15.50

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Rufe bei der FPÖ: Zur Geschäftsordnung! Da war eine Geschäfts­ord­nungsmeldung! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt neuer­lich das Glockenzeichen.) – Vielleicht könnten sich die Damen und Herren in den Reihen der Freiheitlichen etwas beruhigen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie können sich wieder beruhigen, Herr Abgeordneter. Erstens habe ich ihn nicht gesehen – das tut mir leid (Abg. Hafenecker: Dann schauen Sie besser!) –, zweitens steht in der Geschäftsordnung nicht sofort. Ich werde ihm dann die Möglichkeit geben, zur Geschäftsordnung zu reden.

Frau Abgeordnete Klubobfrau Maurer ist am Wort. – Bitte.

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (fortsetzend): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Wir sind heute zu einer Sondersitzung zusammengekommen, weil sich der neue Bundeskanzler, drei neue Bundesminister und eine neue Staatssekretärin hier in unserem Hohen Haus vorstellen. Das passiert in dieser Legislaturperiode nicht zum ersten Mal. Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Regierungsumbil­dung ist eine weitere große Zäsur in dieser Legislaturperiode. Das muss man auch so aussprechen und so beschreiben.

Wir haben in den vergangenen zwei Jahren schon vieles erlebt. Jetzt gibt es eine Regie­rungsumbildung, und ich möchte an dieser Stelle die neuen Regierungsmitglieder herz­lich begrüßen und ihnen alles Gute für die Ausübung ihrer neuen Ämter wünschen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir Grüne haben uns vor fast zwei Jahren zu dieser Regierung bekannt. Wir stehen dazu. Wir haben ein sehr umfangreiches Koalitionsprogramm mit der Österreichischen Volkspartei ausgearbeitet und ausverhandelt, und wir nehmen die Verantwortung für unser Land, für die Wählerinnen und Wähler, für die BürgerInnen, für alle Menschen, die in diesem Land leben, sehr ernst. Wir sind es ihnen nämlich schuldig, meine Damen und Herren, dass wir für sie arbeiten und dass wir im Parlament, aber auch in der Regierung alles tun, um Österreich nach vorne zu bringen und die Menschen, die in Österreich leben, bestmöglich zu unterstützen und den Fortschritt zu bewerkstelligen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir befinden uns mitten in einer Pandemie. Die verlangt uns einiges ab, aber sie verlangt vor allem den Menschen in Österreich einiges ab. Ende dieser Woche wird ein Lockdown enden, den niemand von uns gewollt hat, der aber notwendig war. In einem weiteren Schulterschluss hat die österreichische Bevölkerung zusammengehalten, aus Solidarität mit vulnerablen Gruppen, auch aus Solidarität gegenüber den besonders ungeschützten Ungeimpften, für unsere Gesellschaft, die wir alle gemeinsam schützen müssen, und selbstverständlich auch aus Solidarität mit den Pflegerinnen und Pflegern und den Ärztinnen und Ärzten, die auf den Intensivstationen, in den Krankenhäusern Tag für Tag in der ersten Reihe gegen diese Pandemie kämpfen und tagtäglich Leben retten. Dafür gebühren ihnen all unser Dank und unsere Anerkennung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir stehen aber auch mitten im Kampf gegen die Klimakrise. Auch das ist eine Heraus­forderung, bei der es nicht reicht, sich in Sonntagsreden zu erklären, sondern bei der es notwendig ist, konkrete Maßnahmen zu setzen, Maßnahmen, von denen wir viele schon gesetzt haben, Leonore Gewessler beispielsweise das Klimaticket, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, die ökosoziale Steuerreform, eine große Revolution in unserem Steuer­system. Da gibt es aber noch vieles Weitere zu erledigen, denn was wir heute versäumen und nicht mit voller Überzeugung umsetzen, wird eines Tages unseren Kindern und Kindeskindern die Lebensgrundlage entziehen.

Auf einem unserer früheren Wahlplakate ist gestanden: „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“. – Meine Damen und Herren, genau das ist der Punkt: Wir stehen den Kindern und Kindeskindern gegenüber, den Menschen in Österreich gegenüber in der Verantwortung, nachhaltig und bewusst mit den Ressourcen, die wir haben, umzu­gehen, damit auch ihnen ein gutes Leben möglich ist.

Wenn wir das heute nicht schaffen, werden wir in 20, 30, 40 Jahren vor ihnen stehen und uns rechtfertigen müssen, warum wir denn nichts getan haben. Das möchte ich nicht, und es ist nicht nur so, dass ich das nicht möchte, sondern es ist vielmehr so, dass es um unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker geht. Wir sind gewählt worden, um das Land voranzubringen und das Leben der Menschen einfacher und besser zu machen. Das sehe ich auch als unseren Auftrag. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wer sich jetzt hinstellt und zündelt – es haben jetzt bereits zwei Parteien von Neuwahlen, die notwendig wären, gesprochen –, der denkt egoistisch, der hat nicht im Sinn, die Situation in der Republik, die gerade sehr, sehr schwierig ist, zu bewältigen, sondern politisches Kleingeld aus einer Situation zu machen, die – das wurde bereits erwähnt – ganz sicher eine der schwierigsten Situationen der Zweiten Republik ist. Unser Auftrag als PolitikerInnen allgemein, als Abgeordnete in diesem Haus ist es, das Gesamtwohl der Menschen in Österreich im Blick zu behalten. Dazu muss nach dieser Regie­rungs­umbildung auch wieder Ruhe einkehren, und wir müssen stärker zusammenarbeiten.

