zielte darauf ab, das Unterstützungspersonal in den Schulen aufzustocken, also mehr SchulpsychologInnen, mehr Sozialarbeiter, mehr Schulärztinnen und Schulärzte zu beschäftigen.

Dass gerade die Jugend, also Schülerinnen und Schüler, besonders unter den Corona­regeln der Bundesregierung gelitten haben, ist mittlerweile wohl auch bei der Bundes­regierung angekommen. Wenn Sie doch wenigstens jetzt, unmittelbar nach oder am Ende der Coronakrise ordentlich Geld für den Bereich der psychischen Gesundheit in die Hand genommen hätten – und nicht nur die lächerlichen 8 Millionen Euro, die jetzt im Budget stehen – und das dann von mir aus stufenweise zurückgefahren würde, wenn es in der Kinder- und Jugendpsychiatrie keine Triage mehr gibt, wenn nicht mehr


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16 Prozent der 14- bis 18-Jährigen selbstmordgefährdet sind oder wenn nicht mehr jeder fünfte Jugendliche Essstörungen hat, dann hätten Sie Ihr schuldhaftes Verhalten gegen­über Kindern und Jugendlichen aus dem letzten Jahr einigermaßen wiedergutmachen können. Aber nein, nichts dergleichen passiert!

Auch an den Pädagoginnen und Pädagogen geht das Krisenmanagement, das ja in Schulen noch viel intensiver als überall sonst fortgeführt wird, nicht spurlos vorüber. Sie können die vielfältigen Aufgaben nicht alleine bewältigen und sollten das auch nicht müs­sen. In jedem guten Unternehmen gibt es eine Arbeitsteilung, und genau darauf hat auch der Antrag abgezielt, nämlich die Pädagoginnen und Pädagogen zu entlasten, um sie wieder für ihre Kernaufgabe freizuspielen, nämlich für den Bildungsauftrag.

Bevor jetzt wieder jemand von der ÖVP reflexartig mit diesem Wienbashing daher­kommt – damit scheinen ja die Sprechautomaten für diese drei Plenartage irgendwie gefüttert worden zu sein – und meint, dass wir das alles in Wien ja auch machen könnten: Ja, in Wien machen wir das! In Wien machen wir das, und davon bin ich überzeugt, wirklich besser! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben die Zahl der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter um 20 Prozent aufge­stockt. Verantwortlich dafür: Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr. Man muss eben nur die richtigen Prioritäten setzen, aber die Jugend war leider noch nie eine Priorität dieser Bundesregierung. (Beifall bei den NEOS.)

18.03


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist in dieser Debatte niemand mehr gemeldet, und daher ist sie auch geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Unterrichtsausschusses.

18.03.2111. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1929/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA, Mag. Sibylle Hamann, Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abbau von Genderstereotypen in Arbeits- und Lehrmaterialien, insbesondere Schulbüchern, sowie über den

Antrag 1603/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Geschlechtersensible Evaluierung von Lern- und Lehr­materialien (1079 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Niss zu Wort. – Bitte.


18.04.03

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr ge­schätzter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuse­herinnen und Zuseher! Vorgestern am Abend habe ich noch die Hausübung meiner Tochter kontrolliert, und da habe ich im Deutschbuch die Übung oder den Satz gefunden: Anna will ihrer Mutter beim Kochen helfen. Sie fragt: Sind deine Hände auch ganz sauber? – Und in einem anderen Buch habe ich die Sätze gefunden: Franz will mit seinen Freunden Fußballspielen gehen. Das wird ein aufregender Nachmittag. – Jetzt kann man sich fragen: Was ist das Problem? – Das Problem ist, dass wir gar nicht merken,


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wie stark die Rollenbilder, die wir eigentlich als veraltet qualifizieren sollten, in unseren Köpfen immer noch verankert sind. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Man kann jetzt sagen, Mädchen mögen halt Kochen, sie mögen halt Einhörner, sie mögen halt Prinzessinnen. Ich habe auch nichts dagegen, dass sie Prinzessinnen mögen, aber ich habe etwas dagegen, dass die Prinzessinnen meistens schwach sind und dass sie von starken Prinzen gerettet werden, denn das kann einfach nicht gut für das Selbstvertrauen und den Glauben an die eigene Stärke sein. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Österreich ist ein Land, in dem Rollenbilder und Stereotype noch ganz besonders stark ausgeprägt in den Köpfen verankert sind. Das fängt im Babyalter an und wirkt sich natürlich auch auf das Selbstbild aus. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, das zu verändern. Ich weiß, das ist eine Mammutaufgabe, denn natürlich lassen sich diese Rollenbilder nicht so einfach ändern, weil sie eben stark in unseren Köpfen verankert sind, ich möchte aber meinen Beitrag dazu leisten, denn ich finde dieses Gesellschaftsbild zutiefst unfair. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir müssen durch Vor- und Rollenbilder aufzeigen, dass Frauen auch in der Technik ihren Weg machen können, dass sie damit bessere Jobs und dass sie damit auch bes­sere Einkommenschancen haben. Jetzt kann ich Kinderbüchern, aber auch Filmen und CDs nicht vorschreiben, was sie oder wen sie zu ihren Helden machen oder welche Eigenschaften sie Burschen und Mädchen zuschreiben, denn da herrscht der freie Markt und – Sie kennen mich – ich finde das gut so, aber ich kann das bei Schulbüchern machen, denn da kann ich Inhalte und Kriterien vorgeben.

Es ist nicht nur notwendig, dass wir da Inhalte in den Lehrplänen vorgeben, sondern dass wir auch Kriterien vorgeben, wie solche Schulbücher ausgestaltet sein sollen. Jetzt haben wir die Gelegenheit, dass nächstes Jahr neue Gutachterkommissionen eingesetzt werden. Die Lehrpläne werden neu gemacht, und dafür brauchen wir auch neue Kom­missionen. Es ist wesentlich und wichtig, dass da auf Gendersensibilität Wert gelegt wird.

Ein zweiter Ansatzpunkt sind die Lehrpläne selbst. Wichtig ist, dass wir auch da bei­spielsweise in der Berufsorientierung von den typischen Rollenbildern und Gender­stereotypen abgehen. Warum zeige ich nicht auf, dass es Technikerinnen, Astro­no­min­nen, Astronautinnen gibt, dass es beispielsweise auch Maschinenbauerinnen gibt oder auf der anderen Seite, dass es beispielsweise auch Krankenbrüder, wenn man so sagen will, oder Volksschullehrer gibt. Es ist wesentlich, dass wir wirklich mehr Augenmerk darauf legen.

Wenn wir dann die Schulbücher und Lehrpläne haben, dann müssen wir natürlich das Augenmerk noch darauf legen, dass die Lehrerinnen und Lehrer entsprechend aus­gebildet werden, denn, meine Damen und Herren, dass Burschen automatisch der Ma­thematik zugeschrieben werden und Mädchen den Sprachen, das wird ja nicht absicht­lich gemacht, sondern das ist ganz unterbewusst. Deswegen müssen wir in der Aus- und Fortbildung wirklich darauf achten, dass das bewusst gemacht wird und man in Zukunft darauf achtet.

Steter Tropfen höhlt den Stein! Ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Antrag, mit dieser Bitte oder mit diesem Auftrag an den Herrn Bundesminister dazu beitragen können, die Rollenbilder zu verändern, was zu einer verstärkten Chancengerechtigkeit führt.

Abgesehen vom Inhalt, meine Damen und Herren, finde ich auch den Prozess sehr gut. Ich möchte mich wirklich ganz, ganz herzlich bei meinen KollegInnen, nicht nur bei Sibylle Hamann, sondern vor allem auch bei Martina Künsberg und auch bei der SPÖ bedanken. Wir haben da gemeinsam – wenn es so bleibt wie im Ausschuss, geht die


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FPÖ nicht mit, aber das wundert mich unter der Führung von Herbert Kickl auch nicht wirklich – einen wirklich guten Antrag vorgelegt. Wir haben gezeigt, dass man auch gemeinsam in eine Richtung gehen kann. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Meine Damen und Herren, ich muss schon sagen, das, was wir hier in den letzten drei Tagen an undifferenzierten und nicht sachorientierten Aussagen und Anfeindungen gehört haben, finde ich nicht gut: Es ist nicht gut für das Bild des Parlaments, es ist nicht gut für das Land, und es ist nicht gut für unsere Zukunft und vor allem auch nicht für die unserer Kinder. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Bun­desminister Faßmann: Gute Rede!)

18.09


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz zu Wort. – Bitte.


18.09.13

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Rede mit einem Rätsel beginnen: Vater und Sohn fahren im Auto. Sie haben einen Unfall. Der Vater stirbt sofort, der Bub wird mit schweren Verletzungen ins AKH gebracht. Die Operation wird vorbereitet, als der Chefchirurg erscheint und sagt: Ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn! – Die Frage: In welchem Verwandtschaftsverhältnis stehen der Chirurg und das Kind? – Die Antwort ist: Der Chirurg ist die Mutter.

Dieses Rätsel zeigt eindrücklich: Sprache schafft Bewusstsein. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Himmelbauer.) Sie erzeugt Bilder in unseren Köpfen und reproduziert Geschlechterrollen. Wenn man das Wort Chirurg hört, denkt man an einen Mann im OP-Kittel. Dieses Phänomen zeigt sich nicht nur in diesem Beispiel, werte Kolleginnen und Kollegen, sondern findet sich überall dort, wo Geschlechterrollen vorherrschen, so auch in den Schulbüchern.

Meist findet sich der Sexismus zwischen den Zeilen: Frauen kümmern sich um die Pflege und den Haushalt, Männer reparieren Sachen, Mädchen sind schlecht in Mathematik und Burschen lesen nicht gerne, Mädchen sind leise, Burschen sind laut und mögen Fußball – das verstehe ich überhaupt nicht. Schulbücher widerspiegeln in vielen Fällen die Realität. Noch immer gibt es klassische Männerberufe und klassische – meist natürlich schlecht bezahlte – Frauenberufe. Wenn wir diese Geschlechterrollen überwin­den wollen, spielen Schulbücher eine wichtige Rolle, denn mit den Bildern aus der Schule wird man nicht geboren, sondern man lernt sie. Schulbücher können alten Mus­tern entgegenwirken, denn sie tragen einen wesentlichen Teil dazu bei, was Kinder später als normal empfinden.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir sind ein vielfältiges Land, wir haben verschiedene Herkünfte, Geschlechter, sprechen verschiedene Sprachen, und wir alle lieben anders. Vielfalt gehört zu unserem Alltag und ist normal. Holen wir uns diese Vielfalt in unsere Schulbücher! Wir unterstützen das.

Das nächste Mal würde ich die Antragstellerinnen der Regierungsparteien bitten, auch die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zu kontaktieren – unsere Telefonnum­mer haben Sie –, denn dieser Antrag ist ein Herzenswunsch von uns allen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten von Grünen und NEOS sowie der Abg. Salzmann.)

18.12


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sibylle Hamann. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 169

18.12.18

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Liebe Frau Präsidentin! Lieber Herr Bun­desminister! Wir haben hier einen wunderbaren gemeinsamen Antrag – noch einen –, der für mich wieder einmal ganz gut zeigt, was für ein konstruktives Klima im Bildungs­bereich und auch in diesem Ausschuss herrscht. Manchmal passt das für mich nicht ganz mit der doch etwas angriffigen Rhetorik, die dann hier im Plenum gepflegt wird, zusammen, aber wahrscheinlich ist das für die Galerie notwendig. Ich möchte mir diese konstruktive Art des Zusammenarbeitens im Ausschuss auf jeden Fall gerne erhalten.

Es geht hier um Genderstereotype, überhaupt eines meiner Lieblingsthemen, bei dem wir jetzt diesen gemeinsamen Antrag zustande gebracht haben. Genderstereotype sind, wie wir wissen, überall: im Alltag, im Berufsleben, hier im Plenum, in den Medien, am Arbeitsplatz und selbstverständlich auch in der Schule und in den Schulbüchern. Sie sind aus vielen, vielen Gründen schädlich, vor allem deswegen, weil sie Kinder daran hindern, ihre individuellen Talente und Vorlieben und ihr ganzes Potenzial auszu­schöpfen. Sie drängen ein Kind in Rollen und Verhaltensweisen, die ihm womöglich gar nicht liegen, und sie hindern Mädchen daran, zum Beispiel ihr Talent als Automecha­nikerin auszuleben, und Burschen, ihr Talent in Careberufen – womit wir beispielsweise wieder beim Thema Elementarpädagogik wären, bei dem wir heute ja schon einmal waren. Das heißt, man kann allgemein sagen: Genderstereotype machen einzelne Men­schen unglücklich, und sie können gesamtgesellschaftlich Ressourcen verschwenden. Das gehört geändert.

Was auch immer Schule tun kann, um das zu ändern, soll und muss sie tun. Da öffnet sich jetzt gerade ein Fenster der Möglichkeiten: Es werden eben die neuen Lehrpläne erarbeitet, für die es jede Menge neue Unterrichtsmaterialien brauchen wird, Bücher ebenso wie webbasierte Inhalte. Dieser Antrag kommt deswegen genau zur richtigen Zeit.

Wir wollen damit erreichen, dass Genderverhältnisse und Genderstereotype im Unter­richt thematisiert werden, das Thema in der PädagogInnenaus- und -weiterbildung ver­ankert wird, Stereotype in Lehrmaterialien vermieden werden und auch in den Begutach­tungskommissionen ausreichend Kompetenz dafür da ist. Damit machen wir die Welt wieder ein kleines Stückchen gendergerechter und besser, und das kann uns alle freuen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.14


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Martina Künsberg Sarre zu Wort. – Bitte.


18.14.45

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ja, auch ich freue mich über diesen Antrag, dem fast alle Parteien zustimmen können. Das ist meiner Meinung nach ein ganz, ganz wichtiger Antrag. Warum er wichtig ist, verdeutlicht folgendes Beispiel, das mir eine Mutter geschrieben hat, aus der 7. Klasse Gymnasium – ich zitiere –: Im Englischunterricht meiner Tochter wurde im Lehrbuch nach typischen Frauen- und Männersportarten gefragt, woraufhin meine Tochter gefragt hat, aus welchem Jahr das Buch ist, und dann auch gleich eine Feminismusdebatte vom Zaun gebrochen hat. Ein Junge meinte: Ganz einfach, Schach und Kickboxen sind typische Männersportarten, bei dem einen muss man intelligent sein, bei dem anderen stark. Ein anderer fragte, was sie hat, vor 100 Jahren durften Frauen noch nicht einmal wählen, wir sollen froh sein, dass wir das machen dürfen, was wir eh schon dürfen. – Zitatende.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 170

Wenn wir wollen, dass die Gespräche und Haltungen bei fast Volljährigen sich ändern, müssen wir früh ansetzen und möglichst rasch diesen Antrag umsetzen. Herr Minister, ich freue mich, wenn Sie sehr, sehr rasch damit beginnen, denn die Beispiele, die wir gehört haben, sind schlichtweg wirklich unterirdisch, und wir sollten aufhören, in solchen Rollenbildern zu denken. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

18.16


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet, und damit schließe ich diese Debatte.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

18.16.10Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 6 bis 11


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Abstimmungen. Ich frage aber die Klubs, ob das auch jetzt gleich möglich ist. – Gut, dann gehe ich so vor, und wir kommen zu den Abstimmungen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend ein Bundesgrundsatz­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze betreffend die fachlichen An­stellungserfordernisse für Kindergärtnerinnen und Erzieher geändert wird, samt Titel und Eingang in 1042 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

Dritte Lesung? – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7, die dem Ausschussbericht 1075 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Analyse der Schulabmeldungen im aktuellen Schuljahr“.

Wer spricht sich dafür aus? – Auch das ist einstimmig angenommen. (207/E)

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 1076 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für diese Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Tag der Freiheit am 26.10. – Schluss mit Corona-Maßnahmen im Bildungsbereich“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 1077 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Das ist mehrheitlich so zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 1078 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für diese Kenntnisnahme aus? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 171

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11, die dem Ausschussbericht 1079 der Beila­gen angeschlossene Entschließung betreffend „Abbau von Genderstereotypen in Arbeits- und Lehrmaterialien, insbesondere Schulbüchern“.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (208/E)

18.19.0112. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (1041 d.B.): Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über die Finanzierung der Regionalbahn Tiroler Zentralraum, Abschnitt Rum (1095 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Gewessler im Hohen Haus und erteile Herrn Abge­ordneten Hermann Weratschnig als erstem Redner das Wort. – Bitte.


18.19.48

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Abgeordnete! Regionalbahn Inns­bruck: Es geht um das Thema Straßenbahn, im weiteren Sinn Regionalbahn, Bahnausbau, U-Bahn – ein komplexes Thema der Zuständigkeiten und der Förderbedingungen.

Die vorliegende 15a-Vereinbarung schafft da Klarheit, schafft die Möglichkeit, Regio­nalbahnen auf Streckenabschnitten als Straßenbahn geführt, also im Gegensatz zur Vollbahn im Straßenverkehr mitfließend, bundesseitig zu unterstützen. Es gibt eine Öffi­milliarde im Budget, die dementsprechend Verwendung findet. Ich glaube, für die Regio­nen, für die Ballungszentren ist die Entscheidung hier und heute zur 15a-Ver­einba­rung ganz wichtig.

Wir hatten bereits die Regionalbahn Linz als Thema hier im Plenum – Gesamtkosten: 26 Millionen Euro –, wir kennen die aktuelle Diskussion in Graz über ein Projektvolumen von 48 Millionen Euro, und Gespräche und Planungen gibt es auch zum Großraum Wien, wo es, glaube ich, ganz wichtig ist, in Zukunft von Wien in Richtung Niederöster­reich weiterzudenken und die Bahninfrastruktur, die Straßenbahninfrastruktur auch dem­entsprechend auszubauen.

Heute liegt uns die 15a-Vereinbarung über die Regionalbahn Innsbruck vor, zwischen Innsbruck und Rum in Richtung Hall als Straßenbahn geführt. Man stellt sich da Gesamtkosten von 36 Millionen Euro vor. Davon sind 45 Prozent Finanzierungsbeitrag vom Bund vorgesehen, circa 16 Millionen Euro.

Der Abschnitt der Regionalbahn in Richtung Völs, also in die andere Richtung, aus­geführt als Vollbahn, unterliegt dem Privatbahngesetz. Das gilt auch für die Mittel.

Man muss sich vorstellen: Gerade für den Großraum Innsbruck gibt es nun einen we­sentlichen Beitrag zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Es gibt dort ein Einzugsgebiet von circa 110 000 PendlerInnen, Pendelbewegungen in diesem Gebiet, und die der­zeitige Infrastruktur ist ausgelastet. Mit der neuen Infrastruktur besteht die Möglichkeit, dass sich die Auslastung um 45 bis 50 Prozent erhöht.

In Summe: Die Regionalbahnen in Österreich sind auf der Überholspur, wenn man es so benennen möchte. Ich bedanke mich vor allem bei Ministerin Leonore Gewessler, bedanke mich aber auch bei den regional Verantwortlichen, bei der IVB, der Stadt Innsbruck, den Regierungen, jener von Bürgermeister Willi und seiner Stadträtin Uschi Schwarzl, aber auch der Vorgängerregierung in Innsbruck mit Bürgermeisterin Oppitz-


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 172

Plörer und Vizebürgermeisterin Sonja Pitscheider. Also daran haben sehr viele gear­beitet, es gab viele Beteiligte. Die BürgerInnenbeteiligung hat da sehr gut funktioniert.

Es ist ein wesentlicher Beitrag, den Anteil des öffentlichen Verkehrs am Modal Split in Österreich – 16 Prozent – ab 2018 gerechnet mit Blick auf die Zukunft, auf 2040, auf 25 Prozent auszubauen. In diesem Sinne: Mobilität in aller Vielfalt! Werte Abgeordnete, ich ersuche um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

18.23


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Alois Stöger, Sie gelangen zu Wort. Bitte.


18.23.24

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich habe am Beginn der Amtszeit dieser Regierung gesagt, das Verkehrskapitel ist das Beste, was die Bundesregierung uns gebracht hat, und ich stehe nicht an, heute der Frau Bundesministerin dazu zu gratulieren, dass sie mit dem 1-2-3-Klimaticket das richtige Signal setzt, nämlich die umweltfreundliche Schiene zu stärken.

Die 15a-Vereinbarung, die wir heute gemeinsam beschließen, ist eine Stärkung in diese Richtung und setzt auch bei der Verantwortung in Tirol an. Dort wehren sich nämlich die Bürgerinnen und Bürger massiv gegen den zunehmenden Güterverkehr. Damit sind diese Entscheidung, die Schiene auszubauen, sie im täglichen Leben unterzubringen, und die Unterstützung des Bundes richtig.

Das soll nicht nur in Tirol so sein, sondern das soll auch in den anderen Bundesländern so sein. Wir brauchen eine Stärkung der Schiene in allen Ballungsräumen.

Frau Bundesministerin! Wir werden natürlich auch beim Budget noch ein paar Mal die Klingen kreuzen. Beim schnellen Durchlesen habe ich schon auch gesehen, dass es ein paar gute Ansätze gibt, aber ich bin sehr traurig, dass man jetzt den weiteren Ausbau der Schiene mit ein bisschen weniger Geld – und ein bisschen weniger ist viel weniger Geld – bedacht hat. Da müssen wir noch genauer hinschauen.

Ich glaube, wenn wir – und dieses Ziel tragen wir als Sozialdemokratie mit – den Verkehr vom CO2 befreien wollen, dann muss es einen Ausbau der Schiene geben, und dann müssen wir jetzt sehr viel mehr tun und auch ausbauen. Es geht nicht nur um die Infrastruktur. Wir müssen auch insgesamt eine Taktfrequenz aufrechterhalten, die die Menschen annehmen. Alles in der Infrastruktur, was zwischen 5 und 24 Uhr nicht unter einem Halbstundentakt ist, ist schlicht zu wenig. Den muss es auch am Wochenende geben.

In diesem Sinne danke ich Ihnen für den Einsatz für die Schiene. Es bleibt noch einiges zu tun. Die Elektrifizierung der Bahn ist dringend notwendig, und ich sage: nicht nur in Tirol, sondern auch in allen anderen Bundesländern. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Hafenecker. – Bitte.


18.26.29

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Wir haben heute im Zuge unserer Dringlichen Anfrage gesehen, dass wir Handlungs­bedarf haben, was den Verkehrsbereich betrifft. Auch Vizekanzler Kogler war es auf­grund der Verkehrssituation nicht möglich, pünktlich ins Parlament zu kommen. Ich führe


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 173

das schon darauf zurück, dass Sie mit dem Stopp des Straßenausbaus dazu leider Gottes beitragen.

Also ich würde mir wirklich wünschen, dass Sie in Ihrer Verkehrspolitik auch die Auto­fahrer und die Pendler nicht vergessen und auch zur Kenntnis nehmen, dass es um den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel in ganz Österreich noch nicht so gut bestellt ist, dass wirklich jeder auf ein öffentliches Verkehrsmittel zurückgreifen kann. Deswegen ist es aus meiner Sicht wichtig, die Pendler und die Menschen auf dem Land, die aufs Auto angewiesen sind, nicht zu Bürgern zweiter Klasse zu machen.

Frau Bundesminister! Wir haben auch schon mehrfach darüber gesprochen, auch in den Ausschüssen: Ich übe wirklich massive Kritik an dem aus meiner Sicht willkürlichen Stopp sehr, sehr vieler Straßenbauprojekte, die für Österreich und für die Entwicklung auch des ländlichen Raumes wichtig wären.

Ich möchte Ihren Fokus, auch mit einem Antrag, den ich gleich einbringen werde, noch einmal auf die Situation bei der S 34 lenken. Nur kurz zusammengefasst: Die S 34 ist eine Schnellstraße zwischen Sankt Pölten und Wilhelmsburg mit einer Option auf eine Verlängerung bis nach Traisen, und die wäre für die Bewohner des Traisentals sehr, sehr wichtig, vor allem auch, weil Pendler, die nach Sankt Pölten einpendeln, definitiv viel Zeit einsparen könnten. Auf der anderen Seite würde der Ring um Sankt Pölten, wenn er ausgeführt werden würde, von der Landeshauptstadt entsprechend viel Verkehr abziehen.

Frau Bundesministerin! Ich möchte Sie daher auch noch einmal an das Versprechen erinnern, das den Bürgern in diesem Bereich gegeben worden ist. Das ist ein Diskurs, der mittlerweile fast 50 Jahre lang geführt wird, damit es zu dieser Schnellstraße kommt. Ich möchte noch einmal an Ihre Vernunft appellieren und ersuchen, dass Sie diesen Straßenbau, zu dem die UVP eigentlich schon abgeschlossen ist – der Genehmi­gungs­prozess wäre eigentlich fertig –, nicht weiter verzögern, dass Sie diesem Projekt nicht im Wege stehen und für eine rasche Umsetzung sorgen.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kein Baustopp und keine Bauverzögerung bei der S34 Traisental Schnellstraße

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, die an die ASFINAG gerichtete ‚Weisung‘, derzeit keine Ausschreibungen für etwaige Bauphasen oder bau­liche Vorbereitungsmaßnahmen bei der S34 vorzunehmen, unmittelbar zu widerrufen, und dafür Sorge zu tragen, dass es zu keinen weiteren - von der Bundesregierung verursachten - Bauverzögerungen bei der S34 Traisental Schnellstraße kommt.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

18.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 174

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA und weiterer Abgeordneter

betreffend kein Baustopp und keine Bauverzögerung bei der S34 Traisental Schnell­straße

eingebracht in der 127. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Oktober 2021 im Zuge der Debatte zu TOP 12, Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungs­vorlage (1041 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über die Finanzierung der Regionalbahn Tiroler Zentralraum, Abschnitt Rum (1095 d.B.)

Nicht nur in Tirol gibt es wichtige Verkehrsinfrastrukturprojekte auch in Niederösterreich sind einige in Planung bzw. stehen sie vor dem Spatenstich. So zum Beispiel die S34 Traisental Schnellstraße.

Im April 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Schnellstraßen-Gegner S34 nach dem UVP-Verfahren ab. Weitere Rechtsmittel, etwa beim Verfas­sungs­gerichtshof, hätten keine aufschiebende Wirkung mehr. Geplanter Baubeginn war zu diesem Zeitpunkt 2023.

Mit einem eigenartigen Schreiben vom 25.6.2021 des BMK an die ASFINAG wurde jedoch festgehalten, dass derzeit keine Ausschreibungen für etwaige Bauphasen oder bauliche Vorbereitungsmaßnahmen vorzunehmen sind. Also defacto ein – potentiell rechtswidriger - Baustopp verhängt.

Laut Asfinag wären aber mit der Fertigstellung der S34 zahlreiche Vorteile verbunden. So ist auf deren Seite nachzulesen:

Mit der Errichtung der neun Kilometer langen S 34 verfolgt die ASFINAG zwei zentrale Ziele: Weniger Verkehr und mehr Lebensqualität entlang der B 20 Mariazeller Straße und kürzere Wege durch die verbesserte Anbindung an die A 1 West Autobahn. (https://www.asfinag.at/bauen-erhalten/bauprojekte/s-34-traisental-schnellstrasse-neubau-st-polten-hafing-knoten-st-polten-west-a-1-wilhelmsburg/)

Eine nachvollziehbare Erklärung, wieso die ÖVP/GRÜNE-Bundesregierung eine Ver­besserung der Lebensqualität der betroffenen Bürger verzögert oder gar verhindert, blieb bis dato aus.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, die an die ASFINAG gerichtete „Weisung“, derzeit keine Ausschreibungen für etwaige Bauphasen oder bau­liche Vorbereitungsmaßnahmen bei der S34 vorzunehmen, unmittelbar zu wider­rufen, und dafür Sorge zu tragen, dass es zu keinen weiteren - von der Bundesregierung verursachten - Bauverzögerungen bei der S34 Traisental Schnellstraße kommt.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 175

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Gahr. – Bitte.


18.29.24

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Für mich als Tiroler Abgeordneten ist heute ein erfreulicher Tag, weil es gelingt, die Straßenbahn in Innsbruck zu einer Regionalbahn umzufunktionieren. Es gibt einen klaren Zeitplan. Aktuell ist gerade die Verbindung zwischen Innsbruck und Rum in Bau, und in späterer Folge wird das Ganze dann in Richtung Völs ausgeweitet. Danke dafür.

Es gibt diese 15a-Vereinbarung – Kollege Weratschnig hat es bereits ausgeführt –, bei der es darum geht, dass 45 Prozent vom Bund finanziert werden und 55 Prozent als Restfinanzierung bleiben. Dafür möchte ich mich bei der Frau Bundesminister bedanken.

Was ist das Ziel? – Östlich und westlich von Innsbruck haben wir in den Morgenstunden im Pendlerverkehr durchaus Engpässe. Weitere Engpässe haben wir, was die beiden Bahnhöfe, den Hauptbahnhof und den Westbahnhof, betrifft. Mit dieser neuen Infra­struktur, die entwickelt wurde und in Bau steht, wird es gelingen, diese neuralgischen Staupunkte zu beseitigen.

Es ist wichtig, dass wir den öffentlichen Personennahverkehr ankurbeln, und mit einer attraktiven Bahn, mit einer attraktiven Regionalbahn sollte dies möglich sein. In Ver­bindung mit dem öffentlichen Nahverkehr und dem Klimaticket sollte auch der Anreiz gegeben sein, dass mehr Menschen umsteigen und der Pendlerverkehr so neu und besser organisiert werden kann.

Insgesamt ist es eine positive Entwicklung, aus Umweltsicht ein Projekt, das man absolut befürworten kann. Die Pendlerinnen und Pendler können günstiger, umweltgerechter und schneller zu ihrem Arbeitsplatz kommen. – In diesem Sinne: Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


18.31.34

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Allfällige Zuschauer! Wem sollen wir danken? – Ich denke, in erster Linie geht es schon darum, dass wir uns heute mit der Gewissheit vor die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler stellen können, dass wir hier einen Beschluss fassen, mit dem doch viel Geld in die Hand genommen wird – Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler –, bei dem wir in Einigkeit, wie wir sie in den heutigen Debatten nicht immer vorgefunden haben, feststellen können, dass es ein gutes Investment ist.

