15.33

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Liebe Fernsehzuseher! Wir erleben heute den ich weiß nicht wievielten Ansatz und Anlauf zu einer Regierungsumbildung einer Krisenkoalition – etwas anderes ist es ja in Wahrheit nicht. Es geht aber gar nicht darum, nachzuzählen und zu schauen, wie oft das Ganze jetzt schon passiert ist, denn es ist im Grunde genommen völlig wurscht. Es ist deshalb völlig wurscht, weil dieses Kommen und Gehen von Gesichtern und von Personen in diesem politischen Laufhaus namens Bundes­regie­rung, weil dieser Wechsel und dieser Austausch von Sesseln, von Positionen, von Ämtern, von Parteifarben bis hin zur Garderobenausstattung – zu meiner Linken und zu meiner Rechten für jeden nachvollziehbar –, weil all das nichts an Ihrem Grundproblem ändert, es ändert gar nichts daran! Das Grundproblem dieser Koalition, und zwar für beide Beteiligten, ist ein ganz einfaches: Man kann Ihnen kein Wort mehr glauben. (Ruf bei der ÖVP: Da redet der Richtige!) Das ist das Grundproblem, das Sie haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau diesem Grundproblem möchte ich mich heute widmen, und zwar einfach deshalb, weil sich diese Problematik in der Zwischenzeit zu einer Bedrohung und zu einer riesigen Gefahr für die Demokratie und für den Rechtsstaat ausgewachsen hat. Ich möchte die­ses Grundproblem in gewisser Weise an einem Studienobjekt erläutern, und unser Neo-Bundeskanzler bietet sich ganz hervorragend dafür an.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen zu diesem Zweck ein Zitat mitgebracht. Ich gebe zu, es ist ein bisschen länger, als man das vielleicht gewohnt ist, aber ich finde, es ist sehr, sehr treffend, und ich glaube, es lohnt sich zuzuhören, einfach deshalb, weil es auch von einem anerkannten Wissenschaftler verfasst worden ist (Abg. Pfurtscheller: Von wem?), und ich bin Ihnen damit in Ihrem Anspruch entgegengekommen, immer strenge wissenschaftliche Kriterien an den Tag zu legen. Was ich also jetzt sage, ist in gewisser Weise eine wissenschaftliche Expertise. Ich darf zitieren:

„Anfang April 2020, nach einer Phase der kollektiven Einheit, der Sachpolitik und der gemeinsamen Anstrengung die Bedrohung“ – es wird von der Pandemie gesprochen – „abzuwenden, bezeichnete [...] Nehammer alle Menschen die im Freien unterwegs waren und den Abstand nicht einhielten als ,Gefährder‘ und versicherte, dass die Polizei mit der ,nötigen Härte‘ dagegen vorgehen werde. [...] Mit der faktenbefreiten Eskalation des Ex-Bundeskanzlers Sebastian Kurz am 30. März (,Hunderttausend Tote‘) und der militaristischen Sprache seines damaligen Innenministers Nehammer, begann in Öster­reich die Politisierung und Inszenierung der Pandemie und die Spaltung der Gesell­schaft.

Zwischen dem Narrativ der ,Gefährder‘ und der ,Pandemie der Ungeimpften‘ liegt über ein Jahr in dem die Politik (v.a. das Kanzleramt), unterstützt durch die Medien, nichts unversucht lässt um weiter zu polarisieren, zu emotionalisieren, Personen zu diskre­ditieren und zu diffamieren. [...] Es ist eine Chronologie der bewussten Spaltung und damit Erodierung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des Vertrauens. [...]

