17.40

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute über das sogenannte Sterbeverfügungsgesetz. Wir müssen im Parlament reagieren, weil der Ver­fassungsgerichtshof das Verbot der Beihilfe zum Selbstmord aufgehoben hat und eine Frist bis zum Ende dieses Jahres gesetzt hat. Ich schicke voraus, dass ich persönlich nicht die Meinung des Verfassungsgerichtshofes teile, aber selbstverständlich die Ent­scheidung anerkenne.

Unangenehm ist, dass wir diesen Gesetzentwurf sehr kurzfristig vorgelegt bekommen haben. Ich gehe davon aus – und so wurde es uns auch gesagt –, dass dem eine längere Diskussion vorausgegangen ist, allerdings eben nicht wirklich in der Öffentlichkeit, son­dern wir haben nur eine Begutachtungsfrist von gerade einmal drei Wochen für ein der­artig heikles Thema gehabt. Es sind in diesen drei Wochen immerhin 139 Stellungnah­men eingegangen, die aber so gut wie gar nicht berücksichtigt wurden. Dieser Zeitdruck ist natürlich in Anbetracht der gesellschaftspolitischen Tragweite dieser Entscheidung jedenfalls nachteilig.

Ich anerkenne als positiv, dass es vonseiten des Justizministeriums Bemühungen gab, möglichst ausgleichend eine Entscheidung zu treffen, denn es gibt da ganz widerstrei­tende Interessen. Das anerkenne ich.

Weiters als positiv zu bewerten ist, dass dieser Gesetzentwurf mit einer Einschränkung auf volljährige und entscheidungsfähige Personen und auf kranke Personen vorgelegt wird. Unklar ist allerdings, was der Begriff unheilbar krank bedeutet. Das lässt den ent­scheidenden Ärzten doch einen weiten Interpretationsspielraum, und das ist, wie wir wis­sen, auch immer eine Bürde. Außerdem ist es halt auch ein Unsicherheitsfaktor.

Positiv ist weiters, dass es eine verpflichtende Aufklärung durch zwei Ärzte gibt, bevor dann der eigentliche Vorgang eintreten kann. Da wären wir allerdings dafür, dass einer dieser Ärzte aus dem Fachbereich der Psychiatrie kommt. Auch die Frist von zwölf Wo­chen zwischen der Aufklärung und der eigentlichen Selbsttötung erscheint uns als zu kurz. Wir wären auch dafür, dass es eine weitere Aufklärung gibt.

Jetzt komme ich aber zu den eigentlichen Kritikpunkten. Es beginnt damit, dass ich der Meinung bin, dass der Begriff Sterbeverfügung missverständlich ist und es richtiger Sui­ziderklärung heißen sollte.

Zweiter Kritikpunkt, daran anknüpfend: Die „sterbewillige Person“, wie es im Gesetz heißt, müsste eigentlich suizidwillige Person heißen, denn nicht alle Sterbewilligen – und das wissen vor allem die Palliativmediziner – oder sogar die wenigsten Sterbewilligen sind suizidwillig. Also das ist missverständlich.

Es wird ja jetzt der § 78 Strafgesetzbuch – der wurde nämlich vom Verfassungsgerichts­hof aufgehoben – neu geregelt. Darin ist jetzt nur festgehalten, dass man nur strafbar ist, wenn man diese Beihilfe aus verwerflichen Gründen leistet, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt, wenn die sterbewillige Person nicht an einer entsprechenden Krankheit litt oder nicht entsprechend aufgeklärt war. Die Sterbeverfügung oder, wie ich sagen würde, Suiziderklärung ist ausdrücklich nicht im Gesetzentwurf vorgesehen, und das erscheint mir doch etwas eigenartig, weil es ja der Sinn des Gesetzentwurfes war, dass man das implementiert. Also das ist auch ein Kritikpunkt.

Besonders problematisch ist aus unserer Sicht, dass der eigentliche Vorgang der Selbst­tötung nicht detailliert geregelt ist. Das ist ein ganz extrem heikler Punkt. Man muss sich vorstellen, es ist ja keine geschulte Person, die dem Sterbewilligen, dem Suizidwilligen beisteht, sondern das ist irgendjemand, der darum gebeten wurde, der halt Ja gesagt hat. Was passiert aber beim Auftreten von unerwarteten Nebenwirkungen? Was pas­siert, wenn das Präparat nicht ausreichend wirkt, um letal zu sein? Wie ist das dann mit der Ersten Hilfe? Die Person darf ja dann keine Erste Hilfe leisten, weil sie ja eigentlich an einer Selbsttötung teilnehmen sollte. Was ist, wenn derjenige vielleicht verbal etwas äußert, bei dem man glaubt, man müsse ihm jetzt vielleicht helfen, weil er diesen Ein­druck vermittelt? Also es müsste klar geregelt sein, dass Erste-Hilfe-Maßnahmen dann einfach nicht gesetzt werden dürfen. Dieser psychische Druck muss aber entsetzlich sein.

Es gibt auch keine klaren Vorgaben, welche Meldepflichten die Personen, die mitwirken, haben, um klarzulegen, dass dieser Straftatbestand dann nicht erfüllt wird.

Die Dokumentation der Motive für den assistierten Suizid und die Meldepflicht der Durch­führung wären auch für die wissenschaftliche Aufarbeitung wichtig. Auch das ist nicht geregelt.

Ein weiterer Punkt, den wir sehr heikel finden: Was passiert mit dem tödlichen Präparat, das ausgegeben wird, wenn es nicht vollständig verwendet wird oder wenn vielleicht dieser Vorgang nicht durchgeführt wird? Das ist im Gesetzentwurf nicht geregelt. Die Apothekerkammer hat das übrigens auch in einer Stellungnahme kritisiert. Es ist ja im­merhin ein tödliches Präparat, das dann im Umlauf ist. Also da fehlt eine Regelung.

Letztendlich ist überhaupt nicht vorgesehen, dass jene Personen, die mitwirken, die also diese Beihilfe leisten, die ja, wie ich schon gesagt habe, unter einem ungeheuren psychi­schen Druck stehen – vor dem Vorgang, während des Vorgangs und auch danach –, betreut werden. An wen können sie sich wenden? Wem müssen sie berichten? Wer hilft ihnen im Zweifelsfall – Polizei, Amtsarzt, wer auch immer? Sie werden in der Situation, in der sie diesem psychischen Druck ausgesetzt sind, vollkommen alleingelassen.

Ich möchte noch zusammenfassend sagen: Für uns ist entscheidend, dass auch in Zu­kunft – und das war ja ein wesentlicher Punkt, der aber auch bedacht wurde; ich aner­kenne das natürlich – leidende und beeinträchtigte Personen nicht unter Druck geraten, einen assistierten Suizid zu begehen, um nicht zur Last zu fallen – das ist ein ganz heik­ler Punkt –, und dass die Beihilfe zur Selbsttötung kein Geschäftsmodell wird. Das ist uns ganz wichtig.

Was noch dazukommt und was in Wahrheit entscheidend wäre, ist, dass die Palliativme­dizin entscheidend ausgebaut wird. Das ist zwar vorgesehen, aber leider noch nicht wirk­lich passiert.

Zusammenfassend: Dieser Gesetzentwurf lässt in einem so heiklen Bereich so viele Fra­gen offen, dass wir nicht zustimmen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

17.48

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer zu Wort. – Bitte.