Die Situation zwischen Hall und Innsbruck im Tiroler Zentralraum ist wirklich dadurch gekennzeichnet, dass dort ein erhebliches Verkehrsaufkommen abzuwickeln ist, was dadurch erschwert wird, dass sich eben auf der Inntal-Autobahn A 12 am Übergang zur A 13 eine der meistbefahrenen Autobahnstrecken Österreichs befindet, wo auch ein enormes Transitvolumen abzuwickeln ist.

Umso wichtiger ist es, dass man jetzt in diesem Bereich investiert, dass man wirklich – fast möchte ich sagen, als ein Best-Practice-Beispiel – einen kleinen Hub in Rum schafft, wo es möglich ist, von der ÖBB auf die Regionalbahn umzusteigen, von den IVB-Bus­linien auf die Regionalbahn beziehungsweise auf die IVB umzusteigen, wo es auch möglich sein wird, die Verkehrsteilnehmer im Bereich der aktiven Mobilität, vor allem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 176

Fahrradfahrer, so zu bedienen, dass es attraktiv ist, die letzte Meile mit dem Fahrrad zurückzulegen. Es sind bei diesem Bauprojekt am neuen Bahnhof in Rum auch groß­zügige Fahrradabstellanlagen vorgesehen.

Was es noch brauchen wird – das wird die Zukunft sicher sehr schnell weisen –, ist auch ein Park-and-Ride-Angebot für jene Pendlerinnen und Pendler, die die berühmte erste oder letzte Meile – je nachdem, wie man es sieht – mit dem privaten Pkw zurücklegen. Auch für diese könnte dieser Hub ein sehr gutes Angebot sein, in das öffentliche System umzusteigen. Das steht noch bevor.

Insgesamt ist das aber wirklich ein sehr schönes Projekt. Es ist sehr erfreulich, dass es gelungen ist, diese Finanzierung zu stemmen. Die Fertigstellung ist Ende 2022. Ich hoffe sehr, Frau Bundesministerin, dass wir uns, wenn wir dann noch im Amt sein sollten, dort bei der Eröffnungsfeier treffen. Ich würde mich sehr freuen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

18.34


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.34.30

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abge­ordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher, die diese Debatte vielleicht noch verfolgen! Ich freue mich wirklich sehr über das sehr konkrete Projekt, das wir, wie ich hoffe, mit Ihrer breiten Zustimmung heute auf den Weg schicken, weil es eine konkrete Verbes­serung für die Pendlerinnen und Pendler in Tirol ist, weil es ein konkretes Investment in den öffentlichen Nahverkehr ist und weil es einen Teil des Versprechens erfüllt, das wir im Regierungsprogramm gegeben haben, nämlich insbesondere die umweltgerechten Mobilitätsformen bei den Regionalbahnen, insbesondere mit stadtgrenzenüberschrei­tender Wirkung, zu forcieren und auf den Weg zu bringen.

Es ist vieles schon gesagt worden, deswegen werde ich mich sehr kurz halten und nur an diesem konkreten Beispiel noch einmal ausführen, warum es Sinn macht, manche Dinge, die man vielleicht jahrzehntelang immer gleich gemacht hat, die man seit 50 Jah­ren immer so gemacht hat, wie man es halt gemacht hat, gerade jetzt auch zu hinter­fragen, weil sie vielleicht aus heutiger Sicht volkswirtschaftlich und im Großen und Gan­zen nicht mehr so sinnvoll sind.

Diese 15a-Vereinbarung ist nach einer 15a-Vereinbarung zur Regionalstadtbahn Linz, die wir im Juli im Plenum auf den Weg gebracht haben, die zweite, die einen volkswirt­schaftlich nicht sehr optimalen Zustand beendet. Wir haben nämlich bis vor diesem Jahr die Situation gehabt, dass der Bund nur Schienenprojekte in den Bundesländern und Gemeinden über den Weg der Privatbahnfinanzierung finanzieren konnte, das heißt als Vollbahnen – Kollege Weratschnig hat es vorhin ausgeführt –, nicht aber die Straßen­bahnen kofinanzieren konnte.

Das hat zu der Situation geführt, dass man ein bissel einen kontraproduktiven Anreiz gesetzt hat, in den Vollbahnausbau zu gehen, selbst wenn eine Straßenbahn wirtschaft­licher und effizienter, einfach für die Region passender gewesen wäre. Und diesen Zustand beenden wir jetzt mit diesen 15a-Vereinbarungen mit der neuen Möglichkeit, auch Straßenbahnprojekte und stadtgrenzenüberschreitende Projekte zu fördern. Des­wegen freut es mich, dass wir heute mit dieser konkreten Vereinbarung den nächsten Schritt – der erste Schritt war Linz, der nächste Schritt ist Innsbruck – machen.

Der Bund leistet hier zu den Gesamtkosten in Höhe von 36 Millionen Euro einen Zu­schuss von 45 Prozent, das sind rund 16 Millionen Euro. Das ist gerade angesichts des


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 177

auch weiterhin zunehmenden Pkw-Verkehrs ein wichtiges und notwendiges Investment, um den Marktanteil im öffentlichen Nah- und Regionalverkehr weiter zu steigern, auch ganz entlang der Prinzipien, die wir uns im Mobilitätsmasterplan gegeben haben.

Deswegen auch von meiner Seite noch einmal ein Danke an alle, die seit vielen Jahren mitgearbeitet haben, dass dieses Projekt jetzt so dastehen kann, dass dieses Projekt zur Genehmigung vorliegt. Ich würde mich über eine breite Zustimmung freuen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.37


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Klaus Köchl zu Wort. – Bitte.


18.37.41

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Minister! Es ist schon sehr viel zu diesem Projekt gesagt worden, aber noch nicht von einem Kärntner Abgeordneten. Ich glaube, es ist ein ganz tolle Geschichte. Das ist genau das Ziel, das wir in Zentralräumen haben sollten, nämlich der Ausbau einer Alternative. Für mich als gelernter Eisenbahner ist es auch ganz, ganz wichtig. Ich kann euch dazu nur gratulieren und hoffen, dass das Bauprojekt letztendlich auch ein ganz großer Erfolg wird.

Ich darf aber noch 1 Minute meiner Redezeit, Frau Minister, dafür nutzen, um Sie um etwas zu ersuchen. Zur S 37 in Kärnten ist von der Landesregierung eine Resolution gefasst worden. Ich möchte das unterstreichen und Sie ersuchen, dass Sie dieses Projekt auch zur Umsetzung bringen.

Es ist alles geplant. Landesrat Gruber von der ÖVP hat schon mit den Vorständen der Asfinag ausverhandelt, dass die Umsetzung kommen kann. Das müsste jetzt nur auf die Reise geschickt werden. Zum Ausbau der S 37 wäre ein Statusbericht über die Evalu­ierungsverfahren zu übermitteln. Ich ersuche Sie um die Aufnahme der Gespräche mit dem Land Kärnten und dass die Maßnahmen dann eben umgesetzt und nicht unnötig verzögert werden.

Das Gleiche gilt auch für die Anschlussstelle Wernberg. Ich war jetzt 14 Jahre im Kärnt­ner Landtag, und es war schon immer ein Thema, für Wernberg und Umgebung eine Autobahnabfahrt von der Süd-Autobahn zu bekommen. Das, glaube ich, gehört umgesetzt. Ich ersuche Sie als Kärntner Abgeordneter – ich glaube, im Namen aller Kärntner Abgeordneten –, das bitte in Angriff zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.39


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


18.39.24

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Hohes Haus! Auch wir von der Freiheitlichen Partei unterstützen das Projekt Regional­bahn Innsbruck–Rum gerne. Gerade als direkt und unmittelbar Betroffener, der pro Woche zweimal von Osttirol nach Nordtirol, nach Innsbruck fährt, weiß ich, wie wichtig der Aus­bau der Strecke ist. Die Straßen sind unglaublich voll. Es gibt mittlerweile 110 000 Pend­ler, die täglich zwischen Innsbruck und Rum pendeln. Es ist gut, dass wir dieses Problem jetzt lösen und die Regionalbahn bis 2023 eröffnet wird.

Aber wir haben weitere Baustellen. Sie wissen, wir haben auf der Brennerachse perma­nent zunehmenden Transitverkehr. Der Lkw-Transit ist steigend und hat im dritten Quar­tal im Vergleich zu den Quartalen davor noch um 7,44 Prozent gegenüber den bisheri­gen Maximalzahlen zugelegt. Das ist wirklich ein Riesenproblem. Wenn man weiß, dass


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 178

der Brennerbasistunnel vielleicht erst 2030 eröffnet wird, muss man wirklich schauen, dass man die transitgeplagte Bevölkerung auf dieser Strecke endlich entlasten kann.

Jetzt mache ich heute meinen vierten Anlauf und sage: Bitte schön, machen wir das gescheit und richtig, sanieren wir die Luegbrücke, wenn es notwendig ist, aber bauen wir den Tunnel! Machen wir den Tunnel! Das ist der Wunsch der betroffenen Bevölke­rung. Ich verstehe überhaupt nicht, dass man hier in diesem Hohen Haus keine einstim­mige Beschlussfassung zuwege bringt, zumal der Antrag – der Text ist vollkommen harmlos – zum Beispiel genau das Gleiche will, was Kollege Hermann Gahr mit dem Wipptal macht.

Geschätzte Frau Präsidentin! Ich darf folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kein Neu­bau der Luegbrücke gegen den Willen der Bevölkerung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, die ‚Tunnelvariante Lueg‘ nochmals zu prüfen, und keine Bauentscheidung gegen den Willen der betroffenen Bevölkerung zu treffen.“

*****

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, es muss doch möglich sein, dass man einen solchen Antrag unterstützt, der genau das will, was die Bevölkerung will. Schauen wir einmal, was heute beim vierten Anlauf herauskommt! (Beifall bei der FPÖ.)

18.41

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Gerald Hauser

und weiterer Abgeordneter

betreffend kein Neubau der Luegbrücke gegen den Willen der Bevölkerung

eingebracht in der 127. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Oktober 2021 im Zuge der Debatte zu TOP 12, Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungs­vorlage (1041 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über die Finanzierung der Regionalbahn Tiroler Zentralraum, Abschnitt Rum (1095 d.B.)

Die Luegbrücke auf der Brennerautobahn (A13) ist sowie die Regionalbahn „Tiroler Zentralraum“ eine wichtige Verkehrsinfrastruktur in Tirol. Diese soll nun laut ASFINAG neu gebaut werden. Start 2022, Dauer fünf Jahre. Die Planung dafür läuft schon seit Jahren. Im November 2019 haben sich die Chefs der Tiroler Regierungsparteien ÖVP und Grüne noch gegen den Neubau der schon fertig geplanten Luegbrücke ausge­sprochen. Man könne nicht gegen den Willen der Anrainer im Wipptal entscheiden, die einen Tunnel bevorzugen, so LH Platter und LHStv Felipe. (https://tirol.orf.at/stories/3023876/).


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Nach aktuellen Medienberichten ist aber nun eine Tunnellösung endgültig vom Tisch. Die Tiroler Tageszeitung berichtete am 7.4.2021.

Für die Asfinag ist die Diskussion rund um die dringend notwendige Sanierung der Luegbrücke beendet. Die Autobahnholding schließt den Bau eines Tunnels aus und hält an ihrem Plan fest, die Brücke neu zu bauen. Dazu wurde sogar ein Enteignungs­ver­fahren gegen die Gemeinde Gries eingeleitet, die sich vehement gegen den Neubau wehrt und der Asfinag die Inanspruchnahme von dafür notwendigem Grund untersagt.

Nach wie vor gibt es auch massive Bedenken der betroffenen Wipptaler Bevölkerung. Dazu warnt nun auch noch der Geologe und Universitätsprofessor Rainer Brandner:

Er warnt davor, dass mit einem Neubau früher gemachte Fehler erneut begangen wer­den. "Ursprünglich war die Trasse damals westlich des Brennersees geplant. Eine Boh­rung im See machte diesen Plan allerdings zunichte, da man tiefgründigen unverfes­tigten Sand und Schlamm vorfand", erklärt Brandner. Damit war die Fundierung eines Brückenpfeilers nicht möglich und man war gezwungen, die Trasse auf die Ostseite des Sees zu verschieben. "Damit gelangte man in ein noch größeres Schlamassel: Man schnitt den Fuß der großen, tiefgründigen Massenbewegung, die vom Padauner Berg herunterkommt, an. Aufwändige und teure Stabilisierungsmaßnahmen wurden notwen­dig. Auch die südlichen Brückenpfeiler der Luegbrücke gründen in dieser Massenbewe­gung und sind heute noch in Bewegung", zeigt der Geologe auf.

Beim Neubau der Brücke könne dieser Massenbewegung nicht ausgewichen werden. "Eine alte Fehlplanung wird damit bedauerlicherweise wiederholt", sagt Brandner. Ein Neubau stelle zudem einen massiven Eingriff in die Natur und große Belastungen für die Bevölkerung dar. Umso unverständlicher ist für den Geologen die Entscheidung des Verkehrsministeriums, dass es dafür keine Umweltverträglichkeitsprüfung braucht.

Brandner hält den Bau eines Tunnels für machbar. "Eine Tunnelplanung kann gar nicht konkret untersucht worden sein, da entsprechende detaillierte geologische Unterlagen auf dieser Seite des Silltales nachweislich fehlen."

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, die „Tunnelvariante Lueg“ nochmals zu prüfen, und keine Bauentscheidung gegen den Willen der betrof­fenen Bevölkerung zu treffen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


18.41.48

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Kollege Hauser, ich habe es im Ausschuss schon gesagt: Es ist nicht nur der Güterverkehr ein Problem. Ich möchte dazusagen: Es gibt 2,8 Millionen transitierende Lkw, die selbstver­ständlich auf die Schiene verlagert werden müssen. Ich glaube, da sind wir uns alle


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einige. Trotz alledem sprechen wir nie über die 14 Millionen transitierenden Pkw, die von München zum Lago di Garda fahren. Die sind genauso ein Problem, weil es jedes Wochenende, sobald die ersten Feiertage sind, so ist, dass wir wirklich in Zirl vor Inns­bruck eine Wand haben, bis nach Bozen, bis nach den ganzen Mautstellen. Ich glaube, darüber müssen wir auch einmal reden und nicht immer nur den Güterverkehr als direkten Adressaten für Maßnahmen hernehmen. Der Güterverkehr bedeutet Wirtschaft. Wirtschaft bedeutet Arbeitsplätze und Arbeitsplätze bedeuten Wohlstand.

Im Güterverkehr wird nicht zum Spaß durch die Lande gefahren, sondern es werden Güter transportiert, die wir zum täglichen Gebrauch benötigen – vom WC-Papier, das haben wir in der Pandemie gesehen, bis hin zu den Nudeln, alles. Das sei einmal zu diesem Thema gesagt.

Die andere Seite: Ja, diese Regionalbahn ist sehr, sehr gut und sehr, sehr wichtig für die Wirtschaft, weil damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ruhe zu ihrem Arbeitsplatz kommen. In der Früh und am Abend – und mittlerweile auch schon untertags – ist es auf der Inntal-Autobahn richtig schwierig durchzukommen, weil der Verkehr eklatant zuge­nommen hat. Die Pendlerinnen und Pendler aber, die aus dem Oberland, dem Unterland oder aus den Tälern kommen, haben gar keine andere Möglichkeit, als mit dem Auto aus den Tälern zu fahren. Wenn man zum Beispiel ein Stückchen oberhalb von Telfs wohnt und mit dem Zug ins DEZ – das ist ein Gewerbegebiet im Speckgürtel von Innsbruck – zum Arbeiten fahren müsste, dann bräuchte man mit dem öffentlichen Ver­kehr fast zwei Stunden. Das ist aus meiner Sicht nicht machbar. Da möchte ich Kollegen Margreiter recht geben: Wir brauchen wirklich Park-and-ride-Plätze, damit man, wenn man zur Arbeit fährt, von den Tälern zum Park-and-ride-Parkplatz und dann weiter mit den Regionalbahnen fahren kann.

Ich kann Ihnen sagen, in Völs – ich habe da einen Betrieb – freut man sich darauf, dass diese Regionalbahn kommt, weil man dann einen direkten Anschluss in die Stadt hat. Auch in Rum – das ist ein sehr guter Point – braucht es wirklich eine Park-and-ride-Anlage. Da gebe ich den Kollegen recht. Die Finanzierung kommt zu 55 Prozent vom Land Tirol, zu 45 Prozent vom Bund. Ich glaube, dass es im Sinne aller ist, dass wir diesen Verkehr im Speckgürtel von Innsbruck auf die Schiene verlagern, genauso wie der transitierende Güterverkehr – nicht jener der heimischen Wirtschaft, sondern der transitierende Verkehr – auf die Schiene verlagert werden muss. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.


18.45.13

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister, Grüß Gott! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um eine Lösung im Zentralraum von Tirol. Schön, dass es da für die Tiroler eine Lösung gibt und dass man das Problem mit der Lokalbahn löst.

Ein ähnliches Problem haben wir leider auch in Kärnten mit dem Lückenschluss zwi­schen Klagenfurt und Villach, was die baltisch-adriatische Achse betrifft. Die baltisch-adriatische Achse von der Ostsee bis zur Adria wird eine sehr wichtige transeuropäische Bahnstrecke werden, besser bekannt als die Koralmbahn. Es wird natürlich, und das ist auch positiv, viel Verkehr auf die Schiene kommen, natürlich auch ein erhöhter Güterverkehr.

Was nicht so positiv ist, vor allem für 200 000 Menschen im Raum Klagenfurt und Villach, also im Zentralraum von Kärnten, ist, dass es keinen Lückenschluss und keine Lösung für diesen Bereich gibt. Da ist in den letzten Jahren leider überhaupt nichts weitergegangen.


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Jetzt wurde dort eine Bürgerinitiative gegründet, und am Montag hat es eine Zentral­raumkonferenz gegeben, bei der von allen anwesenden Parteienvertretern – es waren auch Vertreter von der grünen Fraktion dort und natürlich auch von allen anderen Frak­tionen – eine Resolution einstimmig verabschiedet wurde, die morgen medienöffentlich in einer Pressekonferenz von Landeshauptmann Kaiser, SPÖ, und von Landesrat Schuschnig, ÖVP, unterzeichnet werden soll. Ich erspare Ihnen jetzt den Text dieser Resolution. Diese Resolution soll wieder im Beisein aller Abgeordneten, die dort hinkom­men, und der Vertreter der Bürgerinitiative medienwirksam unterschrieben werden.

Wir wollten das unterstützen und haben einen Entschließungsantrag vorbereitet und den Text der Resolution im Grunde fast eins zu eins in diesen Entschließungsantrag über­nommen. Leider waren die Regierungsparteien von Grün und ÖVP nicht bereit, bei die­sem Antrag mitzuziehen. Die Sozialdemokraten und die NEOS unterstützen den Antrag, was mich sehr freut. Ich werde diesen Antrag nun einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Mag. Dr. Petra Oberrauner, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Planung und Errichtung einer Güterbahntrasse sowie Ergreifen von Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung im Kärntner Zentralraum vor dem Bahnlärm“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, ein Bekenntnis zum Neubau einer Güterverkehrseisenbahnstrecke zwischen Klagenfurt und Villach, durch die Aufnahme in den nächsten Rahmenplan, zur entsprechenden Sicherung der Finan­zierung der weitergehenden Planungen im Korridor Wörthersee-Nord, abzugeben. Ergänzend sind sofortige umfassende Lärmschutzmaßnahmen auf Bestandsstrecken nach WHO-Standards umzusetzen, inklusive Planung und Umsetzung der Knoten und Umfahrung von Klagenfurt und Villach auf Basis der bereits vorliegenden Varianten-Untersuchungen.“

*****

Ich hoffe, dass diesem Antrag die Zustimmung erteilt wird. Es wäre schade, wenn er ab­gelehnt würde, sonst blieben wohl diese morgige Resolutionsunterfertigung und Pres­se­konferenz nichts weiter als ein medienwirksames und öffentliches Zurschaustellen einer Bekundung. Es wäre aber wichtig, dass es entsprechende Beschlüsse hier im Nationalrat gibt, damit das auch umgesetzt wird. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.48

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Mag. Christian Ragger, Mag. Dr. Petra Oberrauner, Philip Kucher, Klaus Köchl, Dr. Johannes Margreiter

und weiterer Abgeordneter

betreffend Planung und Errichtung einer Güterbahntrasse sowie Ergreifen von Maß­nahmen zum Schutz der Bevölkerung im Kärntner Zentralraum vor dem Bahnlärm


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eingebracht in der 127. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Oktober 2021 im Zuge der Debatte zu TOP 12, Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungs­vorlage (1041 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über die Finanzierung der Regionalbahn Tiroler Zentralraum, Abschnitt Rum (1095 d.B.)

Die Bundesregierung investiert mit der in der Verhandlung stehenden 15a-Vereinbarung 16,4 Millionen Euro in die Verkehrsinfrastruktur in Tirol. Auch Kärnten benötigt Investition vom Bund, in diesem Fall für Lärmschutzmaßnahmen und für die Umsetzung der Knoten und Umfahrung von Klagenfurt und Villach.

Die Hochleistungsstrecke Wörtherseebahn und die zukünftige Koralmbahn führen mitten durch die Städte Klagenfurt am Wörthersee und Villach sowie die Wörtherseeregion und den Großraum Villach. Durch die geplante Inbetriebnahme der Koralmbahn Ende 2025 wird eine Zunahme des Güterverkehrs um 136 Prozent erwartet. Dementsprechend wird sich auch der Bahnlärm erhöhen. Die Belastung für die Anrainer von Klagenfurt bis Villach wird ein unerträgliches Ausmaß annehmen. Betroffen sind 200.000 Kärntnerin­nen und Kärntner sowie die für Kärnten wichtige Tourismuswirtschaft. Es bedarf daher dringend umfassender Lärmschutzmaßnahmen und Sofortmaßnahmen für das Bahn­lärmproblem.

Folgend Maßnahmen sind umzusetzen:

-             Planung und Errichtung einer Güterbahntrasse im Kärntner Zentralraum und Aufnahme dieser in den ÖBB-Rahmenplan.

-             Tempo 50-Beschränkung für Güterzüge im Ortsgebiet und Nachtfahrverbot für laute Güterzüge in der Schutzzone.

-             Anpassung von bestehendem Lärmschutz und Errichtung neuer Hochleistungs-Lärmschutzwände.

-             Einhaltung der Lärmgrenzwerte von 44 dB in der Nacht und 54 dB am Tag in der Schutzzone entsprechend der WHO-Bahnlärm-Richtlinie 2018.

-             Einhaltung eines Fahrzeug-Spitzenlärmpegels von 80 dB für alle Loks und Waggons, wie beim LKW.

-             Errichtung von Lärm-Messstationen.

Laut den WHO Environmental Noise Guidelines 20181 „wird für die durch Schienen­verkehr bedingten Lärmbelastungen ein Richtwert von 54 dB Lden empfohlen, da Schie­nenverkehrslärm oberhalb dieses Wertes mit schädlichen gesundheitlichen Auswir­kungen verbunden ist. Für die nächtliche Lärmbelastung wird ein Lnight von 44 dB emp­fohlen, da nächtlicher Schienenverkehrslärm oberhalb dieses Wertes mit negativen Aus­wirkungen auf den Schlaf verbunden ist.“

Die Grenzwerte nach der Schienenverkehrslärm-Immissionsschutzverordung (SchIV) liegen derzeit bei 65 dB am Tag (06.00-22.00 Uhr) und 55 dB in der Nacht (22.00-06.00 Uhr). Eine Pegeländerung um -10 dB wird vom menschlichen Ohr als Halbierung der Lautstärke empfunden.2

Das Ausmaß der Zunahme des Güterverkehrs und der damit verbundenen Lärm­belastung ist derzeit bereits konkret abschätzbar. Die Ergebnisse der Verkehrsprognose 2040 und des Zielnetzes 2040 abzuwarten, die frühestens in der 2. Jahreshälfte 2022 vorliegen werden, um erst dann nach einer Kosten-Nutzen-Analyse an vertiefende Pla­nungen zu denken, ist daher aus verkehrsplanerischer Sicht weder erforderlich noch zielführend.


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Jetzt zu handeln, die Lärmbelastung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen und umgehend Maßnahmen gegen diese zu ergreifen, ist nun oberstes Gebot der Stunde.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­hen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, ein Bekenntnis zum Neubau einer Güterverkehrseisenbahnstrecke zwischen Klagenfurt und Villach, durch die Aufnahme in den nächsten Rahmenplan, zur entsprechenden Sicherung der Finan­zierung der weitergehenden Planungen im Korridor Wörthersee-Nord, abzugeben. Ergänzend sind sofortige umfassende Lärmschutzmaßnahmen auf Bestandsstrecken nach WHO-Standards umzusetzen, inklusive Planung und Umsetzung der Knoten und Umfahrung von Klagenfurt und Villach auf Basis der bereits vorliegenden Varianten-Untersuchungen.“

1 vgl. WHO Envoironmental Noise Guidelines 2018, Herausgeber: Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), Dez. 2020

2 https://infrastruktur.oebb.at/de/projekte-fuer-oesterreich/bahnstrecken/grossraum-wien/attraktivierung-verbindungsbahn/rund-um-die-planung/printproduktionen-attraktivierung-verbindungsbahn/dokument?datei=04d+VBB+Infomappe+-+Schall+Stand+Oktober+2020.pdf

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht.

Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig hat sich ein zweites Mal zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.48.52

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Abgeordnete! Zum Entschließungs­antrag von Abgeordnetem Hauser, sprich Luegbrücke an der Brennerstrecke, sei ge­sagt: Wir haben diesen Antrag im Verkehrsausschuss mit der Argumentation vertagt, dass bei diesem Projekt gerade die Beschwerde der Gemeinde Gries gegen den Fest­stellungsbescheid im UVP-Verfahren entsprechend abgewartet werden muss. Es läuft also ein Rechtsverfahren.

Auf der anderen Seite, glaube ich, gibt es einen guten und verstärkten Dialog mit Abge­ordnetem Hermann Gahr, der direkt mit den Gemeinden, mit dem Land Tirol und mit der Frau Bundesministerin in Kontakt steht, was ein zentrales Thema betrifft, nämlich die Umsetzung dieses Projektes, die Gewährleistung der Sicherheitsfrage und vor allem den Austausch der Expertisen, der unterschiedlichen Gutachten und das Thema Lärm­schutz. Vor allem für die BürgerInnen an der Brennerstrecke ist das Thema Lärmschutz ein wesentliches Thema.

Wir werden in diesem Sinne an dem Projekt weiterarbeiten. Dieser Entschließung, die uns heute vorliegt, können wir aufgrund des oben Gesagten die Zustimmung nicht erteilen,


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was aber nicht bedeutet, dass man an diesem Projekt nicht weiterarbeitet. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

18.50


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Verkehrsausschusses.

18.50.3113. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1451/A(E) der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend sichere Finanzierung des 1-2-3-Tickets (1096 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Melanie Erasim. – Bitte.


18.50.58

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minis­terin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Großartig, wenn eine – ich muss es so sagen – sozialdemokratische Idee umgesetzt wird oder zumindest ein Teil davon, denn von der ursprünglichen 1-2-3-Variante ist jetzt der große Dreierbereich am Start. Bei der Einser- und Zweiervariante gibt es noch einen Fleckerlteppich, der aber ein guter Beginn ist, um für die Zukunft eine gute Verkehrsversorgung zu ermöglichen.

Was ich allerdings nicht verstehe, Frau Ministerin, ist, dass es von Ihrer Seite eine Ableh­nung gibt – nämlich mit der Begründung, die Finanzierung sei ohnehin sichergestellt –, wenn wir als SPÖ einen Antrag betreffend sichere Finanzierung dieses Tickets ein­bringen. Meines Erachtens kann man dem zustimmen, denn eine Gefahr besteht sehr wohl, deshalb war dieser Antrag als Unterstützung für Sie und dieses Projekt zu sehen. Alle ehemaligen Koalitionspartner der ÖVP können bestätigen, dass die ÖVP – egal, ob türkis, ob schwarz – Leuchtturmprojekte des Regierungspartners nur so lange zulässt, solange sie selbst einen größeren Nutzen als der andere davon hat. Was das 1-2-3-Ticket nicht werden darf, ist eine Daumenschraube der ÖVP, die dann angesetzt wird, um Transparenz und volle Aufklärung der mutmaßlich korrupten Vorgänge innerhalb der Regierung zu vertuschen.

Das, was aber bitte raschest repariert werden soll und müsste, ist das Anrecht auf ein Pensionsticket für Frauen ab dem 60. Geburtstag, nämlich ab dem Eintritt in die Pension, und nicht erst fünf Jahre danach. Wir alle wissen: Altersarmut ist sehr oft weiblich. Da würde ich Sie ersuchen, dass man da noch Nachschärfungen vornimmt. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Abgeordnete, die aus einer Pendlergemeinde, aus einer Pendlerregion kommt, begrüße ich allerdings die finanziellen Erleichterungen für alle, die weite Strecken zurückzulegen haben, um zu ihrer Arbeit zu kommen, sehr. Doch eines möchte ich unbedingt anmerken: Wenn man mit denen spricht, die jetzt vom Ticket finanziell pro­fitieren, dann ist die Freude schon etwas getrübt, da einerseits befürchtet wird, dass spätestens bei der nächsten Reform des Pendlerpauschale dieses Ticket wieder im


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Endeffekt selbst zu bezahlen ist und andererseits auch die Qualität zu leiden haben könnte.

Die, die bereits jetzt mit großen Problemen zu kämpfen haben, sind die Städte und Gemeinden. So wie wir auch beim Klimaticket mit der Idee Vorreiterin waren, waren wir, als SPÖ, auch von Beginn der Coronakrise an Seite an Seite mit den Städten und Ge­meinden. Hilfspakete haben zwar kurzfristig Erleichterung geschaffen, wenn man aller­dings jetzt nicht handelt, stehen viele wichtige Projekte auf der Kippe, auch kommunale Projekte betreffend Personennah- und Regionalverkehr. Da kann bei fehlender Finanzie­rung passieren, dass vieles nicht umgesetzt werden kann.

