20.41

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir haben ein Riesenproblem mit Fakenews, mit Des­infor­mationskampagnen, mit Verschwörungstheorien, die allerorten, auch hier im Parlament, verbreitet werden und seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie ein unglaubliches Aus­maß angenommen haben.

Das ist brandgefährlich, das unterminiert das Vertrauen der Bevölkerung in Gesund­heitsorganisationen und in das Pandemiemanagement. Es greift unsere Demokratie direkt an, denn wir bekämpfen nicht nur eine Pandemie, sondern wir bekämpfen auch eine Infodemie.

Jetzt haben wir NEOS mit einem Antrag im Gesundheitsausschuss darauf reagiert. Ziel ist es, eine Kampagne zu machen, eine Strategie zu entwickeln, wie wir die Bevölkerung aktiv und in geeigneter Form über Fakenews und Verschwörungstheorien zu Covid-19 aufklären können. Dem haben alle Parteien außer der FPÖ zugestimmt, die sich vielleicht auch gemeint fühlt. Diese Strategie braucht es aber, und es braucht noch viel mehr. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Worüber sprechen wir eigentlich? – Wir sprechen von gezielten und bestens austarierten Desinformationskampagnen von großen Nationen wie China oder Russland. Das geht aber bis hin zum steirischen Pensionisten, der unzufrieden ist und Lügen verbreitet und somit auch Fakenews in die Welt setzt. Und dazwischen irrlichtert mit der FPÖ eine Parlamentspartei herum, die ein ganz gemeingefährliches Spiel treibt, die Gesellschaft spaltet und verunsichert. (Abg. Belakowitsch: Was heißt gemeingefährlich?!)

Die Regierung braucht sich aber auch nicht gemütlich zurückzulehnen, denn laut Sora-Demokratie-Monitor ist das Vertrauen der Bevölkerung in das politische System in den letzten Jahren massiv gesunken. Gründe dafür sind vor allem die ÖVP-Inseraten­korrup­tionsaffäre und das misslungene Pandemiemanagement. Auch das öffnet Verschwö­rungstheorien und Misstrauen Tür und Tor.

Als wäre das alles noch nicht schlimm genug, gibt es neben dubiosen Telegram-Kanälen auch das eine oder andere österreichische Medium, bestens subventioniert auch vom österreichischen Steuerzahler, gibt es beispielsweise Sendungen, in denen mit Satire und durch Fragenstellen Fakenews verbreitet werden und Desinformation passiert.

Wir befinden uns also in einer wirklich schwierigen Situation. Wir müssen jetzt ent­schlossen handeln, und deshalb bringe ich einen weiteren entsprechenden Antrag ein. Es ist demokratiepolitisch eine enorm wichtige Frage, wie wir die immer größer wer­dende Menschengruppe erreichen, die sich in ihre eigenen Wahrnehmungskammern, Echokammern zurückgezogen hat.

Was sind meine drei Forderungen? – Erstens brauchen wir endlich Medienkom­petenz­unterricht an unseren Schulen. Unsere Kinder müssen den Unterschied zwischen Fake­news und echten Nachrichten kennenlernen, auch um sich selbst in sozialen Netzwerken davor zu schützen, Opfer von Desinformation zu werden. (Abg. Wurm: Das ist das Wahrheitsministerium, Frau Kollegin! Das Wahrheitsministerium! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Zweitens brauchen wir Faktenchecks, Faktenchecks, Faktenchecks. Wir müssen Fak­tenchecks wie zum Beispiel jene von Mimikama, auch das „Profil“ hat mittlerweile einen sehr guten Faktencheck, ordentlich subventionieren und finanzieren. (Abg. Belakowitsch: Das „Profil“! Das „Profil ...!)

Weil immer mehr Fakenewsseiten online, im Netz entstehen (Zwischenruf des Abg. Wurm), die so daherkommen, als wären sie ein seriöses Medium, und auch die Leserinnen und Leser in Bezug auf ihre eigenen Anliegen und Vorhaben täuschen, brauchen wir zuletzt eine Art Gütesiegel. Gütesiegel klingt jetzt ein bisschen gebacken, nach Hendlhaxn und Rindfleisch, aber wir brauchen ein allgemein gültiges, anerkanntes Gütesiegel für journalistische Sorgfalt. Das brauchen wir für jene Medien, die faktenbasiert, seriös und anhand von nachvollziehbaren Qualitätskriterien arbeiten.

Erfahrene Onlineshopper kennen das vielleicht: Wenn man einem Onlineshop misstraut, dann schaut man nach, da gibt es das Trusted-Shops-Siegel. Dann denkt man sich, gut, das ist schon einmal ein erster Hinweis, dass es sich dabei nicht um eine Abzocke handelt. Wenn es dieses Gütesiegel nicht gibt, kann man schon einmal sicher sein, dass das vielleicht nicht ganz sauber ist. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, denn wenn man Onlineterminver­gabe­systeme sabotiert, Krankenhäuser beschmiert, vor Medienhäusern demonstriert, Ärzte belästigt, Impfstraßen sabotiert, sodass man sich nicht mehr sicher fühlen kann – das geht so nicht!

Wir müssen jetzt entschlossen handeln, deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „3-Punkte-Plan gegen Fake News und Desinformation“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, aufgrund der immer stärker werdenden Be­drohung durch Fake-News und Desinformation, ehestmöglich den eben vorgestellten 3-Punkte-Plan gegen Fake-News und Desinformation Punkt für Punkt umzusetzen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend 3-Punkte-Plan gegen Fake News und Desinformation eingebracht im Zuge der Debatte in der 135. Sitzung des Nationalrats über den Antrag 1003/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anti-Fake-News Kampagne zur Covid-19-Pandemie (1273 d.B.) – TOP 36

Die Themen Fake-News und Desinformation sind nicht erst seit der Corona-Pandemie eine Bedrohung für unsere liberale Demokratie. Die Pandemie zeigt aber noch einmal deutlich, dass Fake-News nicht mehr nur auf irgendwelchen unseriösen Websites oder auf Telegram verbreitet werden, sondern schon länger in der Mitte der österreichischen Politik und Gesellschaft angekommen sind. So hat zum Beispiel die FPÖ-Politikerin Dagmar Belakowitsch-Jenewein auf einer Anti-Corona-Demo am 4.12.2021 in Wien be­hauptet, dass nicht ungeimpfte Corona Patient_innen die Krankenhäuser füllen, sondern „ganz ganz viele Geimpfte, die aufgrund eines Impfschadens behandelt werden müs­sen“. (https://www.youtube.com/watch?v=79gxMZggi2A ) Das ist nicht nur eine ein­deutige Lüge, die unter anderem von der Ärztekammer und allen anderen Parlaments­parteien aufs Schärfste zurückgewiesen wird, sondern auch eine bewusste, zynische Form der Desinformation von Demonstrations-Teilnehmer_innen. (https://orf.at/stories/3239183/) Unsere österreichische Gesellschaft steht vor einem großen Problem, wenn sich manche Bevölkerungsgruppen wegen dieser bewusst in Kauf genommenen Fragmentierung nicht mehr auf grundlegende Fakten oder Wahrnehmungen einigen können. Eine weitere Erschwernis entsteht durch die fortschreitende Digitalisierung und die damit einher­gehenden isolierten Wahrnehmungswelten. In diesen Echokammern nehmen die Prota­gonist_innen einzelner Interessen und politischer Überzeugungen nur noch sich selbst und ihre eigene Meinung wahr. Deshalb ist die Toleranz für die andere Meinung zur Option geworden; man muss sie scheinbar nicht mehr haben. Zusätzlich wird das Recht auf eigene Meinung immer öfter und von vielen politischen Gruppe ganz bewusst mit dem Recht auf eigene Fakten verwechselt.

Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass die Bevölkerung nicht noch stärker das Vertrauen in seriöse Medien verliert, sondern – ganz im Gegenteil – diese einen noch stärkeren Teil dazu beitragen, gegen Fake-News und Desinformation aufzuklären und sich nachvollziehbar auf Fakten und seriöse Quellen zu stützen. Gerade beim Thema Vertrauen in unsere Medienlandschaft spielt die Regierung eine große Rolle und trug leider in den letzten Jahren massiv zur Beschädigung derselben bei. So haben die zuletzt erhobenen Vorwürfe gegenüber dem ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz und seinem Umfeldes das Vertrauen in Medien massiv beschädigt. Die Hausdurch­suchungen haben gezeigt, wie die Inseratenpolitik einiger Ministerien zur Einflussnahme in die Berichterstattung bestimmter Medien benutzt wurde. Zugleich hat es noch einmal die starke Abhängigkeit vieler Medien von Inseraten der öffentlichen Hand untermauert. Dieser Abhängigkeit muss endlich entschlossen entgegengewirkt werden.

