9.52

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Herr Außenminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kassegger, Sie hätten jetzt schon transparent sein können und vor den Fernsehzusehern und Fernsehzuseherinnen sagen können, dass die FPÖ fünf Jahre ein Freundschaftsabkommen mit Putin gehabt hat, das er erst vor einem Monat hat auslaufen lassen (Zwischenruf des Abg. Deimek), und dass Sie unter den Umständen natürlich nicht wissen, wer der Gute und wer der Schlechte ist, wenn dort Truppen aufmarschieren. Die Transparenzerklärung hätten Sie jetzt schon vom Rednerpult abgeben können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kassegger: Ich habe das bei meiner letzten Rede, aber da waren Sie nicht da! – Ruf bei der FPÖ: Waren Sie beim letzten Mal nicht da?)

Tatsache ist, dass Europa vor einem Problem, vor einem großen Problem steht, es rollt auf uns zu. Österreich ist militärisch neutral, aber wir müssen wirklich nicht politisch neutral sein, wenn wir an der Schwelle eines Krieges stehen. Putin führt seit acht Jahren Krieg in der Ukraine, im Donbass, mit regulären Truppen und mit der Unterstützung von Milizen. Er hat die Krim völkerrechtswidrig besetzt. Im Baltikum, wo es große russische Minderheiten gibt – die drei Staaten sind immerhin EU-Mitglieder –, herrscht natürlich die Angst, dass er dort genau das Gleiche wie in der Ukraine macht, wo das zweimal passiert ist und es zweimal durchgegangen ist.

Wir als Europäische Union werden nicht darum herumkommen, uns dieser Sache zu stellen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Wenn er im Donbass acht Jahre Krieg führen kann und die Krim besetzen kann, dann glaubt er, dass er jetzt den dritten Schritt setzen und die Landverbindung zur Krim erobern kann. Genau um das geht es bei dieser Sache, und das werden wir verhindern müssen.

Ein Großteil der EU-Mitglieder sind Nato-Mitglieder, und das ist ein Problem. Das ist ein Problem für Österreich als neutrales Land, wenn es nicht Nato-Mitglied werden und da nicht hineingezogen werden möchte, aber es ist eine Riesenchance, und die sollten wir aktiv nutzen, Herr Außenminister, finde ich.

Die Nato selbst sagt, sie wird nicht zu Waffen greifen, sie wird nicht angreifen. Sie hat kein Interesse an einer militärischen Eskalation, es wird wirtschaftliche Sanktionen geben. Dann aber ist das ein EU-Thema, dann ist das unser Thema, und dann sitzen wir dort am Tisch. (Abg. Deimek: ... das Gas in der Hand! Das vergesst ihr immer wieder ... außenpolitische Stümper!) Für alles unterhalb der Kriegsschwelle ist die Europäische Union zuständig. Dort ist Österreich mit am Ruder, und da erwarte ich mir eine starke Rolle Österreichs. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es gibt ein gutes Vorbild für solche Einsätze. In Bosnien-Herzegowina war zuerst die Nato die friedenserhaltende Kraft mit den SFOR-Truppen, die wurden von den Eufor-Truppen abgelöst, von europäischen EU-Truppen oder von der EU gestützten Truppen. Der Kommandant, der jetzt dort mit seinen Truppen für Frieden sorgt, ist sogar ein Österreicher. Wir können eine aktive Rolle spielen, sollten eine aktive Rolle spielen und sollten uns in guter österreichischer Tradition der letzten Jahrzehnte zumindest für den Frieden in Europa einsetzen und das auch weiterhin machen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es muss eine Unabhängigkeit der Europäischen Union von Putin geben. Wenn er kein Interesse hat, ein konstruktiver Partner zu sein, wenn er kein Interesse hat, wirtschaftlich mit uns korrekt zu interagieren und sein eigenes Land aufzubauen, dann müssen wir da Konsequenzen ziehen, dann müssen wir uns wirtschaftlich und rohstoffmäßig unabhängig machen. Dass wir vom russischen Gas abhängig sind, ist ein Skandal. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)

Es ist auch, das möchte ich auch noch sagen, ökologisch selbstverständlich nicht zu akzeptieren, dass wir uns gerade von diesem Rohstoff weiterhin abhängig machen. Schon aus diesem Grund sollten wir vielleicht über Nord Stream 2 mehr als nur nach­denken und das mehr als nur als Druckmittel in dieser Krise einsetzen, wir sollten kündigen – weg damit! (Beifall bei den Grünen.)

Zusammenfassend: Ich erwarte und erhoffe mir, dass wir in den nächsten Monaten aktiv sein werden und es zu keiner vollen militärischen Eskalation kommt. Wenn es aber dazu kommt, und dann zu einem wirtschaftlichen Kampf um die Freiheit der Ukraine, zu einem wirtschaftlichen Kampf um den Frieden, dann erwarte ich mir, dass Österreich darauf drängt, dass die Europäische Union da eine wichtige Rolle hat, friedlich vorangeht und viel Druck auf den russischen Aggressor macht. Wir können uns das in Europa nicht bieten lassen, dass Minderheiten aufgehetzt werden und in Bürgerkriege steuern. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

9.57

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte.