17.22

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich bin ein klarer Befürworter des Impfens, ich bin selbst dreimal geimpft, und ich glaube, damit gehöre ich zur großen Mehrheit in diesem Haus. Ich gehöre zur Minderheit derer, die heute nicht für die Impfpflicht stimmen wer­den, und ich möchte Ihnen darlegen, warum auch in unserem Klub bei allen Argumenten für die Impfpflicht auch Argumente gegen die Impfpflicht abgewogen worden sind.

Vor einem Jahr haben noch alle Parteien, und auch das Gesundheitsministerium, uni­sono versprochen, dass es keine Impfpflicht geben wird. Man muss sehr gut aufpassen, wenn man solche Versprechen bricht. Man darf sich nämlich nachher nicht wundern, wenn die Menschen das Vertrauen in die Politiker verlieren. Wir wissen eines sicher: Für die Omikronwelle kommt die Impfpflicht zu spät, und für die Zeit danach wissen wir ganz vieles nicht. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Damit für die Zeit danach eine Impfpflicht verhältnismäßig ist, damit sich das überhaupt rechtlich ausgeht, müssen mehrere Annahmen zusammentreffen. Erste Annahme: Es muss eine weitere Coronavariante kommen, die aggressiver ist als die Omikronvariante, denn die Omikronvariante alleine bringt das Gesundheitssystem nicht zum Erliegen. Varianten werden bei Viren aber tendenziell eher milder als aggressiver.

Zweite Annahme: Sektionschefin Reich hat gesagt, das Virus führt zu einer Durch­seuchung. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das muss aber dann heißen, dass diese Durch­seuchung keinerlei Immunisierungswirkung bei der Bevölkerung hinterlässt und, wenn dann eine weitere Variante kommt, diese wie auf eine medizinisch naive Bevölkerung trifft, die keinen Grundschutz hat. Das anzunehmen ist wenig realistisch.

Eine weitere, dritte Annahme muss auch zutreffen: dass die Impfstoffe, die wir heute haben und verwenden und im Februar, März, April verimpfen, dann auch für zukünftige Varianten überhaupt greifen. Das ist ungewiss. Weil das alles ungewiss ist – dass man mit diesem Gesetz eine Überlastung des Gesundheitswesens verhindern kann –, han­delt es sich um einen Grundrechtseingriff auf Vorrat. Es ist für mich überschießend, jetzt schon in Grundrechte einzugreifen, für einen Fall, von dem man noch gar nicht weiß, ob er eintritt.

Vor allem aber, und da sind wir jetzt wieder bei einem Punkt, der außer Streit steht, kann die österreichische Bürokratie das gar nicht umsetzen. Es ist nicht nur so, dass die Polizei sagt: Wir wollen das nicht machen!, und die Polizeigewerkschaft sagt: Wir können das nicht! – Die Polizeikontrollen führen über die Hintertür auch zu einer Ausweispflicht im Alltag, die wir bisher in Österreich nicht gekannt haben.

Die Strafverfügungen, die die Bezirkshauptmannschaften versenden werden, werden mit Zehntausenden Einsprüchen wieder zurückkommen und reguläre Strafverfahren zur Folge haben. Die Bezirkshauptmannschaften und die Magistrate sagen: Wir können das nicht bewältigen. – Auch die Richter der Landesverwaltungsgerichte sagen: Wir können das alles nicht bewältigen, wir brauchen 50 Prozent mehr Verwaltungsrichter, um diese Flut an erwartbaren Beschwerden zu schaffen. – Wie wollen Sie eine Impfpflicht auf den Boden bekommen, wenn die Behörden es nicht schaffen?

Dann sind in diesem Gesetz in 20 Paragrafen sieben Verordnungsermächtigungen vor­ge­sehen, fünf davon für den Gesundheitsminister. Ich glaube, zur Qualität von Verord­nungen aus dem Gesundheitsministerium muss ich nichts sagen. Wir haben in den letzten zwei Jahren davon reichlich erlebt, das kann ich nicht weiter unterstützen.

Man fragt sich auch, wozu Sie all die Experten haben, Sie hören denen nämlich nicht zu. (Abg. Deimek: Was sagt da Rendi-Wagner dazu?) Prof. Kollaritsch, einer der Ober­einsperrer und Lockdowner in dieser Republik, hat gesagt: Verschieben Sie die Impf­pflicht unter den Auspizien, die wir jetzt haben! – Prof. Nowotny, auch nicht gerade einer, der für Lockerungen eintritt, hat gestern in der „ZIB 2“ auf die Frage, ob nach Omikron Corona dann eigentlich wie eine Grippe ist, gesagt: Absolut. – Sie führen also eine Impfpflicht für eine Erkrankung ein, von der Prof. Nowotny sagt, dass sie nachher wie eine Grippe ist.

Prof. Gartlehner, auch immer sehr regierungsseitig unterwegs, hat gesagt, man sollte angesichts der Omikronvariante die Impfpflicht noch einmal überdenken. Und jetzt kommt eine ganz spannende Person, der die FPÖ vorwirft, sie habe ein großes Ge­schäftsinteresse: der Chef von Pfizer, Albert Bourla. Was hat er im französischen Fern­sehen gesagt? (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Die Omikronwelle ist die letzte Welle, die solche Einschränkungen notwendig macht, das wird nachher nicht mehr notwendig sein. – Aha, der Pfizer-Chef wird ja nicht gegen das eigene Geschäft reden – wenn es gefährlich wäre, dann würde er das schon sagen –, aber selbst der sagt: So, wie es bisher war, wird es nicht mehr sein. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Was machen Sie? – Sie führen jetzt nicht nur eine Impfpflicht ein, sondern am selben Tag eine Impflotterie. Sie schütten also jetzt 1 Milliarde Euro an Leute aus, die sich an ein Gesetz halten! Jetzt bekommt man in Österreich schon Geld, wenn man sich an ein Gesetz hält. Also wie verrückt ist es geworden? (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Sie können auch Geld an die ausschütten, die bei einer Ampel bei Rot stehen bleiben. Die halten sich auch an das Gesetz.

Ich bin sehr für das Impfen, ich bin dreimal geimpft. Die Impfungen helfen uns, sie schützen die Spitalskapazitäten, die Intensivbettenkapazitäten vor einer Überlastung, aber eine Impfpflicht hilft nicht. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.) Sie spaltet die Gesellschaft, sie greift unnötig in Grundrechte ein. Alle Politiker haben versprochen: Diese Impfpflicht kommt nicht. – Jetzt kommt sie doch, und Sie verspielen das Vertrauen der Menschen in die Politik. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Brandstätter. – Zwi­schenruf des Abg. Leichtfried.)

17.27

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte. (Abg. Deimek – in Richtung SPÖ –: Loacker ist wesentlich besser als Rendi-Wagner!)