Deshalb bringe ich diesbezüglich einen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „nach­haltigen Stärkung der Gemeindefinanzen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehebaldig ein Gesetzespaket zur nachhaltigen Stärkung der Gemeindefinanzen zuzuleiten. Darin sollten insbesondere folgende Punkte enthalten sein:

1. Ein ersatzloser Entfall der Rückzahlungsverpflichtungen aus dem 2. Gemeindepaket

2. Die Weiterführung des Kommunalinvestitionsprogramm (KIP) mit einem jährlichen Volumen von 1 Mrd. € bis 2024.“

*****

Bitte stimmen Sie diesem wichtigen Antrag zu, um die Städte und Gemeinden nicht im Stich zu lassen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.55

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Melanie Erasim, MSc, Andreas Kollross, Kai Jan Krainer

Genossinnen und Genossen

betreffend nachhaltigen Stärkung der Gemeindefinanzen

eingebracht im Zuge der Debatte über Tagesordnungspunkt Bericht des Verkehrs­aus­schusses über den Antrag 1451/A(E) der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kollegin­nen und Kollegen betreffend sichere Finanzierung des 1-2-3-Tickets (1096 d.B.) (TOP 13)

Die Corona-Krise hat nicht nur große Löcher in den Budgets des Bundes hinterlassen, auch und besonders die Gemeinden wurden hart getroffen. Anders als der Bund, haben die Gemeinden keine einfachen Möglichkeiten sich die notwendige Liquidität über die ÖBFA zu holen. Gleichzeitig zählen die Gemeinden zu den größten Investoren in Österreich. Bleiben Gemeindeinvestitionen aus hat das verheerende Auswirkungen auch die österreichische Wirtschaft und damit auf Beschäftigung und Wohlstand in ganz Österreich.

SPÖ von Beginn der Corona Krise an, Seite an Seite mit den Gemeinden


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Schon zu Beginn der Corona-Krise war die SPÖ die erste Partei, die auf Bundesebene auf die schwierige und gefährliche finanzielle Situation der Kommunen hingewiesen hat. Die Gemeinden sind die wichtigste und tragende Säule der Daseinsvorsorge von den Kindergärten und Schulen über die Wasserversorgung bis zur Müllabfuhr. Wenn die Gemeinden ihre Investitionen nicht tätigen können, hat das nicht nur Auswirkung auf die lokale Wirtschaft und Beschäftigung, sondern die Bürgerinnen und Bürger wären ganz unmittelbar negativ betroffen. Bilder wie in Süditalien – wo sich riesige Müllberge in den Straßen türmen, weil der Müll nicht rechtzeitig abgeholt werden kann – sind in Österreich glücklicherweise undenkbar, wenn auch nicht per se selbstverständlich.

Die SPÖ hat deshalb schon am Beginn der Corona-Krise zahlreiche Anträge zur finanzielle Rettung und Stärkung der Gemeinden eingebracht. Zu Beginn wurden diese von den Regierungsparteien entweder vertagt oder abgelehnt. Erst nach längerem Druck wurde den Forderungen nachgegeben und Hilfspakete für die Gemeinden auf den Weg gebracht. Diese Hilfspakete haben zwar kurzfristig Erleichterung geschaffen, mittel- bis langfristig sind die oben beschriebenen Gefahren keineswegs gebannt. In ganz Österreich stehen wichtige Gemeindeprojekte – wie Kindergarten und Schulsanierungen – an der Kippe. Das KDZ hat errechnet, dass durch die verpflichtende Rückzahlung der Hilfen aus dem 2. Gemeindepaket an den Bund ab 2024 eine signifikante Ver­schlech­terung der finanziellen Situation der Gemeinden eintreten würde. Die Folgen davon wären klar: Verschiebung wichtiger Investitionen wie Bau bzw. Sanierung von Kinder­gärten und Schulen und/oder Gebührenerhöhung für die BürgerInnen mangels alternati­ver Finanzierungsmöglichkeiten der Gemeinden. Auch kommunale Projekte des Per­sonennah- und Regionalverkehrs können nicht ausreichend finanziert werden.

Die gefährliche Situation hat das KDZ in folgender Grafik gut veranschaulicht.

Quelle: KDZ

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 187

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehebaldig ein Gesetzespaket zur nachhaltigen Stärkung der Gemeindefinanzen zuzuleiten. Darin sollten insbesondere folgende Punkte enthalten sein:

1.          Ein ersatzloser Entfall der Rückzahlungsverpflichtungen aus dem 2. Gemeinde­paket

2.          Die Weiterführung des Kommunalinvestitionsprogramm (KIP) mit einem jährlichen Volumen von 1 Mrd. € bis 2024.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


18.55.51

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Abgeordnete! Wer hätte sich ge­dacht, dass sich neun Bundesländer, Verkehrsverbünde, Verkehrsbetriebe auf eine österreichweite Jahresnetzkarte im öffentlichen Verkehr einigen und sozusagen eine längerfristige Beziehung eingehen? Wer hätte sich das vor Jahren gedacht?

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie schwierig es war, als wir 2013 in Tirol über das Tirolticket verhandelten, das 2017 umgesetzt wurde, alle Differenzen in einem Bundesland auszuräumen und zu einer längerfristigen Beziehung zu kommen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir formulierten damals aus Bundesländersicht einen Wunsch, eine Vision an den Bund und hatten viel Hoffnung betreffend Bund, nämlich eine bundesweite Jahresnetzkarte umzusetzen. Diese Hoffnungen der PendlerInnen sind mit dem Klimaticket in einer Koalition, wo das geht, wo das funktioniert, erfüllt worden. Wie viele Ministerinnen, Minister haben das schon in der Vergangenheit probiert? – Ich habe ein bisschen nach­geschaut: Bereits 1986 war das schon einmal in Diskussion, damals unter Bundes­minister Rudolf Streicher, 17 Ministerinnen und Minister waren seither im Amt, vier ehe­malige MinisterInnen, MinisterInnen a. D. sitzen sogar hier im Parlament: Abgeordneter Stöger, Klubobmann Leichtfried, Präsidentin Bures und Präsident Hofer. Eines ist ganz klar: Sie können ein Lied über diese Verhandlungen und über die Schwierigkeiten singen.

Bundesministerin Leonore Gewessler hat es mit ihrem Team, dem Koalitionspartner, einer Mehrheit hier im Haus – mit NEOS und SPÖ – einfach umgesetzt. Das sind die Fakten, das ist entscheidend. Es gibt eine Jahresnetzkarte und einen Preis (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP), ein Klimaticket für leistbare Mobilität, ein Preis für alles, ein Preis für alle, eines für alle und alle für ein Ticket. Davon profitieren am Ende des Tages die PendlerInnen: eine Karte für mehr Klimaglück – Klimaglück, das wir alle in Zukunft brauchen werden. Gratulation an alle, die daran gearbeitet haben!

Die PendlerInnen haben gewonnen, ich habe es bereits gesagt: Über 35 000 Tickets – ich glaube, mit heutigem Stand sind es sogar ein paar Tausend mehr – sind bereits verkauft. Das Klimaticket ist eine Erfolgsgeschichte, es wird eine Erfolgsgeschichte, werte Abgeordnete, das ist eine Revolution. Wir wissen aber auch, dass das eine der Preis und das andere der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist, der eine besondere Wichtigkeit hat, wie zum Beispiel die Revitalisierung der Bahnstrecken. Da hebe ich die Revitalisierung der Murtalbahn in der Steiermark hervor, die Beschleunigung und den


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Ausbau der Franz-Josefs-Bahn (Abg. Stögmüller: Mattigtalbahn!), die Modernisierung der Zillertalbahn, der Mattigtalbahn, der Gleichenberger Bahn – also man könnte über die Redezeit hinaus, glaube ich, jene Bahnen auflisten, bei denen Handlungsbedarf gegeben ist. Wir greifen da jetzt zu und investieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In den ländlichen Regionen sind es die Busverkehre, die wir vor allem zu den Tages­randzeiten brauchen. Das alles sind Projekte, bei denen wir gemeinsam arbeiten, für den Einstieg gibt es das Klimaticket. Die Lizenz zum Klimaschutz haben wir selbst in der Hand, werte Abgeordnete, das ist das Wichtigste. (Präsident Hofer übernimmt den Vor­sitz.)

Da braucht es weiterhin viel Kraft, das auch für Bus und Bahn umzusetzen. Steigen wir um! Time for Change! Wir sind alle dabei, und ich lade alle dazu ein, auch umzusteigen und selbst das Klimaticket zu nutzen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Dipl.-Ing. Gerhard Deimek. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.00.25

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Die Vorteile des Klimatickets haben wir jetzt lang und breit gehört. (In Richtung Abg. Weratschnig:) Da stimme ich dir über weite Strecken zu. Wir wollten aber heute über die Finanzierung des Tickets reden, das ist ganz klar. (Abg. Weratschnig: Sicher! Sicher!)

Wenn wir wissen, wie sich die Bahn finanziert, wie sich die ÖBB finanzieren: Da haben wir – Frau Bundesministerin, Sie kennen es – die fünfjährigen Pläne, die Vorbelas­tun­gen, die ganz klar in den Jahresscheiben definiert sind. Wir haben dazu die Finanzierung aus dem Budget. Jetzt haben wir rund um das Klimaticket noch etliche 15a-Verein­barungen. Die weichen sowieso das, was wir kontinuierlich haben – nämlich den Finanz­ausgleich –, ein bisschen auf. Man müsste eigentlich wieder Struktur reinbringen, dass man sagt: Was ist klar die Finanzierung der ÖBB? Das ist nicht irgendeine Firma, das ist die Firma, die zu 100 Prozent im Eigentum des Staates ist.

Wir schließen aus dem, was wir bisher über das Budget wissen und was wir bisher von den Zahlen gesehen haben, dass da ein Teil übrig bleibt. Wenn man dann sagt: Na ja, da werdet ihr euch jetzt auf dem freien Markt finanzieren müssen!, dann finden wir das nicht so ideal, weil das der erste Zwang ist und man sagt: Liebe ÖBB, jetzt kommt es euch eigentlich teurer, als ihr das Ganze durchkalkuliert habt!

Auf der anderen Seite haben wir, wie wir im Antrag der SPÖ gesehen haben, die Ge­meinden, die auch noch immer ein bisschen unter all den Situationen leiden. Ganz sauber ist es also nicht. Wir würden uns vorstellen, wenn man da die Struktur bereinigt, wenn man die Vorbelastungen hat, wenn man die Mittel aus dem Budget hat und wenn die ÖBB da noch etwas brauchen, um sich gut aufzustellen, dann müsste man das da machen und nicht sagen: Liebe ÖBB, geht raus! – Wir machen das ja bei der Asfinag oder bei anderen Unternehmen auch nicht.

Dass das Klimaticket als solches sicher einmal jetzt einen großen Boom in der ersten Phase erleben wird, das glaube ich ungschaut, weil natürlich viele, die jetzt eine Öster­reichcard haben, auf das neue Ticket umsteigen werden: sicher einmal jene, die das Ticket für die zweite Klasse haben. Die von der ersten werden es sich durchkalkulieren, wie das mit der Businessclass, mit den diversen anderen Zusätzen ausschaut. Ob es in Summe billiger ist, wird man dann sehen, aber grundsätzlich bleibt von der Finanzierung für uns noch ein Stück übrig, und das gehört geklärt. Sie werden es nicht von heute auf


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morgen klären, da wir in den kommenden paar Wochen das Budget behandeln, aber grundsätzlich sollte es in der kommenden Zeit auf sichere Beine gestellt werden, weil sich die ÖBB das eigentlich verdient hätten. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

19.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Andreas Ottenschläger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.03.28

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Werte Zuse­herinnen und Zuseher! Vielleicht darf ich Sie zu Beginn auf eine ganz, ganz kurze Reise mitnehmen. Stellen Sie sich eine selbstständige Unternehmerin aus Salzburg, zum Beispiel aus Hallein vor, die dort ihren Betrieb hat, aber die Kundinnen und Kunden, die sie immer wieder aufsuchen möchte und betreuen möchte, in ganz Österreich verstreut sind: Zum Beispiel, wenn sie nach Wien kommt oder wenn sie nach Innsbruck will, kann sie das Ganze – übrigens nicht nur preislich attraktiv, sondern auch völlig unbüro­kra­tisch – in Zukunft mit dem Klimaticket, nämlich die gesamten öffentlichen Verkehrsmittel in Wien, in Innsbruck und natürlich auch dort, wo sie sonst unterwegs ist, nutzen.

Allein dieser Gedanke, glaube ich, ist schon einmal ein sehr guter und wird viele zum Nachdenken darüber bringen, ob sie dieses Angebot nicht nutzen wollen, da sie dieses Angebot in Zukunft – es gibt jetzt ein noch attraktiveres Angebot mit unter 1 000 Euro, in Zukunft sind es dann 1 095 Euro – das ganze Jahr wahrnehmen und in Österreich unterwegs sein können, um zum Beispiel wie diese Unternehmerin ihre Kundinnen und Kunden zu betreuen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist tatsächlich ein großer Wurf. Ich finde es auch gut, dass wir heute noch einmal darüber diskutieren und auch ein bisschen Wer­bung machen können, sodass der Start jetzt ein gelungener sein wird.

Ich darf aber auch noch einmal die Gelegenheit wahrnehmen, einerseits Ihnen, Frau Bundesministerin, vor allem aber auch Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auch den Bundesländern und den Verkehrsverbünden ein Dankeschön auszudrücken. Es ist schon erwähnt worden: Es war ja, wie Kollege Margreiter, glaube ich, bei der letzten Debatte gesagt hat, ein Kraftakt. Das stimmt auch, aber jetzt ist es gelungen und ich denke, alle Partner in diesem Bereich sind jetzt auch zufrieden.

Wir übernehmen damit auch eine Vorreiterrolle in der Europäischen Union. Wir attrak­tivieren mit diesen Investitionen den öffentlichen Verkehr. Ich denke, die nächste Auf­gabe, die wir da zu erledigen haben, ist, das Angebot zu erweitern, zu verbessern, damit wir auch vor allem in die Regionen kommen, wo wir derzeit im öffentlichen Verkehr noch nicht so ein gutes Angebot haben, damit auch dort dieses Klimaticket entsprechend angenommen werden kann und – wenn wir da ein gutes Angebot schaffen – eben der Umstieg, beispielsweise auch für Pendler, besser gelingen kann. Das wird unsere Auf­gabe sein.

Dazu werden Rekordsummen investiert, sie sind für die nächsten Jahre bereitgestellt. Wir haben ja heute auch schon über das Budget debattiert: Über 17 Milliarden Euro fließen die kommenden Jahre in den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur. Ich denke also, wir sind da gemeinsam, auch in dieser Koalition, auf einem sehr guten Weg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr. Johannes Margreiter. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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19.06.39

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Vieles ist schon gesagt worden. Da Kollege Weratschnig erklärt hat: Die Frau Bundesministerin hat es „einfach umgesetzt“!, muss ich doch einen Einwand erheben: Einfach war es sicher nicht. (Heiter­keit bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Es war also sicherlich ein – Kollege Ottenschläger hat es mir ja schon in den Mund gelegt – massiver Kraftakt. Wir haben also Anlass dazu, dass wir mit sehr positiven Erwartungen jetzt darauf schauen, wie dieses Klimaticket angenommen wird. Es hat ja im Lauf vom Regierungsprogramm bis jetzt, zur tatsächlichen Umsetzung, rein von der Bezeichnung her eine kleine Änderung gegeben. Vom 1-2-3-Ticket ausgehend sind wir jetzt beim Klimaticket angelangt.

Das ist also durchaus ein Versprechen, wobei ich aber an dieser Stelle, Frau Bundes­ministerin, schon darauf bestehen will, dass wir das dann auch wirklich evaluieren, weil wir sehr, sehr viel Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in die Hand nehmen. Da möchte ich mich auch neuerlich bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bedan­ken, die sich das ja selber finanzieren. Denen sind wir es schuldig, dass wir auch wirklich dann nach einer Beobachtungszeit von einem Jahr, zwei Jahren genau überprüfen: Welchen Klimaeffekt haben wir erzielt?

Da sehe ich in der Praxis gewisse Probleme kommen, weil natürlich durch diese Flatrate die Fahrgastfrequenzen nicht mehr ganz klar feststellbar sein werden. Davon wird es ja abhängig sein, um beurteilen zu können, ob es wirklich gelungen ist, Menschen zum Umstieg vom fossil angetriebenen Pkw jetzt hauptsächlich – da und dort wird es natürlich auch ein Bus sein, bei dem aber ja vom Grundsatz her doch auch weniger Emissionen zu erwarten sind – auf die elektrische Eisenbahn zu bewegen. Diese Evaluierung wird also sehr wichtig sein, darum würde ich sehr ersuchen.

Natürlich werden wir aber heute auch mit entsprechender Freude diesem Finanzierungs­antrag zustimmen, damit die Finanzierung gesichert ist. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

19.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Leonore Gewessler. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.


19.09.06

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeord­nete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Seit 15 Jahren steht dieses Projekt in Regie­rungs­programmen, und jetzt ist es da: das Klimaticket – große Freude! (Beifall bei den Grünen.)

Ich stehe nicht an, zu sagen: Es brauchte viel Herzblut, viel Arbeit, viele, viele Arbeits­stunden eines wirklich ganz, ganz großartigen Teams im Ministerium und auch darüber hinaus – aber dazu komme ich später noch. Jede einzelne Stunde war es für dieses wirklich großartige Projekt wert: ein Ticket für alle Öffis im ganzen Land – für jeden Bus, für jede Bahn, für jede Bim, für jede U-Bahn.

Kollege Ottenschläger hat es vorhin schon am Beispiel einer selbstständigen Unter­nehmerin beschrieben. Doch jeder und jede von Ihnen weiß, wie einfach, bequem und simpel das Nutzen der Öffis damit wird. Wenn man vom Parlament 3 Minuten zur U-Bahn geht, in die U-Bahn einsteigt und zum Bahnhof fährt, gelangt man mit dem Zug nach Graz zum nächsten Termin, kann dort mit der Straßenbahn weiterfahren und muss


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kein einziges Mal überlegen: Wie komme ich zu einer Karte? Wo steht der Automat? Habe ich Kleingeld? Muss ich sonst noch etwas tun?

Man kann auch am Wochenende einen Ausflug mit der Familie machen, ohne zu über­legen: Geht sich das aus?, oder sich Gedanken zu machen: Wie komme ich zu meinem Ticket? – So einfach, so günstig, so bequem wie nie zuvor, und das ab 26. Oktober 2021! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist ein Ticket, auf das sehr viele Menschen in unserem Land schon warten, das die Menschen auch wirklich wollen und gut annehmen.

Kollege Weratschnig hat vorhin die Verkaufszahlen erwähnt. Wir sind derzeit bei 40 000 verkauften Tickets (Beifall bei den Grünen), wir sehen also nach eineinhalb Wochen, dass die Menschen das wollen, weil es eine günstige Alternative ist, weil es eine beque­me Alternative ist – und weil es gut für den Klimaschutz ist. Öffifahren bedeutet schließ­lich mehr Lebensqualität. Wir haben es auch in der vorherigen Debatte besprochen: Es hält unsere Luft sauber, es befreit Anrainerinnen und Anrainer von den Staulawinen – und es schützt das Klima. Seit 1. Oktober läuft der Vorverkauf, und zwar für ganz Österreich. Alle Bundesländer sind von Anfang an mit an Bord, eine ganz besonders große Freude.

Ich nütze meine Redezeit für eine kleine Werbeeinschaltung für unsere Zuseherinnen und Zuseher: Man kann das Ticket bereits bei allen Schaltern der ÖBB und der Westbahn, bei den ersten Schaltern der Verbünde und auf www.klimaticket.at ganz einfach beziehen; und ab 26. Oktober kann man dann im ganzen Land damit unterwegs sein. Das reguläre Ticket kostet 1 095 Euro – für alle, die sofort mit dabei sind, 949 Euro – und die Tickets für SeniorInnen, für Menschen mit eingeschränkter Mobilität und alle unter 26 Jahren, die ohnehin einen Nachlass bekommen hätten, werden zu Beginn nur 699 Euro kosten.

Abgeordnete Erasim hat eine Anmerkung zur Frage der Tickets für Seniorinnen und Senioren gemacht. Darauf möchte ich gleich im Zuge meines Redebeitrags antworten: Bis 2010 hatten wir teilweise unterschiedliche Altersgrenzen für die SeniorInnen-Ermäßi­gung, und zwar mit einem unterschiedlichen Alter für Männer und Frauen. Diese Differenzierung aufgrund des Geschlechts wurde als verfassungswidrig aufgehoben und ist daher nicht verfassungskonform. Deswegen haben sich 2010 die Verkehrsverbünde, die Länder, die ÖBB und der Bund in Folge dieses Spruchs zusammengesetzt und eine schrittweise Angleichung durch die Heranführung auf die Altersgrenze von 65 Jahren vereinbart. Das war ein Prozess, der über zehn Jahre dauern sollte und der 2022, eben mit dieser Angleichung auf die Altersgrenze von 65 Jahren, abgeschlossen sein wird. – So viel zum Hintergrund dieser Regelung, wie sie nun getroffen wurde. Mit den 699 Euro, glaube ich, können wir aber allen unter 26-Jährigen, allen über 65-Jährigen und allen mit eingeschränkter Mobilität in unserem Land ein wirklich unglaublich günstiges Angebot machen. (Zwischenruf der Abg. Erasim.)

Ich möchte meine Rede noch mit einem Danke beenden. Ich könnte heute nicht hier stehen und mich freuen, ich könnte keinen Erfolg feiern, hätten nicht ganz viele Men­schen bei diesem Projekt an einem Strang gezogen. Darum möchte ich die Gelegenheit auch nutzen, um mich bei allen zu bedanken, die im Verkehrsbereich politisch aktiv sind. Das sind die Landesverkehrsreferenten und -referentinnen und auch die Abgeordneten im Verkehrsausschuss, die das Projekt hier im Plenum besonders verfolgt haben. Ich bedanke mich bei ihnen allen, denn es ist völlig klar, dass es viel Vorarbeit gebraucht hat, damit das Klimaticket mittlerweile Realität ist.

Wir haben uns mit jedem Bundesland an den Tisch gesetzt, wir haben uns in die Tiefen der komplexen Tarifstrukturen, darf ich sagen, der Bundesländer vorgewagt, wir haben große und kleine Fragen diskutiert, wir haben mit jedem einzelnen Bundesland die


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unterschiedlichen Voraussetzungen beleuchtet, gemeinsam an vielen Schrauben ge­dreht und jeweils die beste Lösung für das jeweilige Bundesland gefunden. Wir haben aber auch hier im Haus – deswegen geht das Danke wirklich auch an Sie alle! – die gesetzliche Grundlage für das Klimaticket geschaffen. Wir haben das Budget dafür gesichert – und ja, es ist über die vertraglichen Lösungen für die Verbünde nachhaltig gesichert. Wir haben uns mit den unterschiedlichen Verbünden die passenden Abgel­tungsmodelle ausgemacht und wir haben Schritt für Schritt Lösungen gefunden – deswegen ein großes Danke an alle, die konstruktiv auf diesem Weg mit dabei waren und ihn unterstützt haben, und ein großes Danke auch an Sie alle hier im Hohen Haus, die das Projekt begleitet haben! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir werden im Zuge der Budgetdebatten sicher noch intensiv mit dem Fokus auf die Zukunft über das Thema öffentlicher Verkehr diskutieren, aber ich möchte zum Schluss noch einen kurzen Blick auf das letzte Jahr werfen: Ich glaube, das Klimaticket ist eines in einer Reihe von Projekten im letzten Jahr, auf die wir trotz der Covid-Pandemie und trotz der Herausforderungen, die sie für uns alle bedeutet hat, als Bund gemeinsam mit den Bundesländern wirklich stolz sein können – auf ein absolutes Erfolgsjahr im öffent­lichen Verkehr!

Wir haben zahlreiche Öffiprojekte, die jahrzehntelang diskutiert wurden, tatsächlich in die Umsetzung gebracht, also nicht nur in Überschriften darüber geredet, sondern konkrete Verträge unterzeichnet und Projekte auf den Weg gebracht: Linz, Salzburg, heute Innsbruck. Wir haben mit dem Klimaticketgesetz gemeinsam die stabilen Rahmen­bedingungen für das Klimaticket geschaffen. Wir haben für die regionalen Klimatickets ein nachhaltiges Budget verabschieden können, wir haben nachhaltige Rekordbudgets für den öffentlichen Verkehr gesichert – und auch das werden wir in der Budgetdebatte diskutieren. Langfristig reden wir da über 5 Milliarden Euro pro Jahr, die in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs fließen.

Wir haben mit dem Mobilitätsmasterplan strategische Leitlinien erstellt, wir haben also mit Hochdruck an allen drei Säulen gearbeitet, die der öffentliche Verkehr der Zukunft braucht: an einer modernen Infrastruktur, an einem guten Angebot und an einfachen und leistbaren Tarifen mit dem Klimaticket. Ich glaube, da sind viele gute Entscheidungen und Projekte in diesem Jahr vorangegangen. Gemeinsam werden wir noch viele weitere gute Projekte auf den Weg bringen – und dafür ein herzliches Danke für Ihre Unter­stützung! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Abgeordneter Lukas Hammer zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.18.00

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Sehr geehrte Frau Ministerin! (Abg. Rauch: Wen würde der Anstand wählen? Die Grünen sicher nicht!) Ja, aus meiner Sicht haben Sie Geschichte geschrieben, Sie und Ihr Team haben wirklich verkehrspolitische Geschichte geschrieben, indem Sie dieses Projekt, an dem man sich so lange versucht hat – über 15 Jahre, teilweise gehen die Ideen schon länger zurück –, nun umsetzen. Ich glaube, wir wissen und Sie wissen nun wahrscheinlich im Rückblick, warum das öfters gescheitert ist: weil es wirklich eine Mammutaufgabe war, die Sie, Ihr Team und alle, die daran beteiligt waren, zu bewältigen hatten. Es gab zig Verhandlungsrunden mit allen neun Bundesländern, aber nun ist es geschafft – und noch einmal: wirklich ganz herzliche Gratulation an Sie und Ihr Team! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Im Klimaschutz geht es weniger darum, dass man den Leuten mit dem Zeigfinger irgendwie zeigt, was sie müssen und was sie sollen, sondern dass man klimafreund­liches Verhalten einfacher und billiger macht. Ich glaube, das Klimaticket ist gerade eines der besten Projekte in diesem Bereich, weil wir einfach zeigen können: Ja, die Men­schen, die die öffentlichen Verkehrsmittel benützen, ersparen sich bares Geld. Ich glau­be, vielen Menschen ist überhaupt nicht bewusst, wie viel Pendlerinnen und Pendler zahlen.

Das Klimaticket wird nun auch immer wieder mit der Österreichcard der ÖBB verglichen, die selbst 1 944 Euro kostet, aber dieser Vergleich ist eigentlich nicht richtig. Man muss sich anschauen, was Pendlerinnen und Pendler tatsächlich bisher bezahlt haben. Ich habe mir das rausgesucht: Eine Pendlerin, die von Stegersbach nach Wien pendelt, zahlt im Jahr 2 232 Euro – nur für diese Strecke und die Kernzone Wien; das heißt, sie kann nicht im Sommer mit der Bahn auf Urlaub fahren und dann die Öffis benutzen. Nur für diese Strecke erspart sie sich mit dem Klimaticket 1 283 Euro, das ist sensationell. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch in Tulln, das ja relativ nahe bei Wien ist, spart man sich für diese Pendlerstrecke 400 Euro. Ich glaube, daran sieht man, dass sich die Menschen, die jetzt schon mit den Öffis pendeln, die jetzt schon die öffentlichen Verkehrsmittel benützen, sehr viel erspa­ren. Das ist wichtig, und ich glaube, es ist auch ein ganz konkretes Angebot für viele Menschen, umzusteigen – weil es komfortabler ist, weil man einfach dieses schöne Ticket schon hat. Man kann einfach einsteigen. Man muss es nicht extra kaufen, man muss sich nicht anstellen. Man steigt einfach ein und es ist günstiger.

Ich glaube, das ist wirklich eines der schönsten Projekte, das wir in dieser Legislatur­periode bis jetzt umsetzen konnten. Noch einmal herzliche Gratulation und vielen Dank! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Lukas Brandweiner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.21.03

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor dem Bildschirmen! 1-2-3 steht in meinem Heimatbundesland Niederösterreich für einen konkreten blau-gelben Mobilitätsplan im öffentlichen Verkehr: erstens für billiger, zweitens für bequemer und drittens für besser.

Dass es billiger ist, haben wir mit dem Klimaticket nun erreicht. Dabei möchte ich daran erinnern, dass es hier vor einigen Wochen noch massive Kritik gegeben hat, weil es in der Ostregion noch keine Lösung gegeben hat. Ich habe damals hier im Hohen Haus betont, dass wir eine regionale Lösung für über 500 000 Pendler und Pendlerinnen in Niederösterreich brauchen, die innerhalb des Bundeslandes pendeln, aber auch für über 200 000 Menschen, die nach Wien und wieder retour pendeln. Mit dem Regionsticket und dem Metropolregionsticket ist uns das nun gelungen.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei unserem Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko und unserer Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sehr herzlich für die konsequente und umsichtige Verhandlung bedanken. Es ist ein großartiges Ergebnis geworden, ein Ergebnis, dass den Menschen eine spürbare Entlastung bringt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Lassen Sie mich auch ein paar Beispiele aufzählen! Ein Freund von mir pendelt täglich mit dem Wieselbus von Zwettl nach Krems. Mit dem Regionsticket um 550 Euro spart er nun 878 Euro im Jahr. Viele Pendlerinnen und Pendler, die auf der Franz-Josefs-Bahn täglich nach Wien pendeln, können nun mit dem Metropolregionsticket um 915 Euro alle


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öffentlichen Verkehrsmittel in der Ostregion das ganze Jahr nutzen. Das bringt beispiels­weise einem Pendler aus Gmünd über 1 400 Euro im Jahr.

Es gibt aber auch Ermäßigungen, nämlich – die Frau Ministerin hat es schon ange­sprochen – für Senioren, für Menschen mit Behinderung, aber vor allem auch für junge Menschen. Das freut mich ganz besonders, denn seit ich politisch aktiv bin, setze ich mich für leistbare Tickets für junge Menschen ein. Und wenn ich mir anschaue, dass man für 821 Euro im Jahr durch ganz Österreich fahren kann, als Student zum Studieren, um Freunde zu besuchen oder um in den Urlaub zu fahren, dann finde ich das wirklich großartig.

Wer aber nur an der Preisschraube dreht, der hat vergessen, worum es wirklich geht: Wir müssen auch bequemere und bessere Angebote schaffen. Nur so können wir die Menschen für den öffentlichen Verkehr begeistern, und daran müssen wir weiter gemein­sam arbeiten.

