12.05

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Zunächst möchte ich auch ein paar Worte zum Abänderungsantrag, den wir heute einbringen, sagen: Ja, es hat etwas gedauert, die Regelung für die ukrainischen Vertriebenen auf den Weg zu bringen, aber, Kollegin Fiedler, oft steckt der Teufel im Detail, und in diesem Fall war es eben notwen­dig, weil wir mit dem Vertriebenenstatus eine ganz neue Kategorie hatten und auch eine entsprechende Anpassung finden mussten. Das ist jetzt gelungen. Wir beschließen sie auch rückwirkend, damit die Frauen wirklich auch ab dem ersten Tag zu ihrem Geld kommen. Ich glaube, es ist eine gute Lösung, und gehe davon aus, dass sie auch durch die Bank Zustimmung finden wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren, zur Indexierung der Familienbeihilfe, die wie gesagt vom Euro­päischen Gerichtshof als europarechtswidrig aufgehoben wird: Wir nehmen das selbst­verständlich zur Kenntnis, ohne den Gerichtshof dafür zu kritisieren. Wir nehmen dieses Urteil zur Kenntnis, ohne die Richter, die Personen, die dort arbeiten, zu kritisieren und zu hinterfragen oder gar infrage zu stellen. Wir nehmen es zur Kenntnis, weil in der De­mokratie so die gelebten Spielregeln sein müssen, und nicht nur bei dieser Entschei­dung, sondern bei allen Entscheidungen, die Gerichtshöfe, Höchstgerichte auf der gan­zen Welt fällen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Es hat viel Kritik im Ausschuss und auch heute bereits wieder, hier in dieser Debatte, an dieser Entscheidung gegeben, vor allem daran, wie wir zu unserer Entscheidung damals gekommen sind. Ich möchte ein paar dieser Kritikpunkte aufgreifen. (Abg. Yılmaz: Kurz, sag ich nur!) Ein Kritikpunkt war, dass nur ein Experte zu finden war, der diese Indexie­rung argumentiert hat.

Schauen wir uns die Historie an: Schon 2010 waren es die Europarechtler Marhold und Leidenmühler, die festgestellt haben, dass diese Indexierung durchaus machbar und auch sinnvoll wäre.

2011 war es dann der zuständige Spitzenbeamte im Sozialministerium (Zwischenruf der Abg. Yılmaz), der von massiven Problemen aufgrund dieser EU-rechtlichen Regelung gesprochen und angeregt hat, dass eine entsprechende Weiterentwicklung und Verbes­serung stattfinden soll.

2016, 2017 war es dann der Rechnungshof, meine Damen und Herren – der Rechnungs­hof! –, der von massiven Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten – Ungerechtigkeiten! – hinsichtlich der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland gesprochen hat. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Er hat damals festgehalten, dass es in den Jahren 2002 bis 2016 eine Steigerung der Fälle der Überweisung der Familienbeihilfe ins Ausland von 2 000 Fällen 2002 auf 120 000 Fälle 2016 gab. Er hat – gerechtfertigt – durchaus hinterfragt, ob denn diese Zahlen, diese Meldungen alle korrekt waren.

Meine Damen und Herren, auch bei der EU-Kommission hat es ein großes Unbehagen und Diskussionen gegeben, ob denn diese Nichtindexierung wirklich gerecht ist. (Zwi­schenruf der Abg. Yılmaz.) Nicht zuletzt waren es die Briten und viele andere Länder, die das auch eingefordert haben, und dem wurde schlussendlich auch Rechnung ge­tragen.

Es wurde, meine Damen und Herren, eine Studie bei Prof. Mazal in Auftrag gegeben, der den argumentativen Weg, wie wir zur Indexierung kommen könnten, gezeigt hat. Es ist aber schon interessant: Wissen Sie, welche Regierung das in Auftrag gegeben hat? – Es war die Regierung Kern/Mitterlehner, die bei Mazal um diese Expertise gebeten hat. (Abg. Ries: Da schau her!)

Mazal hat dann Folgendes gesagt und darauf hingewiesen: Die Familienbeihilfe und der Unterhalt an Kinder im Ausland müssen zusammen gesehen werden. Unterhaltszahlun­gen ins Ausland werden an das jeweilige Lebenshaltungsniveau in dem Land, in dem das Kind lebt, angepasst und indexiert, und gleicherweise soll es eben auch mit der Familienbeihilfe geschehen. Das war der inhaltliche Zusammenhang, der von Mazal auf­gezeigt wurde.

