9.53

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Lassen Sie mich eine kurze Geschichte erzählen: Ich bin in Freistadt im Mühlviertel aufgewachsen, das ist etwa 11 Kilometer von der tschechischen Staatsgrenze entfernt. Aufgrund der vielen Störfälle, die in den Neunzigerjahren in Temelín gemeldet wurden, haben wir uns in der Volksschule schon ganz, ganz bald mit den Gefahren der Atomkraft beschäftigt und damit auseinandergesetzt, was im Fall eines Super-GAUs eintreten würde.

Es gibt zwei Erinnerungen, die mich wesentlich geprägt haben. Zum Ersten ist das die Erinnerung daran, dass viele Aktivistinnen und Aktivisten, auch mit Schildern, auf die Gefahr der Atomkraft hingewiesen haben. Diese Schilder haben teilweise sehr befremd­lich gewirkt. Gleichzeitig wurde in der Volksschule darüber gesprochen, ob Jodtabletten bestellt werden sollen. Ich war damals acht, neun Jahre alt, ich wusste nicht, wofür Jodtabletten eingesetzt werden. Uns wurde erklärt, wann diese einzunehmen sind, und dass wir eigentlich in der Todeszone zu Hause sind, nämlich im Umkreis von 60 Kilo­metern rund um Temelín, und dass diese Jodtabletten im schlimmsten Fall ja gar nicht so viel nutzen würden. Ich sage Ihnen, das macht etwas mit Kindern, das hat auch etwas mit meiner Schulklasse gemacht. Wenn der Sirenenalarm wegen eines Feuerwehrein­satzes losgegangen ist und dann nach 15 Sekunden Gott sei Dank wieder aufgehört hat, haben wir immer aufgeatmet. Wir haben da mitgezählt und mitgefiebert und eigentlich immer Angst gehabt.

Meine zweite Erinnerung ist eine positive, sie hat mit einer Demonstration zu tun. Genauso wie Kollege Litschauer war auch ich früher einmal demonstrieren. Mit vielen MühlviertlerInnen, ÖsterreicherInnen, aber auch tschechischen AktivistInnen haben wir damals die Grenze blockiert und sind gemeinsam gegen Temelín aufgetreten, und das nicht nur aus Sorge und Angst vor Atomenergie, sondern auch im Glauben und in der Hoffnung darauf, dass es ohne Atomenergie gehen kann und muss. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Warum erzähle ich das? – Ich möchte Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigen, dass die Atomenergie auch bei uns ist, dass sie auch nahe an Österreich dran ist und dass wir dieses Bekenntnis gegen die Atomenergie immer wieder gemeinsam abgeben sollen. Ich bin auch im Anti-Atom-Komitee Freistadt aktiv und ich kann Ihnen versichern, dort leisten Menschen tagtäglich sehr viel für die Aufklärung über die Bedrohung durch die Atomenergie. Ich bin dafür auch sehr dankbar, weil das gerade für junge Menschen vielleicht nicht mehr ganz so greifbar ist, weil die großen Geschehnisse und schlimmen Vorfälle Gott sei Dank schon einige Zeit zurückliegen.

Für mich ist aber nicht nur die fehlende Sicherheit der Atomkraftwerke ein massives Prob­lem, bei dem es noch viele offene Fragen gibt, sondern auch die Endlagerung des Atommülls. Sehr geehrte Damen und Herren, schauen wir dorthin, wo die Atom­kraft­werke sind! Wo sind denn die Orte, an denen Endlager oder auch Zwischenlager geplant werden? – Die sind meistens an den Staatsgrenzen. Die Staaten, die noch Atom­kraft­werke haben, möchten diese Bedrohung nämlich ihren eigenen Bürgerinnen und Bür­gern nicht zumuten, sie schieben das lieber auf die Nachbarstaten ab.

Sehr geehrte Damen und Herren, in Europa gibt es noch viele Menschen, die die Atom­energie trotzdem als Zukunftslösung und auch als Back-up sehen, wenn wir jetzt auf alternative Energieformen umsteigen. Ich glaube, dass es wichtig und richtig ist, dass wir hier entschieden dagegen auftreten, denn es gibt einfach noch so viele ungeklärte Dinge. Wir in Oberösterreich errichten gerade ein Pumpspeicherkraftwerk in Ebensee und zeigen damit, dass es auch alternative Back-up-Formen gibt, die richtiger und wichtiger als Atomenergie sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, gerade in einer Zeit, in der der politische und gesell­schaftliche Diskurs etwas rauer wird und auch der Ton hier herinnen manchmal etwas rauer ist – und auch da nächste Woche Weihnachten ist und der Weihnachtsfriede ein bisschen über uns schwebt –, glaube ich, dass es richtig ist, dass wir heute zu Beginn der Plenarsitzung ein Thema gewählt haben, das uns alle eint. Ich hoffe, dass wir uns dieses Miteinander in diese zwei Plenartage mitnehmen, denn für uns alle ist klar, dass Atomenergie keine Zukunftslösung ist. Sie ist nicht sauber, nicht grün und schon gar nicht sicher, und deswegen hat sie auch keinen Platz in der EU-Taxonomie. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.58

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schroll. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter, bei Ihnen steht das Wort.