16.39

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vize­kanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Der neue Bundeskanzler Nehammer hat heute auf Samtpfoten zu uns gesprochen, das war mir sehr sympathisch, vielleicht bleibt es dabei.

Er meinte auch, dass er mit Ihnen jetzt sehr vertrauensvoll weiter zusammenarbeiten wird und sich sehr darauf freut – was ich besonders bemerkenswert oder auch belus­tigend finde, denn die größte Errungenschaft Ihrer Regierungsbeteiligung bestand ja darin, seinen Vorvorgänger irgendwie loszuwerden. Vielleicht war er auch froh drüber, dass er jetzt Platz für ihn gemacht hat.

Die Grünen können sich angesichts des Zustandes der ÖVP sozusagen als stabiler Faktor der Regierung präsentieren. Dazu kann ich nur sagen: Wohl bekomm’s! Wir werden sehen, wie das weitergeht.

Bundeskanzler Nehammer hat auch gemeint, es sei jetzt Gott sei Dank nur mehr ein Mindestmaß an Schutzmaßnahmen notwendig. Der Lockdown für alle kann beendet werden, und jetzt kann man wirklich auf ein Mindestmaß zurückfahren. – Wenn man ge­nauer nachdenkt, was damit gemeint ist, versteckt sich dahinter der Lockdown für Ungeimpfte, ein Lockdown für Hundertausende Menschen, die meistens gesund sind, die sich auch meist negativ testen lassen, die trotzdem diesen Ausnahmebeschrän­kungen unterliegen und abgesehen von allen anderen Beschränkungen kein Geschäft betreten dürfen, nicht einmal zum Friseur gehen dürfen. So etwas wird jetzt schon als Mindestmaß an Schutzmaßnahmen bezeichnet.

Herr Vizekanzler, Sie haben auch ausführlich diese Versammlungen angesprochen und die Teilnehmer wüst beschimpft, nicht nur als radikale gewaltbereite Extremisten, auch als demokratiefeindliche Versammlungen, wie sie auch Bundeskanzler Nehammer be­zeichnet hat. Sie sind noch weiter gegangen und haben sie als Neofaschisten, als Neonazis bezeichnet. Ich möchte Ihnen vielleicht Folgendes als Tipp mitgeben: Sehr viele sagen zu mir: Entschuldigen Sie, Frau Fürst, ich habe bisher immer grün gewählt, aber das werde ich nicht mehr tun. – Diese Sager, dass dabei so viele Rechte auf der Straße sind, kann ich also nicht bestätigen.

Ich war gestern noch einmal auf der Suche nach den Extremisten in meiner Heimatstadt Linz, habe mich dort unter die Leute gemischt und mit über zwei Dutzend gesprochen. Die waren alle so etwas von normal – nicht einmal einen Exzentriker habe ich gefunden. Dort war eine Mutter mit ihrem autistischen Sohn, der schon sehr unter den Maßnahmen der Coronapolitik gelitten hat, der sich vor der Impfung fürchtet. Sie meinte, er ist jetzt in einem halbwegs stabilen gesundheitlichen Zustand, aber sie ist skeptisch.

Ich habe mit einem Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe gesprochen – er ist 35 Jahre alt, hat schon 20 harte Arbeitsjahre auch mit gesundheitlichen Schwierigkeiten hinter sich –, der psychisch am Ende ist. Er sagt, er ist auch aufgrund des Drucks und zunehmenden Mobbings, weil er ungeimpft ist, fertig.

Ich habe auch mit einer älteren Musikerin gesprochen, die zweimal geimpft ist, die sich auch ein drittes Mal impfen lassen wird. Sie möchte eigentlich nur den Zeitraum mit ihrem Arzt selbst bestimmen und fühlt sich angesichts der Politik und der Sprache, die hier Eingang gefunden haben, unter Druck gesetzt.

