9.33

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrtes Hohes Haus! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde ist Atomenergie, und das aus sehr gutem Grund, denn es droht ein historischer Fehlschlag in der europäischen Klimapolitik. Wenn wir heute von der EU-Taxonomie sprechen, dann muss man sagen, das klingt etwas technisch, bedeutet aber, dass jetzt – in diesem Jahr – entschieden wird, welche Ener­gieform zukünftig als umweltfreundlich gilt und auch finanziell gefördert und unterstützt wird.

Wenn es nicht gelingt, das Ruder bis Ende des Jahres noch herumzureißen, dann wird Atomenergie künftig mit EU-Mitteln, also im weitesten Sinne auch mit österreichischem Steuergeld, gefördert werden. Uns bleiben wortwörtlich nur noch ein paar Tage und ich denke, es steht außer Frage: Das muss verhindert werden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Geschichte hat uns schon mehrmals vor Augen geführt, was bei der Atomenergie auf dem Spiel steht. Ein Unfall reicht, damit Millionen von Menschenleben bedroht sind und ganze Landstriche für uns Menschen jahrhundertelang unbewohnbar werden. Auch ohne Super-GAU steht zu viel auf dem Spiel, nämlich mit dem Atommüll, der laufend erzeugt wird und der uns eigentlich vor ein unlösbares Problem stellt, und zwar nicht nur uns, sondern Generationen und Generationen nach uns. Es wird laufend radioaktiver Müll produziert, wobei eigentlich niemand genau sagen kann, was damit passieren soll.

Atomenergie ist ganz sicher nicht nachhaltig, sie ist gefährlich und auch teuer. Sie rentiert sich nicht mehr. Was den Punkt Kosteneffizienz betrifft, haben andere Technolo­gien die Atomenergie schon längst überholt, und, meine Damen und Herren, genau des­halb schreit die Atomlobby ja jetzt so laut auf. Wenn wir als EU in so einer Situation hergehen und sagen, wir wollen Atomenergie finanziell unterstützen, dann ist das so, als würden wir mit vollem Karacho gegen die Wand fahren.

Ich appelliere an die Bundesregierung, alle Register zu ziehen, ihr ganzes Gewicht in die Waagschale zu werfen. Mit 20 von 27 Stimmen der Nationalstaaten könnten wir noch einen Turnaround schaffen – wir hoffen, er gelingt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Dazu braucht es Sie, Frau Umweltministerin. Sie haben heute schon klare Worte ge­funden – das ist gut. Es bräuchte aber wahrscheinlich auch einen starken Kanzler mit vielen europäischen Bündnispartnern und Bündnispartnerinnen. Wahrscheinlich müs­sen wir aber eher froh darüber sein, wenn alle den Überblick bewahrt haben und über­haupt noch wissen (erheitert), wer in Österreich gerade in Funktion ist – so oft, wie wir tatsächlich den Kanzler wechseln. Klar ist aber: Sie müssen alle Register ziehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Punkt ist mir noch wichtig: Es geht nicht nur um Atomstrom, sondern es geht auch um fossiles Gas – der nächste Fehlgriff. Wir müssen aus der fossilen Energie raus, und da können wir sie nicht finanziell fördern, auch das muss klar sein. Was gefördert gehört, ist die erneuerbare Energie, das ist die Wasserkraft, die Windkraft, die Sonnenkraft – diese stehen uns ständig zur Verfügung –, das wäre nachhaltig. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich weiß, hier im Hohen Haus, hier in diesem Saal sind wir uns darüber einig, dass Atomenergie keine Option ist. Es ist wichtig, dass wir dazu auch einen Antrag von allen fünf Parteien auf der Tagesordnung haben.

Zwei Punkte aber: Erstens: Ziehen Sie auf EU-Ebene die Notbremse!, und zweitens will ich alle hier im Hohen Haus daran erinnern, dass auch wir noch eine lange To-do-Liste haben. Auch wir in Österreich können nicht garantieren, dass zu 100 Prozent kein Atom­strom aus unseren Steckdosen fließt. Auch wir brauchen noch eine 100-prozentige Versorgung mit erneuerbaren Energien, denn nur das wird uns langfristig aus der Abhän­gigkeit von der Atomlobby oder auch der Fossillobby befreien.

Das muss der Weg sein – einer mit vielen Gesetzen. Das EAG, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, steckt ja noch immer in den Startlöchern, das Energieeffizienzgesetz ist ersatzlos ausgelaufen. Die Liste ist lang. Ich hoffe, das heute ist ein Startschuss. – Danke schön für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Bernhard.)

9.38

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rauch. – Bitte sehr.