Abschließend möchte ich als Waldviertler darauf hinweisen, und das ist mir besonders wichtig, dass wir natürlich auch den Straßenverkehr brauchen. Auch die Busse fahren auf den Straßen, genauso wie die Autos mit alternativen Antrieben. Ich glaube, das dürfen wir auf keinen Fall vergessen. Auch da haben wir mit dem Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko einen verlässlichen Partner. In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere gemeinsame Zusammenarbeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Joachim Schnabel. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.24.56

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zum Klimaticket wurde heute schon viel gesagt. Aus Sicht der ÖVP erreichen wir damit auch mehr oder weniger ein Ziel, das wir schon 2006 postuliert haben, nämlich durch einen Kraftakt von Ihnen, Frau Ministerin, aber auch durch die Bereitstellung der finanziellen Mittel, die im Bundesbudget, wie Finanzminister Blümel dargelegt hat, festgeschrieben sind. 430,3 Millionen Euro sind bis 2025 niedergeschrieben. Das ist eigentlich auch die Antwort auf den Antrag der SPÖ: Die Finanzierung ist nachhaltig gesichert.

Das Ticket hat mehrere Facetten. In der Steiermark werden wir jetzt auch ein regionales Klimaticket, nämlich das Klimaticket Steiermark haben, um 49 Euro im Monat. Das bedeutet zum Beispiel für Pendlerinnen und Pendler in meiner Region, dass man, wenn man aus der Bezirkshauptstadt Leibnitz nach Graz pendelt, 506 Euro spart. Pendelt man von der Bezirkshauptstadt Deutschlandsberg nach Graz, spart man jetzt 701 Euro, und wenn man aus dem etwas entfernteren Eibiswald nach Graz pendelt, spart man ganze 1 170 Euro pro Jahr.

Wenn man das jetzt noch kombiniert mit dem Klimabonus, Klimaschutz mit Hausver­stand, kommen noch einmal 200 Euro dazu; und das sind schon Beträge, bei denen wir von einem Anreizsystem zum Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr sprechen können. Das ist hiermit wirklich gut gelungen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Mit dem Klimaticket gehen aber auch viele infrastrukturelle Maßnahmen von uns in der Region einher: einerseits mit 109 Millionen Euro die Attraktivierung der Radkersburger Bahn, der Ausbau des Bahnhofes Spielfeld-Straß, aber auch die Elektrifizierung der GKB-Bahn. Ein Schienennetz von 130 Kilometer wird da elektrifiziert. Bis 2030 können wir somit 480 000 Tonnen CO2 einsparen und reduzieren.


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Aber auch was die Finanzierung betrifft, habe ich – und das habe ich schon einmal gesagt, Frau Ministerin – im Zusammenhang mit der GKB eine große Bitte: Die ist für den öffentlichen Verkehr bei uns in der Region ein wichtiger Faktor, und zwar nicht nur für den schienengebundenen Verkehr, sondern auch für den Busverkehr und für den Mikro-ÖV, für den Lückenschluss, für die letzte Meile.

Die GKB hat bei uns – und deswegen ist das für uns ein allumfassender Verkehrs­dienst­leister im öffentlichen Verkehr – die Ausschreibung für den Mikro-ÖV-Verkehr gewonnen und bietet auch mit Elektrotaxis uns Wasserstofftaxis diese letzte Meile klimaschonend an. Deswegen können wir umfassend sagen, dass wir hier ein wirklich tolles klima­schonendes Verkehrsangebot in der Region haben.

Dazu hätte ich eine Bitte: Auch dieses Mikro-ÖV-System gehört langfristig für die Pendle­rinnen und Pendler in so ein Klimaticketsystem eingebunden, damit es auch finanziell attraktiv ist.

Die Gemeinden finanzieren dieses Mikro-ÖV-System mit, und damit komme ich zum Antrag, den Frau Kollegin Erasim von der SPÖ eingebracht hat: Bei manchen Dingen dauert es eben länger, bis man draufkommt, dass sie gut sind. Monatelang oder über ein Jahr lang wurde uns gesagt, das kommunale Investitionsprogramm ist nicht gut, das kommt bei den Gemeinden nicht an. Jetzt haben wir einen Entschließungsantrag, in dem genau ein KIP gefordert wird. (Zwischenruf der Abg. Erasim.)

Es ist also auch bei den SPÖ-Gemeinden angekommen, dass das eine gute Geschichte war und toll funktioniert hat. Wir haben das bis ins nächste Jahr hinein verlängert, damit die Investitionen auch aus diesem Paket heraus finanziert werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kollross.)

Der zweite Aspekt betrifft diese Zusatzmittel. Da gilt es, aus Sicht der Gemeinden Danke an unsere Bundesregierung, an unseren Klubobmann Sebastian Kurz zu sagen, die uns in Summe mittels der vielen Maßnahmen durch die Krise geführt haben.

Der Wirtschaftsaufschwung ist da und er hat auch Auswirkungen auf die Gemeinden, nämlich in Form von Ertragsanteilen. Wenn wir heuer 11,4 Milliarden Euro zu verbuchen haben werden, dann steigen diese Beträge kontinuierlich, und wenn wir das Jahr 2023 aus der Entwicklung der Ertragsanteile des Bundesfinanzministeriums anschauen, dann haben wir dort schon eine Steigerung von 1,3 Milliarden Euro für die Gemeinden zu erwarten, und dann bis in die Jahre 2024, 2026 schon ein Plus von 2,6 Milliarden Euro.

Deswegen kann man getrost sagen, der Antrag ist gut, denn Sie erkennen, dass wir schon vor einem Jahr richtig lagen, aber er ist hinfällig, weil sich durch die positive wirt­schaftliche Entwicklung sowieso vieles gut erledigt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Franz Leonhard Eßl. – Bitte schön, Herr Kollege.


19.30.03

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Fürs Erste freut es mich, dass sich der Koalitionspartner bei diesem Punkt dazu bekannt hat, dass mit einem Anreizsystem sehr gute Politik zu machen ist. Ich wünsche mir das auch in anderen Bereichen, die wir derzeit verhandeln. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.) Großes Lob für dieses Anerkenntnis! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Zweiten gibt mir dieser Punkt die Möglichkeit, mich ein bisschen mit der SPÖ aus­einanderzusetzen (Zwischenruf der Abg. Erasim), da der Antrag, der verlangt, „die


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notwendigen finanziellen Maßnahmen vorzubereiten, um ein österreichweites Klima­ticket für sämtliche öffentliche Verkehrsmittel beginnend mit dem Budgetjahr 2021 umzuset­zen“, vom Kollegen Stöger eingebracht worden ist.

Bemerkenswert dabei ist nämlich, dass Kollege Stöger mehrere Jahre als Minister tätig war, mehr als ein Jahr sogar als Verkehrsminister tätig war, und das offensichtlich nicht geschafft hat. Diese Regierung schafft es, und das ist der Unterschied. Die SPÖ kritisiert und wir setzen um. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Am 25. Mai 2021 haben wir die gesetzlichen Grundlagen geschaffen. Die Frau Bundes­ministerin hat in schwierigen Verhandlungen mit den Ländern ein praxistaugliches Paket, eine praxistaugliche Lösung geschaffen – herzliche Gratulation! –, und nun haben wir das Klimaticket. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In diesem Fall können wir durchaus auch mit der Zustimmung der Freiheitlichen Partei rechnen, denn Abgeordneter Rauch hat seinerzeit am 25.3. gesagt: „Es sind die Taten, die zählen, nicht die Ankündigungen!“ – Jetzt sind die Taten da, ich bitte um die Zustim­mung. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Rauch.)

Das Klimaticket ist da und mit dem vorliegenden Budget ist auch die nachhaltige Finan­zierung gesichert. Das passt genau in die Zielsetzung der ökosozialen Marktwirtschaft (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rauch), die von Joschi Riegler entwickelt worden ist und als Leitbild der Österreichischen Volkspartei auch gelebt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Letztes darf ich aber doch noch einen Satz oder ein paar Sätze zu der Diskussion, die heute den ganzen Tag über gelaufen ist, sagen. Als Parlamentarier ist es mir wichtig, ein paar Sätze über den Umgang und über die Arbeitsweise in diesem Parlament zu sagen. (Zwischenruf des Abg. Rauch.) Die SPÖ wirft unserem Klubobmann vor, mit einem Chateintrag vor fünf Jahren verhindert zu haben, dass über 1 Milliarde Euro zu den Bürgerinnen und Bürgern gelangt wäre. Inhaltlich ist das am heutigen Tag Gott sei Dank schon von meinen KollegInnen widerlegt worden. Inhaltlich ist gesagt worden, dass das falsch ist.

Wenn das aber wirklich so gewesen wäre: Zu diesem Zeitpunkt vor fünf Jahren war die SPÖ in der Regierung, zu diesem Zeitpunkt vor fünf Jahren gab es einen sozialistischen Bundeskanzler und zu diesem Zeitpunkt vor fünf Jahren waren von Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, mindestens zehn Leute schon dabei. Ich frage, warum Sie nicht damals vor fünf Jahren gesagt haben: Das ist ein Skandal, das brauchen wir, das muss unbedingt her! (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Rauch.) Was haben Sie in dieser Zeit getan? Haben Sie in dieser Zeit geschlafen oder haben Sie das einfach nicht bemerkt? (Beifall bei der ÖVP.)

Gute Arbeit für die Menschen in unserem Land schaut auf alle Fälle anders aus. Diese gute Arbeit, glaube ich, liefern wir. (Heiterkeit der Abg. Heinisch-Hosek.) Gerade mit diesem Klimaticket ist das auch gelungen. Wir dürfen also den negativen Ausschuss­bericht durchaus annehmen und damit den Antrag vom Kollegen Stöger ablehnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

19.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Verkehrsausschusses.


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19.34.26Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 12 und 13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Verkehrsausschusses, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Wünschen die Klubs dazu eine Sitzungsunterbrechung? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Ver­kehrsausschusses, dem Abschluss der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über die Finanzierung der Regionalbahn Tiroler Zentral­raum, Abschnitt Rum, in 1041 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechen­des Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kein Baustopp und keine Bauverzögerung bei der S34 Traisental Schnellstraße“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kein Neubau der Luegbrücke gegen den Willen der Bevölkerung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Mag.a Dr.in Petra Oberrauner, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Planung und Errichtung einer Güterbahntrasse sowie Ergreifen von Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung im Kärntner Zentralraum vor dem Bahnlärm“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Antrag des Verkehrs­aus­schusses, seinen Bericht 1096 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Melanie Erasim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „nachhaltigen Stärkung der Ge­meindefinanzen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

19.36.4414. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 7, 40, 46 und 47, 56 und 59 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 3 und 35 (1094 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 198

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Peter Weidinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.37.13

Abgeordneter Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Am Sonntag wurde der 10. Oktober in Kärnten als Landesfeiertag gemäß unserem Motto Kärnten frei und ungeteilt begangen.

Ein Stückchen mehr ungeteilt wird Kärnten 2025 mit der Fertigstellung der Koralmbahn werden. Es wird eine schnellere Erreichbarkeit von Wien, von Graz bis nach Villach, mitten ins Herz des Kärntner Zentralraums, und von dort weiter in die Regionen geben. Das ist ein großes, wichtiges Infrastrukturprojekt, das von Vorgängerregierungen auf die Schiene gebracht wurde und das in dieser Kontinuität weiterverfolgt und umgesetzt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen, sehr geehrter Herr Präsident, wird miteinander auf Augenhöhe, mit Respekt und Wertschätzung diskutiert, weil wir die Anliegen der Bürgerinnen und der Bürger ernst nehmen und weil wir uns um ihre Sorgen kümmern. Ich möchte mich deswegen auch ausdrücklich bei Frau Bundesministerin Gewessler bedanken, bei der wir einen Termin gemeinsam mit Wirtschaftskammer­prä­sident Jürgen Mandl und Frau Kollegin Olga Voglauer von den Grünen wahrnehmen durften, um einfach um noch mehr Verständnis zu buhlen: dass es notwendig ist, dass dieses Infrastrukturprojekt nicht beim Kärntner Zentralraum in Klagenfurt aufhört, sondern dass wir notwendige Lärmschutzmaßnahmen gemeinsam mit dem Ministerium, mit den ÖBB und mit dem Land setzen.

Ich möchte auch das Engagement des jungen, sympathischen Verkehrslandesrates von Kärnten, Sebastian Schuschnig, hervorheben, der ein tolles Programm aufgelegt hat, um im Einklang mit der Kärntner Landesregierung die Gemeinden zu unterstützen, dass es finanzielle Unterstützungen gibt, damit die Gemeinden ihren Lärmschutz verbes­sern – was sie auch tun.

Es stellen sich mit dieser Petition und mit der positiven Bearbeitung auch erste Erfolge ein. So konnten wir gemeinsam mit dem Land und mit den ÖBB eine Lärmmessstelle in Velden einrichten, an der Zahlen, Daten und Fakten gesammelt werden. Wir haben auch gemeinsam mit den ÖBB eine Unterführung in Pörtschach auf die Reihe gebracht, was der Lebensqualität der Menschen förderlich ist und auch den Touristen viel Freude machen wird, wenn die Fertigstellung nächstes Jahr als solche erfolgt.

Gestatten Sie mir aber auch eine kritische Anmerkung: Kärnten ist leider das einzige Bundesland, das von einer massiven Abwanderung betroffen ist.

Gestatten Sie mir aber auch eine kritische Anmerkung: Kärnten ist leider das einzige Bundesland, das von massiver Abwanderung betroffen ist. Das heißt, viele junge Men­schen verlassen leider das Land, nicht, weil es bei uns nicht schön wäre, sondern weil viele ihre Jobperspektiven in anderen Bundesländern oder im Ausland sehen.

Daher ist für uns die Infrastruktur von solch entscheidender Bedeutung, es ist von Bedeutung, es mit der schnellen Erreichbarkeit leichter zu machen, wie in einer Perlen­kette mit dem Großraum Graz, mit Klagenfurt und mit Villach stärker zusammenzu­wachsen und einen neuen Wirtschaftsraum hervorzubringen. Auch das wird uns Mög­lichkeiten geben, ich denke da an die Qualcomm in Deutschlandsberg, ein Betrieb im Bereich der Mikroelektronik, bis hin zu Lam Research oder Ortner Reinraumtechnik, wo es gute Jobs und Perspektiven für Menschen gibt; und das entlang einer Erreichbarkeit mit Tagespendelbewegungen im Ausmaß von 70 Minuten.

Ich bitte aber auch Sie, meine Damen und Herren, fraktionsübergreifend um breite Unter­stützung, damit wir für die alternative Trassenführung auch vonseiten des Ministeriums


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 199

noch mehr Unterstützung erfahren. Diesbezüglich gibt es noch Skepsis darüber, ob die Zahlen tatsächlich erreicht werden, ob es gerechtfertigt ist, eine Güterverkehrstrasse im Kärntner Zentralraum als Alternative zur Bestandsstrecke anzubieten. Wir und die Kärnt­nerinnen und die Kärntner sind überzeugt davon. Wir bitten Sie um Unterstützung dafür, dass wir sachlich den Weg freimachen, um den Wirtschaftsraum Kärnten zu beleben, den Lebensstandort zu stärken und Perspektiven zu schaffen, damit viele junge Men­schen, nicht nur aus ganz Österreich, sondern auch aus Resteuropa, sagen: Ich gehe nach Kärnten!, denn gemäß dem Motto der Kärnten Werbung heißt es: „It’s my life!“.

In diesem Sinne: Ich danke abschließend noch einmal Dr. Steindl, Christoph Neuscheller, Peter Unterluggauer und Herbert Zankl rund um die Bürgerinitiative, die sich gemeinsam mit uns parteiübergreifend massiv dafür einsetzen, diesen Traum für Kärnten und für Österreich Wirklichkeit werden zu lassen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

19.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordneter Andreas Kollross. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.41.55

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Bevor ich zum Thema komme, möchte ich eine Anmerkung zum Kollegen Schnabel machen, der zuvor der Meinung war, dass das Kommunalinvestitionsgesetz für die Gemeinden verlängert wurde. Nur zur Berichtigung: Es wurde der Zeitraum verlängert und erweitert, in dem man ansuchen kann, aber das Kommunalinvestitionsgesetz wurde nicht erweitert. Da könnte man ja glauben, es seien zusätzliche Finanzmittel geflossen. Das ist natürlich nicht der Fall, sondern die Regie­rung ist draufgekommen, dass das, was wir eh schon lange gesagt haben, auch Tat­sache ist, nämlich, dass den Gemeinden die Finanzmittel fehlen, um das überhaupt abzurufen. Deshalb hat man den Zeitraum, in dem man ansuchen kann, verlängert. Der Herr Finanzminister hat gestern in seiner Budgetrede ja selbst schon formuliert, dass erst ein bisschen über 70 Prozent abgerufen sind und dass das eigentlich schon seit 30. Juni zu Ende wäre.

Jetzt aber zum Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen: Es war bei diesem Aus­schuss leider so, dass wir nicht viele Petitionen und Bürgerinitiativen behandeln konnten. Dies nicht, weil wir nicht wollten, keine der Parteien, sondern weil es viele Stel­lung­nahmen noch nicht gegeben hat und viele Stellungnahmen noch nicht eingetroffen sind.

Trotzdem gibt es ein paar Petitionen oder Bürgerinitiativen, die beendet wurden, und da zieht es sich leider wie ein roter Faden durch, dass die beiden Regierungsparteien der Meinung sind, dass es, wenn die Stellungnahmen da sind, kein Weiterarbeiten und kein Weiterdiskutieren gibt, sondern dass diese Initiativen dann schlicht und einfach enderle­digt werden.

Eine dieser Initiativen – das finde ich besonders geschmackvoll – ist die Bürgerinitiative betreffend „Abschaffung des Dieselprivilegs. Jetzt!“. Es hat dazu auch Stellungnahmen gegeben, zum Beispiel von der Frau Umweltministerin, die nur kurz da war und dazu mehr oder weniger gar nicht Stellung genommen hat, sondern nur gesagt hat: Ja, da gibt es eh etwas im Regierungsprogramm, wir werden darüber diskutieren!

Es hat dann eine Stellungnahme des Finanzministers gegeben, in der er sich eher mit der Flugabgabe beschäftigt hat und nur gesagt hat: Ja, es gibt da eh etwas und wir werden irgendwann darüber diskutieren! – Er hat auch auf das Regierungsprogramm verwiesen. Lustigerweise hat er uns das am 1. Oktober übermittelt, und am 3. Oktober ist bekanntermaßen die angeblich ökosoziale Steuerreform beschlossen worden. Man


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 200

hat da also eigentlich schon gewusst, was mit dem Dieselprivileg passiert oder nicht passiert.

Eine kleine Anmerkung zu den Grünen: Obwohl ihr euch das Thema der Abschaffung des Dieselprivilegs so auf die Fahnen heftet, wart ihr nicht einmal bereit, über dieses Thema im Umweltausschuss überhaupt weiterzudiskutieren, sondern ihr habt gesagt: Nein, das ist enderledigt, wir wollen mit dem Thema nichts mehr zu tun haben! – So viel zu eurer Glaubwürdigkeit, weil ihr euch heute ständig abfeiert und auch gestern schon gefeiert habt, was ihr mit der ökosozialen Steuerreform nicht schon weitergebracht habt. – Das Dieselprivileg gibt es nach wie vor. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Christian Ries. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.45.17

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte heute zu einer Petition sprechen, die den Titel „Für klare Spielregeln bei Tuning-Treffen in Österreich“ trägt. Sie wurde von Kollegen Peter Weidinger aus Kärnten überreicht.

Diese Petition bildet eine Ausnahme, denn sie wurde meiner Meinung nach völlig zu Recht keinem Ausschuss zugewiesen. Das ist kein Zeichen der Geringschätzung, denn es ist einfach so – ich habe schon im Ausschuss darauf hingewiesen –, dass da eine klare Themenverfehlung vorliegt. Obzwar im Text ein berechtigtes Anliegen der Bevöl­kerung aufgegriffen wird – es geht um Lärmerregung und Anstandsverletzungen im Zuge von GTI-Treffen und ähnlichen Veranstaltungen –, ist es doch nicht so, dass es an einer bundesgesetzlichen Grundlage fehlt, wie angeführt wird.

Dieser Petition geht ein Beschluss der Kärntner Landesregierung voraus, der eben diese fehlende bundesrechtliche Grundlage bemängelt, um wüsten Treiben bei GTI-Treffen einen Riegel vorzuschieben. Aber das Einzige, was da vorgeschoben worden ist, ist das Argument, dass das Land nichts dagegen tun kann, denn diese bundesgesetzlichen Regelungen gibt es. StVO, KFG und KDV allein bieten eine breite Palette, was alles eingehalten werden muss und was daher auch kontrolliert werden kann. Das sagen nicht nur wir, das sagen auch die Spezialisten aus dem Verkehrsministerium.

Darüber hinaus kann auch der Gesetzgeber auf Landesebene hergehen – das sollte er in diesem Fall tun – und im Landessicherheitsgesetz spezifizieren, was eine Lärm­erregung oder eine Anstandsverletzung über das bundesgesetzliche Maß hinaus dar­stellen kann. Da können auch Gemeinden ermächtigt werden, durch Verordnung zusätz­liche Maßnahmen zu erlassen, um wirksam gegen Randalierer oder Benzinbrüder vorzu­gehen.

Lieber Kollege Weidinger – ich sehe ihn jetzt nicht –, wenn Sie wissen wollen, was diesbezüglich alles möglich ist, dann empfehle ich Ihnen das Burgenländische Landes­sicher­heitsgesetz, das wesentlich detaillierter als das Kärntner Landessicherheitsgesetz strafbares Verhalten beschreibt und auch gelindere Maßnahmen wie Sicherstellungen vorsieht. Das Landesgesetz wurde damals unter Verantwortung eines FPÖ-Regierungs­mitglieds gemacht.

Lieber Kollege Weidinger, ich habe Ihnen den Gesetzestext bereits überreicht, den können Sie auch gerne Ihrem zuständigen ÖVP-Regierungsmitglied in Kärnten überge­ben. In diesem Fall dürfen Sie abschreiben, wir haben nichts dagegen. (Beifall bei der FPÖ.)

19.47



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 201

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag.Ulrike Fischer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.48.17

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bürgerinitiativen und Petitionen betreffen ein Recht, das es verfassungsrechtlich seit dem 19. Jahrhundert gibt, das Petitionsrecht der Bürgerinnen und Bürger. Auch heute noch ist es niederschwellig möglich, eine Bürgerinitiative oder eine Petition einzu­bringen.

Es geht heute hier um den Sammelbericht Petitionen, aber da ich immer wieder gefragt werde, wie man eigentlich eine Petition oder eine Bürgerinitiative einbringt, kurz ein paar einleitende Worte dazu: Eine Bürgerinitiative braucht 500 Unterstützungen. Eine Bürgerinitiative braucht keine Unterstützung eines Abgeordneten, sie muss schriftlich eingebracht werden und die Personen, die sie unterzeichnen, müssen in der jeweiligen Wählerevidenz der Gemeinde eingetragen sein.

Bringt man eine Bürgerinitiative oder eine Petition ein, ist es sehr gut, wenn man auf www.parlament.gv.at nachschaut, ob Stellungnahmen eingelangt sind, weil alle Stellungnahmen auch veröffentlicht werden.

Eine Petition ist noch niederschwelliger, und wir alle als Abgeordnete haben die Mög­lichkeit, mit einer einfachen Unterschrift eine Petition betreffend Anliegen unseres Wahl­kreises einzubringen. Natürlich ist es gut, wenn eine Petition durch Bürgerinnen und Bürger unterstützt wird.

Derzeit haben wir – der Herr Vorsitzende weiß es wahrscheinlich genauer – so um die 50 Anliegen im Petitionenausschuss liegen, und jedes Anliegen ist wichtig, weil es die Sorgen unserer Bevölkerung, unserer Bürgerinnen und Bürger, ausdrückt.

Was sich zeigt, ist: Öffentlicher Verkehr, Lärm und Barrierefreiheit sind große Themen, deswegen ist es wichtig, dass wir die richtigen Lenkungseffekte setzen. Das Klimaticket wird bewirken, dass wir ein besseres Angebot haben, dass die Bahnhöfe stärker frequentiert werden, sodass wir uns Barrierefreiheit leisten können, eine stärkere Taktung einführen können. Und ein Beispiel aus meiner Gemeinde: Auch wir haben uns als Gemeinde dazu committet, einen Lärmschutz zu machen. Lärmschutz ist aber teuer, und was es hier braucht, ist, dass die Gemeinden budgetmäßig besser entlastet werden. Dazu möchte ich mitgeben: Wenn eine Gemeinde es sich nicht leisten kann, einen Lärm­schutz zu machen, dann müssen Land, Bund und die ÖBB das noch besser unter­stützen.

Ich glaube, dass Demokratie nur funktionieren kann, wenn Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, sich zu beteiligen, und das ist ein gutes und wirksames Instrument.

Abschließend möchte ich mich beim Ausschussvorsitzenden für die konstruktive Zusam­men­arbeit bedanken, und bei der Parlamentsdirektion, dass sie alle Stellungnahmen immer so umfassend vorbereitet. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist jetzt Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.51.34

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Auch wenn ich jetzt gerade ein Kompliment bekommen habe – worüber ich mich sehr freue und wofür ich mich bedanke,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 202

Frau Kollegin Fischer –, wäre es mir lieber, kein Kompliment zu bekommen, dafür aber mehr Erfolge im Petitionsausschuss zu haben. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Zwi­schenruf der Abg. Fischer.)

Ich habe das Privileg, seit acht Jahren im Petitionsausschuss arbeiten zu dürfen, und es ist tatsächlich so, dass es in den acht Jahren noch nie so schlimm war wie unter der grünen Regierungsbeteiligung. Wir haben im Petitionsausschuss eine Stillstands­koali­tion aus ÖVP und SPÖ erlebt, danach die ÖVP mit der FPÖ und dann die ÖVP mit den Grünen, und es gab in diesem Ausschuss immer mehr Engagement, mehr Diskussion und mehr Lösungsorientierung als jetzt unter der türkis-grünen Regierung. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben eine sehr gut arbeitende Verwaltung. Die Parlamentsdirektion bereitet alles so vor, dass wir als Abgeordnete eine gute Diskussion führen können. Für die Zuse­he­rinnen und Zuseher – so mir noch jemand zusieht – ein kurzes Rechenbeispiel: Wir hatten im Ausschuss 48 Tagesordnungspunkte in 57 Minuten, je Tagesordnungspunkt haben wir also in etwa 1 Minute und 10 Sekunden gebraucht.

Glaubt irgendjemand, dass wir in dieser Zeit eine ernsthafte Debatte über Bürger­anlie­gen haben führen können? – Natürlich nicht! Und was ist die Ursache dafür? – Immer, wenn es in eine inhaltliche Debatte geht, wenn eine Bürgerinitiative Unterschriften sam­melt, kommt es vonseiten der ÖVP und der Grünen in irgendeiner Form zu einer Vertagung, zu einer Kenntnisnahme oder einer anderen Form von Respektlosigkeit gegenüber diesem Engagement.

Und ich möchte da jetzt noch eines sagen: Die ÖVP ist zumindest konsequent. Sie behauptet von sich nicht, dass sie für Bürgerbeteiligung steht. Es gibt auch keinen ÖVP-Abgeordneten, der sich einmal draußen hinstellt und sagt: Jawohl, wir brauchen mehr Partizipation im Parlament! – Sie bringen ihre Petitionen ein, da ist immer etwas Regionales dabei, Wahlkreisarbeit – so soll es sein. Da gibt es gar keine Kritik, denn in diesem einen konkreten Fall stehen Sie für das, was Sie sagen. Ich als NEOS-Abge­ordneter finde das furchtbar, aber Sie sind da konsequent. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Lausch und Schrangl.)

Die Grünen allerdings behaupten, sie stehen für Bürgerbeteiligung, sie stehen für die Stärkung der Bürgerin und des Bürgers, für mehr Mitsprache, Partizipation. Sobald sie aber in einer Machtposition sind und sobald sie die Möglichkeit haben, im Kleinen die Rädchen zu verändern, zerstören sie nicht nur genau dieses Versprechen, sondern auch die Hoffnung, die die Menschen in der Vergangenheit in sie gesetzt haben. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Lausch und Schrangl.)

Wir haben als NEOS einen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung eingebracht, mit dem wir den Petitionsausschuss reformieren wollen. Damit wollen wir das, was Sie derzeit machen, verhindern, nämlich dass Abgeordnete auch in Zukunft ihre Macht missbrauchen, um Bürgerinnen und Bürger klein zu halten, und erreichen, dass Bürge­rinnen und Bürger ein Recht haben, im Parlament gehört zu werden.

Wenn Sie das unterstützen, können Sie vielleicht all die Pannen und die Bauchflecke, die Sie in den letzten zwei Jahren gemacht haben, wiedergutmachen. Im Moment ist Ihre Arbeit im Petitionsausschuss leider nicht genügend. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ. – Rufe bei NEOS und FPÖ: Sehr gute Rede!)

19.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Hans Stefan Hintner. – Herr Abge­ordneter, bitte schön.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 203

19.55.13

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Lieber Kollege Bernhard, ich kann gleich inhaltlich mit zwei positiven Beispielen kom­men. Zum einen wissen wir ja, dass Forschung und Wissenschaft sehr, sehr wichtig sind, auch für den Wirtschaftsstandort Österreich. Bedauerlicherweise konnten gewisse Mittel 2021 durch das Auslaufen der FTE-Nationalstiftung nicht zur Auszahlung kommen, und so kam eine Petition betreffend „Rasche Umsetzung und Dotierung des ,Fonds Zukunft Österreich‘“ zu uns in den Ausschuss.

Ursprünglich wären 133 Millionen Euro vorgesehen gewesen, tatsächlich sind es dann 140 Millionen Euro geworden, die auch im Budget für 2022 ihren Niederschlag finden. Das ist auch ein besonderer Erfolg unserer Kollegin Theresia Niss. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Initiative und zur Umsetzung im Budget! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Eine zweite Petition hatte den Titel „Abschaffung des Dieselprivilegs“. Ich sage es unum­wunden: Ob die niedrigere Dieselbesteuerung ein Privileg ist, lasse ich für mich einmal dahingestellt, weil wir auch wissen, dass es da Betriebsmittel gibt, die weit höher angesetzt sind. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Tatsache ist allerdings, dass wir im Zuge der ökosozialen Steuerreform ein Gesamtpaket geschnürt haben, in dem selbstverständlich auch der Diesel dabei ist, und für jene, die das benötigen und brauchen, werden wir auch Rückerstattungsansätze bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Rudolf Silvan. – Bitte, Herr Abge­ordneter.


