13.37

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und zu Hause! Ja, es wurde angesprochen: Es gibt große Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, und diese großen Herausforderungen verlangen von ei­ner Bundesregierung auch, dass man an großen Rädern dreht, an großen Schrauben – wie auch immer man das nennt –, und diese Bundesregierung dreht an diesen großen Schrauben, nämlich an diesen Rädern, die 50 Jahre lang nicht angegriffen worden sind. Ich glaube, das ist auch das Besondere an diesen großen Paketen, die wir Ihnen jetzt, aber dann auch noch einmal im September, vorlegen werden.

Nicht nur in Österreich, sondern weltweit sorgt diese hohe Inflation nämlich für diese großen Herausforderungen, vor denen wir stehen. Die steigenden Kosten des Alltags, ja, die bereiten vielen Menschen Sorgen – Sorgen, die wir als gesamte Bundesregierung selbstverständlich ernst nehmen und die wir den Menschen auch so gut wie möglich nehmen wollen.

Kommen wir zur Analyse, und Herr Abgeordneter Klubobmann Kickl hat es erwähnt: Wir müssen uns schon mit den Ursachen beschäftigen! (Abg. Kickl: Aber bitte richtig!) Vielleicht aus meiner Sicht ein paar Sätze zu den Ursachen und zu den Faktoren, durch die die Inflation getrieben ist.

Das sind im Großen drei Dinge: Das ist die Überhitzung der Wirtschaft nach der Coro­napandemie, als die Wirtschaft Gott sei Dank sehr stark und sehr intensiv gewachsen ist, das sind natürlich auch – pandemiebedingt – die Lieferketten, die auf der ganzen Welt unterbrochen worden sind. Wer hätte sich gedacht, dass ein quer stehendes Schiff in einem Kanal oder ein gesperrter Hafen wie in Shanghai solche Auswirkungen hätte? – Das hat am Weltmarkt zu Angebotsverknappungen und damit auch zu höheren Preisen geführt. (Abg. Hauser: ... Coronapolitik! Das ist ja nicht gottgegeben!) Und das Dritte ist natürlich auch der Krieg in der Ukraine, der diese Teuerung vor allem im Energiebereich noch einmal ganz extrem anheizt. (Abg. Kickl: Genauer gesagt ist es Ihr Umgang damit! Es ist Ihr Umgang damit! – Abg. Deimek: Da haben wir jetzt aber ein Glück, dass die Schweizer auch ...!)

Das sind die drei großen Faktoren, die drei großen Ursachen, die diese Inflation angetrie­ben haben, und das sind allesamt Faktoren, sehr geehrte Damen und Herren, die wir in Österreich – als relativ kleine Volkswirtschaft – nicht alleine lösen können. (Abg. Kickl: Aber wie macht das die Schweiz? Sie sind ja Vorarlberger: Wie macht das die Schweiz?) Das ist, glaube ich, auch jedem klar.

Die Bekämpfung der Inflation, Herr Kollege, ist bei Weitem – und das hat der Herr Vize­kanzler schon erwähnt – nicht so trivial, wie sich das manche vielleicht vorstellen (Abg. Kickl: Wie macht das die Schweiz?), und kein Staat der Welt, Herr Kollege, ist imstande, diese negativen Entwicklungen auf der Welt zur Gänze zu kompensieren. (Abg. Hauser: Die Schweiz hat eine Inflation von 2,5 Prozent!) Was kann man also machen? Was kann man als Staat machen? Was kann die Politik tun? – Es ist die Aufgabe der Politik, die negativen Auswirkungen der hohen Inflation auf die Menschen, auch auf den Wirt­schaftsstandort Österreich insgesamt bestmöglich abzufedern. (Abg. Kickl: Na, das auch!)

Das ist der Job, und dabei reicht es nicht aus, den Geldhahn einfach nur aufzudrehen. Viele Ideen, die im Raum stehen, die auch vorhin angesprochen wurden, haben weitrei­chende volkswirtschaftliche Konsequenzen, die wir, wenn es um die richtigen Maßnah­men geht, natürlich auch entsprechend in einer Analyse berücksichtigen müssen. Denn falsch gesetzte Maßnahmen können natürlich auch dazu führen, dass die erhoffte Ent­lastung auf der einen Seite gar nicht bei den Menschen ankommt oder – was besonders schlimm wäre – dass auf der anderen Seite die Inflation und damit die Teuerung sogar noch weiter angeheizt wird. Das kann ja nicht der Sinn von diversen Maßnahmen sein, und ich glaube, da sind wir uns alle einig, dass das auf jeden Fall vermieden werden muss. (Abg. Hauser: ... Coronapolitik!) Wir tun daher gut daran, auf die Expertise der Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher – hierzulande, aber auch internatio­nal – zu hören. Ich glaube, das ist unbedingt notwendig.

