16.01

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Her­ren! Während wir hier friedlich miteinander diskutieren, werden unweit von uns Men­schen mit russischen Waffen erschossen – das ist in der Ukraine. Während wir hier fried­lich miteinander diskutieren, bekommen Menschen in Belarus, die nichts anderes wollen, als in einem freien Land zu leben, 18 Jahre Haft. Während wir hier friedlich miteinander reden, gibt es in Bosnien in der sogenannten Republika Srpska einen Herrn Milorad Dodik, der nichts anderes vorhat, als das ohnehin fragile Gebäude Bosnien zu zerstören.

Das, was diese drei Schauplätze, leider eine Art von Kriegsschauplätzen, verbindet, ist, dass es dahinter einen politischen Willen gibt, nämlich den politischen Willen von Wladimir Putin, möglichst viel Unfrieden, möglichst viel Instabilität in die Nähe Europas, in die Nähe der Europäischen Union zu bringen, und dagegen müssen wir uns wehren.

Der frühere deutsche Außenminister Gabriel hat gesagt, wir alle haben die Welt zuletzt nur aus einem Augenzwinkern heraus gesehen und haben uns zu wenig um das gekümmert, was auf der Welt passiert – wobei ich sagen möchte, die schöne Stadt Berehowe in der Ukraine ist näher als Bregenz, das ist eine Nachbarstadt. Lemberg hat, wie wir wissen, nicht nur österreichische Vergangenheit, sondern ist auch nicht sehr weit weg.

Ich habe gestern ein sehr interessantes, langes Gespräch mit dem neuen ukrainischen Botschafter Vasyl Khymynets geführt. Er sagt: Versteht doch endlich, wir sind ein euro­päisches Land, wir sind eine europäische Nation, wir haben jetzt endlich ein Assozi­ierungsabkommen, wir wollen die europäischen Werte vertreten, wir wollen gemeinsam in Europa leben, wir müssen aber auch beschützt werden!, und da kann ich ihn nur unterstützen.

Leider muss ich sagen, der neue Bundeskanzler – leider ist er nicht da, ich weiß, wo er ist, er hat in Europa etwas zu tun – hat, bevor er nach Brüssel gefahren ist, aus meiner Sicht einen wirklich schweren außenpolitischen Fehler gemacht. Er hat gerade einer deutschen Zeitung erzählt: Nein, Nord Stream 2, da schauen wir nicht hin, das ist ganz sicher nicht eine politische Waffe – so wie es auch Kollegin Ernst-Dziedzic gesagt hat –, mit der wir gegen Putin vorgehen können. Nein, nein, es ginge um Versorgungs­sicher­heit. – Das stimmt nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) Die Versorgungssicherheit mit Gas haben wir jetzt genauso, ohne Nord Stream 2 (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Michael Hammer), aber Herr Putin weiß, dass er mit Nord Stream 2 Geld verdienen will – er braucht uns! Und wenn die Gefahr besteht – die Gefahr besteht mit über 100 000 Soldaten in der Nähe der ukrai­nischen Grenze, also in Europa –, dass diese auch auf die Ukraine vormarschieren, muss man ihm sagen: Wenn du das machst, dann werden wir Nord Stream 2 zusperren. Wir haben einen entsprechenden Antrag eingebracht, den wir im Außenpolitischen Aus­schuss diskutieren werden.

Ich ersuche Sie, Herr Bundesminister, wirklich um ein Umdenken! Wenn wir ein Stück Europa beschützen wollen, dann müssen wir das auch deutlich sagen. Ich habe nichts gegen den Antrag, er ist schon in Ordnung. Es wird ersucht und wir wollen eine deutliche Reaktion. – Man muss dem Herrn ausrichten, was eine deutliche Aktion ist, sonst werden wir nicht ernst genommen!

Wie sehr Europa ernst genommen wird, das haben wir ja in Belarus erlebt. Was hat der Diktator Lukaschenka gemacht? – Er hat versucht, Europa mit Flüchtlingen zu erpres­sen, und man hat ihm und vor allem den Fluglinien, die die Flüchtlinge gebracht haben, ausgerichtet: Wenn ihr das weiter macht, könnt ihr nicht mehr in die EU fliegen. Was hat das bedeutet? – Dass sie verstanden haben, was wichtiger für sie ist – Europa ist wichtiger, die EU ist wichtiger. Das funktioniert also.

Dasselbe muss man, glaube ich, auch am Westbalkan machen. Wir haben, Kollege Lopatka, ein interessantes Gespräch mit jungen Vertretern des Westbalkans gehabt. Die wollen zu uns kommen, sie wollen mit uns gemeinsam arbeiten, sie wollen als Europa zu uns kommen, selbstverständlich, und da müssten wir aber auch sehr konkret werden.

Ich habe ein interessantes Buch mitgebracht, die „Zeit“ schreibt, es sei ein Russ­land­buch, das man gelesen haben muss, um den Osten zu verstehen: Masha Gessen, „Die Zukunft ist Geschichte“ (das genannte Buch in die Höhe haltend). Das klingt sehr traurig, ist aber sehr wichtig, um zu verstehen: Ja, Putin hat die Demokratie zerstört, aber es hat vorher Versuche gegeben und es hat zum Teil auch funktioniert. Wir müssen natürlich hoffen, dass auch Russland zur Demokratie zurückkommt.

Ein Wort aber noch zu China, weil das auch schon erwähnt wurde. Auch da gilt: Wir müssen als Europa gemeinsam auftreten. Da gibt es auch Hoffnung, denn die Euro­päische Kommission bereitet ein ganz klares Memorandum vor,  einen europäischen Mechanismus zum Schutz vor wirtschaftlichem Zwang, und da geht es darum, dass man, wenn China Litauen bedroht, was im Moment der Fall ist, von dort nichts mehr importiert. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. Die gute Nachricht ist auch: Da brauchen wir nur einen Mehrheitsbeschluss, keinen Einigkeitsbeschluss wie in der Außenpolitik, weil es um Handelspolitik geht. Auch das ist wieder ein Zeichen, dass, wenn wir als Europa gemeinsam auftreten, wir eine Chance haben. Wir dürfen aber die Chancen, die wir haben, nicht von vornherein schon aus der Hand geben.

Ich finde ich höchst bedauerlich, ich hoffe doch, dass wir gerade in Bezug auf die Ukraine dazulernen und verstehen: Wir Europäer sind so stark, wir sind aber nur dann stark, wenn wir gemeinsam auftreten und auch all jenen – im deutschen Regierungsprogramm heißt es ja Systemkonkurrenten –, die unseren Frieden, unsere Freiheit und die Men­schenrechte gefährden wollen, gemeinsam gegenübertreten. Ich bitte darum. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

16.06

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister für Äußeres. – Herr Bundesminister, Sie haben das Wort, bitte sehr.