19.57.03

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte zur Bürgerinitiative betreffend „Abschaffung des Diesel­privilegs“ Stellung nehmen. Diese Initiative fordert eine sofortige Erhöhung der Mineral­ölsteuer auf Dieselkraftstoffe auf Benzinpreisniveau und dass mit den Mehreinnahmen Klimaschutzmaßnahmen und der Ausbau des öffentlichen Verkehrs gefördert werden. Es ist Tatsache, dass vor allem Schwerverkehrfahrzeuge, 40 Prozent der Schwerver­kehr­fahrzeuge in Österreich, keine wirksamen Partikelfilter haben. Mit diesen Maßnah­men könnte auch der Tanktourismus in Österreich eingeschränkt werden. – So weit, so gut.

Ich habe eigentlich gedacht, dass diese Bürgerinitiative, wenn schon die ökosoziale Steuerreform vor der Tür steht, hinfällig ist, weil das ohnehin berücksichtigt wird, leider war dies aber nicht der Fall. Dieses Privileg bleibt trotz der sogenannten ökosozialen Steuerreform aufrecht.

Was mich erstaunt hat – Kollege Kollross hat es schon gesagt –, ist, dass wir, die Oppo­sitionsparteien, natürlich versuchten, diese Bürgerinitiative wenigstens dem Umweltaus­schuss zuzuweisen, aber auch das haben die Regierungsparteien vereitelt und haben sie lediglich zur Kenntnis genommen.

Kollege Brandweiner hat vorhin, beim vorigen Tagesordnungspunkt, gesagt, dass die Verbindungen im Zugverkehr vor allem im ländlichen Raum verbessert und bequemere Verbindungen geschaffen werden müssen. Da wären natürlich Mehreinnahmen durch eine solche Abschaffung des Dieselprivilegs willkommen. Ich verstehe auch nicht, dass die rund 800 Millionen Euro pro Jahr aus der KöSt-Senkung nicht in den öffentlichen Verkehr geflossen sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 204

Ich möchte ein Beispiel von vielen nennen: Einige Bezirkshauptstädte in Österreich, wie zum Beispiel die Bezirkshauptstadt Zwettl im Waldviertel, sind nicht an den öffentlichen Personenverkehr, Schienenverkehr angeschlossen, Kollege Brandweiner hat es vorhin erwähnt. Wenn man da mit dem Zug nach Wien pendeln will und zum Beispiel um 7.30 Uhr in Wien sein muss, am Arbeitsplatz oder wo auch immer, dann hat man eine richtige Challenge vor sich. Man muss circa um 3 Uhr aufstehen, damit man um 3.51 Uhr in Gmünd ist, weil es in Zwettl wie gesagt keinen öffentlichen Personenverkehr gibt. Dann fährt man von Gmünd Richtung Wien, und man ist dann, na ja, gerade um 7 Uhr in Wien. Mit dem Auto dauert es 1 Stunde 30 Minuten.

Deswegen glaube ich, dass Mehreinnahmen durch die Erhöhung der Dieselbesteuerung durchaus sinnvoll wären. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun ist Herr Abgeordneter Peter Schmiedlechner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.00.20

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Zuseher! Wir können der Idee der Bürgerinitiative „Abschaffung des Dieselprivilegs. Jetzt!“ nichts abgewinnen, denn die Kosten steigen, egal, wohin man schaut, sei es beim Strom, beim Gas, aber auch beim Treibstoff – Diesel zum Beispiel ist in den letzten Monaten beinahe um 50 Cent pro Liter teurer geworden –, und jetzt kommt auch noch die CO2-Steuer dazu.

Gerade in der größten Krise die Menschen weiter zu belasten und auszusackeln ist einfach nur schäbig. Wollen Sie wirklich die Familien am Land weiter belasten? Viele kämpfen jetzt schon, damit sie irgendwie durchkommen. Gerade am Land haben wir keine durchgehend ausgebaute öffentliche Verkehrsanbindung. Wir sind, um in die Arbeit zu fahren, um die Kinder in den Kindergarten zu bringen, um das Notwendigste einzukaufen, um zum Arzt zu gehen und natürlich auch, um Freunde zu besuchen, auf das Auto angewiesen.

Sie präsentieren eine ökosoziale Steuerreform, mit der den Menschen auf der einen Seite das Geld aus der Tasche gezogen wird, um ihnen dann auf der anderen Seite einen Bruchteil davon wieder zu geben.

Damit sind wir schon beim regionalen Klimabonus: eine Pfuschaktion bis zum Geht­nichtmehr. Ich frage mich wirklich: Habt ihr euch das ausgewürfelt, wie ihr die Gemein­den einstuft? Ich bringe dazu ein Beispiel aus meinem Heimatbezirk Wiener Neustadt: Zwei Gemeinden, gleiche Busverbindung, gleiche Bahnverbindung – die einen bekom­men einen Klimabonus in Höhe von 200 Euro, die anderen bekommen ihn in der Höhe von 167 Euro. Es ist eine Katastrophe, eine Schnapsidee, die nur dazu führt, dass man die Menschen weiter auseinanderdividiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihre Politik erinnert an Raubritter. Raubritter, die im Mittelalter die Bevölkerung und die Bauern ausgepresst haben.

Abschließend möchte ich noch etwas zu den Bauern sagen: Da wird sichtbar, wie scheinheilig und falsch die ÖVP wieder agiert. (Zwischenruf der Abg. Scheucher-Pichler.) 2015 hat man den Bauern den vergünstigten Agrardiesel weggenommen, um ihnen jetzt, nach massiven Verteuerungen und Belastungen, eine Vergünstigung als großes Geschenk zu verkaufen. Das ist einfach lächerlich!

Natürlich hat es nicht lange gedauert, und die Hetze von der roten Seite, von der SPÖ, von der Gewerkschaft hat eingesetzt. Ihr stellt die Bauern hin, als wären wir die großen Profiteure. Liebe SPÖ, wenn ihr euch in der Landwirtschaft nicht auskennt, dann könnt


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ihr gerne mich fragen. Ich erkläre es euch, wie es in der Landwirtschaft wirklich aus­schaut, denn umsonst müssen nicht jeden Tag elf Betriebe zusperren: Die bäuerlichen Familien trifft die Inflation massiv (Abg. Michael Hammer: Wie steht es mit dem Kin­derbonus, da bist voll dabei, oder?!) und der Kaufkraftverlust ist katastrophal, und die Tierschutzauflagen und die anderen Auflagen, wie etwa die Umweltauflagen, die die bäuerlichen Familien treffen, werden ständig mehr. Es stellt sich die Frage, wer zukünftig die Lebensmittel produzieren soll.

Meine Frage an die SPÖ: Habt ihr das wirklich nötig, dass ihr auf eine Berufsgruppe, die eh schon am Boden liegt, noch einmal hintretet? (Der Redner hält ein Plakat der FSG in die Höhe, auf dem „Bauern nach der Steuerreform: Was kostet die Welt?“ steht und worauf ein Mann, der ein kariertes Hemd und einen Strohhut trägt und etwas durch seine ausgestreckte Hand rieseln lässt, abgebildet ist.) Schämt euch! (Beifall bei der FPÖ.) 

20.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir haben uns darauf geeinigt, den Begriff „scheinheilig“ hier im Hohen Haus nicht zu verwenden. Ich darf Sie daher bitten, künftig auf Ersatzvokabular zurückzugreifen.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Bettina Zopf. – Bitte schön, Frau Abge­ordnete.


20.04.18

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): „Zwischen Salzburg und Bad Ischl fährt eine liebe, kleine Eisenbahn“. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause und auf der Galerie! Das Thema öffentlicher Verkehr, insbesondere auch in Verbindung mit dem Klimaschutz, ist aktueller denn je. Mit dem gestrigen Budgetbeschluss haben wir das Klimaticket auf den Weg gebracht. Was nützt einem aber ein günstiges Zugticket, wenn es einerseits keine Zugverbindung gibt oder man andererseits in den Zug nicht einmal einsteigen kann? Man kann nicht sagen: Dann fährst du halt mit der Straßenbahn oder mit der U-Bahn!, denn diese Ver­kehrsmittel gibt es in den ländlichen Regionen und im Inneren Salzkammergut eben nicht.

Von 1893 bis 1957 gab es zwischen Salzburg und Bad Ischl eine Schmalspurbahn. Eine bereits projektierte Elektrifizierung der Strecke wurde leider nicht realisiert. Es gibt immer wieder Bestrebungen zum Wiederaufbau der Salzkammergut-Lokalbahn. 2011 ist eine Initiative von neun Bürgermeistern der Bundesländer Oberösterreich und Salzburg am damaligen SPÖ-Bürgermeister der Stadt Salzburg Heinz Schaden gescheitert. Dieser SPÖ-Bürgermeister legte auf den öffentlichen Verkehr anscheinend keinen Wert, und das im Jahr 2011!

Auf der Strecke von Ebensee nach Bad Ischl, beide waren und sind von der SPÖ-geführte Gemeinden, wurden insgesamt drei Bahnhöfe geschlossen.

Meine Heimat, das Salzkammergut, ist schon jetzt ein touristischer Hotspot, und mit dem Projekt Kulturhauptstadt 2024 wird sich die Verkehrssituation sicherlich noch mehr zu­spitzen. Die B 145 ist schon jetzt gänzlich überlastet, und zusätzlich kommt der Verkehr auf dieser Straße, die zwischen Bergen und Seen führt, durch Naturkatastrophen wie Muren und Lawinenabgänge immer wieder über einen längeren Zeitraum zum Erliegen. Eine Bahnverbindung ist ein essenzieller Bestandteil zur Versorgung und Erhaltung der Schul- und Arbeitswege und außerdem touristisch dringend notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wurde verabsäumt, sich um ein ordentliches Verkehrskonzept zu kümmern. Die ÖBB argumentieren die Schließung der Haltestellen mit zeitökonomischen Gründen. Dazu noch Fakten: Eine zweifache Mutter ist zu mir gekommen und hat mir mitgeteilt, dass


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ihre Kinder nicht in den Zug einsteigen können. Der Zug hält zwar immer noch an diesem geschlossenen Bahnhof, weil dort eine Begegnungszone der Züge ist, die Fahrgäste dürfen jedoch nicht ein- und aussteigen. Das verstehen die Betroffenen nicht. Deswegen habe ich die Petition gegen die Bahnhofsschließungen der Zugverbindung auf dieser Teilstrecke im Salzkammergut eingebracht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dass in Zeiten wie diesen der Zug nicht mehr bei jedem Misthaufen stehenbleiben kann, weil auch Geschwindigkeit und Zeitdruck eine Rolle spielen, ist ja wohl jedem klar, jedoch hintereinander drei Bahnhöfe zu schließen ist ein sehr negatives Zeichen und im Sinne von klimafreundlicher Fortbewegung definitiv ein Rückschritt.

Da hier zwei SPÖ-geführte Gemeinden unmittelbar betroffen sind, möchte ich schon auch ganz klar festhalten, dass es mir immer um die Sache geht. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch da gemeinsam mit dem Koalitionspartner an einer Lösung arbeiten kön­nen, denn eine klimafreundliche Fortbewegung funktioniert nicht nur mit dem Klimaticket. Ich werde an dieser Sache dranbleiben, oder wie ich es zu Hause sagen würde: Aufgegeben wird nur der Brief! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

20.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Robert Laimer ist als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.08.44

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Ich komme jetzt nach SPÖ- und ÖVP-Bahnhöfen zu einer besonderen geopolitischen Situation, nämlich Israel und Palästina, dem Frieden und der Neutralität.

Meine Damen und Herren! Die vor mehr als drei Jahren eingebrachte Bürgerinitiative „Anerkennung des Staates Palästina durch Österreich“ wurde nunmehr von den Regie­rungsparteien im Petitionsausschuss versenkt, anstatt im Außenpolitischen Ausschuss debattiert zu werden.

Aus unser Sicht ist auf Basis der Oslo-Abkommen aus den Jahren 1993 und 1995 die Perspektive zur Schaffung einer Zweistaatenlösung Israel und Palästina aufrechtzu­er­halten.

Wer Jerusalem – in deutscher Bedeutung: Gründung des Friedens – befriedet, der kann auch einen Riesenschritt in Richtung des globalen Friedens machen. Wer jedoch keinen Willen verspürt und keine Zeichen setzt, vielmehr wie Trump die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt und provoziert, ist an einer Zweivölkerstaatenlösung keinesfalls inter­essiert.

Schon der weise ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt hat in diesem Zusammenhang den Zusammenprall von drei Weltreligionen in dieser Stadt mit seinen historischen Konflikten oft messerscharf analysiert, das heißt, nur mit politischem Willen ist eine dauerhafte Konfliktlösung möglich.

Eine Zäsur in Österreich hat heuer der gewalttätige Konflikt zwischen Israelis und Paläs­tinensern gebracht: Ausgerechnet am 14. Mai, am Vorabend des Tages der Unterzeich­nung unseres Staatsvertrages, wurde die israelische Flagge am Bundeskanzleramt und am Ministerium für auswärtige Angelegenheiten gehisst. Die handelnden Personen waren der damalige Bundeskanzler und heutige Klubobmann der ÖVP und der damalige Außenminister und heutige Bundeskanzler. Der Bundespräsident wurde von dieser Aktion nur knapp davor informiert.

Meine Damen und Herren! Vor 66 Jahren hat Österreich seine Souveränität zurücker­halten. Das war keine Selbstverständlichkeit, nachdem Österreich die Jahre davor sowohl


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 207

Opfer als auch Täter war. Wenn wir uns an die Oslo-Abkommen aus den Neunziger­jahren erinnern, dann wissen wir, wer in der ganzen Welt als einer der geistigen Väter dieser Abkommen genannt wurde: Es war Bruno Kreisky – ein Staatsmann (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer), der die Welt nicht in Schwarz und Weiß, nicht in Gut und Böse unterschieden hat. Genau dahin müssen wir zurück, um eine weitere Polarisierung mit möglichen weiteren fatalen globalen Auswirkungen nicht noch zusehends zu be­feuern.

Folgen wir dem Beispiel einer guten Tradition in der Zweiten Republik und bekennen wir uns zur immerwährenden Neutralität, nicht nur als Lippenbekenntnis am Nationalfeier­tag, sondern vielmehr in Verantwortung für unser Land und seine Identität – wobei die Neutralität bis zur Ära Schüssel ein fixer Bestandteil war: ein fixer Bestandteil österreichi­scher Außenpolitik, ein fixer Bestandteil im Sinne des Dialogs, ein fixer Bestandteil im Sinne des Verhandelns und in der Folge vielleicht auch der Versöhnung und Aussöh­nung.

Derzeit haben wir dort eine völlig instabile geopolitische Lage, eine sogenannte Welt­unordnung. Wir haben alle Hände voll zu tun, auch als Republik Österreich, wieder eine aktive Neutralitätspolitik zu betreiben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist jetzt Herr Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.12.36

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich kann und will da auch wieder an das anschließen, was Kollege Bernhard gesagt hat – ich war ja auch schon einige Jahre im Petitionsausschuss und bin jetzt Ersatzmitglied in diesem Ausschuss. Es war, als ich bei der letzten Sitzung im Aus­schuss war, erschreckend – da kann ich ihm nur beipflichten –, wie schnell die Dinge, die Petitionen, die Bürgerinitiativen, die der Bevölkerung, den Bürgerinnen und Bürgern natürlich schon ein großes Anliegen sind, abgehandelt werden. So krass war es noch nie!

Dazu kommt auch immer – diesmal war das aber nicht so arg, weil ja noch sehr viele Stellungnahmen gefehlt haben – das Begräbnis erster Klasse, die Kenntnisnahme. Meines Erachtens sollte man sich da einmal parteiübergreifend eines überlegen: Mehr Zuweisungen an die Fachausschüsse bedeuten mehr Wertschätzung der Bürgerinnen und Bürger, die das unterschreiben. Und vor allem sollte man das alles nicht so schnell wegwischen! Der Ausschuss hatte sich viel länger Zeit gegeben, als er dann tatsächlich gebraucht hat. Das ist zack, zack, zack gegangen, und es war alles durch. Wie ja schon Kollege Bernhard richtigerweise gesagt hat: So arg war es eigentlich noch nie.

Ganz kurz noch zu den Petitionen, die heute abgeschlossen wurden: Ich gratuliere ein­mal nach Kärnten, dass es dort eine Zählstelle – eine Mautzählstelle oder Verkehrs­zählstelle – gibt. Das ist auch großartig für die ÖVP, die Kanzlerpartei, die sich in der Regierung befindet, dass man das erreicht hat und sich damit zufriedengibt.

Betreffend das Dieselprivileg muss ich natürlich schon auch sagen, dass das seine Berechtigung hat, und muss da Rudi Silvan, den ich persönlich sehr schätze und mit dem in Niederösterreich verkehrstechnisch sehr viel geht, auf eines hinweisen: Ihr müsst halt schon aufpassen, denn wenn man einerseits die Verkehrsverbindung in Zwettl kritisiert und sagt, es ist eine Challenge, nach Wien zu kommen, man muss über Gmünd fahren, dann glaube ich jetzt nicht, dass der Pendler im Waldviertel einen Maserati fährt.

Was wird der fahren? – Na ja, ein billiges Dieselauto, nehme ich an, und ihr trefft mit der vor­schnellen Abschaffung des Dieselprivilegs natürlich auch sehr viele Pendler im ländlichen


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Bereich, wo eben, wie Kollege Silvan richtigerweise gesagt hat, die öffentlichen Ver­kehrsmittel nicht gut ausgebaut sind und die Leute auf ihr Auto angewiesen sind.

Diese Leute, die Pendler, fahren großteils ein Dieselfahrzeug, und darin liegt natürlich schon ein Widerspruch, wenn man sich hierherstellt und die schlechte Bahnverbindung kritisiert, aber sagt, das Dieselprivileg gehört abgeschafft. – Das geht, lieber Rudi, irgend­wo nicht ganz zusammen, da die Pendler halt ebenfalls großteils Dieselfahrzeuge fahren. Da sollte man doch ein bisschen überlegen.

Ansonsten kann ich mich auch nur beim Vorsitzenden Michael Bernhard bedanken, er macht die Sache sehr gut. Er kommt mir schon ein bisschen ausgeraucht vor, er macht das ja schon acht Jahre, wie er selber sagt. – Nein, das kann man jetzt falsch verstehen. Er ist natürlich auch schon ein bisschen genervt, weil im Petitionsausschuss, wo er sicherlich gern hätte, dass mehr weitergeht, wenig weitergeht. Das war mit „ausgeraucht“ gemeint, also keine Beleidigung in dem Sinne. Und ich verstehe ihn auch, weil es nicht immer lustig ist, wenn man hier als Vorsitzender mehr will, sehr engagiert arbeitet und nichts zustande bringt.

Es liegt leider Gottes, aber die ÖVP steht dazu – ich bitte, das jetzt auch nicht falsch zu verstehen –, an der ÖVP, dass da sehr wenig weitergeht, dass alles immer schneller wird, alles immer schneller abgehandelt wird, aber ihr seid halt nicht die Partei der direkten Demokratie, der Bürgerbeteiligung. Das wart ihr noch nie, aber ihr steht auch dazu. Das ist halt in dem Sinne bei euch zwar ungewohnt, aber auch sehr ehrlich. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

20.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Nikolaus Prinz. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.17.00

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Nur ganz kurz zur Arbeitsweise im Petitionsausschuss, und das vor allem auch in Richtung jener Personen, die uns vielleicht zuschauen und die Hintergründe nicht kennen.

Wenn eine Petition eingebracht wird, eine Bürgerinitiative eingebracht wird, dann gibt es den Wunsch nach sehr vielen Stellungnahmen. Diese Stellungnahmen können von den Klubs angeschaut werden, können von den Abgeordneten angeschaut werden, dann bildet man sich sozusagen eine Meinung, wie man damit umgeht. Daraus ergibt sich dann eine Zustimmung, vielleicht eine Zuweisung an einen Ausschuss – was es angeb­lich ja auch gibt –, es gibt die Kenntnisnahme oder man muss vertagen, weil Stellung­nahmen noch nicht da sind. Es hätte aber keinen Sinn, dass man Bürgerinitiativen und Petitionen vielleicht fünf oder zehn Jahre lang transportiert (Abg. Lausch: Aber zuweisen kann man sie! Zuweisen!), da muss es Entscheidungen geben!

Wenn man an die letzte Sitzung denkt, dann kann man sagen, dass sich sozusagen alle Fraktionen, was die Dauer der Diskussion betrifft, eher zurückgehalten haben, und damit ist es relativ schnell gegangen.

Herr Kollege Laimer, ganz kurz: Wenn man von Neutralität spricht, ist, glaube ich, eines angebracht – das betreffend die Bürgerinitiative bezüglich der Anerkennung des Staates Palästina –: Neutralität heißt, dass man keine einseitigen Zugänge hat, weder auf die eine Seite noch auf die andere. Österreich hat sich immer für Verhandlungen ange­boten – in Österreich sind in den letzten Jahrzehnten schon viele Verhandlungen abge­halten worden, auch betreffend den Nahen Osten. Und etwas nüchtern gesagt – das ist meine zutiefst persönliche, private Meinung –: Wenn man sich die letzten zehn, 15 Jahre in dem Konflikt zwischen Israel und Palästina anschaut, sieht man, es haben beide Seiten Handlungsbedarf, dass man vielleicht an den Verhandlungstisch zurückkommt


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und sich gemeinsam an Lösungen, die dann auch für beide Seiten auf Dauer tragbar sind, annähert.

Noch kurz ein Satz zur Petition bezüglich der Sicherheitsmängel am Bahnhof Baum­gartenberg – möglicherweise wird Kollege Seemayer dann noch ein paar Sätze dazu sagen –, es wäre alles so dramatisch am Bahnhof Baumgartenberg. Baumgartenberg ist im Bezirk Perg der zweitgrößte Schulstandort, und wenn du, lieber Michael, das Verkehrskonzept kennen würdest, dann würdest du auch wissen, dass in Baum­gar­tenberg in Zusammenarbeit der Gemeinde, des Landes Oberösterreich und der ÖBB in Wirklichkeit in den letzten Jahren sehr viel geschehen ist, und zwar sowohl unter Bürger­meister Erwin Kastner als auch unter dem jetzigen Bürgermeister Gerhard Fornwagner.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es, wäre nicht am 26. September im heurigen Jahr eine Gemeinderatswahl und eine Landtagswahl angestanden, die Petition nicht gegeben hätte, weil betreffend die Vorgangsweise, wie man den Bahnhof in Baum­gartenberg noch besser gestaltet, eigentlich alles steht. Das wird nächstes Jahr ent­sprechend eingereicht und 2023 umgesetzt.

Die Baumgartenberger helfen ja zusammen, dafür sind sie bekannt, darum hat zum Bei­spiel auch das Europagymnasium bei den Endzeiten des Unterrichts der Klassen in der Schule darauf geschaut, dass man das ein bisschen in eine Ordnung bringt. Das ist eine gute Lösung, die wird umgesetzt.

Aber das ist einfach so – das gehört zur Politik dazu –, wenn man glaubt, man müsse etwas hochziehen, auch wenn es nichts genützt hat, nämlich politisch nichts genützt hat. Die ÖVP hat die Bürgermeisterwahl und die Gemeinderatswahl klar gewonnen, weil die Leute wissen, wer nachhaltig arbeitet. – In diesem Sinne: Einen schönen Abend! (Beifall bei der ÖVP.)

20.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Michael Seemayer ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.20.09

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Prinz, danke, dass du mich schon angekündigt hast und das Thema inhaltlich erläutert hast, das spart mir ein wenig Zeit. Was die Sicherheitsmängel am Bahnhof Baumgartenberg betrifft, so ist – ja – für 2023 angekündigt, dass diese Mängel beseitigt werden. Erledigt ist es immer erst dann, wenn die Baumaßnahmen auch wirklich abge­schlossen sind. Bis dahin besteht auch das gute Recht, mit der Petition darauf hinzu­weisen.

Es ist mir wichtig, heute zur Petition zu sagen: Der Bahnhof Baumgartenberg war auch im Verkehrsausschuss Thema, und man hätte diese Petition dem Verkehrsausschuss zuweisen können, man hätte sie nicht zur Kenntnis nehmen müssen. Das wäre nämlich genau das, was sich die Schülerinnen und Schüler und auch die Unterzeichner verdient hätten: dass man dem ein bisschen Gewicht gibt. Angesichts dessen, dass immer kritisiert worden ist, dass alles zur Kenntnis genommen wird oder vom Tisch gewischt wird, hätten wir mit einer Zuweisung an den Verkehrsausschuss ja eigentlich bei dieser Geschichte nichts Falsches gemacht. Das wäre durchaus drinnen gewesen.

Was mich besonders freut, ist, dass wir bei den Eingangsbesprechungen eine Petition zum Pflegebonus haben. Es geht dabei um den Pflegebonus für alle. Wir fordern diesen ja seit Längerem, und das mit gutem Recht, wie man sieht – der Pflegebonus ist bis jetzt nicht ausbezahlt. Die Kolleginnen und Kollegen haben sich das hart verdient. Erstens kriegen ihn nicht alle – das ist das Problem: dass es viele Menschen gibt, die im Kranken­transport arbeiten, oder auch Reinigungskräfte in den Krankenhäusern, die den Pflegebonus


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nicht bekommen sollen –, und die, die ihn kriegen sollen, haben ihn auch noch nicht. Daher hat, glaube ich, diese Petition auch weiterhin eine wichtige Aufgabe. Ich hoffe, dass man sie nicht einfach zur Kenntnis nimmt und sagt: Okay, ein bisschen etwas ist eh erledigt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Friedrich Ofenauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.22.21

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen im Hohen Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren Zuseher! Viele Petitionen und Bürgerinitiativen beschäftigen sich mit dem Thema Lärm, so auch die Petition, die ich eingebracht habe und die auch den Namen trägt: Stopp dem Lärm! Es geht um den Verkehrslärm im Bereich der Gemeinde Sankt Margarethen an der Sierning. Diese Gemeinde liegt zwischen Sankt Pölten und Melk in Niederösterreich an der A 1 und an der Güterzugumfahrung. Ziel dieser Petition sind die Messung und Be­kanntgabe der Lärmbelastung, ein gemeinsames Konzept zur Lärmreduktion durch die Asfinag und die ÖBB und die rasche Realisierung von Lärmschutzmaßnahmen.

Die Situation vor Ort ist so, dass die A 1 West-Autobahn seit 2003 dreispurig ausgebaut ist und im April 2019 durchschnittlich 75 271 Fahrzeuge pro Tag diesen Bereich der West-Autobahn passiert haben. Zusätzlich gibt es seit dem Jahr 2017, beziehungsweise 2018 mit der Inbetriebnahme, die Güterzugumfahrung, die in diesem Bereich verläuft, und dadurch kommt es natürlich auch zu einer Kumulationswirkung des Lärms. Die bestehenden Lärmschutzwände an der A 1 West-Autobahn sind mittlerweile 20 Jahre alt, aus Holz, schadhaft, und es ist eben die Frage, ob diese Lärmschutzwände noch dem Stand der Technik entsprechen, zum einen weil sie eben bereits schadhaft sind, teilweise sogar Löcher haben, zum anderen aber auch weil sich der durchschnittliche tägliche Verkehr massiv gesteigert hat. 2002 wurde noch ein durchschnittlicher täglicher Verkehr von über 52 000 Fahrzeugen zugrunde gelegt, im Jahr 2019 lag der durch­schnittliche tägliche Verkehr bereits bei über 71 000 Fahrzeugen.

Worauf die Stellungnahmen, die eingeholt wurden, leider nicht eingegangen sind, ist die Frage, ob bei der Prognose, bei der Planung im Jahr 2002 der damals aktuelle Verkehr zugrunde gelegt wurde oder eine Verkehrsprognose gemacht wurde. Wenn keine Ver­kehrsprognose gemacht wurde, dann wäre sozusagen schon beim Bau eine veraltete Lärmschutzwand errichtet worden. Zum anderen gibt es im Bereich zwischen Eigendorf und Kainratsdorf keine Lärmschutzwand und eine Lücke, was natürlich für die Lärm­entwicklung auch entsprechend problematisch ist.

Im Rahmen der Behandlung im Ausschuss wurden mehrere Stellungnahmen eingeholt. Vonseiten der ÖBB wurde die Auskunft erteilt, dass alle Maßnahmen im Zusammenhang mit der Errichtung und Inbetriebnahme der Güterzugumfahrung getroffen wurden, dass auch die Lärmgrenzwerte eingehalten würden und überdies ab dem Jahr 2024 nur mehr leisere Züge eingesetzt würden.

Frau Bundesministerin Gewessler hat mitgeteilt, dass die Schäden an der Holzlärm­schutzwand an der A 1 bereits behoben seien. Ich habe mich da allerdings vor Ort erkundigt und die Information erhalten, dass dem offensichtlich nicht so ist. Das heißt, auch das wäre vielleicht vonseiten der Asfinag noch zu überprüfen, genauso wie ich grundsätzlich anrege, bei der Asfinag zu überprüfen, ob diese Lärmschutzwand einer­seits hinsichtlich der Ausgestaltung, andererseits hinsichtlich des aktuellen durch­schnitt­lichen täglichen Verkehrs noch dem Stand der Technik entspricht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

20.25



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 211

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Mag.a Dr.in Maria Theresia Niss. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.26.02

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Der gestrige Tag, an dem im Ministerrat das Budget beschlossen wurde, war ein guter Tag, und zwar nicht nur weil es ein nachhaltiges, weil es ein stabiles Budget ist, sondern vor allem weil im Rahmen dessen auch die Verlängerung der Nationalstiftung beschlossen wurde, und zwar bis 2025 und in einem jährlichen Umfang von 140 Millionen Euro.

Jetzt werden sich viele fragen: Was ist eigentlich die Nationalstiftung? – Die Natio­nalstiftung ist eine gemeinnützige Stiftung, deren Stiftungsvermögen ausschließlich für die Spitzenforschung – im Rahmen der Grundlagenforschung, aber auch der angewand­ten Forschung – verwendet wird und die dafür sorgen soll, dass wir eine disruptive Forschung ermöglichen können, dass wir die Technologieführerschaft in vielen Bereichen wie beispielsweise in der Halbleiterindustrie ausbauen, aber dass wir vor allem auch den Wissenstransfer ermöglichen.

