12.19

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir – oder vielmehr Sie – beschließen hier mit dieser ökologisch-sozialen Steuerreform jedenfalls einen Meilenstein. Einige Meilensteine sind hier ausgeschildert – ich werde gleich darauf eingehen –, lassen Sie mich aber zunächst noch sagen, dass ich dankbar bin, an einem Tag wie heute hier im Hohen Haus zu Gast sein zu dürfen, weil mehrere wichtige Gesetze beschlossen werden: eben diese Reform, die jetzt Gegenstand ist, anschließend in den nächsten Blöcken aber auch ein Rahmengesetz zur Einführung einer Impfpflicht.

Ich sage das deshalb, weil ein Abgeordneter der Freiheitlichen Partei – da ist Kollege Angerer – sich hier aus meiner Sicht nicht nur sehr seltsam, sondern auch in einer nicht hinnehmbaren Art und Weise geäußert hat. Ich traue mich das auch von der Regie­rungsbank aus deshalb zu kommentieren, weil er sich implizit auf einen Wahlvorgang 2019 bezogen hat. Da haben wir alle kandidiert, sonst würden Sie nicht hier sitzen – ich auch, sogar als Spitzenkandidat.

Was nicht hinnehmbar ist, finde ich, ist, weil eine Bannmeile ums Parlament gezogen wurde – notwendigerweise, denn wir wissen ja, wer da aller zwischendurch immer noch herummarschiert, nicht nur, aber auch (Zwischenruf des Abg. Hauser) –, aus diesem Umstand heraus die Formulierung zu finden, es handle sich bei Ihnen allen, Kolleginnen und Kollegen, um  „Volksverräter“ und nicht um „Volksvertreter“.  Das ist hier gesagt worden! Ich halte das für nicht hinnehmbar, und das ist noch eine geziemende, diplo­matische Formulierung, von der Regierungsbank aus. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hauser.)

Wissen Sie, wie das 2019 war? Das war eine allgemeine, freie, geheime Wahl, so gut wir es eben können, und die war nicht so schlecht. Ich würde das nicht als undemo­kratisch in der Form bezeichnen, dass Sie zu dem Schluss kommen, es würden hier „Volksverräter“ sitzen. Das geht sich nicht aus. Ich möchte das auch hier von der Regierungsbank, nicht nur von der Präsidentin, zurückgewiesen wissen.

Wissen Sie, was in diesem Jahr 2019 prinzipienverratend war, wo wirklich Verrat pas­siert ist? (Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Hauser.) – Das sind jene gewesen, die sich aus Ihren Reihen heraus vorübergehend nach Ibiza abgesetzt haben und in flagranti ertappt wurden, als sie sämtliche demokratische Prinzipien dieser Re­publik (Abg. Stefan: Welche? Welche?) verraten haben, die Sie bis zu diesem Tag hin führerhaft angebetet haben. Das ist doch die Wahrheit! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Abg. Matznetter. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stefan.)

Jetzt zu diesem Meilenstein. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich danke allen, die da mitgewirkt haben. Das war ein großes Werk. Nicht nur, weil ich mitverhandelt habe, weiß ich das, sondern es war wirklich in vielen Verästelungen keine Kleinigkeit, und das betrifft in Wahrheit tatsächlich mehrere Ministerien. Ich glaube, das ist deshalb ein Meilenstein, weil bestimmte Mechanismen, die hier gebaut werden, unumkehrbar eingebaut werden, mit gewissen alten Denkmustern aufräumen und neues Denken implementieren, auch im Steuersystem mit neuen Prinzipien.

Auf diese Art und Weise – es wurde ja angedeutet – wird eine Steuermaschine gebaut, wo Räder eingepasst werden, die es noch nicht gegeben hat, die man in Zukunft aufgrund des politisch-demokratischen Gestaltungswillens drehen kann. Ich sage, der Einbau dieser Mechanismen ist viel, viel schwieriger, als dann daran zu drehen. Ob das jetzt – zu dem komme ich dann noch, zur Höhe des CO2-Preises – von null auf zehn geht oder von zehn auf 100 – viele, viele Ökonominnen und Ökonomen sagen, der erste Schritt, das überhaupt einzuführen, ist der viel, viel schwierigere, als dann an diesen Schrauben oder Rädern zu drehen. Das sollte man zumindest nicht unerwähnt lassen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Gabriela Schwarz.)

Ja, über die Höhe des Preises können wir dann gerne diskutieren, und vor allem über die Widersprüche, die Sie hier herinnen aufmachen, gerne noch. Das ist es, glaube ich, was hier mit diesem Gesamtkonstruktionswerk generiert wird.

Es wurde schon angedeutet, sei aber nur gesagt: Viele Länder in Europa schauen jetzt auf Österreich, wie wir das hier konstruiert haben. Auch dafür bin ich schon einmal kritisiert worden: weil ich gesagt habe, diese Konstruktion sei europaweit einmalig. – Ja, es stimmt aber, wenn man alle Elemente zusammenzählt. Irgendeinen CO2-Preis für irgendetwas, dort ein bisschen bei der Mineralölsteuer, da oder da, gibt es tatsächlich in vielen Ländern in Europa schon, das ist richtig, in vielen Ländern auch schon länger mit durchaus höheren Werten, anerkannterweise Schweden oder sonst etwas. Die Kon­struktion hier aber hat viele Elemente, ich kann mindestens vier identifizieren, die in der Kombination einmalig wirken.

Erstens die Einführung des Preises, der automatisch in ein Handelssystem umgelegt werden kann, wenn wir es wollen  die demokratische Mehrheit hier. Das finden wir so dann fast nur mehr in der Bundesrepublik Deutschland. Was Sie dort aber nicht finden, ist eine Rückverteilung – und zwar zur Gänze – der Einnahmen aus dieser CO2-Bepreisung an die Bevölkerung, an die Haushalte, an die einzelnen Bürgerinnen und Bürger, ja sogar an die Kinder.

Dies ist einmalig und führt auch dazu, dass die Verteilungseffekte aus der CO2-Be­preisung – das muss man sich einmal vorstellen, das so hinzubringen! – tatsächlich für die schwächeren Einkommen einen höheren Nettoeffekt erzeugen als umgekehrt. Das hat nicht nur der Budgetdienst des Hauses – diesen sollten Sie ja akzeptieren –, das haben auch die Wirtschaftsforschungsinstitute anerkannt, der Fiskalrat, und, und, und. Also gehen Sie da nicht heraus, Frau Kollegin Yildirim, und erzählen – bei allem Respekt – halt das, was Sie sich sowieso aufgeschrieben haben, nur hat es halt mit der Steuer­reform nichts zu tun! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Matznetter: Frau Präsidentin! ... in herabwürdigender Form von Kolleginnen! – Weitere Zwischenrufe der Abgeord­neten Greiner und Yildirim.)

Ich vertrete heute ja auch die Klimaschutzministerin, ich konzentriere mich in erster Linie eh auf die ökologischen Punkte, keine Sorge, denn sonst hätten wir es ja noch lustiger. Die Sache geht ja dann weiter. Gerade, wenn Sie aus sozialen Gesichtspunkten anmah­nen, dass die Energiepreise phasenweise zu hoch werden – das kann man so oder so sehen, wie auch immer –, hat dieses Reformwerk am Schluss noch etwas ganz Schlaues eingebaut, nämlich, dass die CO2-Bepreisung entlang der Schwankungen der Rohenergiepreise variiert. Würden diese also besonders explodieren, was ja phasen­weise vorkommt – zugegeben, gerade erleben wir es –, dann wird die CO2-Bepreisung geringer angehoben. Würde, was aber gar nicht ausgeschlossen ist, der Energiemarkt so ausschauen, dass die Preise wieder sinken – was man, wie Frau Kollegin Herr aus­geführt hat, ja ökologisch in Wahrheit gar nicht wollen kann –, dann würde die CO2-Bepreisung höher werden.

Wozu führt das, viertens, im Ergebnis? – Dass ein verlässlicherer Preispfad da ist, und das ist ja das, was Umweltökonominnen und -ökonomen seit Jahren und Jahrzehnten fordern und einfordern  dass es Planbarkeit für die Investitionen der Unternehmen, für diese Entscheidungen gibt, selbst für die Haushalte. Wenn sich die Frage stellt, sich ein neues Auto anzuschaffen, dann ist bei diesen Preisen doch mindestens so ent­scheidend, was in zwei, drei, vier Jahren ist, oder sogar noch länger, und nicht nur jetzt in der Sekunde. Tun Sie nicht so, als ob die Leute das nicht irgendwie antizipieren könnten! Die Wirtschaftsbetriebe jedenfalls mit Sicherheit, denn diese leben davon, sonst wären sie gar nicht mehr auf dem Markt. So viel Marktwirtschaft muss sein, selbst für die SPÖ. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Zarits.)

Das ist doch das Schlaue an dieser Konstruktion, und so wird das fortgesetzt. Wenn Sie jetzt die Gesamteffekte anschauen, auch die sozialen und die regionalen, auch das ist gut, da haben wir von der Österreichischen Volkspartei etwas angenommen, tat­sächlich –, sehen Sie, dass wir mit den ersten 100 Euro eine Basisabgeltung für einen Erwachsenen in allen Regionen haben. Das deckt in der Regel und im Durchschnitt, so ist es ja konstruiert, die Energiekosten, die Mehrkosten ab, die durch die CO2-Bepreisung kommen. Das ist rein mathematisch logisch, würden Sie sich die Mühe machen, echt nachzurechnen  das passt aber dann ja nicht auf Ihr Taferl. Ich lasse mir durch eine gescheite Recherche meine Rede nicht kaputt machen!, das ist wohl das Motto. Aber rechnen Sie nach! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es kann gar nicht anders sein, aus zwei Gründen. Erstens einmal haben ja auch Industriebetriebe und Wirtschaftsbetriebe Teile der CO2-Bepreisung zu tragen; nicht so viel, weil wir sie ja zum Teil kompensieren, weil wir sie auch wettbewerbsfähig haben wollen, aber es bleibt dort etwas übrig. Es wird aber zu 100 Prozent an die Haushalte rückverteilt. Das heißt, allein daher ergibt sich schon ein Nettoplus. Es ist genau umgekehrt argumentierbar, werter Kollege Krainer, zumindest an dieser Stelle.

Und: Warum entsteht eine Verteilungswirkung von oben nach unten, wenn man es so ausdrücken will, um mich vielleicht auch Ihrer Sprache zu bedienen? – Weil nämlich die Haushalte mit unteren Einkommen wesentlich geringere – in absoluten Zahlen, die haben Sie ja eingefordert – Energiekosten haben als Haushalte mit höheren Einkom­men. Wenn ich das jetzt aber pro Kopf und Haushalt rückverteile, ist klar, was heraus­kommt: Die unteren profitieren mehr. So einfach ist das! (Beifall bei den Grünen. – Zwi­schenruf der Abg. Yildirim.)

Dann gibt es noch den regionalen Ausgleich, der eben sehr sinnvoll ist, wenn diese Basisabgeltung einmal geleistet ist, da ja nicht überall in Österreich die gleiche Situation herrscht. Ja, da mag es Fälle geben, dass es in der einen Gemeinde so ist und in der nächsten so, das ist schon alles wahr. Es ist aber trotzdem nicht nur das Bemühen, sondern das Ziel ist erreicht, dass wir da auch einen zusätzlichen regionalen – ich sage es dazu – Gerechtigkeitseffekt reinbringen, der auch eine soziale Komponente hat. Es ist ja doch wahr, wie Klubobmann Wöginger es ausgeführt hat, dass im Waldviertel der Weg zum Krankenhaus, zur Apotheke, in den Kindergarten ein weiterer ist und die Infrastruktur gar nicht so vorhanden ist. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Wird es einmal so sein, dass der öffentliche Verkehr und die Infrastruktur dort besser ausgebaut sind  das sind die beiden Elemente, die da wissenschaftlich berechnet herangezogen wurden , dann wird sich auch diese Lücke schließen. (Abg. Matznetter: Ihr seids über den Tisch gezogen worden!)

Deshalb: Wenn wir da gut sind, wird das dazu führen, dass sich dieser regionale Klima­bonus in der Auszahlung angleicht. Aber er richtet sich eben nach den Bedingungen, unter denen die Menschen leben müssen. Die wollen wir ja mitnehmen. Das ist ja das Wesentlichste, dass es diesen sozialen Ausgleich gibt, sonst brauchen wir das gar nicht anzufangen.