Im Kampf gegen die Teuerung braucht es aus meiner Sicht jedenfalls ein ausgewogenes Maßnahmenbündel: auf der einen Seite aus kurzfristigen Hilfen, gezielten Maßnahmen, die treffsicher sind, aber natürlich auf der anderen Seite auch aus langfristigen struktu­rellen Änderungen im System. Wie vorhin erwähnt, haben wir als Staat die Möglichkeit, Bürgerinnen und Bürger zu entlasten und dadurch die negativen Folgen der Teuerung auch entsprechend abzumildern. Das haben wir mit zwei Paketen bereits gemacht. Im Jänner haben wir das erste Energiepaket, dann im März das zweite Paket beschlossen: insgesamt 4 Milliarden Euro.

Eines muss ich dazu schon auch sagen: Ich treffe mich ja jeden Monat einmal mit den Kolleginnen und Kollegen von der Europäischen Union, und wir vergleichen da natürlich auch die Hilfsmaßnahmen, die in den unterschiedlichsten Ländern angewendet werden, einerseits um Fehler zu vermeiden, aber andererseits auch um uns abzustimmen. Und ich kann Ihnen sagen: Wir als Republik Österreich sind, was das Volumen betrifft, aber vor allem auch was die Geschwindigkeit betrifft, mit Abstand vorne mit dabei. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Hoyos-Trauttmansdorff.)

Die meisten anderen europäischen Länder haben Ankündigungen gemacht, und das kommt dann im Sommer oder im Herbst in die Parlamente. Wir haben die ersten 4 Mil­liarden Euro bereits beschlossen, und heute haben Sie die Möglichkeit, das nächste Pa­ket, noch einmal 5 Milliarden Euro, auf den Weg zu bringen. Wir sind da also volumen­mäßig und geschwindigkeitsmäßig in Europa ganz vorne mit dabei.

Was man in der Diskussion auch nicht vergessen darf – das kommt oft zu kurz –: Es ist ja noch nicht so lange her, dass in diesem Haus auch die ökosoziale Steuerreform be­schlossen worden ist. Diese ökosoziale Steuerreform zeigt jetzt gerade ihre Wirkung, beispielsweise die Senkung der zweiten Tarifstufe ab dem Sommer: Niedrigverdiener und Pensionistinnen und Pensionisten mit kleinen Pensionen profitieren von den höhe­ren Absetzbeträgen. Die ökosoziale Steuerreform mit ihrem Gesamtvolumen von 18 Mil­liarden Euro wirkt also zusätzlich zu diesen beiden ersten Entlastungspaketen, die hier beschlossen worden sind, und entlastet die Menschen und auch die Betriebe in diesem Land spürbar und auch nachhaltig. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Die Situation hat sich aber noch einmal verschärft. Das ist, glaube ich, auch allen be­wusst und allen klar. Die Bundesregierung hat daher dieses dritte Paket – dieses dritte Antiteuerungspaket, Ausgleichspaket, der Herr Vizekanzler hat es erwähnt, wie immer man das auch nennt – geschnürt: noch einmal 28 Milliarden Euro zur finanziellen Ent­lastung.

Ich werde jetzt nicht auf die einzelnen Dinge eingehen, die wurden bereits erwähnt: Ent­lastung für besonders betroffene Gruppen, für kleine, mittlere Einkommen; Entlastung für den Mittelstand – auch eine ganz wichtige Gruppe, die vielleicht von den bisherigen Paketen noch nicht ganz so getroffen war –, zwischen 1 050 und 2 000 Euro; Entlastung für Familien, auch ganz wichtig. Allein diese Aufzählung zeigt ja schon, dass es keine Gießkanne ist, sondern dass wir ganz gezielt auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen und Einkommensgruppen Rücksicht genommen haben.

