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Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, man kann in der Situation, in der wir gerade sind, getrost von einer Art Déjà-vu sprechen. Wir haben heute keine völlig neue Situation, erst kürzlich gab es einen neuen Kanzler – das war dann ein eher kurzes Vergnügen.

Jetzt gibt es wieder eine neue Situation, die eher vielversprechend klingt, und ich denke, gerade jetzt sollten wir es schaffen, von hier im Parlament einen gewissen Optimismus nach außen zu tragen. Warum? – Wir leben in einer Zeit, in der Hoffnung das Einzige ist, worauf wir Stabilität aufbauen können und auch, im Sinne des gemeinschaftlichen und vor allem friedlichen Miteinanders, müssen. Unsicherheit dominiert, und uns muss es gelingen, durch verantwortungsvolles Handeln den Menschen in diesem Land die Ängste zu nehmen, ehrlich zuzuhören.

Wenn es uns hier im Hohen Haus schon nicht gelingen kann, Stabilität durch Maß­nahmen und einheitliche Forderungen zu erzielen, dann doch zumindest Hoffnung auf Besserung gepaart mit einem gewissen Optimismus.

Etwas, das längst überfällig ist: ein Kompliment an die Bevölkerung für ihre großartige Art, mit der Krise, mit der derzeitigen Situation umzugehen! Jeder tut es auf seine Weise, aber jeder bleibt in dieser Krise tapfer.

Man hatte und hat den Eindruck, dass Teile der vorherigen Regierung nicht bereit und auch nicht gewillt waren, Verantwortung zu übernehmen. Ich hoffe, diese Zeiten sind jetzt vorbei. Ich hoffe, mit Ihnen, Herr Bundeskanzler, zieht wirklich ein neuer politischer Stil ein. Ich hoffe, Sie sind jemand, der ein Miteinander sucht und vor allem auch vorlebt, jemand, der Entscheidungen, die in der Regierung getroffen werden, als gemeinsamen Prozess zum Wohle der Menschen sieht und sie nicht im Alleingang trifft. Ich hoffe, Sie sind jemand, der politisch nicht davon leben möchte, dass er sich in Szene setzt, sondern seine Spuren durch einen verantwortungsvollen Umgang mit der Demokratie hinterlässt.

Der Leidensdruck in der Bevölkerung ist unfassbar groß, gravierende Probleme, die es schon vor Corona gab, sind jetzt noch gravierender geworden. Dazu gibt es zahlreiche, wenn man es so bezeichnen möchte, Schattenpandemien, die dazugekommen sind: Wir haben eine Teuerungswelle, wir haben die anstehende Pflegereform, aber wir haben auch einen Bereich, den ich jetzt besonders ansprechen möchte, einen Bereich, in dem aus meiner Sicht noch zu wenige Maßnahmen gesetzt werden, einen Bereich, dem zu wenig Beachtung geschenkt wird, das ist Long Covid, das vor allem den Gesundheits- und den Arbeitsbereich besonders hart treffen wird. Es wäre jetzt dringend nötig, da gegenzusteuern.

Der Bezug der Politik zu all diesen Problemen scheint in den letzten Wochen und Monaten ein bisschen verloren gegangen zu sein. Schaffen wir jetzt Lösungsansätze, konstruktive Zusammenarbeit auch mit der Opposition, gerade in diesen Zeiten! All das muss passieren und all das traue ich Ihnen in gewisser Weise auch zu. Das muss absolut politischer Alltag sein, der in einer Krise normal sein und so gelebt werden sollte.

Es gibt, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, eine lange To-do-Liste für Sie, und ich hoffe, Sie ziehen, um die aus meiner Sicht eigentlich sehr schlechte Wortwahl Ihres Vor­gängers zu verwenden, die Zügel eng, wenn es um Konsensfindung geht, wenn es um konstruktive Zusammenarbeit geht.

Ich hoffe, dass Sie ehrlich versuchen, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzu­gewin­nen, aber durch Taten und nicht durch schöne Phrasen. Ich denke nämlich, die Bevölke­rung hat absolut genug, die Bevölkerung hat es so satt: schlechtes Benehmen, Unter­griffigkeiten und eben diese leeren Phrasen! Ruhe, Sicherheit, Stabilität, all das muss wieder in der Politik Einzug halten. Da muss Vertrauen wieder erarbeitet und nachhaltig aufgebaut werden. Die Bevölkerung, das darf man niemals vergessen, braucht ein Politiker immer an seiner Seite, und sie allein ist es, die sein Handeln bestimmt, und das nicht nur am Wahltag.

Auch die ehrliche Zusammenarbeit – um dem nächsten Tagesordnungspunkt schon ein bisschen vorzugreifen –, wenn es um die Aufklärungsarbeit gewisser Ungereimtheiten geht, ist ein Schritt in die absolut richtige Richtung und eigentlich auch ein riesengroßer Schritt in Richtung Wiedergutmachung, die zu leisten ist. Politiker müssen keine Roboter sein, aber Politiker müssen Menschen mit Herz sein. Solche Persönlichkeiten braucht die Politik dringend: Menschen mit Herz, Weitblick und Souveränität einzig und allein zum Gesamtwohl.

Die Verantwortung ist wahnsinnig groß, auch die Blockadehaltung, die Sie überwinden müssen, ist wahnsinnig groß, aber es ist verständlich, es ist irrsinnig viel passiert. Das zeigt uns aber eines: dass jetzt noch mehr zu leisten ist, noch mehr als eben passiert ist (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen), dass man noch mehr aufeinander zugehen muss, um eben diese Blockaden wirklich durchbrechen zu können.

Ich hoffe, Sie kommunizieren ehrlich mit den Menschen und nicht an den Menschen vorbei. Ich hoffe, Sie behandeln das Amt des Bundeskanzlers mit Respekt an jedem einzelnen Tag, an dem Sie in diesem Amt sein dürfen. Viel Erfolg! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

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