15.57

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich nehme es jetzt als sportliche Herausforderung, in 4 Minuten zu drei Anträgen zu sprechen. Erstens: Der Antrag der Regierungsparteien gemäß § 27 zur Stärkung von Frauenrechten ist durchaus okay, er hat nur mit meinem ursprünglichen Antrag zur Frage, Frauen und Mädchen vor HIV/Aids und Gewalt zu schützen, nicht mehr viel zu tun. HIV/Aids kommt im Antragstext überhaupt nicht mehr vor.

Mein Antrag ist schon zwei Jahre alt, sprich, er ist vor Corona geschrieben worden, und schon damals war die Situation für Frauen und Mädchen höchst dramatisch. Seit Corona hat sie sich noch massiv verschärft. Wir sind zwar beim SDG 3, Aids bis zum Jahr 2030 vollkommen loszuwerden, prinzipiell auf einem ganz guten Weg – in den letzten 20 Jah­ren haben wir 44 Millionen Menschenleben gerettet, die Todesfälle sind um 65 Prozent gesunken, die Neuinfektionen um 54 Prozent –, seit wir aber Covid-19 haben, sind ein­fach die Gesundheitssysteme total überlastet. Es gibt zum Beispiel um 20 Prozent weniger HIV-Tests, und es wäre wirklich, wirklich dringend an der Zeit, dass Österreich da etwas zum Schutz vor allem von Frauen und Mädchen tut und dementsprechend sowohl Gesundheitssysteme stärkt als auch Organisationen, die in diese Richtung arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens: Zum gegenständlichen Tagesordnungspunkt bringe ich folgende Entschließungs­anträge ein, in denen es unter anderem darum geht, in der Covax-Initiative mehr zu geben und mehr zu tun. Wir haben bisher in Summe etwa zwei Millionen Impfdosen Astra Zeneca bilateral gespendet. Oft schaut es so aus, als wären das einfach Gast­geschenke, und die Frage, ob diese dann auch noch organisiert, verteilt und ver­impft werden können, spielt weniger eine Rolle als die Symbolik.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend „trans­parente Impfstoffspenden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert weitere Impfstoffspenden transparent zu ver­geben und die Entscheidung für die Auswahl des Empfängerlandes und die Anzahl der Dosen in einem Ministerratsvortrag zu begründen und dem Ministerrat zur Beschluss­fassung vorzulegen.“

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Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend „internationale Impfstoffsolidarität stärken“ wird im Saal verteilt.  

Im Grunde geht es darum, dass wir zwar wissen, dass im Schnitt 70 Prozent der euro­päischen Bevölkerung geimpft sind, dass es im globalen Süden aber nur etwa 4 Prozent sind. Es ist einfach eine höhere Impfstoffproduktion notwendig, ein guter Weg dazu wären Ausnahmegenehmigungen zum Trips-Abkommen.

Dafür hat sich zum Beispiel US-Präsident Biden ausgesprochen, dafür hat sich das Euro­päische Parlament ausgesprochen. Die neue WTO-Generalsekretärin hat gefordert, ungenutzte Produktionskapazitäten im globalen Süden dafür zu verwenden.

Der Entschließungsantrag fordert, einen weltweit fairen, transparenten und leistbaren Zugang zu Covid-19-Impfstoffen, Medikamenten und Diagnostik zu schaffen, indem es etwa ein koordiniertes Vorgehen auf globaler Ebene gibt, dass es zu tatsächlichen Tech­nologietransfers kommt, dass die Finanzmittel für Covax aufgefettet werden, dass es zu einer Ausweitung der weltweiten Produktionskapazitäten von Impfstoffen kommt, zum Beispiel indem Impfstoffe zu Global Public Goods erklärt werden, und dass all jene, die geimpft werden wollen, auch geimpft werden können.

Die Europäische Union wird aufgefordert, sich für die Aussetzung handelsbezogener geistiger Eigentumsrechte zur Pandemiebekämpfung auszusprechen, dazu die Waiver-Klausel im Trips-Abkommen zu aktivieren sowie last, but not least auch die WTO-Neu­besetzung dafür zu nutzen, das Welthandelssystem neu zu denken und eine Wirtschaft zu designen, die nicht im Interesse weniger Shareholder, sondern wirklich im Interesse der Menschen arbeitet.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Die Pandemie ist dann vorbei, wenn sie für alle Menschen auf dieser Welt vorbei ist, und nicht früher. (Beifall bei der SPÖ.)