Wichtig ist auch die Entlastung für die Wirtschaft. Neben Strompreiskompensation und anderen Dingen ist auch sie als Signal für die Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst ganz entscheidend. Dass wir Signale senden, war auch eine wichtige Forderung der Sozialpartner, und das tun wir, indem wir Prämien steuer- und abgabenfrei stellen. Die Möglichkeit zu haben, das bei einem Teil in Anspruch zu nehmen – ein Drittel im Kol­lektivvertrag verpflichtend, zwei Drittel offen –, das finde ich gut. Das war ein Vorschlag der Sozialpartner, den wir natürlich auch sehr, sehr gerne aufgegriffen haben. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Umgesetzt werden diese Maßnahmen in einem dreistufigen Prozess. Zuerst – so schnell wie möglich, jetzt im Sommer – kommt Entlastung für die, die besonders betroffen sind: für die Mindestsicherungsbezieher, für die Mindestpensionisten, 300 Euro Teuerungs­ausgleich für die Familien, die auch besonders betroffen sind. Im Herbst kommt dann als zweiter Schritt die Entlastung für eine breitere Gruppe, bei der wir auch intensiv in den Mittelstand hineingehen, und dann kommen als dritte Stufe mit 1.1.2023 die strukturellen Entlastungen, damit die Kaufkraft der Menschen auch dauerhaft gestärkt wird.

Damit diese Maßnahmen möglichst rasch in Kraft treten – nicht die strukturellen, sondern die jetzt schnell umzusetzenden –, findet diese Sondersitzung heute statt, worüber wir natürlich sehr froh sind. Ich hoffe, dass wir die notwendigen Beschlüsse für die Umset­zung der Entlastungsmaßnahmen heute auch gemeinsam fassen, denn das ist aus mei­ner Sicht ein so wichtiges Signal an die breite Bevölkerung, dass es auch hier im Hohen Haus eine breite Mehrheit geben soll.

Sehr geehrte Damen und Herren, besonders auch von der Opposition, Sie haben in den vergangenen Wochen regelmäßig spürbare Maßnahmen gegen die Teuerung gefor­dert – zu Recht gefordert, überhaupt keine Frage! –, aber heute legen wir Ihnen diese Maßnahmen vor, und ich hoffe natürlich, dass Sie diesem Paket auch mit einer breiten Mehrheit zustimmen.

Man kann immer auch gegen einzelne Maßnahmen sein, überhaupt keine Frage – da lässt sich, wie der Herr Vizekanzler gesagt hat, auch über die Treffsicherheit diskutieren, wie genau welche Maßnahme funktioniert; wir haben uns das wirklich ganz genau an­gesehen –, aber wenn man deswegen geschlossen gegen ein Paket zur Entlastung, das auch von Experten tendenziell sogar als zu viel gewertet wird, stimmt, muss man das, glaube ich, später den Menschen in diesem Land auch erklären können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die höheren Inflationsraten werden uns leider noch über einen längeren Zeitraum begleiten – nicht in dieser Höhe wie jetzt, aber doch höher als noch vor einigen Monaten prognostiziert, auch höher als sie vielleicht vor der ersten Krise, vor der Pandemie, waren –, und deswegen brauchen wir strukturelle Maß­nahmen.

Lieber Herr Kollege Scherak, jetzt bin ich bei Ihrem Lieblingsthema – es ist mittlerweile auch mein Lieblingsthema geworden, muss ich ehrlicherweise sagen –: die Abschaffung der kalten Progression. Viele Jahre, Jahrzehnte wurde sie diskutiert, sie ist in Diskussion. Der Begriff ist sperrig, wir wissen das aus den Diskussionen, in Wahrheit bedeutet er – Sie haben das eh auch gesagt –, dass der Staat durch die Teuerung insgesamt enorm profitiert. Das ist eine schleichende Steuererhöhung und das ist ungerecht – überhaupt keine Frage –, und ja, es ist an der Zeit, das zu ändern. (Abg. Deimek: Das ist das System ÖVP seit 30 Jahren!) Wir haben den Vorschlag gemacht beziehungsweise die Einladung ausgesprochen, dass wir das mit Verfassungsmehrheit tun können. Das war eine Einladung an die Damen und Herren Abgeordneten, aber auch wenn es keine Ver­fassungsmehrheit gibt, werden wir es natürlich einfachgesetzlich umsetzen. (Abg. Dei­mek: Wann?) Das ist eine klare Ansage, das haben wir in der Koalition auch so verein­bart. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist Zeit, das zu ändern – ja, auf jeden Fall. Es wurde viel diskutiert, anscheinend 50 Jahre lang. So lange sind (in Richtung Abg. Scherak) wir beide noch nicht in der Politik, aber zumindest seit wir in der Politik sind, hat man auch darüber diskutiert. Viele politische Beobachter, auch Medienvertreter haben es uns vor einigen Wochen nicht zugetraut, auch Sie nicht. Ich weiß, Sie sagen jetzt immer: Es liegt ja noch nicht zur Beschlussfassung vor! Wir werden dann im September so weit sein, weil wir schon glau­ben, dass man sich das seriös anschauen muss.