Ich möchte an dieser Stelle ganz explizit die Zusammenarbeit in den letzten Tagen in Bezug auf die Impfpflicht erwähnen und mich auch an dieser Stelle bei den NEOS, bei Beate Meinl-Reisinger, und bei der SPÖ, bei Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner, bedan­ken, denn es ist gelungen – es ist heute präsentiert worden –, gemeinsam einen guten Gesetzentwurf zu erarbeiten, den wir jetzt in Begutachtung schicken, damit wir die Pandemie bewältigen können.

Für uns Grüne war in unserer Geschichte neben der Klima- und Umweltthematik immer der Zusammenhalt in der Gesellschaft ganz zentral. Die Grünen sind aus BürgerInnen­bewegungen, aus der Zivilgesellschaft entstanden. Wir sind immer noch viel in Aus­tausch und in Kontakt, und wir sind uns in dieser Gemeinschaft einig: Wir orientieren uns an der Wissenschaft, sowohl was die Klimakrise betrifft als auch was die Pandemie betrifft. Die Wissenschaft muss ständige Begleiterin und auch Vorgeberin für unsere politischen Entscheidungen sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es war in den letzten Tagen und Wochen und auch heute hier schon viel die Rede von Spaltung in unserer Gesellschaft. Ja, wir haben herausfordernde Situationen. Sie ziehen sich durch unsere Familien, durch die Dörfer, durch die Gespräche am Stammtisch. Es gibt viel Verunsicherung, es gibt viele Ängste. Es gibt tatsächlich auch eine Partei, die das missbraucht, um zu spalten. Es gibt aber viele Menschen in Österreich, die bemüht sind, das Richtige zu tun und im Gespräch zu bleiben. Darum möchte ich auch bitten: Bleiben wir innerhalb der eigenen Familie, innerhalb der Dorfgemeinschaft, in den Schu­len, in den Klassen im Gespräch! Reden wir darüber! Versuchen wir, der Verunsiche­rung, die besteht, den Ängsten, die bestehen, zu begegnen, aufzuklären und die Men­schen davon zu überzeugen, dass sie sich impfen lassen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Aufgabe dieser Bundesregierung, aber auch die Aufgabe von uns als National­rats­abgeordneten ist, Substanz zu liefern und sich nicht kurzfristigen Populismen zu ergeben. Das ist in der Vergangenheit nicht immer gelungen, wenn das, was gerade beliebt war, und nicht das, was von der Wissenschaft als das Richtige vorgegeben wurde, handlungsanleitend war. Es ist auch Teil von Politik, Entscheidungen zu treffen, die nicht populär sind und die nicht die sofortige Zustimmung der Massen mit sich bringen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel hat gesagt: Vertrauen ist die wichtigste Währung in der Politik!, und ja: Dieses Vertrauen müssen wir zurückgewinnen. Wir müssen es stärken, aufbauen und weitertragen.

Hier im Hohen Haus ist der Ort, wo wir uns ausmachen, wie wir gemeinsam leben wollen. Es ist unsere Aufgabe, die Gesellschaft insgesamt voranzubringen. Das heißt, es ist einerseits das Klima zu schützen, damit unsere Lebensgrundlage und unsere Lebens­qualität erhalten bleiben. Das heißt auch, dass wir Armut bekämpfen, das heißt, dass wir das wichtige Thema der Pflege angehen, das heißt, dass wir die Chancen der Menschen fördern und Ungleichheiten bekämpfen müssen. Das ist unsere Verantwortung und die tragen wir gegenüber allen Menschen in unserem Land, nicht nur jenen gegenüber, die uns jeweils gewählt haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Vertrauen in die Politik wurde und wird in Krisen immer auf die Probe gestellt. In letzter Zeit ist mit diesem Vertrauen auch manchmal leichtfertig umgegangen worden. Wir müssen es jetzt wieder aufbauen. Dazu reichen wir hier im Hohen Haus, gemeinsam mit der Regierung, allen, die diese Verantwortung teilen, die Hand.

Ich wünsche dir, lieber Karl, Herr Bundeskanzler, den neuen Ministern, der neuen Staatssekretärin noch einmal einen guten Start in diese neue wichtige Aufgabe. Auf eine gute Zusammenarbeit! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.01

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abge­ordneter Angerer zu Wort gemeldet. – Bitte.

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