Mit der kommenden Impfpflicht verstärkt die Regierung genau jene Faktoren die uns überhaupt erst in diese Situation gebracht haben. Letztendlich war es vor allem der hohe Vertrauensverlust und der Verlust an sozialem Zusammenhalt, der die Impfstrategie scheitern ließ. Umso absurder erscheint es, wenn eine Regierung nun eine Maßnahme setzt, die diesen Vertrauensverlust und den Verlust an sozialem Zusammenhalt noch einmal verstärkt, um die Impfquoten zu erhöhen.“ – Letzter Satz: „Dümmer geht’s nicht – sorry!“ – Zitatende. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, diese Ansage ist ziemlich stark: „Dümmer geht’s nicht“. – Dieses Zitat stammt von Dr. Martin Sprenger, das ist ein Experte für Public Health, also für öffentliche Gesundheit, und das ist ja wohl das, worum es auch in der Bekämpfung der Coronapandemie geht – und ich darf Sie daran erinnern, dass dieser Martin Sprenger auch einmal in Ihrem Expertenstab gesessen ist. Ich glaube, er hat dann erkannt, dass Sie im Gegensatz zum Wissenschaftsbegriff, der allgemein vorherrscht, eine sehr eindimensionale Sicht der Dinge haben, nämlich eine, die den Diskurs ausblendet, und dass Sie zum Zweiten offenbar davon ausgehen, dass auch die Wissenschaft der Politik zu folgen hat.

Meine Damen und Herren, damit es auch die Betroffenen noch einmal verstehen: Man kann natürlich von Solidarität und man kann von einem Zuschütten der Gräben reden und zugleich die spaltende Sündenbockpolitik zum Beispiel mit einem inzwischen unbe­fristeten Lockdown für Ungeimpfte fortsetzen – und das betrifft ja nicht nur die Unge­impften, das betrifft ja alle, die der Willkür Ihrer Immunisierungs- und Genesungskriterien ausgesetzt sind, denn das ist ja nichts anderes als Willkür!

Ich sehe in diesem Lockdown für Ungeimpfte eine fortgesetzte Entmenschlichung, eine Fortsetzung der Spaltung der Gesellschaft. Wie bitte erklären Sie es, auf Basis welcher medizinischen Evidenz, dass Menschen, die mit einem Test in die Arbeit gehen können, die in vollen Verkehrsmitteln sitzen, die sich mit Arbeitskollegen stundenlang in den gleichen Räumen aufhalten, die mit Kunden verkehren, dann in der Gastronomie keinen Kaffee trinken oder den Frisör nicht besuchen dürfen? Wie erklären Sie das bitte mit medizinischer Evidenz? (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Willkür!)

Das hat mit medizinischen Kriterien überhaupt nichts zu tun, sondern das ist eine einzige Strafaktion gegen Leute, die sich erlauben, in ihren Erwägungen zu einem anderen Ergebnis zu kommen als jenes, das Ihnen gefällt. Und da können Sie noch so sehr mit Engelszungen sprechen und die Solidarität bemühen, das, was in der Sache drinnen steht, ist nichts anderes als Zwang und Entmenschlichung.

Man kann natürlich von Dialog und man kann von einem Miteinander reden und zugleich jeden Tag die Gräben noch tiefer aufreißen, indem man dieses Impfzwangssystem weiter vorantreibt, mit Tausenden Euro schweren Strafandrohungen, mit der Androhung bis hin zu einer Beugehaft, mit Berufsverboten für ganze Gruppen – jetzt soll es ja auch noch die Ärzte treffen – und so weiter und so fort.

Da finde ich es rührend, dass Sie heute hier als Bundeskanzler eine Empfehlung abgeben, dass die Menschen mit den Ärzten sprechen sollen – es darf aber nur das herauskommen, was Sie sich wünschen, nämlich ein Ja zur Impfung. Wenn etwas anderes herauskommt, dann wird man in diesem Land stigmatisiert und an den Pranger gestellt und ist ein Bürger zweiter Klasse. Das ist kein Zuschütten von Gräben, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist das Gegenteil! (Beifall bei der FPÖ.)

Man kann das alles natürlich machen – Sie machen das auch jeden Tag, Sie haben es auch heute wieder gemacht –, eines aber kann man dann nicht mehr machen, nämlich den Anspruch stellen, noch von irgendjemandem ernst genommen zu werden. Das passt dann nicht zusammen – diesen Anspruch zu stellen, gleichzeitig aber Gräben zu­schütten zu wollen und die Hand auszustrecken, das passt nicht zusammen. Da prallen Worte und Taten aufeinander und stehen zueinander im Widerspruch. Warum, wenn Sie das wirklich wollen, wenn Sie wirklich ein Verbinder sein wollen, schlagen Sie nicht der Freiheit eine Bresche? Machen Sie die Freiheit und die Selbstbestimmung zum Prinzip, und mit einem Schlag wird es Ihnen gelingen, dort, wo heute überall Verlierer stehen, lauter Gewinner zu haben! Schauen Sie nach Schweden, wenn Sie es mir nicht glauben! Die zeigen Ihnen, wie das Ganze geht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich weiß nicht, was das ist. Ich weiß nicht, welcher Defekt das ist. Ich weiß nicht, welche Seuche, welcher Zwang Sie da beherrscht, sich permanent selbst widersprechen zu müssen.

