10.51
Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Repression, offene Diskreditierung, Diskriminierung, staatliche Diskriminierung, verbale, aber auch immer mehr tätliche Angriffe, sogenannte Hassverbrechen auf Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe sind ja bekanntlich ebenso Gewalt und Gewaltanwendung. Wir haben hier immer wieder die Situation von LGTBI in Polen diskutiert. Es ist bekannt, dass die PiS-Regierung tatsächlich ein Problem mit dieser Gruppierung haben dürfte, aus welchem Grund auch immer. Wir im Parlament haben auch schon damals Stellung bezogen, als es um die sogenannten LGTB-freien Zonen in Polen ging, die ja mittlerweile aufgehoben worden sind, weil die europäischen Staaten entsprechend Druck auf das Land gemacht haben.
Ich freue mich deshalb sehr, dass diese aktuelle Situation und Entwicklung dort vor Ort kurz aufgegriffen worden ist, und danke an dieser Stelle meinem Kollegen Nico Marchetti, dass es möglich war, sehr kurzfristig einen Antrag zu schreiben. Es gibt in Polen nämlich einen neuen Gesetzentwurf, der darauf abzielt, Demonstrationen und Regenbogenparaden überhaupt zu verbieten, die Versammlungs- und Redefreiheit von LGTB-Personen einzuschränken und diese auch zu kriminalisieren.
Deswegen bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Nico Marchetti, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Angriff auf Meinungsfreiheit und LGTBIQ-Rechte in Polen“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für EU und Verfassung, wird aufgefordert, sich gegen Angriffe auf die Rede-, Meinungs-, Versammlungsfreiheit von LGBTIQ-Personen in Polen einzusetzen sowie deutlich zu machen, dass die Menschenwürde sowie die Rechte von homosexuellen, bisexuellen, transgender und intergeschlechtlichen Personen von den politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern in Polen zu achten sind.
Die Bundesregierung wird aufgefordert sich weiterhin in bilateralen Beziehungen und auf europäischer Ebene für die Verbesserung der Situation von LGBTIQ-Personen in Europa einzusetzen und sich im Sinne des österreichischen Engagements für Menschenrechte für die Achtung von Grund- und Menschenrechten unabhängig der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder der Geschlechtsmerkmale einzutreten.“
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Ich ersuche um und erhoffe breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
10.54
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Antrag
gem. § 27 Abs. 3 GOG
der Abgeordneten Dr.in Ewa Ernst-Dziedzic, Nico Marchetti,
Kolleginnen und Kollegen
betreffend Angriff auf Meinungsfreiheit und LGTBIQ-Rechte in Polen
eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 6 Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 1512/A(E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Akut-Maßnahmen für Gewaltschutz (1106 d.B.)
Aktuell lassen sich in Europa insbesondere in Polen und weltweit besorgniserregende Rückschritte hinsichtlich Grundrechte beobachten. Im Zentrum der Angriffe stehen meist auch die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, transidenten und intergeschlechtlichen Menschen. Der Sejm, die erste Kammer des polnischen Parlaments, hat am 28. Oktober einen queerfeindlichen Gesetzentwurf in erster Lesung angenommen und zur weiteren Beratung in die Ausschüsse geschickt.1 Der Gesetzesentwurf zielt darauf ab, Demonstrationen und Regenbogenparaden zu verbieten, die Versammlungs- und Redefreiheit einzuschränken und die LGBTIQ-Bewegung zu kriminalisieren.
Das queerfeindliche politische Klima verschärft sich in Polen radikal. Im Rainbow Europe Index des europäischen Dachverbands ILGA Europe, einem internationalen Ranking von 49 europäischen und angrenzenden Staaten bezüglich der Umsetzung von LGBTIQ-Rechten, belegt Polen bereits zum zweiten Jahr in Folge den letzten Platz.2 Im Gegensatz zu anderen Ländern mache Polen beim Schutz von LGBTIQ-Personen und ihrer rechtlichen Anerkennung sogar Rückschritte.
Bereits 2015 verurteilte der Europarat Hassreden und Gewalt gegen Minderheiten sowie zunehmende Homophobie in EU-Mitgliedsstaaten.3 Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) beobachtet die Entwicklungen in Europa ebenfalls mit Sorge, und hat umfassende Empfehlungen für die Stärkung von Rechten von LGBTIQ-Personen formuliert.4
Im Gegensatz zur Entwicklung in Polen wurden in den letzten Jahren in zahlreichen europäischen Ländern wie auch in Österreich wichtige gesetzliche Schritte in Richtung Gleichberechtigung von LGBTIQ-Personen gesetzt, wie z.B. die Einführung von Anti-Diskriminierungsgesetzen, die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, die Möglichkeit von alternativen Geschlechtseinträgen („divers“, „inter“, „offen“ und „keine Angabe), oder die zahlreichen rechtlichen Verbesserungen für Regenbogenfamilien, wie die Einführung des Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Dennoch sind Phänomene wie Homo- und Transfeindlichkeit, Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTIQ-Personen immer noch weit verbreitet. Dies bestätigt auch eine aktuelle Studie der EU-Grundrechteagentur (FRA), die nahelegt, dass viele LGBTIQ-Personen aus Angst vor Spott, Diskriminierung und Gewalt ihre sexuelle oder geschlechtliche Identität verheimlichen.5
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für EU und Verfassung, wird aufgefordert, sich gegen Angriffe auf die Rede-, Meinungs-, Versammlungsfreiheit von LGBTIQ-Personen in Polen einzusetzen sowie deutlich zu machen, dass die Menschenwürde sowie die Rechte von homosexuellen, bisexuellen, transgender und intergeschlechtlichen Personen von den politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern in Polen zu achten sind.
Die Bundesregierung wird aufgefordert sich weiterhin in bilateralen Beziehungen und auf europäischer Ebene für die Verbesserung der Situation von LGBTIQ-Personen in Europa einzusetzen und sich im Sinne des österreichischen Engagements für Menschenrechte für die Achtung von Grund- und Menschenrechten unabhängig der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder der Geschlechtsmerkmale einzutreten.“
1 https://www.queer.de/detail.php?article_id=40354
2 https://www.ilga-europe.org/rainboweurope/2021
3 https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20191212IPR68923/parlament-verurteilt-lgbti-freie-zonen-in-polen
4 https://rm.coe.int/5th-cycle-ecri-recommendations-on-lgbt-issues/16809e7b66
5 https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2020-lgbti-equality_en.pdf.
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