16.01

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Genossinnen und Genossen

betreffend transparente Impfstoffspenden

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 14 Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2020 der Bundesregierung (III-482/1263 d.B.)

Der vorliegende Außen- und Europapolitische Bericht 2020 soll laut Vorwort des Bun­desministers a.D. als Kompendium den Facettenreichtum der österreichischen Diplo­matie und deren Engagement nahebringen. Covid-19 und die weltweite Bekämpfung der Pandemie hat demnach einen sehr prominenten Stellenwert in diesem Bericht und in der außen- und europapolitischen Debatte der letzten Monate eingenommen.

Österreich unterstützte die internationale COVAX-Initiative bisher national mit einem finanziellen Beitrag von rund 5 Mio Euro. Darüber hinaus unterstützte Österreich die von der Europäischen Kommission im Oktober 2021 vorgeschlagene Mobilisierung von 1,3 Milliarden Euro zur Finanzierung zusätzlicher 200 Millionen Dosen für Länder mit nied­rigem BIP.1

Wie aus zwei Anfragebeantwortungen hervor geht, hat Österreich neben den multinatio­nalen und europäischen Kanälen aber auch bilateral Impfstoffdosen gespendet.

Im gemeinsamen Ministerratsvortrag des Bundesministers für europäische und inter­nationale Angelegenheiten und des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 10. November 2021 wird Österreichs Engagement folgen­dermaßen begründet: „In Zeiten der globalen Gesundheitskrise ist internationale Soli­darität und die möglichst rasche Unterstützung unserer Nachbarn und weltweiter Partner mit Impfstoffen von entscheidender Bedeutung. Angesichts des mangelnden Impffort­schritts ist in den kommenden Monaten – auch bedingt durch Virusvarianten - von einer sich weiter verschärfenden Lage auszugehen. Die Bundesregierung sieht sich daher nicht nur aus Gründen der Solidarität, sondern auch aus Eigenschutz in der Verant­wortung ihren Beitrag zu leisten, um Impfungen weltweit voranzutreiben. Dazu gilt es, österreichische Impfstoffe zu spenden bzw. zu verkaufen und Begleitmaßnahmen zu finanzieren. Die besten Impfstoffe sind wertlos, wenn sie nicht rechtzeitig verimpft wer­den können. Denn niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind. Der globale Bedarf an Impfstoffen wird auf absehbare Zeit nicht gedeckt sein. Die Pandemie wirkt zudem wie ein Katalysator für Entwicklungsdefizite, wie die Intensivierung von Konflikten sowie politische und sozioökonomische Entwicklungen im vergangenen Jahr gezeigt haben. Fragile Staaten und vulnerable Gruppen wurden am härtesten von der Krise getroffen, Frauen sind überproportional stark betroffen. Der Ausweg aus der Krise liegt in einer möglichst hohen Impfrate, und das weltweit.“

Aus zwei Anfragebeantwortungen (7768/AB und 7766 AB)2 geht hervor, dass Österreich bis zum 21.10.2021 1.955.400 Dosen des Impfstoffs Astra Zeneca bilateral gespendet hat.3 Aus den Anfragebeantwortungen geht jedoch nicht genau hervor aus welchen primären Gründen die Länder für Impfstoffspenden ausgewählt wurden, auf welcher Entscheidungsgrundlage die Auswahl erfolgte und wonach die Anzahl der gespendeten Dosen erfolgte.

Die unterfertigten Abgeordneten sprechen sich daher für mehr Transparenz bei den Spenden von Covid-19 Impfstoffen aus und stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert weitere Impfstoffspenden transparent zu verge­ben und die Entscheidung für die Auswahl des Empfängerlandes und die Anzahl der Dosen in einem Ministerratsvortrag zu begründen und dem Ministerrat zur Beschluss­fassung vorzulegen.

1 MRV, 10. November 2021, in: 5. Ministerrat am 10. November 2021 – Bundeskanz­leramt Österreich; Stand: 10.12.2021

2 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_07829/index.shtml und https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_07828/index.shtml

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Genossinnen und Genossen

betreffend internationale Impfstoffsolidarität stärken

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 14 Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2020 der Bundesregierung (III-482/1263 d.B.)