Wissen Sie, man kann nicht zuerst unterschreiben, dass man dann, wenn Sebastian Kurz nicht mehr hier sitzt, selber auch nicht mehr hier sitzen wird, und dann heute, wo er weg ist, hier sitzen und eine Regierungserklärung abgeben. – Das ist ein Widerspruch, das ist unglaubwürdig! (Beifall bei der FPÖ.)

Man kann nicht sagen, das Gesundheitssystem und die Intensivstationen seien derartig überlastet, und dann zugleich, wie der Gesundheitsminister das macht, nicht einen Euro mehr in die Pflege, in das Personal und in die Aufstockung von Strukturen investieren. Das passt nicht zusammen. Das ist ein Widerspruch, das ist unglaubwürdig!

Man kann nicht hergehen, wie es der Neobundeskanzler und Ex-Innenminister gemacht hat, und sagen, es gebe einen Asylstopp in Österreich, und dann sind es in den letzten zwei Jahren mehr als 50 000 Menschen, die über unsere Grenze gekommen sind und einen Asylantrag stellen. Das ist ein Widerspruch, das ist unglaubwürdig! (Beifall bei der FPÖ.)

Man kann nicht hergehen – das richtet sich jetzt an unseren Neoinnenminister – und oberster Sicherheitsverantwortlicher der demokratischen Republik Österreich sein wollen und gleichzeitig Wert darauf legen, dass man Gralshüter der Gedenk- und Pilgerstätte des Austrofaschismus in Form eines Dollfußmuseums ist. Auch das ist ein Widerspruch, auch das ist unglaubwürdig! (Beifall bei der FPÖ.)

Und, Herr Vizekanzler Kogler, auch an Ihre Adresse: Man kann nicht für sich in Anspruch nehmen, den Anstand hochhalten zu wollen, und dann gleichzeitig mit einer Partei der Korruption und des Machtmissbrauchs eine Koalition bilden. Auch das ist ein Wider­spruch, und auch das schafft Unglaubwürdigkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehen Sie, das ist das große Problem, das wir haben: dass sich Ihre Glaubwürdigkeit nicht durch uns und nicht durch böse Demonstranten, sondern durch Sie selber de facto in Luft aufgelöst hat. Sie ist nicht einmal mehr messbar. Und dann wundern Sie sich, wenn die Menschen zu dem Ergebnis kommen, dass man Sie nicht mehr ernst nehmen kann, außer vielleicht, wenn man sämtliche Axiome der Logik – Prof. Taschner weiß, wovon ich spreche – außer Kraft setzt – das kann man natürlich machen –, und außer, wenn man die Grundsätze von Moral und Menschlichkeit über Bord wirft. Dann könnte man Sie wieder ernst nehmen, aber ansonsten kann man das nicht.

Das Allerschlimmste an der ganzen Sache ist, dass Sie das nicht einmal ansatzweise erkennen. Das ist das größte Problem, und das macht Ihr Problem zu einem Problem von Demokratie und Rechtsstaat in diesem Land. (Beifall bei der FPÖ.)

Würden Sie dieses Problem erkennen, dann wären Sie allesamt zurückgetreten. Dann wären Sie zurückgetreten und würden hier nicht als letzter Rest dieses angeblich Besten aus zwei Welten als – ich bin schon fast versucht – schwarz-grüner Volkssturm hier noch einmal antreten (Ah-Rufe bei der ÖVP), um hier vor dem Untergang noch einmal eine kurze Lebensverlängerung zu erwirken. Dann wären Sie zurückgetreten!