Meine Damen und Herren, ein Beispiel dafür sind die Christian-Doppler-Labore. Ich möchte da beispielsweise die Voest erwähnen. Meine Damen und Herren, die Voest ist ein österreichisches Unternehmen, das besonders wettbewerbsfähig ist, und das wäre es nicht, wenn es nicht die Christian-Doppler-Labore und den Wissenstransfer gäbe. Es gab dort 300 Labore, und dort wurde der Stahl so nachhaltig weiterentwickelt, dass er nicht nur international wettbewerbsfähig ist, sondern dass er vor allem auch der umwelt­freundlichste Stahl weltweit ist.

Sie sehen, ich freue mich ganz besonders. Es waren intensive Bemühungen, die wir da unternommen haben. Ich möchte mich auch bei den zuständigen Forschungs­minis­terien, vor allem dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, bedanken, die aktiv daran mitgewirkt haben, dass wir das umsetzen können (Beifall bei ÖVP und Grünen) und damit auch die Petition übererfüllen konnten.

Meine Damen und Herren, warum mich das so besonders freut, ist, weil das Mittel sind, die zusätzlich zu vielen Forschungsmitteln, die wir im Budget noch dazubekommen haben, zur Verfügung stehen. Das sind über 300 Millionen Euro im Rahmen der Wissen­schaft und Grundlagenforschung in den nächsten vier Jahren, aber auch 400 Millionen Euro beispielsweise im Bereich Wasserstoff, in der Mikroelektronik, in der angewandten Forschung. Wir stellen damit sicher, dass Österreich aktiv an der digitalen, aber auch an der ökologischen Transformation teilnehmen kann – und das ist gut, wichtig und nach­haltig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meine Damen und Herren, wir entlasten mit diesem Budget nicht nur die Menschen, wir arbeiten nicht nur daran, dass wir den Wirtschaftsstandort weiterhin nachhaltig wettbe­werbsfähig halten – ich nenne hier nur die ökosoziale Steuerreform –, sondern wir sorgen damit auch dafür, dass der Forschungsstandort nachhaltig gesichert wird, und das ist zukunftsträchtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das ist auch das, was ich mir von einer zukunftsgewandten Bundesregierung erwarte. Lassen Sie mich daher feststellen, meine Damen und Herren: Zukunftsgerichtete Politik war immer im Hauptaugenmerk der Regierung in den vergangenen Jahren, sie ist es jetzt, und sie wird es auch in Zukunft unter einer Regierung der jetzigen Koalition sein, die vor allem daran arbeitet, dass sie das Regierungsprogramm Punkt für Punkt abarbeitet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.29

20.29.35



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 212

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin, Frau Mag.a Fischer, ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, frage ich die Klubs, ob eine Unter­brechung gewünscht ist. – Es ist keine Unterbrechung gewünscht.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 1094 der Beilagen hinsichtlich der Petitionen Nr. 7, 40, 46 und 47, 56 und 59 sowie der Bürgerinitiativen Nr. 3 und 35 zur Kenntnis zu neh­men.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

20.30.2115. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes be­treffend Nationaler Aktionsplan Ernährung – Reihe BUND 2018/56 (III-13/1045 d.B.)

16. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Ausgewählte Steuerungsbereiche in der Krankenversicherung; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/64 (III-16/1050 d.B.)

17. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend psychosoziale Angebote in den Ländern Salzburg und Steiermark – Reihe BUND 2019/9 (III-25/1053 d.B.)

18. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend IT-Projekt ZEPTA – Reihe BUND 2018/54 (III-12/1055 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend IT-Projekt ZEPTA der Pensionsversicherungsanstalt und nachfolgen­des Standardprodukt ePV; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2021/9 (III-250/1056 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 15 bis 19 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde wiederum verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Andreas Kühberger. – Bitte, Herr Abge­ordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 213

20.30.47

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Rech­nungs­hofpräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Gott sei Dank haben wir in Österreich die Möglichkeit, dass wir jederzeit eine Vielzahl an gesunden und hochwertigen Lebensmitteln zur Verfügung haben. Diese Versorgungssicherheit, meine Damen und Herren, ist nicht selbstverständlich. Erlauben Sie mir, dass ich an dieser Stelle auf diesem Wege den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der gesamten Lebensmittelkette, aber vor allem auch unseren Bäuerinnen und Bauern für die hochwertigen Lebensmittel, die sie hier in Österreich produzieren, welche auch sehr gesund sind – und ich habe als Zeichen heute auch einen steirischen Apfel mit (einen Apfel in die Höhe haltend) –, für diese nachhaltige Produktion danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Trotz dieser vielen gesunden Lebensmittel, die wir hier in Österreich produzieren, sind bei unserer Bevölkerung doch immer wieder Übergewicht und Adipositas ein Thema. Meine Damen und Herren, die WHO hat auch festgestellt, dass sich diese Krankheit – denn Übergewicht ist eigentlich die Grundlage für viele schwere Krankheiten – hier in Österreich, aber auch in den anderen westlichen Staaten stark verbreitet. Darum hat die WHO gemeinsam mit der EU nationale Aktionspläne zur Ernährung ins Leben gerufen, und heute liegt uns ein Bericht des Rechnungshofes betreffend den österreichischen Aktionsplan Ernährung, den der Rechnungshof für die Jahre 2011 bis 2016 überprüft hat, vor.

Alles in allem stellte der Rechnungshof fest, dass die Auswirkungen dieses Ernäh­rungs­planes für die Österreicherinnen und Österreicher gut sind, dass sich da auch vieles zum Besseren gewandt hat. Es hat aber natürlich auch einige Kritikpunkte gegeben, so zum Beispiel, dass inhaltliche Ziele zu allgemein formuliert wurden. Auch messbare Indikato­ren für die Zielerreichung fehlten. Es waren aber auch viele Projekte dabei, die sehr positiv bewertet wurden, so zum Beispiel „Richtig essen von Anfang an“ oder „Ernährung im Alter“.

Ich möchte heute ein besonderes Projekt erwähnen, und zwar Unser Schulbuffet, das gesunde Schulbuffet. Warum möchte ich das heute hier erwähnen? – Weil wir auch in unserer Mittelschule in meiner Heimatgemeinde, in Mautern in der Obersteiermark, ein Schulbuffet haben. Dieses Projekt war sehr erfolgreich. Was ist da geschehen? – Man hat Kindern und Jugendlichen gesunde Lebensmittel schmackhaft gemacht, und das ist wirklich ein Erfolg, meine Damen und Herren. Auch die Wertschöpfung hat sich erhöht, weil diese gesunden Lebensmittel bei uns zu Hause aus dem regionalen Kreise kom­men. (Beifall bei der ÖVP.) Wenn das in meiner Heimatgemeinde Mautern im Kleinen möglich ist, dann – und das ist auch eine Empfehlung des Rechnungshofes – ist es auch im Größeren in ganz Österreich möglich.

Eine Empfehlung ist auch, dass wir den Kindern und Jugendlichen in der Schule etwas über gesunde Ernährung und über gesunde Lebensmittel vermitteln. Und auch wir, meine Damen und Herren, können ein Vorbild für unsere Jugend sein, indem wir, so wie ich heute – ich habe einen steirischen Apfel mitgenommen (neuerlich den Apfel in die Höhe haltend) –, zu gesunden Lebensmitteln greifen. Wir sind in der Steiermark gerade mitten in der Apfelernte, ungefähr zwei Drittel sind schon eingebracht, ein Drittel muss noch geerntet werden. Heuer sind es frostbedingt um ein Drittel weniger Äpfel, auch unsere Bäuerinnen und Bauern bekommen die Klimaveränderung zu spüren, aber ich kann Sie beruhigen, die Versorgungssicherheit ist gegeben. Die Versorgungssicherheit kann aber nur gegeben sein, wenn wir auch in Zukunft zu heimischen Lebensmitteln greifen. Das bedeutet, dass wir, wenn wir in ein Geschäft gehen oder wenn wir ein Gasthaus besuchen, Vorbilder für unsere Kinder und Jugendlichen sein müssen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 214

In diesem Sinne Danke – und ich lasse mir jetzt den steirischen aromatischen Golden Delicious schmecken. – Danke. (Abg. Kühberger beißt in den mitgebrachten Apfel. – Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag. Karin Greiner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.35.34

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Mahlzeit, Herr Kollege, ein herzhafter Biss in den Apfel zu später Stunde, so soll es sein! Ich beziehe mich auch kurz auf den Nationalen Aktionsplan Ernährung. Was genau hat der Rechnungshof über­prüft? – Er hat die Ziele, die Inhalte, die Umsetzung und auch die Finanzierung der Projekte überprüft.

Was kann man aus dieser Überprüfung ableiten? – Man kann ableiten, dass – und das ist nicht der erste Bericht, sondern das ist auch bei den letzten Berichten oftmals der Fall gewesen – die Datenlage problematisch ist. Warum? – Die Datenlage ist deshalb problematisch, weil sie unvollständig und unspezifisch ist.

Woher werden Daten in dem Fall eigentlich generiert? – Zum Beispiel von Schulärz­tinnen und Schulärzten, die ja an den Schulen die Untersuchungen der Kinder durch­führen. Sie haben fundierte Daten über den Gesundheitszustand der Kinder, und es wäre natürlich nützlich, könnte man auf diese Daten zugreifen – kann man aber nicht. Warum? – Man hat zwar das Gesetz novelliert, aber die entsprechende Verordnung ist nicht richtig ausformuliert. Das haben wir mit dem Herrn Bundesminister für Gesundheit diskutiert und ihn ersucht, das doch so schnell wie möglich zu bereinigen. Ich hoffe, er macht das, damit man dann auf den Grundsteinen, die mein Kollege Stöger zu dieser Thematik schon gelegt hat, erfolgreich weiter aufbauen kann.

Welche Probleme zeigen die Daten noch auf? Wir wissen es alle, der Kollege hat es vorhin kurz angesprochen, Expertinnen und Experten bis hin zur WHO bestätigen es: Die Fälle von Adipositas, Übergewicht, Fehlernährung nehmen pandemieartig zu. Daher wäre es natürlich wichtig für die Mitgliedstaaten – die ja angehalten sind, Pläne zu erarbeiten, wie man das vermeiden kann –, gutes Datenmaterial zu haben. Man müsste zum Beispiel wirklich wissen, was Adipositas verursacht. Ist es die falsche Ernährung oder ist es zu wenig Bewegung? Daher verweise ich nochmals auf die Schulärzte, die da wirklich wertvolle Daten beisteuern könnten.

Der letzte Aktionsplan wurde 2013 vorgelegt, wir warten wirklich mit Interesse und Spannung auf den neuen. Er ist wichtig, damit man die Maßnahmen ableiten kann.

Was erwarten wir uns vom Gesundheitsminister? – Dass er erstens die Verordnung schnellstmöglich repariert, damit Daten auch entsprechend weitergeleitet werden kön­nen, und dass er wirklich alle Beteiligten dazu anhält, konstruktiv zu kooperieren. Mit allen Beteiligten meine ich Bund, Länder, Gemeinden, damit meine ich natürlich die Politik, damit meine ich aber auch die ÖGK, die Ages und alle anderen Expertinnen und Experten, die da gutes Datenmaterial zur Verfügung stellen können – mit dem Ziel, und das muss unser aller Ziel sein, dass man präzise Maßnahmen ableiten kann, um die Gesundheitsförderung auch wirklich breit wirken lassen zu können. Viele Einzelmaß­nahmen reichen nicht, eine wirkliche Gesundheitsförderung, die breit wirksam ist, sollte das Ziel sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 215

20.38.54

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Auch ich beziehe mich auf Tagesordnungspunkt 15, auf den Bericht des Rechnungshofes zum Nationalen Aktionsplan Ernährung. Das, was der Rechnungshof in seinem Beobachtungszeitraum von 2011 bis 2016 festgestellt hat, zeichnet eigentlich ein erschütterndes Bild, wenn Sie mich fragen. Es zeigt, dass ein sehr ernstes Thema sehr stiefmütterlich behandelt wurde und dass Alibiziele formuliert wurden, die in keiner Weise dazu geeignet waren, den tatsächlichen Gesundheits­zu­stand der österreichischen Bevölkerung und auch den tatsächlichen Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung zu messen und einen Erfolg der getroffenen Maßnah­men festzustellen.

Der Nationale Aktionsplan Gesundheit sollte ja eigentlich – eine Zieldefinition – eine Re­duktion der Fälle von Fehl-, Mangel- oder auch Überernährung bewirken und vor allem diesen Trend zu Übergewicht und Adipositas stoppen.

So hat sich nicht nur der Rechnungshof, sondern auch ich mir die Frage gestellt, wie man das mit drei Zielgrößen, nämlich dem Pro-Kopf-Verbrauch von Obst, dem Pro-Kopf-Verbrauch von Gemüse und dem Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker, feststellen soll. Das ist eine sehr, sehr indirekte Messgröße, ich würde es wagen, zu behaupten, eine völlig ungeeignete Messgröße. Dabei gibt es diese Messgrößen in der Medizin ja durchaus. Ich würde sagen, Körpergewicht, Body-Mass-Index und Bauchumfang wären sehr gut geeignet, um den Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung festzustellen. Und wenn man das Ganze in der Datenerfassung dann auch noch mit tatsächlichen ernährungsbedingten Erkrankungen kombinieren würde – Bluthochdruck, Hypercholes­terinämie, Diabetes natürlich und Ähnliches –, so wie der Rechnungshof das angeregt hat, dann hätten wir da doch eine Aussagekraft und valide Daten, an denen wir den Erfolg von Maßnahmen beurteilen könnten.

Die drei Projekte, die im Beobachtungszeitraum durchgeführt worden sind und für die im Durchschnitt gut eine halbe Million Euro pro Jahr ausgegeben wurde, sind alle sehr gut, das haben meine Vorredner auch schon gesagt, aber ob sie tatsächlich etwas gebracht haben, ob sie effizient waren, das steht in den Sternen und ist zu bezweifeln.

Wer glaubt, dass nach dem Beobachtungszeitraum, der geprüft wurde, der Nationale Aktionsplan Ernährung verbessert wurde, den muss ich leider enttäuschen. Auch der bis heute noch gültige Aktionsplan Ernährung sieht keinerlei Verbesserungen in den Steu­erungsgrößen oder auch bei den getroffenen Maßnahmen vor.

Wir haben im Rechnungshofausschuss den Herrn Bundesminister für Gesundheit auch gefragt, wie seine Pläne aussehen, welche neuen Ziele er denn für den nächsten Aktionsplan Ernährung, der ja schon überfällig ist, definieren möchte, aber er hat uns leider Gottes keine Antwort darauf geben können, er hat leider Gottes noch keinen Plan.

Dass das Ganze aber in der Realität eine drastische Entwicklung ist, das kann ich Ihnen anhand von einem Beispiel verdeutlichen: Wir haben in den vergangenen Jahren bis 2019 einen sukzessiven, aber langsamen Anstieg bei Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen gehabt. Im Sommer 2019 waren ungefähr 20 Prozent der österreichischen Kinder und Jugendlichen übergewichtig oder adipös.

In dem einen Jahr, von 2020 auf 2021, ist die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen um weitere 5 Prozentpunkte auf 25 Prozent gesprungen, also von 20 auf 25 Prozent Prävalenz innerhalb von nur einem Jahr – und das war das erste Coronajahr. Das war das Jahr, in dem die Kinder und Jugendlichen im Distance­learning waren, Sportunterricht und Vereinstätigkeit – auch darüber hinaus – nicht statt­gefunden haben, die Vereine überhaupt zugesperrt waren, und jetzt in weiterer Folge


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sind wir auch damit konfrontiert, dass es Eintrittsregelungen gibt, wie 1- oder 2G-Rege­lungen, in Sportstätten, in Indoorsportstätten, aber selbst für Jahresskikarten braucht man mittlerweile einen 1G-Nachweis.

Das heißt, es werden jetzt aktiv unzählige Maßnahmen gesetzt, die unsere Kinder und Jugendlichen auch weiter von Bewegung und Sport abhalten, und das wird man mit Ernährung nicht kompensieren können, meine sehr geehrten Damen und Herren, son­dern da haben wir eine veritable Krise, wo wir sofort und rasch Maßnahmen auf allen Ebenen brauchen und wo wir natürlich auch entsprechendes Datenmaterial brauchen.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesunde Ernährung, Sport und Bewegung fördern“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz werden aufgefordert, schnellstmöglich zielführende Kampagnen und sinnvolle Initiativen zu entwickeln, um eine Trendumkehr der steigenden Über­gewichts- und Adipositaszahlen in Österreich zu erreichen und die Gesundheit der Österreicher zu verbessern.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

20.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Petra Steger

und weiterer Abgeordneter

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 15.): Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Nationaler Aktionsplan Ernährung –Reihe BUND 2018/56 (III-13/1045d.B.)  in der 127. Sitzung, XXVII GP., am 14. Oktober 2021

betreffend gesunde Ernährung, Sport und Bewegung fördern

Das oberste Ziel des Nationalen Aktionsplans Ernährung ist die Verringerung von Fehl-, Über- und Mangelernährung sowie eine Trendumkehr der steigenden Übergewichts- und Adipositaszahlen in Österreich zu erreichen.

Der Rechnungshof kritisierte in seinem Bericht zum Nationalen Aktionsplan Ernährung die vorgegebenen Zielsetzungen – weniger Fett, Salz und Zucker, mehr komplexe Kohlehydrate und Ballaststoffe, sowie eine Optimierung der Fettqualität und der Flüs­sigkeitszufuhr für die Österreicherinnen und Österreicher – als zu allgemein. Er empfahl unter anderem: „Daten zur Bewertung eines möglichen Zusammenhangs zwischen Ernährung und Erkrankungen wären aufzubauen und laufend zu aktualisieren. Aus den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 217

Auswertungen könnten weitere Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung bzw. Erhaltung der Gesundheit der Bevölkerung erarbeitet und abgeleitet werden.“ 1

Anstatt sich der Kritik des Rechnungshofes anzuschließen und Gegenmaßnahmen zur ungesunden Lebensweise vieler Österreicher zu erarbeiten, kamen seitens der Bundes­regierung keinerlei positive Anreize in den Bereichen Gesundheit und Sport. Ganz im Gegenteil – aufgrund der Coronasituation verordnete der zuständige Minister diverse Lockdowns, Ausgangsbeschränkungen und Betretungsverbote für Sportstätten. Anstatt Bewegung im Freien zu fördern und dadurch die Gesundheit zu fördern, wurden die Österreicher durch undurchdachte Gesetzesbeschlüsse immer mehr in ihre eigenen vier Wände gezwungen.

In der Beantwortung einer schriftlichen Anfrage schrieb der Sportminister: „Eine inaktive Lebensführung frei von Sport und Bewegung stellt ein erhöhtes Gesundheitsrisiko dar. Ein zentrales Ziel ist es daher, die Anzahl der Menschen zu erhöhen, die regelmäßig Sport betreiben. […] Diese Herausforderung gilt es, für alle Altersgruppen und nicht zuletzt für besonders inaktive Bevölkerungsgruppen durch gezielte Förderungen im Bereich des Gesundheits- , Schul- und Breitensports anzupacken.“

Laut den Österreichischen Bewegungsempfehlungen2 sollten Erwachsene mindestens 150 Minuten (2 ½ Stunden) pro Woche Bewegung mit mittlerer Intensität oder 75 Minuten (1 ¼ Stunden) mit höherer Intensität durchführen – oder eine Kombination von beidem. An zwei oder mehr Tagen der Woche sollten muskelkräftigende Bewegung mit mittlerer oder höherer Intensität durchgeführt werden, bei denen alle großen Muskel­gruppen beansprucht werden. Die Realität sieht leider so aus, dass, laut österreichischer Gesundheitsbefragung 2019, nur ca. ein Viertel der Österreicher die Kriterien erfüllen, also viel zu wenig für ihre Ausdauer und Muskelstärkung machen.

Die Politik ist dafür verantwortlich, Bedingungen zu schaffen, die ein aktives und ge­sundes Leben fördern und erleichtern. Es muss klar sein, dass die Möglichkeiten gesunder Bewegung, ausgewogener Ernährung und die Trendumkehr hin zu mehr Sport im Kinder- und Jugendalter als Notwendigkeiten begriffen werden und nicht als Luxus oder sogar als Gnadenrecht abgetan werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz werden aufgefordert, schnellstmöglich zielführende Kampagnen und sinnvolle Initiativen zu entwickeln, um eine Trendumkehr der steigenden Über­gewichts- und Adipositaszahlen in Österreich zu erreichen und die Gesundheit der Öster­reicher zu verbessern.“

1 https://rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Nationaler_Aktionsplan_Ernaehrung.pdf

2https://www.gesundheit.gv.at/leben/bewegung/gesund-durch-sport/inhalt

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag.a Ulrike Fischer. – Bitte, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 218

20.43.45

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist wichtig, was wir essen, es ist wichtig, wie viel wir essen, und es ist natürlich wichtig, dass wir unseren Kindern ein Vorbild sind.

Ich habe mich heute 1 Stunde in die Kantine gestellt und habe vom runden Tisch aus geschaut, was so konsumiert wird. Ich habe festgestellt: Je später der Abend wird, desto ungesünder ernähren wir uns, desto hastiger essen wir und desto mehr Zucker brauchen wir, und ich glaube, da müssen wir ansetzen.

Wir Erwachsene müssen unseren Kindern ein Vorbild sein, und ich glaube, es ist ganz wichtig, dass die Bewusstseinsbildung auch von uns Politikerinnen und Politikern aus­geht. Wenn wir uns nachhaltig, biologisch, saisonal und öfter auch vegetarisch oder vegan ernähren, dann kann es funktionieren. Auf unser aller Handeln kommt es an – und nicht nur heute, wenn wir über den Aktionsplan sprechen, sondern 365 Tage im Jahr!

Unser Gesundheitsministerium hat sich den Rechnungshofbericht genau angeschaut, und ja, es wird auch für das nächste Jahr konkrete Maßnahmen geben. Ich möchte zum Beispiel den Klimateller ansprechen. Der Klimateller wird in der öffentlichen Beschaffung genau das bringen, was Sie heute hier verlangen: mehr regional, mehr saisonal, mehr biologisch – das geht schrittweise nach oben. Natürlich sind die Länder und Gemeinden auch gefordert. Wir müssen das gemeinsam schaffen, aber es geht um viel: Es geht um unsere Gesundheit! Und wer sich gesund ernährt, ist schon den ersten Schritt in Rich­tung Gesundheit unterwegs.

Wo wir natürlich ansetzen müssen, sind die Schulbuffets, denn unsere Schülerinnen und Schüler können sich oft nicht aussuchen, was sie in der Früh zum Essen bekommen. In der Schule aber können wir es steuern. Der nächste Schritt sind natürlich die schul­ärztlichen Untersuchungen, da braucht es zwischen den Ministerien einen besseren Austausch.

Der Bericht zeigt deutlich, dass es wirksame Maßnahmen gibt, wo wir ansetzen können, und ich hoffe, dass wir das alle gemeinsam in den nächsten Jahren schaffen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Mag.a Ruth Becher. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.46.30

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungs­hofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beziehe mich in meiner Rede auf den Bericht des Rechnungshofes betreffend Ausgewählte Steuerungsbereiche in der Krankenversicherung – Reihe Bund 2018/64. Das ist eine Follow-up-Überprüfung, und dieser Bericht hat für mich doch besondere Aktualität, ich beziehe mich hier auf die Krankenversicherungen.

Aktuell sind wir – nicht nur wegen Corona – auf eine sehr effiziente Krankenkasse angewiesen, und der aktuelle Anlass ist auch die von Grünen und ÖVP geplante Senkung der Krankenkassenbeiträge im Zuge der Steuerreform. Die Österreichische Gesundheitskasse rechnet mit einem Einnahmenentfall von 850 Millionen Euro, und da kam natürlich auch sofort die berechtigte Kritik der Krankenkasse.

Auf den ersten Blick sinken zwar die Beiträge der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber und es bleiben mehr Euro im Geldbörsel, aber die Kehrseite ist, der Krankenkasse fehlen auch sichere Einnahmen. Wenn auch die Differenz aus dem Budget bedeckt wird, so hat


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diese Sache doch einen Haken, denn sobald ein Sparpaket droht, wird auch da an­gesetzt, und Gesundheitsleistungen stehen auf dem Spiel und eventuell drohen höhere Selbstbehalte.

Aber nun zum Bericht selbst: Überprüft wurde die Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes auf verschiedenen Ebenen der Wiener Gebietskrankenkasse und der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse. Demnach wurden fast alle Empfehlungen mehrheitlich umgesetzt, einige nur teilweise.

Im Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz – so damals der Name – gab es bis 2018 doch auch ausständige Umsetzungen. Ein Beispiel ist, dass das Ministerium bei der Erstellung eines Erlasses, um eine bessere Kontrolle der Wirtschaftlichkeit von Beschaffungen zu erreichen, säumig war.

Die Kosten der Beschaffung von Heilbehelfen sind im langjährigen Vergleich doch stärker gestiegen, konkret: in den Jahren 2009 auf 2013 jährlich um 1,4 Prozent, in den Jahren 2014 bis 2016 um einen noch höheren Wert, nämlich jährlich um 4,1 Prozent. Daher empfiehlt der Rechnungshof auch dringend, bei der Beschaffung staatsüber­greifende Ausschreibungen zu ermöglichen.

Zusammengefasst muss man sagen: In Zeiten, in denen die Finanzierung des Gesund­heitssystems doch auf wackeligen Beinen steht, müssen Einsparungsmöglichkeiten im Bereich des Gesundheitsministeriums viel stärker genutzt werden. In jüngster Vergan­genheit war dem nicht so, aber vielleicht wird das dem neuen Gesundheitsminister ge­meinsam mit dem Rechnungshof besser gelingen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Vorerst letzter Redner in dieser Debatte ist Mag. Felix Eypeltauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.50.02

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Präsidentin! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! (Der Redner stellt einen Laptop auf das Rednerpult.) Ich sage es gleich vorweg, das ist kein Gag oder irgendetwas, das ist mein Laptop. Die Drucker funktionieren nicht, deshalb muss ich meine Rede von Word ablesen beziehungsweise halten. – So viel vorweg. (Heiterkeit und Beifall bei NEOS und Grünen.)

Das besonders Schöne ist, dass das meine letzte Rede hier im Hohen Haus als Abge­ordneter zum Nationalrat ist und ich wieder etwas Neues ausprobieren darf. Das ist aber nicht das einzige Neue, das ich dieser Tage ausprobieren darf: Ich habe die Ehre, am 23. Oktober als Klubobmann der NEOS im Oberösterreichischen Landtag angelobt zu werden, deshalb darf ich mich hier und heute verabschieden. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Woohoo!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich auch besonders, dass ich meine letzte Rede hier im Nationalrat zu einem Rechnungshofthema halten darf, weil ich immer schon – das ist sozusagen auch meiner Historie geschuldet, ich habe als Kontroll­aus­schussvorsitzender in Linz begonnen – sehr viel Wertschätzung und ein Auge für die Arbeit der unabhängigen Kontrolleinrichtungen hatte und diese immer schon hoch ge­schätzt habe. Besonders geschätzt habe ich nicht nur, aber auch, die Zusammenarbeit mit Ihnen, Frau Präsidentin, im Ausschuss, für die ich mich hier auch herzlich bedanken möchte.

Frau Präsidentin, was ich an Ihrer Arbeit und an der Arbeit des Rechnungshofes be­sonders hervorheben möchte, ist die gelebte Unabhängigkeit, die Sie bewiesen haben, zum Beispiel mit Ihrem Vorstoß zum Thema Parteienfinanzierung. (Beifall bei den NEOS


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 220

und bei Abgeordneten der Grünen.) Da haben Sie bei uns NEOS natürlich offene Türen eingerannt, wenn man so will. Sie haben angekündigt, dass der Rechnungshof da einen Gesetzesvorschlag machen wird. Da haben Sie völlig recht. Das haben auch wir gesagt, das hat auch der Vorsitzende des Rechnungshofausschusses Douglas Hoyos gesagt, weil ja alles, das in Ibiza feuchtfröhlich besprochen worden ist, nach wie vor möglich ist. Das ist natürlich ein unhaltbarer Zustand und ich hoffe sehr, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kolle­gen, daraus endlich die Konsequenzen ziehen und entsprechende gesetzliche Regelun­gen treffen. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Maurer und Stögmüller.)

Dieser Mut zur gelebten Unabhängigkeit, Frau Präsidentin Kraker, ist lebenswichtig für unsere Demokratie. Es ist lebenswichtig für unsere Demokratie, dass Sie diesen Mut haben, dass alle Landesrechnungshöfe diesen Mut haben, dass die Kontrollämter die­sen Mut haben. Das haben wir – und das muss ich in dem Zusammenhang einfach sagen – in den letzten Tagen anhand der Causa prima, die uns alle, ganz Österreich, so erschüttert und beschäftigt hat, gesehen. Das sehen wir auch bei den Staats­anwalt­schaften, bei der WKStA und bei den Gerichten. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Stögmüller.)

Wir müssen, und das ist ein Appell, natürlich aus Ibiza lernen, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen auch aus dieser Causa, aus dieser Inseratenaffäre – wie immer Sie sie nennen wollen – lernen und die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Solange in Österreich Kanzler und Ministerinnen und Minister jährlich weit über 200 Mil­lionen Euro an Werbegeldern in den Medienmarkt pumpen können, so lange haben wir nichts gelernt. Wir müssen das dringend verbessern, weil das unsere Demokratie ganz einfach braucht. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Stögmüller.)

Wir NEOS haben in den letzten Tagen die Hand ausgestreckt und werden das natürlich weiterhin tun, weil Transparenz, Anstand und Aufklärung einfach in unserer DNA drinnen sind. Dafür und für eine funktionierende Demokratie werden wir kämpfen, egal, wo wir sind: in den Landtagen, in den Gemeinderäten und natürlich auch hier im Nationalrat – das weiß ich.