Es ist nicht ganz so trivial, dass man das so einfach heute hier und jetzt auf die Schnelle beschließen könnte. Wir haben uns auch die verschiedenen Modelle angeschaut, und das ist schon interessant. Die Schweiz hat zum Beispiel eine ganz andere Vorausset­zung. Die haben nur bei der Bundessteuer die kalte Progression abgeschafft. Viel mehr Steuern gibt es ja auf kantonaler Ebene, wo sie zum Teil nicht abgeschafft worden ist – aber okay, das ist ein anderes System. (Abg. Deimek: Dort gibt es überhaupt weniger Steuern!)

Deutschland hat sie abgeschafft, hat aber drei Drittel, also 100 Prozent, zur freien Verfü­gung gelassen, was wir nicht tun. Deswegen ist unser Modell herausgekommen, von dem wir glauben, eine gute Mischung und soziale Treffsicherheit zu haben: auf der einen Seite der Automatismus, zwei Drittel, und auf der anderen Seite das eine Drittel, das wir umverteilen können, ja, für Notwendigkeiten, die es gibt, aber das ist verpflichtend. Das ist verpflichtend, und deswegen schaffen wir die kalte Progression auch zu 100 Prozent ab. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Ja, aber nicht heute!)

Ja, mit 1. Jänner 2023 – danke für den Einwand, Herr Klubobmann Kickl! Danke schön! (Abg. Kickl: Bitte gern, ist kostenlos!) – Danke für den kostenlosen Einwand, noch bes­ser.

Entscheidend ist ja auch, was es sonst noch für Maßnahmen gibt. Wir senken jetzt die Tarifstufen, was jetzt wirksam wird. Deswegen glauben wir, dass es gescheiter ist, an­statt alles rückwirkend aufzurollen, diese strukturelle Maßnahme ab 1.1.2023 zu ma­chen. Das war übrigens auch ein dringender Wunsch aller Steuerberatungsgruppen, all der Menschen, die täglich damit zu tun haben, das nicht rückwirkend zu machen. Jetzt wirken die Tarifstufensenkungen und dann ab dem 1. Jänner 2023 die Abschaffung der kalten Progression.

Es wäre ja relativ leicht gewesen, muss ich ehrlich sagen, wenn ich durchgetaucht wäre, wenn wir als Bundesregierung durchgetaucht wären. Natürlich nimmt es uns Spielraum, selbstverständlich, aber es ist ein Akt der Fairness, den wir jetzt angehen, und es ist keine Zeit für Bequemlichkeit in der Politik, gerade angesichts der Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen. Es ist keine Zeit für Bequemlichkeit, sondern Zeit, zu handeln, und das tun wir mit der Umsetzung einer Forderung, die seit 50 Jahren diskutiert wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe mich jetzt auf das Thema kalte Progression konzentriert, weil es mir wie gesagt mittlerweile auch ein extremes Anliegen geworden ist. – Insgesamt ist es uns gelungen, ein sehr gutes, ein sehr ausgewogenes, faires und auch treffsicheres Paket zu schnüren. Mit den Maßnahmen gelingt es uns einerseits, jenen rasch zu helfen, die es dringend brauchen, die besonders unter der derzeitigen Situation leiden, und andererseits schaf­fen wir eben auch den Systemwechsel. Daher ersuche ich Sie wirklich alle, hier heute mitzugehen. Es ist viel Geld – es sind 28 Milliarden Euro bis ins Jahr 2026 –, das auf den Weg gebracht wird. Das ist sehr, sehr viel Geld, das wir den Österreicherinnen und Österreichern wieder zurückgeben möchten, das ihnen die Inflation und die Teuerung natürlich nehmen.

Zeigen wir also den Menschen in Österreich, dass die Politik ihre Sorgen ernst nimmt und dass wir alle gemeinsam Maßnahmen gegen die aktuelle Teuerung beschließen! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stras­ser. – Bitte.