Auch der Außen- und Europapolitische Bericht hält fest, dass die Covid-19 Pandemie eine globale Herausforderung ist und alle Lebensbereiche umfasst. Eine Pandemie ist ein globales Problem und kann daher nur global besiegt werden. Eine solidarische Impfstoffverteilung ist daher auch aus Sicht der Pandemiebekämpfung das Gebot der Stunde.

Während die Impfkampagnen innerhalb der Europäischen Union endlich an Fahrt aufge­nommen haben und ca. 70% der europäischen Bevölkerung bereits geimpft ist, sind im Globalen Süden lediglich 4% der Bevölkerung geimpft. Länder mit den niedrigsten ökonomischen Kennzahlen weisen ein 20 Mal geringeres Impftempo auf als reiche Regionen. Insbesondere vor der dem Auftreten immer neuer Virusvarianten – aktuell Omikron – eine besondere Gefahr.

Um eine erhöhte Impfstoffproduktion für die und in Ländern des Globalen Südens und kontrollierte Verkaufspreise von COVID-19 Medikamenten, Impfstoffen, Diagnostika und anderen Technologien, einschließlich Masken und Beatmungsgeräten, zu erreichen, ging bereits im Oktober 2020 von Südafrika und Indien ein offizieller Antrag für eine Ausnahmegenehmigung des TRIPS-Abkommen, das Patente und geistiges Eigentum regelt, bei der WTO ein (vgl. Keine Patente in Pandemiezeiten - Die wichtigsten Fragen und Antworten | Ärzte ohne Grenzen - MSF (aerzte-ohne-grenzen.at) Stand: 12.02.2021).

Sie forderten damit frühzeitig einen Verzicht auf einige Bestimmungen des TRIPS-Abkommens zur Prävention, Eindämmung und Behandlung von COVID-19. Wenn die Ausnahmegenehmigung erteilt werden würde, könnten in den Ländern, die Mitglieder der WTO sind, für die Dauer der Pandemie Patente und andere geistige Eigentums­rechte im Zusammenhang mit den genannten Produkten ausgesetzt werden. Damit würden vor allem auch untereinander die Rechtssicherheit für entsprechende Maßnah­men zur Pandemiebekämpfung erhöht und in der WTO auf Klagemöglichkeiten im Falle von Patentstreitigkeiten verzichtet werden (vgl. https://www.southcentre.int/wp-content/uploads/2021/04/PB-92.pdf).

Zwar bietet das Welthandelsrecht im Rahmen der Welthandelsorganisation schon jetzt sogenannte TRIPS-Flexibilitäten, welche z.B. Zwangslizenzen und damit die Möglich­keit, einen baugleichen Wirkstoff ohne Patentzahlung herzustellen, möglich machen würde. Diese sind jedoch nicht ausreichend und für viele Länder gibt es Hürden, sie schnell und effektiv umsetzen zu können (vgl. Keine Patente in Pandemiezeiten - Die wichtigsten Fragen und Antworten | Ärzte ohne Grenzen - MSF (aerzte-ohne-grenzen.at) Stand: 12.02.2021).

Auch US Präsident Biden hat sich für eine zeitlich befristete Aussetzung des Patent­schutzes für Corona-Impfstoffe ausgesprochen. In der EU signalisierte man Gesprächs­bereitschaft. Vor dem Sozialgipfel in Porto hat die spanische Regierung in einem Papier offen dafür geworben, sich in der WTO Bidens Vorstoß anzuschließen.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi äußerten sich offen gegenüber der Initiative, räumten aber ein, dass diese kurzfristig keine Lösung sei (vgl. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eu-will-patentschutz-fuer-impfstoff-nicht-aussetzen-17333283.html; Stand 17.05.2021). Aus den Niederlan­den kommen Signale, einen TRIPS-Waiver zu unterstützen und auch das Europäische Parlament hat in einer WTO Resolution dafür abgestimmt den TRIPS-Waiver zu unter­stützen.