Es geht darum, unser Land besser zu machen, und ich glaube daran, dass das möglich ist. Ich glaube daran, dass unser Land, dass Österreich besser sein kann, dass Politik besser sein kann, ehrlicher sein kann, authentischer sein kann, aufrichtiger sein kann und nicht zuletzt auch menschlicher sein kann. Und wissen Sie, was mir da Hoffnung gibt? – Mir gibt Hoffnung, dass ich in diesem Haus von jeder Fraktion Politikerinnen und Politiker kennenlernen durfte, die diese Menschlichkeit, die diesen Anstand, diese Sachlichkeit und diesen Charakter haben, in den ich so viel Hoffnung setze. Ich bin ein Liberaler, und als Liberaler habe ich ein realistisches Menschenbild, das lautet: Der Mensch ist im Grunde gut und er kann lernen, er kann besser werden und er kann sich selbst erkennen. (Beifall bei den NEOS.)

Das ist unsere Aufgabe als PolitikerInnen gerade in der Zeit des Umbruchs, in der wir uns am Beginn des 21. Jahrhunderts befinden, wo viel Altes langsam, aber vielleicht auch nicht gleich vergeht und viel Neues entsteht, das wir aber noch nicht sehen. Das ist Ihre Aufgabe als Abgeordnete im Hohen Haus, bei der ich Ihnen in Zukunft ganz viel Mut, Entschlossenheit und Klarsicht wünsche, und das wird auch meine Aufgabe im Oberösterreichischen Landtag sein. Ich darf mich verabschieden mit einem: Pfiat eich! (Allgemeiner Beifall sowie lang anhaltender, stehend dargebrachter Beifall und Bravo­rufe bei den NEOS.)

20.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit und wünschen Ihnen für Ihre persönliche Zukunft, für Ihre Tätigkeit in Ihrem Heimatbundesland alles erdenklich Gute!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 221

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Rechnungshofausschusses und fahre in der Erledigung der Tages­ordnung fort.

20.55.5020. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Arzneimittelbeschaffung für ausgewählte Krankenanstalten in Salzburg und Tirol – Reihe BUND 2019/44 (III-60/1044 d.B.)

21. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Invaliditätspension Neu; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2020/31 (III-178/1046 d.B.)

22. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich – Reihe BUND 2021/30 (III-396/1047 d.B.)

23. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes be­treffend Geburtshilfe-Versorgung in Niederösterreich und Wien – Reihe BUND 2021/2 (III-221/1048 d.B.)

24. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Psychiatrische Versorgung in Krankenanstalten in Kärnten und Tirol – Reihe BUND 2018/57 (III-14/1049 d.B.)

25. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Rolle des Bundes in der österreichischen Krankenanstaltenplanung; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/65 (III-17/1051 d.B.)

26. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes be­treffend Interne Revision und Kontrollversammlung bei den Sozialversiche­rungsträgern SVA und VAEB – Reihe BUND 2019/2 (III-19/1052 d.B.)


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27. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend System der Finanzzielsteuerung im Gesundheitswesen – Reihe BUND 2019/47 (III-72/1054 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 20 bis 27 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Werner Saxinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.56.12

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte Felix auch alles Gute wünschen, wir werden uns sicher wieder einmal sehen!

Herr Doktor, ich habe keinen Hausarzt, meiner ist in Pension gegangen, und ein Nach­folger ist noch nicht gefunden worden! – Das höre ich immer wieder, wenn ich zu Pa­tienten nach einer Operation sage: Bitte gehen Sie zur Nahtentfernung zum praktischen Arzt!

Wie schaut denn eigentlich die ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich aus? Das ist einer der Kernbereiche in der Gesundheitsversorgung, und ich möchte mich an dieser Stelle einmal bei allen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten bedanken, die auch in der Krise die Stellung gehalten haben, die dazu beigetragen haben, dass alles funk­tioniert, und die für die Impferfolge mitverantwortlich sind. – Danke den niederge­lassenen Ärztinnen und Ärzten! (Beifall bei der ÖVP.)

Was hat sich der Rechnungshof angesehen? – Der Rechnungshof hat die Jahre 2013 bis 2019 hergenommen und hat sich angesehen, wie es mit der Entwicklung der Ärztedichte, mit den Stellenbesetzungen, mit den Nachbesetzungen und mit den Vergü­tungen ausschaut. Vorweg gesagt: Wir haben Versorgungslücken, aber bei Weitem keinen Versorgungsnotstand.

Was ist zur Ärztedichte zu sagen? – Die ist regional ganz unterschiedlich: 2019 haben rund 1 300 ärztliche Planstellen gefehlt. In Oberösterreich zum Beispiel hat es eine Erhöhung der Planstellen um 2 Prozent gegeben, aber die Zahl der besetzten Stellen ging um 4 Prozent zurück. In Wien sank die Zahl der Vertragsallgemeinmediziner zwi­schen 2009 und 2019 um 10 Prozent. Die Inanspruchnahme von Fachärzten stieg in diesem Zeitraum um 25 Prozent.

Was ist zu den Stellenbesetzungen zu sagen? – 2019 waren von 7 142 Stellen im Kas­senbereich 327 unbesetzt, davon 189 wegen fehlender Bewerbungen, und das vor allem in den Bereichen Kinderheilkunde und Gynäkologie. Die Ursachen waren vielfältig: strukturschwache Regionen, starke Wahlarztpräsenz, hohe Arbeitsbelastung oder wenig geeignete Ordinationsmöglichkeiten.

Der Rechnungshof hat auch das meist fehlende Wartezeitenmanagement kritisiert. Es gibt in Österreich kein Monitoring; das wäre unbedingt notwendig.

Was ist zum Thema Wahlarzt zu sagen? – Dieser Bericht umfasst 170 Seiten, das Thema wurde sehr ausführlich und detailliert erklärt. Die Zahl der Wahlärzte stieg im Bereich Allgemeinmedizin in zehn Jahren – zwischen 2009 bis 2019 – um 42 Prozent. Bei den Fachärzten gab es nach diesen zehn Jahren 38 Prozent mehr Wahlärzte.

Zum Thema Primärversorgungseinheiten: Da waren wir sehr ambitioniert. Wir wollten bis 2019 75 umgesetzt haben, es waren aber lediglich 16. Der Rechnungshof hat auch


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einige Empfehlungen an das Bundesministerium und an die Österreichische Gesund­heitskasse abgegeben, die alle sehr sinnvoll sind. Vieles deckt sich mit meinen tagtäglichen Erfahrungen und auch mit meinem Zehnpunkteprogramm.

Was aber viel wichtiger ist, liebe Kolleginnen und Kollegen: Einiges steht auch in unserem Regierungsprogramm, zum Beispiel die Attraktivierung der Allgemeinmedizin oder auch das Landarztstipendium. Was brauchen wir im niedergelassenen ärztlichen Bereich? – Wir brauchen eine Attraktivierung der Kassenarztposten durch neue Arbeits­zeitmodelle. Die Zeit der 24-Stunden-Einzelkämpfer ist vorbei. Die Medizin wird weib­licher, das heißt, es muss Teilzeitmodelle auf allen Ebenen geben, Zusammenarbeit ist angesagt. Wir brauchen eine verstärkte Kooperation mit den Spitalsambulanzen: Wir haben die gleichen Patienten, arbeiten aber nebeneinander und nicht miteinander.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Bevölkerung erwartet sich von uns, dass wir in diesem Bereich etwas weiterbringen, dass wir arbeiten und nicht streiten. Eine Ver­besserung wäre ein Leuchtturmprojekt, nämlich eines des gesamten Parlaments, zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher.

Ich schaue jetzt alle Gesundheitssprecher an: Ralph Schallmeiner, Gerhard Kaniak, Gerald Loacker, Gaby Schwarz. Wir sind da sehr konsensuell unterwegs, wir sind nicht weit voneinander entfernt. (Rufe: Philip Kucher!) Philip Kucher, Entschuldigung, lieber Philip! (Abg. Kollross: Der ist nicht zum Anschauen!) Wir sind sehr konsensuell unter­wegs, und wir haben – auch etwas relativ Neues – die Österreichische Gesundheits­kasse, glaube ich, mittlerweile im Boot.

Ich würde sagen: Packen wir es an! Die Menschen würden es uns danken, wenn wir einige Versorgungslücken zu ihrem Wohle schließen und ein neues Denken und Mit­einander schaffen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

21.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun der vorhin angesprochene Philip Kucher. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Abg. Gabriela Schwarz: ... einen Auftrittsapplaus kriegen!)


21.00.47

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Präsidentin! Felix Eypeltauer hat mit seiner leidenschaftlichen Rede, in der er so viel Reformfreude, Begeisterung, so ein positives Menschenbild vermittelt hat, jedenfalls bewirkt, dass auch Kollege Saxinger begeistert ist. – Ich habe dich lange nicht mehr so begeistert erlebt. Man glaubt ja gar nicht, dass du Teil einer konservativen Partei bist. Das war ja ein Feuerwerk aus Leidenschaft, aus Reformfreude. (Abg. Salzmann: Unterschätze uns nicht!) Ich bin ganz begeistert. Diesen Grundgedanken sollten wir alle in der Gesund­heitspolitik mitnehmen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Gerald Loacker wird jetzt vielleicht ein bisschen auf mich beleidigt sein, aber vielleicht gibt er mir auch recht: Was Felix Eypeltauer gesagt hat, sein Menschenbild, dieser positive Zugang – das ist für mich ein sehr sozialdemokratischer Zugang, und ich frage mich, ob das nicht unter Umständen für euch alle der richtige Weg wäre. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Ich habe da jedenfalls, glaube ich, auch den langjährigen Einfluss von Alois Stöger herausgehört, der in Oberösterreich anscheinend seine Wirkung entfaltet hat. Ich habe da sehr, sehr viel herausgehört, vielleicht kann man das bilateral noch klären. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur ärztlichen Versorgung hat es einen sehr, sehr spannenden Rechnungshofbericht gegeben. Frau Präsidentin, ich danke Ihnen ganz, ganz herzlich, auch für die kritischen Hinweise. – Ja, das ist für uns alle miteinander ein riesengroßes Thema: die ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich, vor allem im ländlichen Raum. Da muss


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einiges passieren. Es gibt im Bereich der Fachärztinnen und Fachärzte ein Thema, im Bereich der Öffnungszeiten muss mehr Transparenz her, da brauchen wir österreich­weite Rahmenbedingungen, da muss sozusagen auch die Datenbasis verbessert werden.

Zwei Bitten an alle – ich weiß nicht, ob Kollege Taschner jetzt hier ist, aber ich habe gestern schon leidenschaftlich mit ihm diskutiert –: Schauen wir, dass wir die Verdop­plung der Zahl der Medizinstudienplätze in Österreich so schnell wie möglich in Angriff nehmen! Es ist eine Frage der Gerechtigkeit und der Chancengerechtigkeit jungen Menschen gegenüber, dass all die jungen Menschen, die Leben retten wollen, sich ein­setzen wollen und auch das Talent mitbringen, die Chance bekommen, Medizin zu studieren.

Der zweite Punkt ist: Versuchen wir, Gesundheit und Pflege ganzheitlich zu sehen! Wir werden Gott sei Dank alle immer älter. Starten wir miteinander eine Pflegeoffensive! Felix Eypeltauer wird uns kritisch begleiten, sozusagen aus Oberösterreich beobachten, und die wachsamen Augen der Präsidentin werden uns auch mit Follow-up-Berichten, die ja immer wie ein Damoklesschwert über uns schweben, begleiten. Hoffen wir alle miteinander, dass zumindest die ärztliche Versorgung so offensiv in Angriff genommen wird, dass die Follow-up-Berichte voll des Lobes sein werden! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schallmeiner.)

21.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kaniak. – Bitte.


21.03.19

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Dieser Bericht des Rechnungshofes war tatsächlich eine Großtat, denn es gibt kaum etwas in dieser Republik, das so kompliziert, so ver­schachtelt und so schwierig zu analysieren und interpretieren ist wie das österreichische Gesundheits­wesen. Die Akribie, mit der die Daten zusammengetragen und aufgearbeitet wurden und eine Analyse gemacht wurde, ist wirklich bemerkenswert. Ich glaube, das ist auch eine sehr gute Grundlage für weitere Diskussionen. Ich habe das mit Bun­desminister Mückstein schon mehrmals besprochen: Wir brauchen da sicherlich nicht nur einen, sondern mehrere gesonderte Termine, bei denen wir nur dieses Thema gemeinsam besprechen. Kollege Saxinger hat das ja schon angesprochen: Da gibt es tatsächlich sehr großen Handlungsbedarf.

Wie sieht die Situation aus, was hat der Rechnungshof festgestellt? – Kollege Saxinger hat es schon angesprochen: Mit Stand Ende 2019 gab es in Österreich 7 142 Plan­stellen, leider Gottes waren damals bereits 327 kassenärztliche Planstellen nicht be­setzt – paradoxerweise teilweise sogar geplant nicht besetzt –, und die Situation hat sich bis heute leider Gottes in keinster Weise verbessert, sondern ganz im Gegenteil: eher verschlimmert.

Wenn nun das Argument gebracht wird, dass das vielleicht daran liegt, dass wir aktuell zu wenige Ärzte haben, so stimmt das nur bedingt bis gar nicht, denn wenn man sich anschaut, dass in den letzten zehn Jahren die Zahl der Wahlärzte um 40 oder 50 Prozent gestiegen ist und gleichzeitig die Zahl der Kassenärzte stagniert, dann sieht man ja, dass durchaus Ärzte vorhanden wären, die in den niedergelassenen Bereich gehen, aber offensichtlich keine Kassenstellen annehmen wollen.

Warum ist das so? – Auch das hat sich der Rechnungshof angeschaut und festgestellt, dass die Bevölkerung in den letzten zehn Jahren zwar um 6 Prozent gewachsen ist und auch die Anzahl der kassenärztlichen Konsultationen, zum Beispiel bei den Allgemein­medizinern, um 6 Prozent gestiegen ist, es aber eben nicht mehr Kassenärzte gibt. Das


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heißt, die Arbeitsbelastung der Mediziner ist tatsächlich sukzessive Jahr für Jahr höher geworden, aber nicht nur durch die Patientenkonsultationen, sondern auch – und das ist dabei noch gar nicht miterfasst – durch den ganzen bürokratischen Aufwand, der dazu­kommt. Die Elga-Einführung, das ganze E-Card-System, das in den letzten zehn Jahren eingeführt worden ist, das elektronische Rezept, das jetzt dazukommt, die Fernverord­nungen, die wir weitergeführt haben, die ökonomischen Zwänge durch die Sozialver­sicher­ungen, die Ökotools, die umgesetzt werden müssen, das ganze Bewilligungs­we­sen, das damit zusammenhängt, auch die Problematik mit der Arzneimittelverfügbarkeit, sprich Umstellung von Patienten bei nicht verfügbaren Arzneimitteln und Ähnliches – all das belastet unsere Ärzte über Gebühr und findet in dieser 6-Prozent-Mehrbelastung, die da stattgefunden hat, noch gar keinen Ausdruck.

Auch andere Dinge, auch ökonomische Gründe sind in diesem Zusammenhang anzu­führen, denn auch das hat der Rechnungshof ermittelt: Der durchschnittliche Allgemein­mediziner mit Kassenvertrag hat 2019 ein Jahreseinkommen von ungefähr 130 000 Euro gehabt, der durchschnittliche Facharzt in etwa 200 000 Euro. Diese Diskrepanz führt natürlich auch dazu, dass allgemeinmedizinische Kassenstellen nicht besonders attraktiv sind und generell der Beruf des niedergelassenen Allgemeinmediziners, des Landarztes nicht sehr attraktiv ist.

Ich könnte noch sehr viele andere Punkte anführen, die dringlich zu verbessern wären. Sehr vieles davon hat der Rechnungshof in seinen Empfehlungen bereits festgehalten, und deshalb möchte ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicher­stellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat dafür Sorge zu tragen, dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und die Ärzte­kam­mer den Gesundheitsplan Österreich umgehend umsetzen und alle offenen kassen­ärztlichen Stellen in Österreich schnellstmöglich besetzen. Zudem hat er entsprechend der Empfehlungen des Rechnungshofes alle dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen und Rahmenbedingungen zu schaffen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

21.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak und weiterer Abgeordneter

betreffend Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 22.): Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Ärztliche Versorgung im niederge­las­senen Bereich – Reihe BUND 2021/30 (III-396/1047d.B.) in der 127. Sitzung, XXVII GP., am 14. Oktober 2021


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 226

Die Gesundheitsversorgung stellt eine der größten gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen dar. Besonders im ländlichen Raum ist in den letzten Jahren die Problematik der Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebots an medizinischer Ver­sorgung und dahingehend eines Fach- und Allgemeinärztemangels stetig gestiegen.

Besonders vom Ärztemangel betroffen sind Kassenplanstellen. „Demnach sind mit Stand Ende des zweiten Quartals 2019 österreichweit 59 Kassenplanstellen für Fach­ärzte sowie 94 Kassenplanstellen im Bereich Allgemeinmedizin unbesetzt. Diese Ent­wicklung wird sich in der Zukunft weiter intensivieren. Im Besonderen wird davon der ländliche Raum betroffen sein. Dieser Umstand ist einerseits der Altersstruktur von niedergelassenen Ärzten und andererseits den faktischen Rahmenbedingungen und Zukunftsperspektiven von angehenden niedergelassenen Ärzten geschuldet.“1

Studien belegen, dass ein Großteil der Studierenden der Humanmedizin in Österreich später nicht als niedergelassener Arzt in der Allgemeinmedizin tätig sein möchte. Gründe dafür sind „ein nicht facharztäquivalentes Gehalt, die zu geringe Zeit für Patienten, zu strenge Vorgaben seitens der Krankenversicherungsträger und die mangelnde Ab­rechenbarkeit von Leistungen“.1

Das zentrale Planungsinstrument für die integrative Versorgungsplanung auf Bundes­ebene ist in Österreich der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG). Er ist ebenso Bestandteil der Zielsteuerung-Gesundheit. „Mit dem ÖSG wird sichergestellt, dass Gesundheitsversorgung in Österreich ausgewogen verteilt und gut erreichbar ist und in vergleichbarer Qualität auf hohem Niveau angeboten wird.“2

„Der ÖSG stellt zudem die Grundlage für die Regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG) dar, die vom jeweiligen Land und den zuständigen Sozialversicherungsträgern vereinbart werden und die Versorgung im Detail regeln.“3

Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und die Ärztekammer sind für die Erfüllung des Strukturplans Gesundheit verantwortlich und haben dafür zu sorgen, dass die vorgesehenen Planstellen so attraktiv wie möglich gestaltet werden, damit diese auch besetzt werden können. Nur so kann eine ausreichende ärztliche Versorgung im ländlichen Raum sichergestellt werden. Derzeit kommen GKK und Ärztekammer ihrem gesetzlich vorgeschriebenen Auftrag jedoch nicht nach. Dementsprechend sind von Bundesebene umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um alle offenen kassenärztlichen Stellen in Österreich zu besetzen, dem Ärztemangel im ländlichen Raum entgegen zu wirken und eine mögliche medizinische Unterversorgung der Bevölkerung in jedem Fall zu verhindern.

Auch die Anfang September veröffentlichte Ersuchensprüfung des Rechnungshofes zur ärztlichen Versorgung bestätigt die vorliegenden Mängel: In Österreich sind rund 4,6 Prozent der Planstellen unbesetzt. Die Maßnahmen zu unbesetzten Planstellen sind laut Rechnungshof uneinheitlich. Es werden Stellen zum Teil bewusst nicht besetzt und freigehalten. Es fehlt ein sektorenübergreifendes, bundesweites Monitoring der Öffnungs­zeiten und das Ziel der Errichtung von 75 Primärversorgungseinheiten bis Ende 2021 wird voraussichtlich nicht erreicht werden. Der Rechnungshof empfiehlt daher eine Strategie zur Besetzung von Planstellen, dazu gezielte Maßnahmen und diese nach regionalen Bedürfnissen anzuwenden.4

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nach­ste­hen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 227

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat dafür Sorge zu tragen, dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und die Ärztekam­mer den Gesundheitsplan Österreich umgehend umsetzen und alle offenen kassenärzt­lichen Stellen in Österreich schnellstmöglich besetzen. Zudem hat er entsprechend der Empfehlungen des Rechnungshofes alle dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen und Rahmenbedingungen zu schaffen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.


21.07.29

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vorab: Danke schön für diesen gut aufbe­reiteten Bericht über die kassenärztliche Situation von 2013 bis 2019 beziehungsweise über die Frage der ärztlichen Versorgung in diesem Zeitraum.

Die Grundsatzfrage, die sich natürlich auch für uns gestellt hat, war: Hat Österreich zu wenige Ärztinnen und Ärzte? – Mein Vorredner hat es richtigerweise schon gesagt: Es liegt nicht an der Anzahl der Ärztinnen und Ärzte, es liegt an der Anzahl der ange­nommenen Kassenverträge, dass es einem draußen, sozusagen in der großen, weiten Welt, so vorkommt, als gäbe es zu wenige Ärztinnen und Ärzte in unserem Land. Genau dem muss man entgegenwirken.

Das eine ist: Warum haben wir diese Situation? – Wenn ich mir das anschaue: Die Abrechnungsmodalitäten, die zwischen den Krankenkassen und der Ärztekammer ver­einbart wurden, sind zum Haareraufen. Angesichts der Bürokratie, die einem da ent­gegenschlägt – ich habe mir selber mehrere Abrechnungen bei einzelnen Ordinatio­nen angeschaut –, muss ich schon sagen: Das ist ein Bürokratiemonster, das in der Zwi­schenzeit erschaffen wurde. Ein modernes Honorierungssystem, ein modernes Abrech­nungssystem zwischen zwei Geschäftspartnern müsste aus meiner Sicht gänzlich anders aussehen. Ich glaube, da gibt es seitens der ÖGK und der Ärztekammer einiges zu tun.

Zum anderen gibt es auch ein absolutes Ungleichgewicht bei den Honorarzuwächsen. Mein Vorredner hat es auch gerade gesagt: Die Fachärztinnen und Fachärzte hatten in diesen sechs Jahren, die untersucht wurden, ein deutliches Mehr an Zuwächsen, wenn es um die Honorare geht. Das Extrembeispiel ist die Labormedizin mit 691 000 Euro jährlichem Durchschnittseinkommen eines Facharztes. Dem Bericht zufolge sind in diesem Zeitraum auch Kostenexplosionen im Umfang von knapp 31 Prozent entstanden.

Ein anderes Thema, das Werner Saxinger richtigerweise auch schon angesprochen hat, ist, dass das ganze System eigentlich nicht der Lebensrealität entspricht: Teilzeitpraxis oder leichterer Zugang zu Gruppenpraxen, Aufteilen von Praxisstellen auf mehrere Personen – das sind immer noch Fremdwörter in dieser Vereinbarung, in dieser Nomen­klatur zwischen der ÖGK beziehungsweise den Krankenkassen auf der einen Seite und der Ärztekammer auf der anderen Seite.

Es gibt aber noch ein anderes Problem: Es gibt in manchen Bereichen wirklich zu wenige Ärztinnen und Ärzte, weil zu wenig ausgebildet wird. Es gibt Bereiche, in denen 75 Pro­zent der Ausbildungsplätze einfach nicht besetzt werden. Da sind die Länder in der Pflicht, die in den Krankenanstalten die entsprechenden Ausbildungsplätze vorrätig haben und sie nicht besetzen. Kinder- und Jugendheilkunde oder Allgemeinmedizin sind


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 228

dafür gute Beispiele. Krankenhäuser wollen keine Allgemeinmedizinerinnen und -medi­ziner ausbilden, weil es ihnen nach ihrer Logik schlicht und ergreifend nichts bringt. Dass es am Ende des Tages durchaus etwas bringen würde, sehen sie halt nicht.

Da überall gilt es anzusetzen, da braucht es im Endeffekt uns als Politik, da braucht es aber auch ein Einlenken der ÖGK, da braucht es auch ein Einlenken der Ärztekammer. Standesdünkel sind da einfach fehl am Platz. (Beifall bei Grünen und NEOS.) Es braucht aus unserer Sicht ein modernes Vertragswesen, und es braucht eine vernünftige Primär­versorgung, die wir auch mithilfe der Mittel aus der Recovery and Resilience Facility der EU dementsprechend pushen können.

Die Länder sind gefordert, wie schon gesagt. Ich glaube, da haben wir ganz schön viel zu tun, und ich nehme den Auftrag, den Philip Kucher uns allen erteilt hat, gerne mit. Ich glaube, da werden wir als Politik gemeinsam eine entsprechende Lösung suchen und auch finden. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte sehr.


21.11.21

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Präsi­dentin! Hohes Haus! Wir haben wieder eine Sitzung des Rechnungshofausschusses gehabt und haben wieder eine Anzahl von Berichten – vier waren es, die wir intensiv betrachtet und intensiv diskutiert haben –, und ich darf auf einige jetzt ganz kurz eingehen. Es wurde von den Vorrednern ohnehin schon sehr viel gesagt.

Vielleicht zuerst zum Bericht betreffend Invaliditätspension – darauf wird Kollege Loacker nachher näher eingehen –: Das ist ein Follow-up-Bericht, das heißt, da hat der Rech­nungshof überprüft, inwiefern die Forderungen und Maßnahmen, die er im ersten Verfah­ren formuliert hat, berücksichtigt wurden. Das ist durchaus ein vernichtendes Urteil. Es gab acht Empfehlungen, davon wurden zwei teilweise und die restlichen sechs gar nicht umgesetzt. Ich bin sehr froh, dass das nicht die Regel ist. Normalerweise ist es so, dass bei diesen Follow-up-Berichten circa 75 Prozent – so viele, glaube ich, waren es im Jahr 2019; im Vorjahr waren es, glaube ich, 76 Prozent – umgesetzt werden. Das heißt, das ist durchaus ein Follow-up-Bericht, den man sich genauer anschauen muss und wo man vonseiten der Politik noch einiges zu tun hat.

Es gibt aber noch andere Berichte, die wir betrachtet und diskutiert haben. Da geht es einerseits um die niedergelassenen Ärzte. Es wurde schon angesprochen: Der Rech­nungshof hat dazu teilweise keine Datenbasis finden können, mit der man wirklich arbeiten kann. Das ist, finde ich, durchaus ein vernichtendes Urteil.

Wenn es eine Situation gibt, in der unser unterstützendes Organ, nämlich der Rech­nungshof, nicht einmal die Daten zusammenkratzen kann – und der Rechnungshof hat durchaus Spezialisten und schafft das auch in anderen sehr komplexen Themen­bereichen –, um eine Basis für einen Bericht zu finden, dann ist das etwas, das uns zu denken geben muss und wo wir als Politik schleunigst auch Schritte setzen müssen, dass es diese Datengrundlage gibt. Wenn wir nämlich nicht wissen, wie die nieder­gelassenen Ärzte konkret regional aufgestellt sind, welche Möglichkeiten es gibt, wie die Auslastung ist, dann ist es gar nicht möglich, dass das Ministerium eine dement­sprechende Planung durchführt. Kollege Loacker wird nachher auch einen Antrag dazu einbringen, um genau diese Datenbasis zu schaffen, weil das ein zentrales Lenkungs­instrument in unserer Gesundheitspolitik sein muss.

Dann möchte ich noch auf den Bericht betreffend Arzneimittelbeschaffung eingehen. Auch da sehen wir, dass Österreich alles andere als gut aufgestellt ist. Wir haben ein


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 229

System – und damit sind wir eines der letzten Länder in Europa –, in dem einzelne Medikamente und keine Wirkstoffe verschrieben werden. Es ist eine der zentralen Empfehlungen des Rechnungshofes, dass es da schleunigst eine Änderung geben muss, um effizienter und klarer aufgestellt zu sein und in diesem Bereich zumindest ins europäische Mittelfeld aufzusteigen. Davon sind wir sehr, sehr weit weg.

Allgemein kann man, glaube ich, über die Debatte in diesem Ausschuss und insbe­son­dere zu den Anträgen sagen, dass es einen massiven Aufholbedarf im Gesund­heits­bereich gibt, dass es da einige Baustellen gibt, auf die der Rechnungshof über die letzten Jahre hingewiesen hat und – das sieht man insbesondere, wenn man sich auch den Follow-up-Bericht anschaut – bei denen die Politik bisher zu wenige Maßnahmen gesetzt hat. Wir müssen da schleunigst in die Gänge kommen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den NEOS.)

21.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Rechnungshof­präsi­dentin Dr. Kraker. – Bitte sehr, bei Ihnen steht das Wort.


21.15.01

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich melde mich an dieser Stelle zu den Berichten des Rechnungshofes zu Wort. Es stehen heute 13 Rechnungshofberichte auf der Tages­ordnung. Ich möchte aber nur zu einzelnen Berichten etwas sagen.

Zu Beginn möchte ich mich bei Herrn Abgeordneten Eypeltauer für die Zusammenarbeit im Rechnungshofausschuss und für die inhaltliche Befassung mit den Berichten be­danken. Wir legen ja regelmäßig Berichte vor. Ein Trost für ihn möge sein, dass wir Berichte auch den Landtagen vorlegen und ihm der Rechnungshof als Bund-Länder-Organ erhalten bleibt und er sich dann auch im Oberösterreichischen Landtag weiterhin mit unseren Berichten auseinandersetzen kann. Ich würde dort auch hinkommen. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

Es geht heute um mehrere Berichte. Der Bericht betreffend Nationaler Aktionsplan Ernährung wurde schon genannt. Dann gibt es den Bericht betreffend Arzneimittel­beschaffung für Krankenanstalten, aber besonders möchte ich auf den Bericht betref­fend Ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich eingehen. Es ist dies ein Be­richt, den wir auf Wunsch des Nationalrates erstellt haben. Es gab dazu einen Beschluss des Nationalrates.

Der Auftrag hat 27 Themen umfasst, und wir haben diese 27 Themen auf drei Prüfungen aufgeteilt, und zwar zur ärztlichen Versorgung im niedergelassenen Bereich – das haben wir im September vorgelegt –, zur Ärzteausbildung – das ist noch im Laufen – und auch zum Thema Gesundheitsförderung und Prävention.

Auf den Bericht wurde schon eingegangen. Die Krankenversicherungsträger haben einen gesetzlichen Versorgungsauftrag. Die Ärztekammern haben diesen nicht. Die Ärztekammer hat eine Versorgungslücke festgehalten und forderte zusätzliche Vertrags­arztplanstellen, aber der Rechnungshof hat festgestellt, dass – und das wurde auch schon gesagt – die zugrunde liegenden Kennzahlen des Gesundheitsministeriums, des Sozialministeriums und der Österreichischen Ärztekammer nicht geeignet waren, das Angebot an ärztlichen Leistungen im niedergelassenen Bereich valide abzubilden.

