17.48

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Vor ungefähr einem Jahr hat der Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung verkün­det, mit der er das ausnahmslose Verbot der Hilfeleistung zum Suizid aufgehoben hat. Er hat ausgesprochen, dass dieses ausnahmslose Verbot gegen das Recht auf freie Selbstbestimmung verstößt, und er hat entschieden, dass diese Bestimmung mit 31.12.2021 außer Kraft treten wird. Gleichzeitig hat er auch gesagt, dass sichergestellt werden muss, dass es nicht zu einer missbräuchlichen Inanspruchnahme dieser Hilfeleistung kommen kann.

Um eine gute Lösung für dieses gesellschaftlich komplexe und bedeutende Thema zu finden, hat Justizministerin Alma Zadić einen einzigartigen Prozess gestartet, indem sie ein Dialogforum ins Leben gerufen hat. Dort haben zahlreiche ExpertInnen und Vertrete­rInnen unterschiedlicher Organisationen in einer geschützten Atmosphäre sehr kontro­versielle Positionen austauschen können. Aufbauend auf diesen Prozess ist dann etwas entstanden, das wirklich einzigartig in ganz Europa ist: Wir schaffen für sterbenskranke Menschen und für unheilbar kranke Menschen die Möglichkeit, auf eine würdevolle Wei­se ihr Leben selbst beenden zu können.

Bei der Erarbeitung dieses Gesetzes und auch davor habe ich viele, viele Gespräche mit unterschiedlichsten Menschen aus unterschiedlichsten Institutionen geführt. Fast in je­dem dieser Gespräche sind wieder neue Aspekte hervorgetreten, und all diese Aspekte, diese unterschiedlichen Standpunkte, Zugänge, Forderungen und Vorschläge haben wir sehr ernst genommen und mit in die Ausarbeitung dieses Gesetzes einbezogen.

Mit dem Sterbeverfügungsgesetz schaffen wir für schwer kranke und unheilbar kranke Menschen die Möglichkeit, ein Präparat zu beziehen, das sicher tödlich wirkt und das sie in einem Umfeld, das sie selbst wählen, einnehmen können, so wie es für sie am geeig­netsten erscheint; zum Beispiel auch zu Hause, wo die Menschen sind, die sie lieben und bei denen sie sich aufgehoben fühlen.

Gleichzeitig stellen wir auch sicher, dass die Gewissensfreiheit gewahrt wird, denn es ist vorgesehen, dass niemand zur Hilfeleistung gezwungen werden kann und, umgekehrt, dass auch niemandem ein Nachteil aus der von ihm getroffenen Entscheidung – ob er die Hilfe leisten möchte oder nicht – erwachsen kann.

Wichtig dabei ist, dass es eine informierte und eine selbstbestimmte Entscheidung gibt, die die Grundlage für diesen Entschluss ist. Dafür haben wir vorgesehen, dass es zwei Aufklärungsgespräche mit unterschiedlichen Ärztinnen und Ärzten geben muss. Darin muss genau geklärt werden, woher dieser Suizidwunsch kommt und welche alternativen Möglichkeiten diesen Personen angeboten werden können. Erst danach kann man die Sterbeverfügung bei einer Notarin oder einem Notar oder bei der Patientenanwaltschaft abschließen.

Eine solche Regelung – und das zu betonen ist mir sehr wichtig – gibt es sonst nirgends. Ebenso wichtig ist mir gleichzeitig, dass erwähnt wird, dass wir auch die Mittel für die Suizidprävention ganz massiv aufstocken werden. Natürlich ist es gut, jetzt diese Mög­lichkeit zu haben, aber noch besser ist es, wenn man diesen Menschen einen Schritt davor helfen kann. Dafür ist die Suizidprävention ein ganz wesentliches Instrument. Des­halb wird es eine massive Aufstockung der Mittel dafür geben.

Genauso wichtig ist es uns aber, dass die Entscheidung frei getroffen werden kann, und frei kann ich eine Entscheidung nur dann treffen, wenn ich Alternativen habe. Deshalb braucht es auch den massiven flächendeckenden Ausbau der Palliativ- und Hospizver­sorgung. Diese wird kommen und beginnt ab dem nächsten Jahr. Es wird eine massive Aufstockung der Mittel geben, damit tatsächlich eine Entscheidung zwischen zwei Alter­nativen getroffen werden kann, die beide zur Verfügung stehen.

Ich möchte die Gelegenheit noch gerne nutzen, um mich bei allen zu bedanken, die bei der Gesetzwerdung mitgeholfen haben, allen voran bei der Frau Justizministerin, auch beim Gesundheitsminister und bei allen MitarbeiterInnen, die daran mitgewirkt haben. Genauso danke ich den MitarbeiterInnen bei uns im Klub und allen Menschen, die in diesem Prozess ihre wertvollen Beiträge in Gesprächen, in ganz langen und zahlreichen Gesprächen geliefert haben.

Nicht zuletzt möchte ich mich auch beim Koalitionspartner bedanken, denn ich denke, dass dieses Gesetz zeigt, dass man auch dann zusammen etwas Gutes schaffen kann, wenn man eigentlich doch Unterschiedliches will. Was uns zu diesem gemeinsamen Er­gebnis geführt hat, war, dass wir von Anfang an das gleiche Ziel hatten: eine gute Rege­lung im Sinne der Menschen, die sie brauchen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.53

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Selma Yildirim. – Bitte.