Genau denselben Gedanken formulierte der Europarechtler Prof. Obwexer folgender­maßen – ich zitiere –: „Es ist davon auszugehen, dass diese neue (restriktive) Judikatur sich auch auf die Auslegung [...] der VO 883/2004 auswirken wird. In diesem Fall wäre die Formulierung [...] ‚als ob‘ [...] wohl dahingehend zu verstehen, dass die Höhe von Familienleistungen für in einem anderen EU-Mitgliedstaat wohnende Familienangehöri­ge nicht formal (= Betrag), sondern materiell (= Wert) jener von Familienleistungen für im Inland wohnende Familienangehörige entsprechen muss. Eine materielle Entsprechung würde eine Indexierung nicht nur erlauben, sondern sogar verlangen.“ – Das sagt Obwexer.

Zur Kritik der anderen Parteien: Im Ausschuss waren es die Kolleginnen Wimmer, Holz­leitner und Yildirim von der SPÖ, die zum wiederholten Mal und auch heute wieder gesagt haben: Jedes Kind ist gleich viel wert! (Abg. Heinisch-Hosek: Stimmt eh!) Nun, versuchen wir diesen Gedanken weiterzuspinnen: Wenn jedes Kind gleich viel wert ist, dann müssen auch – dieser Judikatur folgend – alle Leistungen wie Gratisschulbuch, Gratiskindergarten oder Schülerfreifahrt wertangepasst indexiert werden (Abg. Yildirim: Das haben Sie nicht verstanden!), nicht indexiert, sondern überwiesen werden. Das wäre Ihre Logik, meine Damen und Herren! Das kann doch wirklich nicht Ihr Ernst sein! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Yildirim: Das haben Sie falsch verstanden!)

Schauen wir uns einmal die Geschichte an – es lohnt sich, da etwas auf die Historie zu blicken –: Was hat denn die SPÖ zu diesen Themen gesagt? – Kanzler Faymann, der ja schlussendlich beim Rat der Regierungschefs mit den Briten mitgestimmt hat, dass das gemacht werden soll, hat gesagt, er sei „offen dafür, über Anpassungen bei der heimi­schen Familienbeihilfe für EU-Ausländer zu sprechen“. – Das klingt etwas anders als das, was wir von Ihnen zu hören bekommen.

Kollege Stöger, damals Sozialminister, hat auf eine Anfrage hin klargestellt, es sei be­reits eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit diesem Vorschlag befasst und Lösungen ausarbeitet. – Okay. Das hat sehr vielversprechend geklungen. Der Beste aber war na­türlich Kanzler Kern. Kanzler Kern hat gesagt: Ich bin dafür, die Familienbeihilfe nicht nur zu indexieren, sondern auf das Niveau der Familienbeihilfe des Herkunftslandes des Kindes herunterzusenken! (Ruf bei der FPÖ: Da schau her!) Ihr Kanzler Kern hätte die­sen Kindern wesentlich weniger geben wollen, als durch die Indexierung tatsächlich überwiesen worden ist. Ist das wirklich eine logische und stringente Argumentation? – Ich glaube nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es tut mir leid, dass Kollege Bernhard nicht da ist. Ich schätze Kollegen Bernhard sehr, wir tauschen uns aus, er ist ein ausgewiesener Fachmann. Er hat sich aber im Aus­schuss dazu verstiegen, die Politik in diesem Bereich als fetzendeppert zu bezeichnen. Er hat da Anleihen bei seiner Parteivorsitzenden genommen. Nun, meine Damen und Herren, Politik per se ist nicht klug, ist nicht dumm, ist nicht deppert. Die Menschen, die sie machen, müssen also, seiner Diktion folgend, fetzendeppert sein. Das heißt, die - -

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich verstehe schon, worauf Sie hinaus­wollen, aber ich würde Sie trotzdem bitten, das in Ihrer Ausdrucksweise so zu formulie­ren, dass wir nicht permanent mit einem Wort befasst sind, für dessen Verwendung ich Ihnen eigentlich einen Ordnungsruf erteilen müsste – auch wenn Sie es zitieren, wie Sie wissen.

Abgeordneter Norbert Sieber (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin, für den Hinweis. Ich würde niemals irgendjemanden in diesem Haus als fetzendeppert bezeichnen (Hei­terkeit bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ und NEOS) und werde das auch - -