Es stehen große Transformationen vor uns, ja, und das ist nur ein Einstieg. Damit alleine wird man die Klimaziele nicht erreichen; das behauptet aber auch kein vernünftiger Mensch, Frau Kollegin Herr, das behauptet ja niemand! (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.) Es ist aber ein Teil, ein Instrument in diese Richtung.

Ich glaube, Sie sollten sich auch in der Fraktion einmal selber einig werden. Ich höre dauernd, und das kann ich in der kurzen Frist sogar nachvollziehen, von der Klubobfrau abwärts – nur von der Kollegin Herr höre ich dazu nichts, sie redet dann halt so –, dass wir die Mehrwertsteuer auf Energie senken sollten, besser gestern als übermorgen. Ja, das kann man überlegen, weil es jetzt halt diese Energiepreisexplosion gibt, die wesentlich dramatischer dargestellt wird, als sie wirklich ist, aber das ist wieder eine andere Frage. Wenn man das über zehn Jahre angleicht, dann wird man sehen, dass die Kurve flacher ist, aber das ist eine andere Frage. Sie müssen sich nur verständigen, es gibt nur einen Gaspreis für den Haushalt und einen Zapfsäulenpreis für den Sprit: Wollen Sie ihn jetzt teurer oder billiger? Bitte schön um Aufklärung! Beides zugleich geht sich nicht aus (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Baumgartner), und Sie sollten sich einmal davon verabschieden, Sozialpolitik an der Zapfsäule machen zu wollen.

Wir brauchen aber Sozialpolitik, deshalb drehen wir es ja um, und deshalb entstehen ja diese Verteilungseffekte. (Zwischenruf der Abg. Erasim.) Es wird so sein, dass die Preise – ja, Frau Kollegin Herr, da sind wir uns einig – für den Ausstoß steigen werden, das Gute wird günstiger und das Schädliche wird teurer. Das ist ja der Hauptnutzen der ganzen Übung, und dieser wird erreicht. Umgekehrt aber  an einer anderen Stelle, aber mit dem gleichen Geld  kommt es zum sozialen Ausgleich. Das ist die Logik und Weisheit, die da implementiert ist, und das können Sie nicht einfach wegreden, auch nicht andere Sozialfragen. So viel schon dazu.

Ja, es ist richtig, dass die Grünen es zum Beispiel bevorzugt hätten, was die zusätzliche Ent­lastung von Unternehmen betrifft, eher auf die lohnsummenbezogenen Abgaben abzu­zielen, weil das auch Effekte auf die Arbeitsplätze hätte. Es ist aber auch kein Weltunter­gang, so wie Sie tun, die Körperschaftsteuer von 25 auf 23 Prozent zu senken. Wenn Sie sich die Nettodimension der Entlastung in Höhe von 18 Milliarden Euro auf die nächsten vier Jahre, glaube ich, anschauen, dann werden Sie rausrechnen können, dass die Körper­schaftsteuersenkung darin zwar auch vorkommt, aber ein sehr kleiner Teil davon ist. Also bleiben Sie bitte schön am Boden! Dann können wir uns alle miteinander wieder an irgendwelchen Taferln anhalten, aber man sollte sich nicht mit dem eigenen Taferl infizieren.

Insofern, glaube ich, geht es genau in die richtige Richtung, obwohl Einzelne in der Regierung das jeweils ein bisschen anders gemacht haben, aber es ist ein Gesamtwerk, das in manchen Elementen unumkehrbare Richtungsmarker drinnen hat, und das ist wirklich das Gute an dieser Sache.

Weil wir schon beim Guten sind, noch einmal, was drüber steht: Das Gute wird entlastet, und das Schädliche wird teurer. Dazu muss man sich endlich einmal bekennen, anstatt irgendeinem irrlichternden Populismus anzuhängen. Dieses Privileg hätte ich nur in dieser Fraktion (in Richtung FPÖ weisend) vermutet. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.33

Präsidentin Doris Bures: Ich habe jetzt eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung. – Bitte, Herr Abgeordneter Graf.

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