Die neue WTO Generaldirektorin hat gefordert, die ungenutzten Produktionskapazitäten im Globalen Süden stärker zu nutzen. Sie gibt auch an, dass Schwellenländer mit phar­ma­zeutischen Produktionskapazitäten in sechs Monaten soweit sein könnten, um mit der Herstellung der benötigten Pharmazeutika, Medikamenten und Diagnostika beginnen zu können. (vgl. https://www.wto.org/english/news_e/news21_e/dgno_09mar21_e.htm; Stand: 18.05).

Das Aussetzen der Patente ist nicht die einzige Möglichkeit, eine gerechtere globale Impfstoffverteilung voranzubringen. Zusätzlich bleiben eigens zur Pandemie­bekämp­fung geschaffene Plattformen zum Technologietransfer ungenutzt (wie etwa der C-TAP im Rahmen WHO), behindern diverse Exportbeschränkungen die Produktion der Impf­stoffe und deren gerechte Verteilung. Pandemiebedingte Ausnahmeregelungen in den Bereichen COVID-19 relevanter Medikamente, Diagnostika und Impfstoffe müssen daher begleitet werden von anderen Maßnahmen wie etwa mehr Geld für die Covax-Initiative, ein Ende der Exportbeschränkungen, krisensichere Lieferketten, eine erhöhte Produktionskapazität, erschwingliche Preise für Vakzine sowie tatsächlicher Techno­logietransfers, damit Länder mit bestehender pharmazeutischer Industrie in der Lage sind, Medikamente und Impfstoffe zur Bekämpfung der Pandemie selbst herstellen zu können, ohne Patentrechte abzugelten. Sicher ist jedenfalls, dass es mehr als an der Zeit ist, die Pandemie global zu bekämpfen – und das ist nur mit einer weitaus schnel­leren und gerechteren globalen Verteilung von Impfstoffen möglich.

Die Pharmaindustrie hat in kürzester Zeit Großartiges bei der Erforschung, Entwicklung und Produktion effektiver Corona Impfstoffe geleistet. Dies gelang weltweit nur mit der Unterstützung durch öffentliche Gelder in Milliardenhöhe. Auch deshalb sollten diese Behandlungsmethoden und Schutzimpfungen als global public goods gesehen werden, auf die alle Menschen ein Anrecht haben, ohne dass Profitinteressen einzelner Share­holder über die Zugänglichkeit und Verteilung den Ausschlag geben.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert:

- sich in allen internationalen Gremien für einen weltweit fairen, transparenten und leist­baren Zugang zu COVID-19 Impfstoffen, Medikamenten und Diagnostik einzusetzen,

- sich für ein stärker koordiniertes Vorgehen auf internationaler Ebene im Sinne um­fassender globaler Versorgungssicherheit, nachhaltiger Pandemie-eindämmung, tat­säch­lichen Technologietransfer u.a. im Rahmen des COVID-19 Technology Access Pool (C-TAP) der Weltgesundheitsorganisation und mehr Finanzmittel für Covax einzu­setzen und in diesem Zusammenhang auch den österreichischen Anteil an der Covax Initiative zu erhöhen,

- sich für eine Ausweitung der weltweiten Produktionskapazitäten von Impfstoffen in Österreich und auf europäischer Ebene mit dem Ziel einzusetzen, diese zu einem globalen öffentlichen Gut zu machen und so schnell wie möglich weltweit alle jene impfen zu können, die das möchten,

- sich dafür einzusetzen, dass sich die Europäische Union für die Aussetzung handels­bezogener geistiger Eigentumsrechte zur Pandemiebekämpfung ausspricht bzw. der Aktivierung der Waiver-Klausel im TRIPS-Abkommen zur Prävention, Eindämmung und Behandlung von Covid-19 zustimmt, anstatt diese wichtige Initiative weiter zu verzögern,

- die Neubesetzung der WTO zum Anlass zu nehmen, sich mit den dort verrechtlichten Regeln des globalen Handels auseinanderzusetzen und bei der Weiterentwicklung ge­nerell einen Fokus auf ein Wirtschaftssystem zu legen, das allen Menschen und nicht nur wenigen dient. Dabei sollen auch die Regeln für die Nutzung von geistigem Eigentum auf ihre global ausgleichende Wirkung und die umfassende Zugänglichkeit medizi­ni­scher Versorgung in den Blick genommen werden.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Entschließungsanträge sind beide aus­reichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brandstätter. – Das Wort steht bei Ihnen, bitte.