Es gibt also die unterschiedlichsten Gründe bei den Menschen, die an der Versammlung teilnehmen, das zu tun. Zum Großteil sagen sie, sie machen das zum ersten Mal. Wir alle haben ja eigentlich keine Straßenerfahrung, wie sie den Grünen zugeschrieben wird. Diese Menschen verdienen aber die Beschimpfung, die Sie hier heute losgelassen haben, auf keinen Fall. (Beifall bei der FPÖ.)

Fast jeder Redner spricht auch von der Überwindung der Spaltung, die stattzufinden hat. Gleichzeitig präsentieren Sie heute den endgültigen Entwurf für die Impfpflicht. Dazu kann ich nur sagen: Das wird die Spaltung nicht aufheben. Sie führen damit auch ein völlig neues Grundrechtsverständnis ein. Es ist jemand unsolidarisch, der nicht alles mitmacht, sich nicht impfen lassen will. Man ist egoistisch. Vom Bundespräsidenten abwärts über den Bundeskanzler zur Verfassungsministerin wird gemahnt: Wir haben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten.

Das sagt man Menschen, die wirklich viele harte Arbeitsjahre hinter sich haben, die mit all dem Kummer, den Sorgen und der Ungewissheit Kinder aufgezogen haben, die beeinträchtigte Kinder aufgezogen haben und rund um die Uhr für ihre Kinder, die Familie, für die Arbeit da waren, die alle ihre persönlichen Interessen hintangestellt haben, oder auch Älteren, die immer nur geleistet und geliefert haben. Denen geben Sie jetzt mit, dass sie asozial sind, dass sie Neofaschisten hinterherhoppeln, wie Sie das gesagt haben. (Vizekanzler Kogler schüttelt den Kopf.) – Na ja, Sie haben es gesagt. Und Sie sagen, sie sind unsolidarisch.

Das sind sie nicht! Sie machen nur von ihren Rechten Gebrauch, fühlen sich unter Druck gesetzt. Vielleicht machen Sie damit in dieser neuen Regierung nun Schluss, in der Sie ja jetzt der stabile Faktor sein wollen. Sie reden viel von Coronadesinformation; dann nehmen Sie bitte das Wort Vollimmunisierung nicht mehr in den Mund, von der Sie heute wieder gesprochen haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Auch der Bundeskanzler hat gemeint, das Impfen sei der einzige Ausweg aus der Pandemie, es sei solidarisch, man müsse es zum Fremdschutz machen. – Zahlen Sie dem Herrn Gesundheitsminister bitte einmal ein Coaching, damit er mehr als einen Satz ohne Vorlage herausbringt! Er sagt immer nur: impfen, impfen, impfen. – Ich habe nichts gegen die Impfung, aber hören Sie damit auf, sie so darzustellen, als ob sie der einzige Weg wäre.

Ich darf nur ein Zitat – keine persönliche Meinung, ein Zitat – aus einem Medium bringen, das von Ihnen gut durch die Medienförderung gefüttert ist und von unserer Partei denkbar entfernt steht. Dort steht geschrieben: „[...] nichts ist in den letzten Wochen und Monaten mehr ins Wanken gekommen, als die Behauptung, als Geimpfter schütze man auch die anderen“. – Das ist nur eine Feststellung von einem Medium. Vielleicht sollte man dem auch nachgehen. Das spricht nicht gegen die Impfung an sich, aber vielleicht dagegen, dass man sie als einziges Standbein hernimmt, und dafür, dass Sie vielleicht mit dem Druck und den Beschimpfungen aufhören. Wenn wir uns darauf einigen könnten, wären wir schon sehr weit.

Hören Sie alle miteinander auf jeden Fall auf zu sagen, das Virus sei der Feind! – Ja, alle Krankheiten sind unser Feind, auch Schicksalsschläge. Wir müssen damit leben, ich glaube, so weit sind wir schon. Hören Sie auf, zu sagen, das Virus schränke unsere Freiheit ein! – Nein, das machen Sie mit Ihren Maßnahmen, und Sie sind bei den Lockdowns und bei der Impfpflicht weder rechtlich noch medizinisch noch ethisch dazu berechtigt. (Beifall bei der FPÖ.)

16.46

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Maria Theresia Niss. – Bitte.