Ganz ehrlich gesagt, auch an die Adresse des Bundespräsidenten, dem es eh schon zu blöd ist, hierherzukommen: Hätte der Bundespräsident dieses Problem erkannt, dann hätte er Sie nicht angelobt, sondern er hätte Sie aufgrund von chronischen rechtsstaat­lichen und moralischen Defiziten entlassen. Es wäre angebracht gewesen, und ehrlich gesagt hätte er damit der Verfassung einen größeren Dienst erwiesen, als in der Hofburg über ihre Schönheit zu schwadronieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, Sie haben heute auch die Gelegenheit nicht genützt, die österreichische Bevölkerung um Entschuldigung zu bitten. Ich weiß schon, warum: weil die einzig passende Form dieses Um-Entschuldigung-Bittens in Wahrheit die Ausrufung von Neuwahlen wäre. Das ist der Punkt. Die Frage, ob das Volk, ob die Bevölkerung, ob der Souverän Ihre Entschuldigung annimmt, können nicht Sie für sich oder irgendein Meinungsforschungsinstitut entscheiden, sondern diese Frage kann einzig und allein der Wähler in diesem Land entscheiden; und davor haben Sie panische Angst! (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Angst wird auch in Ihren Drohungen spürbar, in permanenten Drohungen, eine nach der anderen, alle ausgesprochen im Namen des Dialogs. Es wird „ungemütlich“ werden – jetzt wissen wir, nicht nur bis Weihnachten, sondern für die, die Sie als Ungeimpfte zu Sündenböcken stempeln wollen, offenbar ad infinitum –; die Solidarität ist vorbei – nicht auf absehbare Zeit, sondern ad infinitum, solange Sie glauben, dass es irgendwo nützlich ist, mit Ihrem Konzept der schwarzen Pädagogik –; und die Zügel werden weiterhin straffer und straffer gezogen.

Und wissen Sie was? Da brauche ich als Vertreter der einzig verbliebenen Oppositions­partei in diesem Haus gar nichts mehr zu sagen und gar nichts mehr zu tun. Da treiben Sie – Sie – von den Regierungsparteien die Menschen zu Hunderttausenden auf die Straße, in den verschiedensten Städten, und es werden immer mehr in diesem Land.

Sie sind der eigentliche Motor dieser gesamten Protest- und Freiheitsbewegung. Sie haben das alles zu verantworten, was Sie hier kritisieren, durch Ihre Politik, durch Ihr Versagen, aber auch durch Ihre Beschimpfungen; und ehrlich gesagt, Herr Vizekanzler Kogler, Sie sollten sich genieren! (Beifall bei der FPÖ.) Sie leiden wirklich unter einer anständigen Form der nicht nur moralischen Verwahrlosung, das sage ich Ihnen auch einmal in dieser Deutlichkeit, und Sie müssen nicht alles nachmachen, was Sie an schlechtem Beispiel von der ÖVP vorgelebt bekommen, wenn Sie mutige, friedliche, rechtschaffene Menschen, Menschen, die verzweifelt sind, die sehen, dass sie ihrer Freiheit beraubt werden, die oft keinen Sinn mehr im Leben sehen und hier einen Protest zum Ausdruck bringen, kollektiv verunglimpfen und denunzieren, wie Sie es heute hier als Vizekanzler der Republik getan haben. (Beifall bei der FPÖ.) Da muss ich gar nichts mehr machen, da treiben Sie die Leute auf die Straße!

Meine Damen und Herren, ich fürchte, dass diese Bundesregierung nichts gelernt und nichts begriffen hat, aber ich freue mich darüber, dass die Menschen da viel klüger sind als Sie. Um es in der Diktion einer angeblich christlichen Partei zu sagen: Einem irrenden Papst Widerstand zu leisten ist gleichbedeutend damit, dem Herrn Christus zu ge­horchen. – Das wissen die Menschen, und ehrlich gesagt ist das ein wunderbares Motto! Das ist ein wunderbares Motto, das gefällt mir auch für die Veranstaltung am kom­menden Samstag.

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es leben die Helden in diesem Land! Und die Helden sind für mich diejenigen, die bei all dem Druck, den Sie ausüben, nicht vergessen haben und nicht verlernt haben, auf ihr Herz zu hören und Mitmenschlichkeit zur Anwendung zu bringen. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.  Abg. Wöginger schüttelt den Kopf.) Das sind für mich Helden, in allen Bereichen, in allen Berufen, in allen Schichten, die es in diesem Land gibt. Diese Helden sollen leben, und es lebe die Freiheit, es lebe die Wahrheit und es lebe die Demokratie! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

15.49