In Zeiten ,wo Fake-News öffentlich von FPÖ-Politiker_innen wie Dagmar Belakowitsch-Jenewein oder Herbert Kickl auf Demos und Pressekonferenzen verbreitet werden, und diese sich auch umso schneller auf Social-Media-Plattformen und in diversen Gruppen von Messenger-Diensten ausbreiten, braucht es einen Plan gegen Fake-News und Desinformation, der so rasch wie möglich von der Regierung umgesetzt wird. Es müssen auf verschiedenen Ebenen Kampagnen bzw. Strategien zu entwickelt werden, um die Bevölkerung aktiv gegenüber Fake-News und Desinformation zu sensibilisieren, sie über Gefahren und momentane Verschwörungstheorien aufzuklären und zugleich die Me­dien­kompetenz zu stärken.

Jedoch: Initiativen, Aktionspläne oder Ideen zu diesem sehr wichtigen Thema sucht man bei der momentanen Regierung vergebens. Das Wort „Fake News“ hat es auch gerade einmal ins Regierungsprogramm geschafft, und zwar beim Thema „Grundwehrdienst attraktiv machen“ (Seite 226). Das Wort „Desinformation“ dagegen gleich dreimal, leider jedoch – wie so oft – als politisches Lippenbekenntnis, zum Beispiel mit dem Halbsatz „Schutz vor Desinformation“ (Seite 55). Interessant ist das vor allem auch deswegen, da die WHO schon seit Anfang 2020 auf die erhöhte Gefahr und Ausbreitung von Desinformation bzw. Fake News in Hinblick auf Covid-19 hinweist. Sie spricht von einer Infodemic: “An infodemic is too much information including false or misleading infor­mation in digital and physical environments during a disease outbreak. It causes con­fusion and risk-taking behaviours that can harm health. It also leads to mistrust in health authorities and undermines the public health response” (https://www.who.int/health-topics/infodemic/the-covid-19-infodemic#tab=tab_1 ) Aus diesem Grund haben 132 Staaten ein Statement zu diesem Thema unterzeichnet, darunter auch Österreich. Darin verpflichtet sich die österreichische Regierung unter anderem dazu, „Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbreitung solcher Desinformationen zu verhindern“. (Cross-Regional Statement on „Infodemic“ in the Context of COVID-19) Leider ist es bei dieser Absichts­erklärung wie beim Regierungsprogramm: Papier ist geduldig. Nachdem Unter­stützer_innen dieser Infodemic als gewählte Volkvertreter_innen im Parlament sitzen und ihren Teil dazu beitragen, dass gezielt gestreute Fake-News und Desinformation noch stärker Eingang in die öffentliche Debatte finden, müssen wir dem rasch entge­gensteuern.

Wir müssen daher einen Plan entwicklen, wie wir gezielten Desinformationskampagnen und Fake News begegnen können:

1. Wir brauchen endlich Medienkompetenzunterricht an unseren Schulen. Unsere Kinder müssen den Unterschied zwischen echten Nachrichten und Fake News lernen – auch, um nicht in den sozialen Netzwerken in Fake News-Fallen zu tappen und Opfer von Desinformationskampagnen zu werden.

2. Wir brauchen ein allgemein anerkanntes Gütesiegel für journalistische Sorgfalt, das jene Medien erhalten, die faktenbasiert, seriös und anhand von nachvollziehbaren Quel­len arbeiten. Denn immer mehr Fake-News-Seiten und Desinformationskampagnen imi­tieren ganz bewusst seriöse Medien, um selbst als solche wahrgenommen zu werden, um die Leser_innen bewusst zu täuschen.

3. Wir brauchen weitverbreitete Fakten-Checks, die über verschiedene Kanäle an so viele Menschen wie möglich kommuniziert werden. Was eine Initiative wie Mimikama mit einer kleinen Struktur schafft, ist ein absolutes Vorzeigemodell, wie so etwas aussehen kann, vor allem dann, wenn der Staat ausreichend Mittel zur Verfügung stellt und alles daran setzt, keinen politischen Einfluss darauf auszuüben. Denn: Es ist eine demo­kratiepolitisch enorm wichtige Frage, wie wir diese immer größer werdende Gruppe an Menschen in ihren isolierten Wahrnehmungswelten, in ihren Echokammern erreichen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, aufgrund der immer stärker werdenden Bedro­hung durch Fake-News und Desinformation, ehestmöglich den eben vorgestellten 3-Punkte-Plan gegen Fake-News und Desinformation Punkt für Punkt umzusetzen.“

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Herr Dr. Martin Graf zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.