Es bestanden einige Probleme: Die Kooperation in Gruppenpraxen war nicht berück­sichtigt, es fehlten Informationen zur Arbeitszeit der Ärzte, es gab keinen aussagekräf­tigen Vergleich der Öffnungszeiten. Wir haben aber eine Leistungsverdichtung sowohl im Bereich der Allgemeinmedizin als auch im Facharztbereich festgestellt. Da stieg die


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Auslastung seit 2009 um 11 beziehungsweise um 21 Prozent. Es gab aber keine Vor­gaben zum quantitativen Versorgungsauftrag.

Was wichtig ist, ist die Planung der Ärztedichte im niedergelassenen Bereich. Da haben wir gesagt, dass die Zielgenauigkeit im Österreichischen Strukturplan Gesundheit zu gering ist, denn wir glauben, dass die Richtwerte regional nicht ausreichend differenziert sind – es gibt eine große Bandbreite von plus/minus 30 Prozent –, und sie basierten auf dem zuletzt verfügbaren Iststand und nicht auf Versorgungszielen. Als besonders be­troffen von negativen Abweichungen haben wir die westliche Obersteiermark, das Mühl­viertel und Liezen gesehen.

Bei der Stellenplanung war es so, dass 4,6 Prozent der Planstellen unbesetzt waren. Davon wurden aber einige auch bewusst für Gruppenpraxen et cetera freigehalten, andere wiederum, weil es keine entsprechenden Bewerbungen gab. Die Stellenplanung war wenig transparent. Die Versorgungssituation muss deshalb regional in Verbindung mit einer qualitativen Analyse betrachtet werden. Wir weisen auch auf die Altersstruktur der Ärzteschaft hin, denn ein erheblicher Anteil ist bereits über 60 Jahre alt.

Wir haben folgende Empfehlungen ausgesprochen:

Das Gesundheitsministerium und die Österreichische Gesundheitskasse sollten die ambulante Planung auf Ebene des Österreichischen Strukturplans Gesundheit weiter­entwickeln. Diese sollten eine stärkere regionale Differenzierung vorsehen, eine ge­trennte Betrachtung von Angebot und Nachfrage sowie Sollwerte, die von der beab­sichtigten Versorgung abgeleitet sind.

Die Gesundheitskasse sollte gemeinsam mit der zuständigen Landesärztekammer die ärztlichen Stellenpläne so weiterentwickeln, dass ein Vergleich zwischen geplanten und tatsächlich besetzten Planstellen möglich ist und klare Sollvorgaben enthalten sind.

Für notwendig halten wir auch eine regelmäßige Berichterstattung der Österreichischen Gesundheitskasse über die ärztliche Versorgung nach Regionen und Fachbereichen. Das ist für eine funktionierende Gesundheitsplanung notwendig.

Es gibt aus unserer Sicht kein ausreichendes Wartezeitenmonitoring, das betrifft die Ordinationen auch an Tagesrandzeiten. Die Zahl der Wahlärztinnen und Wahlärzte ist natürlich sehr stark gestiegen, sowohl im allgemeinmedizinischen Bereich als auch im fachärztlichen Bereich, aber ihre Versorgungswirkung lag nur bei 5,5 Prozent der am­bulanten Versorgung.

Wir haben auch festgestellt, dass im zeitlichen Naheverhältnis zur Gründung der Öster­reichischen Gesundheitskasse einzelne Gebietskrankenkassen 2018 überdurchschnitt­lich hohe Honorarsteigerungen vereinbart haben. Die gesetzliche Ausgabengrenze ent­faltete dabei nur geringe Wirkung. Für uns wäre es wichtig, dass jedenfalls auch qualitativ oder quantitativ höhere Leistungen damit einhergehen.

Was die Primärversorgung betrifft, ist es so, dass erst 16 Primärversorgungseinheiten umgesetzt waren; das Ziel waren ja 75 bis Ende 2021. Es fehlten ein entsprechendes Konzept zum Changemanagement und Anreize zum Umstieg in diese neue Versor­gungsinfrastruktur. Für die Mittel, die ja extra zur Verfügung gestellt wurden, fehlten klare Richtlinien über deren Verwendung. Wir empfehlen daher, eine Strategie zur Forcierung von Primärversorgungsnetzwerken zu machen.

Die Follow-up-Überprüfungen wurden angesprochen. Was die Invaliditätspension Neu betrifft, so haben wir tatsächlich eine geringe Umsetzungsquote von 25 Prozent; das schlägt nach unten aus. Grundsätzlich sind ja Follow-up-Überprüfungen dazu da, fest­stellen zu können, ob ein Problem gelöst ist. Das wurde nicht gelöst, und wir glauben,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 231

dass die Empfehlungen noch weiter mit Nachdruck verfolgt werden müssen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

21.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gahr. – Bitte sehr.


21.22.36

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Präsident des Rechnungs­hofes! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der Rechnungshof hat die Arzneimittel­beschaffung in Österreich an zwei konkreten Beispielen geprüft: dem Landeskranken­haus Salzburg und der Innsbrucker Universitätsklinik.

Im Mittelpunkt dieser Überprüfung standen die Preise, der Einkauf und die Versor­gungs­sicherheit mit Medikamenten. Gerade mit Blick auf die Coronapandemie geht es darum, dass wir die Versorgungssicherheit in Österreich aufrechterhalten und sicherstellen können. So hat der Rechnungshof kritisch festgestellt, dass es Lieferengpässe gegeben hat. Im Jahr 2018 hat es bei der Apotheke des Salzburger Landeskrankenhauses 870 Mel­dungen zu Lieferengpässen gegeben, bei der Anstaltsapotheke in Innsbruck waren es über 600 Meldungen.

Der Rechnungshof hat auch aufgezeigt, dass es aktuell einen Mangel an Antibiotika und Medikamenten zur Krebsbehandlung gibt – nicht nur in Österreich, sondern weltweit –, dass dadurch die Patientenversorgung potenziell gefährdet ist und es dadurch auch zusätzliche Kosten gibt, wenn Medikamente am freien Markt beschafft werden müssen.

Diese Krise, diese Engpässe herrschen im europäischen Wirtschaftsraum, aber auch weltweit. Man hat für viele Therapien Ersatzbeschaffungen machen müssen. Die Liefer­engpässe sind auch mit höheren Kosten verbunden. So mussten in Salzburg 53 Millio­nen Euro mehr ausgegeben werden, in Innsbruck waren es sogar 77 Millionen.

Der Rechnungshof empfiehlt deswegen die Einrichtung eines zentralen Bewertungs­gre­miums, das die EU-Durchschnittspreise für Medikamente feststellen soll.

Dieser Bericht hat uns klar aufgezeigt: Es muss Verbesserungen bei der Versor­gungs­sicherheit mit Medikamenten und bei Schutzkleidung geben. Dafür brauchen wir klare Pläne und klare Vorgaben.

Eines ist in dieser Pandemie auch klar geworden: Wir müssen die Versorgungssicherheit mit Medikamenten in Europa wieder verstärkt ausbauen. Wir dürfen uns nicht auf Über­see oder Länder wie China und Indien verlassen.

Erfreulich ist für mich als Tiroler, dass es gelungen ist, gerade Novartis in Kundl als Standort sicherzustellen und auszubauen und damit die Antibiotikaproduktion in Öster­reich sicherzustellen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Unser Ziel muss es sein, zu­künftig mehr Eigenständigkeit und Versorgungssicherheit in Europa zu erlangen. Vielen Dank, Frau Präsident, für diesen aufschlussreichen Rechnungshofbericht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Seemayer. – Bitte.


21.25.37

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Rechnungshof­präsiden­tin! Ein paar Worte zum Follow-up-Bericht betreffend Individualitätspension Neu: Die Invali­ditätspension Neu hat die befristete Invaliditätspension abgelöst. Ziel war es damals, das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 232

faktische Pensionsantrittsalter durch mehr Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt anzuheben. Das sollte vor allem durch medizinische und berufliche Rehamaßnahmen, betreut von dem neu geschaffenen Casemanagement, möglich gemacht werden.

Wie dem Bericht aber zu entnehmen ist, gelingt die Wiedereingliederung in den Arbeits­markt nur zu einem sehr geringen Teil. Die angepeilte Beschäftigungsrate von 60 Pro­zent ist bei Weitem nicht erreicht worden, sie beträgt lediglich 10 Prozent.

Das Verhältnis Rehageldbezieher zu Personen, die in Umschulung sind, zeigt ebenfalls die Problematik: 2018 waren circa 21 200 Personen Rehageldbezieher und lediglich 120 Personen in beruflicher Reha, zum Beispiel in Umschulung. Eine prognostizierte Einsparung von gut 600 Millionen Euro ist ebenfalls nicht erreicht worden, die Kosten sind sogar gestiegen. Da diese Entwicklung sich natürlich in den letzten Jahren schon abgezeichnet hat und sehr wenige Anpassungsschritte erfolgt sind, ist nun dringend Handlungsbedarf gegeben.

Die Zahlen im vorliegenden Bericht lassen aber auch den Schluss zu, dass ein großer Teil der Betroffenen nicht oder nur sehr schwer wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann. Warum ist das so? – Um das herauszufinden, muss man ein paar Fragen beantworten, wie zum Beispiel: Sind die medizinischen Rehamaßnahmen treffsicher? Werden sie auch angenommen? Warum sind so wenige in beruflicher Reha oder machen Umschulung oder Weiterbildung? Warum werden die Maßnahmen zur beruf­lichen Rehabilitation bei drohender Invalidität kaum gewährt? Funktioniert das Case­management? – Und einige mehr.

Eine große Herausforderung wird in Zukunft natürlich auch die stark steigende Zahl von psychischen Erkrankungen sein. Rund zwei Drittel der Rehageldbezieher leiden unter psychischen Erkrankungen. Auch die Zahl der Krankenstandstage, die eine psychische Erkrankung als Ursache haben, steigt stark. Da wären eine deutliche Verbesserung in der Zusammenarbeit der Träger und das rechtzeitige Setzen von Maßnahmen eine dringende Notwendigkeit.

Das Modell Rehageld Neu soll eigentlich das Verbleiben am Arbeitsmarkt ermöglichen und nicht dazu führen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Langzeit­arbeits­losigkeit geraten. Da braucht es dringend Verbesserungen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stögmüller. – Bitte sehr.


21.28.30

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Wertes Präsidium! Sehr geehrte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Ich möchte einen Punkt aus dem Konvolut der Rechnungshof­berichte herausgreifen, der mir auch persönlich sehr wesentlich erscheint, nämlich die mangelnde Regelung und die fehlende Sensibilität bei der Medikamentenverschreibung. Dabei geht es um Lobbying, um Einflussnahme und schlussendlich auch um Korrup­tionsprävention.

Ein gutes Beispiel dafür ist die gesetzliche Regelung, dass Ärzte Medikamente aufgrund von Handelsnamen verschreiben. Was bedeutet das konkret? – Das heißt, der Arzt entscheidet darüber, welches Medikament gekauft und schlussendlich von der Kranken­kasse zu bezahlen ist.

Doch wohin ein solches System führt, sieht man ganz gut in den USA: Dort gibt es eine Opioidkrise. Was ist dort genau passiert? – Ärzte haben starke Schmerzmedikamente verschrieben, von denen eine hohe Suchtgefahr ausging. Viele Betroffene wurden des­halb von solchen starken Opioiden abhängig. Die Ärzte haben diese Medikamente unter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 233

anderem deswegen verschrieben, weil sie sich mit Vortragshonoraren von Pharma­fir­men, von großen Unternehmen etwas dazuverdient haben. Das Geld erhielten sie, weil sie diese Medikamente verschrieben haben.

Die Folge davon war und ist eine schwere soziale und gesundheitliche Krise. Nur um ein bisschen zu veranschaulichen, was das bedeutet, und es auf den Punkt zu bringen: In den USA starben 2020 93 331 Menschen an dieser Überdosis. Damit sterben dort mehr Menschen jährlich an Opioiden als durch Waffen oder durch Autounfälle. Dem kann man vorbeugen. Das ist ein soziales Problem und, wie gesagt, eine gesundheitliche Krise.

Die Alternative und die Antwort wäre, wenn Ärzte nicht mehr darüber entscheiden, welche Medikamente tatsächlich gekauft werden, sondern lediglich, welchen Wirkstoff ein Patient braucht. Dann hat die Apotheke immer das günstigere Präparat mit eben­diesem Wirkstoff herauszugeben. Dadurch wäre die Einflussnahme von Pharmaunter­nehmen auf die Entscheidung, welche Medikamente gekauft werden, deutlich geringer.

Unser Gesundheitsminister hat sehr wohl auch im Ausschuss angekündigt, diese Situ­ation zu entschärfen, indem eine Wirkstoffverschreibung ermöglicht wird. Das freut mich besonders, vor allem wenn man sieht, wie viel sich Pharmaunternehmen bereits jetzt Lobbying rund um die Medikamente kosten lassen. So rechnet der Rechnungshof vor, dass allein im Jahr 2017 rund 140 Millionen Euro direkt an Angehörige der Fachkreise und Institutionen geflossen sind.

Aufgrund dieses Rechnungshofberichtes sollen aber auch weitere Schritte gesetzt werden. So haben wir im Ausschuss erfahren, dass in den überprüften Bundesländern etwa das Vergabegesetz, das eben im Grund zu transparenten und kostengünstigen Beschaffungen durch die öffentliche Hand führen sollte, eigentlich gar nicht eingehalten wird. Da wäre es sicher gut, den Ländern zur Seite zu stehen und gemeinsam zu ver­suchen, diese Beschaffungsprozesse auf transparente und auch gute Beine zu stellen. Ich glaube, das wäre auch notwendig. In Umsetzung dieser zentralen Empfehlungen des Rechnungshofes könnte der Bund, also wir, ja seine Expertise und Erfahrungen im Be­reich der öffentlichen Vergaben einbringen und die Länder so als guter Partner gerade bei diesen Verbesserungen des Einkaufs unterstützen. Immerhin geht es dabei um unser aller Steuergeld, und wir sind es den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig und ihnen gegenüber verpflichtet, mit ihrem Geld achtsam zu haushalten. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

21.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. Ich freue mich. – Bitte.


21.32.27

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Präsidentin des Rechnungshofes! Hohes Haus! Die Berichte, die jetzt behandelt werden, füllen zu Recht einen Abend. Man könnte noch viel länger darüber reden, weil sehr viel Substan­zielles darin enthalten ist, worüber in den letzten Jahren im Gesundheitsausschuss oder im Sozialausschuss oft diskutiert wurde, nur ist nichts passiert. Das sind Dinge, die schon genau so zur damaligen Gesundheitsministerin Oberhauser oder zum damaligen Sozialminister Hundstorfer gesagt worden sind.

Unter anderem hat sich der Rechnungshof damit beschäftigt, herauszufinden: Wie sieht es mit der niedergelassenen ärztlichen Versorgung aus? Dabei war die Datenerhebung schon ein Problem, also herauszufinden, wie viele Ärzte wie viele Stunden in welcher Region arbeiten, weil die Datenqualität so schlecht ist.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 234

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umset­zung der Empfehlung des Rechnungshofes zur Datenqualität betreffend ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, die Empfehlung (31) aus dem Bericht des Rechnungshofes betreffend ärzt­liche Versorgung im niedergelassenen Bereich (Reihe BUND 2021/30) vollständig und umgehend umzusetzen.“

*****

Damit haben wir nächstes Mal hoffentlich bessere Daten, wenn sich der Rechnungshof das anschaut. (Beifall bei den NEOS.)

Unter Rudi Hundstorfer wurden die Invaliditätspensionen für unter 50-Jährige ins Reha­bilitationsgeld umgewandelt. Das Ziel war, dass jedes Jahr 2 700 Menschen über die Rehabilitation wieder in den Beruf kommen. Das Ziel wurde bei Weitem verfehlt. Im beobachteten Jahr waren es 120 statt der angestrebten 2 700 – also in Wirklichkeit sind gleich viele Leute in Frühpension gegangen wie zuvor. Das politische Ziel von Rudi Hundstorfer, die Statistik zu schönen und das Pensionsantrittsalter scheinbar nach oben zu schrauben, hat aber funktioniert, weil der Rehabgeldbezieher nicht als Pensionist zählt, der Invaliditätspensionsbezieher aber schon. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) So war die Statistik des Rudi Hundstorfer schöner, und auf einmal sind die Leute scheinbar eineinhalb Jahre später in Pension gegangen.

Angestrebt wurde eine Einsparung von 650 Millionen Euro über fünf Jahre. Geschafft wurde das nicht, sondern die Mehrkosten betragen jetzt 500 Millionen in einem Jahr. Man hat also ein neues Modell geschaffen, das den Menschen gar nichts bringt und den Steuer­zahlern zusätzliche Kosten verschafft. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Von acht Empfehlungen sind zwei teilweise und sechs gar nicht umgesetzt worden. Das war Rudi Anschober wurscht, und wie ich im Ausschuss gesehen habe, ist es Minister Mückstein genauso wurscht.

Bitte, Frau Präsidentin, bleiben Sie dran! Wir bleiben auch dran. Das geht auf Kosten der Steuerzahler, und das kann man alles im Sinne der Gesundheit der Menschen viel besser machen. (Beifall bei den NEOS.)

21.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Umsetzung der Empfehlung des Rechnungshofes zur Datenqualität betreffend ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich

eingebracht im Zuge der Debatte in der 127. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich – Reihe BUND 2021/30 (III-396/1047 d.B.) – TOP 22


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 235

Der Rechnungshof überprüfte von November bis Juni 2020 auf Beschluss des Natio­nalrates die ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich (Reihe BUND 2021/30, III-396 d.B.). Geprüft wurden das Bundesministerium für Gesundheit, Soziales, Pflege und Konsumentenschutz, die Österreichische Gesundheitskasse und der Dachverband der Sozialversicherungsträger. Ziel der Gebarungsüberprüfung war die Beurteilung, inwiefern die Rahmenbedingungen für die ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich sichergestellt waren, insbesondere hinsichtlich der Ärztedichte, der Vergütung im Bereich der Allgemeinmedizin und der rechtlichen Vorgaben.

Ein großer Kritikpunkt des Rechnungshofes waren fehlende oder lückenhafte Daten, um die Qualität der Versorgung festzustellen. "Der Rechnungshof beurteilt die Daten - von Gesundheitsministerium, Krankenversicherungsträgern, Dachverband und Österreichi­scher Ärztekammer - als nicht geeignet, um das Angebot der ärztlichen Leistung im niedergelassenen Bereich valide zu erfassen", heißt es in der Presseaussendung zum Bericht. So berücksichtigte die Anzahl der abrechnenden Ärztinnen und Ärzte nicht die Kooperation mehrerer Ärztinnen und Ärzte in Gruppenpraxen. Die Anzahl der tätigen Ärztinnen und Ärzte erfasste nicht das Ausmaß ihrer Tätigkeit. Und: Ein aussagekräftiger Vergleich der Öffnungszeiten im Zeitverlauf war für den überprüften Zeitraum nicht verfügbar. 

Der Rechnungshof empfahl dem Ministerium und der ÖGK, Maßnahmen (Definition von Kennzahlen, Monitoring der Daten, öffentliche Berichte darüber) für eine verbesserte Erfassung des Angebots der ärztlichen Sachleistungsversorgung im niedergelassenen Bereich zu treffen und dabei insbesondere die Organisationsformen, Öffnungszeiten, eingesetzten Ressourcen und die Auslastung zu berücksichtigen (siehe Empfehlung (31) des Berichtes).  

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die Empfehlung (31) aus dem Bericht des Rechnungshofes betreffend ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich (Reihe BUND 2021/30) vollständig und umgehend umzusetzen."

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Pöttinger. – Bitte sehr.


21.35.25

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein großes Danke für die Überprüfung, für die Follow-up-Überprüfung betreffend Invaliditätspension – unter Anführungs­zeichen, denn das war damals 2014 – „Neu“. Ich habe mir auch angesehen, in wessen Bereich das von 2014 bis 2018 gefallen ist – die Überprüfung war dann im August 2019 –, näm­lich in den von Rudi Hundstorfer, dann Stöger, Oberhauser, Rendi-Wagner, Hartinger-Klein, Pöltner und Zarfl. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 236

Worum geht es eigentlich, beziehungsweise was sollte diese Reform bewirken? – Es geht um Rehabilitation vor der Pension, und zwar erhalten Betroffene keine vorüber­gehende Invaliditätspension, sondern Rehageld oder Umschulungsgeld zusätzlich zu Maßnahmen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation. Ich glaube, das Ziel, die Betroffenen wieder ins Erwerbsleben zurückzubringen, sollte unser aller Anliegen sein. Der Rechnungshof gab zu Recht einige Empfehlungen ab. Die Reform hat leider nicht den gewünschten Effekt erzielt.

Zwei zentrale Punkte der Empfehlungen sind auch für mich sehr nachvollziehbar: Der Bemessungszeitraum für die Höhe des Rehageldes sollte verlängert werden – das wäre wesentlich fairer –, und bedarfserhöhende und bedarfssenkende Faktoren sollten für ein faireres System sorgen. Meiner Meinung nach sollte aber auch sehr wohl über eine Aufweichung des Berufsschutzes nachgedacht werden. Aus meiner Sicht wäre ein runder Tisch mit den zuständigen Ministerien, mit der PVA, mit der ÖGK sehr sinnvoll, um ein effizienteres System machen zu können.

Positiv zu erwähnen ist, dass es bei der Finanzierung des Casemanagements mittler­weile eine Einigung zwischen PVA und ÖGK gegeben hat. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

21.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kollross. – Bitte.


21.38.09

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Frau Präsi­dentin, wie so oft treffen wir uns zur späten Stunde im Plenum. Nichtsdestotrotz möchte ich mich sehr bei Ihnen und Ihrem Team für die immer sehr ausführlichen und guten Berichte bedanken, die uns – zumindest in der Theorie und hoffentlich oftmals auch in der Praxis – politisch ein Stück weiterhelfen.

Ich möchte zum Bericht betreffend Ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich ein paar Anmerkungen machen, weil ich glaube, dass uns gerade dieser Bericht leider sehr eindrucksvoll zeigt, wo es Schieflagen in diesem Bereich gibt und wo die notwen­digen politischen Handlungsfelder wären, um die ärztliche Versorgung in allen Bereichen wieder stärker in den Mittelpunkt der politischen Diskussion zu rücken. Aus dem Bericht geht zum Beispiel hervor – es ist heute schon mehrmals angesprochen worden –, dass es, was den Allgemeinmedizinbereich und den Fachärztebereich betrifft, 327 Planstellen gibt, die momentan nicht besetzt sind, wobei sich momentan auf bis zum Jahr 2019 bezieht. Wir alle kennen aber die Entwicklung, das heißt, wir müssen davon ausgehen, dass diese 327 Planstellen nicht weniger, sondern in Wirklichkeit mehr geworden sind.

Wir sehen betreffend den Bereich der Fachärzte vor allen Dingen auch, dass wir im Bereich der Kinderärzte und der Frauenheilkunde starke Lücken haben. Wir alle sehen ja auch in unseren Wahlkreisen, nehme ich an, dass wir gerade im Bereich der Fachärzte und Fachärztinnen wirklich dringenden Handlungsbedarf haben. Wir sehen in diesem Bericht auch die Lücke, die zwischen den Wahlärztinnen und Wahlärzten auf der einen Seite und den praktischen Ärztinnen und Ärzten auf der anderen Seite klafft.

Bei der Aussprache im Rechnungshofausschuss mit dem Herrn Gesundheitsminister, der dort ebenfalls teilgenommen hat, waren wir uns, glaube ich, alle einig, dass es da dringende Maßnahmen braucht. (Beifall bei der SPÖ.) Ich habe nur ein bisschen den Eindruck gehabt, dass in diesem Bereich seitens des Gesundheitsministeriums ein bisschen das Konzept und die Strategie fehlen, wie wir da wirklich gegensteuern. Deshalb, glaube ich, ist es umso wichtiger, dass es diesen Bericht gibt, dass man darauf aufmerksam


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 237

macht und dass man wirklich versucht, gesundheitspolitisch Akzente zu setzen, damit die ärztliche Versorgung vor allen Dingen im ländlichen Bereich – das sage ich jetzt als Kommunalpolitiker – eine Verbesserung erfährt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Litschauer. – Bitte sehr.


21.41.37

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wollte mich noch ganz kurz melden. Ich komme aus Waidhofen an der Thaya im Waldviertel, da haben wir vor Kurzem auch Probleme mit dem Nachbesetzen von Ärzten gehabt.

Viel mehr noch hat uns getroffen, dass 2016 bei uns die Geburtenstation im Kranken­haus Waidhofen geschlossen hat. Ich habe das zum Anlass genommen und mir den Bericht, den der Rechnungshof zu den Geburtenstationen und der Versorgung vorgelegt hat, angeschaut. Das war sehr interessant, dafür möchte ich mich auch bedanken. Die Datenlage ist da sehr gut, vor allem was die Transfers von Patientinnen und Kindern betrifft.

Das Thema, das mich allerdings sozusagen ein bisschen beschäftigt, ist die Erreich­bar­keit von zum Beispiel den Geburtshilfestationen. Wir haben im Waldviertel durchaus das Problem, dass durch das Schließen der Geburtenstation in Waidhofen an der Thaya die Entfernungen nach Zwettl und nach Horn teilweise sehr groß sind. Im Winter, wenn es glatt ist, wenn es nebelig ist, dann wird sozusagen die Fahrzeit noch länger, und es wird ein Problem. Wir haben, nachdem die Station geschlossen hatte, teilweise auch ge­merkt, dass es dann durchaus Geburten auf dem Weg ins Krankenhaus gegeben hat, weil der Weg zu weit war. Das ist, glaube ich, ein Punkt, den wir nicht haben wollen. Das wäre sozusagen ein bisschen meine Anregung, ob man sich in Zukunft ein bisschen anschauen kann, wie es mit den Wegen zu diesen Geburtenstationen ausschaut.

Diese Berichte sind immer sehr aufschlussreich, und das wäre, glaube ich, noch ein sehr interessanter Punkt hinsichtlich Geburt, aber auch für die Kontrolluntersuchungen. Auch die öffentlichen Anbindungen sind da teilweise nicht einfach für die Patientinnen. Ich glaube, das sollte durchaus ein Qualitätskriterium sein. Ich habe gelesen, dass das Kriterium eigentlich ist, dass man in 45 Minuten dort ankommt, und das trifft bei uns im Waldviertel, glaube ich, sehr oft nicht zu.

Die Geburtenstation in Waidhofen an der Thaya war, glaube ich, sehr gut. Sie hatte sehr gute Kennzahlen, die Patientenzufriedenheit war sehr groß. Die einzige Kennzahl, die damals nicht gepasst hat, betraf die Anzahl der Geburten. Das waren nämlich 307 pro Jahr, und das war unter der empfohlenen Größe, wobei man anmerken muss, dass dies die empfohlene Größe war. Trotzdem wurde – mit all den Konsequenzen, die wir jetzt für die Patientinnen haben – entschieden, diese Station zu schließen.

Mir ist das auch deswegen ein ganz wichtiges Thema, weil das Schließen von Stationen bedeutet, dass die Ärzte in den Krankenhäusern weniger werden, und das bedeutet, dass wir auch Probleme bei der Notarztversorgung, aber auch beim Nachbesetzen von Arztstellen haben. Deswegen ist es mir ein ganz wichtiges Thema, dass wir diese Ver­sorgung aufrechterhalten. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 238

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Nein.

21.44.52 Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 15 bis 27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Rechnungshofausschusses, die ich getrennt vornehme.

Können wir abstimmen? – Bitte.

Tagesordnungspunkt 15: Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofaus­schus­ses, den Bericht betreffend Nationaler Aktionsplan Ernährung, III-13 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Das ist einstimmig angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesunde Ernährung, Sport und Bewegung fördern“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minder­heit, daher abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Ausgewählte Steuerungsbereiche in der Krankenversicherung; Follow-up-Überprüfung, III-16 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Das ist einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 17: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Psychosoziale Angebote in den Ländern Salzburg und Steiermark, III-25 der Beila­gen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte um ein Handzeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 18: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend IT-Projekt ZEPTA, III-12 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend IT-Projekt ZEPTA der Pensionsversiche­rungs­an­stalt und nachfolgendes Standardprodukt ePV; Follow-up-Überprüfung, III-250 der Beila­gen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist dafür? – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Arzneimittelbeschaffung für ausgewählte Krankenanstalten in Salzburg und Tirol, III-60 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Auch das ist einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht des Rechnungshofes betreffend Invaliditätspension Neu; Follow-up-Überprüfung, III-178 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 22: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich, III-396 der Beilagen, zur Kennt­nis zu nehmen.

Wer das tut, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 239

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum“.

Wer erteilt dem eine Zustimmung? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der Empfehlung des Rechnungshofes zur Datenqualität betreffend ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich“.

Wer ist dafür? – Das ist ebenfalls die Minderheit, abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 23: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Geburtshilfe-Versorgung in Niederösterreich und Wien, III-221 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer stimmt dem zu? – Das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 24: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Psychiatrische Versorgung in Krankenanstalten in Kärnten und Tirol, III-14 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Auch das ist einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 25: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Rolle des Bundes in der österreichischen Krankenanstaltenplanung; Follow-up-Überprüfung, III-17 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Auch das ist einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 26: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Interne Revision und Kontrollversammlung bei den Sozialversicherungsträgern SVA und VAEB, III-19 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Auch das ist einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 27: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend System der Finanzzielsteuerung im Gesundheitswesen, III-72 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, ist um ein Zeichen der Zustimmung gebeten. – Das ist einstimmig ange­nommen.

21.48.5428. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien (GZ. MBA/210000025592/2021) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Dr. Martin Graf (1097 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 28.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Es gibt keine Wortmeldung, die Debatte ist damit geschlossen.

21.49.02

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 1097 der Beilagen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, daher angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll127. Sitzung, 14. Oktober 2021 / Seite 240

21.49.37Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sit­zung die Selbständigen Anträge 1981/A(E) bis 2010/A eingebracht worden sind.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betrifft, berufe ich für 21.49 Uhr ein, das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

21.49.58Schluss der Sitzung: 21.49 Uhr

 

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