17.58

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Geschätzte Ab­geordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Im Mai 2016 hat uns ein tragisches Ereignis erschüttert. Ein 21-jähriger, geistig verwirrter, obdachloser Mann hat am Brun­nenmarkt in Wien Ottakring ohne ersichtlichen Grund eine Passantin mit einer Eisen­stange erschlagen. Zur Aufarbeitung dieser Geschehnisse wurde eine Sonderkommis­sion eingerichtet. Diese hat das Ereignis unter die Lupe genommen und hat leider ziem­lich beunruhigende Versäumnisse festgestellt.

Es wurden daher für das Unterbringungsrecht relevante Empfehlungen ausgesprochen. Es wurde zum Beispiel gesagt, dass es die Schaffung klarer Verantwortlichkeit braucht, ohne dass zwischen den Institutionen ein Kompetenzvakuum entsteht, und dass es auch dringend Verbesserungen der Informationsflüsse benötigt.

Aufgrund dieser Empfehlungen hat das Justizministerium gemeinsam mit dem Gesund­heitsministerium und gemeinsam mit dem Innenministerium das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie mit der Erstellung einer Studie beauftragt, um eine evidenzbasierte Grundlage für die Reform dieses Unterbringungsgesetzes zu liefern. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das Irks hat auch unter breiter Einbindung von ExpertInnen, von ärztlichem Personal, von Richterinnen und Richtern, von der Patien­tenanwaltschaft einen entsprechenden Bericht erstellt.

Auf Basis der Arbeit der Sonderkommission und der Arbeitsgruppe und der entstande­nen Studie haben wir im Justizministerium eine umfangreiche Problemanalyse vorge­nommen und aufgrund dieser eine umfassende und umsichtige Reform des Unterbrin­gungsgesetzes erarbeitet. Damit erreichen wir genau das, was uns auch empfohlen wurde: strukturelle Verbesserungen, klare Regelungen und eine patientengerechtere Unterbringung vor allem auch für Kinder und Jugendliche. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte hier an dieser Stelle einige wichtige Details dieser Reform darlegen: Im Zuge der Arbeiten an der Reform hat sich gezeigt, dass Missverständnisse unter den Akteuren und Akteurinnen und Informationsverluste zu falschen, gefährlichen und unbefriedigen­den Entscheidungen führen können. Es ist daher eines der wesentlichen Ziele der Re­form, mehr Rechtssicherheit zu schaffen.

Für jede beteiligte Berufsgruppe ist jetzt – natürlich unter Beachtung der Datenschutz-Grundverordnung – für alle denkbaren Situationen geregelt, wer wem welche Daten zu welchen Zwecken übermitteln darf, übermitteln soll und übermitteln muss. Bisher war es so, dass wir immer wieder feststellen mussten, dass PatientInnen manchmal aus psy­chiatrischen Abteilungen entlassen wurden, obwohl sie nicht wussten, wohin sie sich danach wenden sollen. Jetzt haben wir auch dafür eine Regelung: Jeder Arzt, jede Ärztin muss sich im Zuge der Aufhebung der Unterbringung darum bemühen, eine für den Pa­tienten/die Patientin angemessene soziale und psychiatrische Betreuung zu finden, die für diesen Fall erforderlich ist.

Ebenfalls geregelt ist die Aufgabenverteilung. Ich habe es vorhin schon angesprochen, bisher war keine klare Aufgabenverteilung gegeben. Das ist etwas, das wir zukünftig durch eine bessere Strukturierung der einzelnen Bestimmungen verwirklichen wollen: Welche Aufgaben haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes? Welche Auf­gaben haben die einweisenden ÄrztInnen, die FachärztInnen der psychiatrischen Abtei­lungen?

Wir hatten leider auch das Problem, dass wir zu wenige ÄrztInnen hatten, die eine Ein­weisung veranlassen konnten. Mit dieser Novelle ändern wir das, wir erweitern den Kreis der ÄrztInnen, die das machen können, und außerdem befähigen wir auch die Polizei, auf Basis ärztlicher Expertise eine Einweisung vornehmen zu können. Auf diese Weise soll Patientinnen und Patienten unangenehme Wartezeit erspart werden und Eskalatio­nen von Gefahrensituationen sollen vermieden werden.

Ein wichtiger Aspekt der Reform – den ich auch ansprechen möchte, weil mir das ein großes Anliegen ist – ist, dass wir das Unterbringungsgesetz mit der UN-Behinderten­rechtskonvention in Einklang gebracht haben. In Zukunft werden wir weniger über die Patientinnen und Patienten sprechen, sondern mehr mit den Patientinnen und Patienten. Natürlich muss man in der Psychiatrie am Zwang festhalten, aber wir müssen uns darum bemühen, alles daranzusetzen, tatsächlich in jeder Phase der Unterbringung mit der be­troffenen Person zu reden und eine Willensbildung mit der Person zu erreichen, nicht über ihren Kopf hinweg. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die VetreterInnen der Kinder- und Jugendpsychiatrie beklagen seit vielen Jahren, dass das Unterbringungsgesetz zu wenig auf die besonderen Bedürfnisse der untergebrach­ten Minderjährigen Rücksicht nehme. Dem widmen wir jetzt einen eigenen Abschnitt mit Sonderregelungen für Minderjährige. Wir wollen damit dieser Kritik Rechnung tragen und so die Kinderrechte in den Fokus rücken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auch an dieser Stelle noch einmal allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Arbeitsgruppen meinen ausdrücklichen Dank aussprechen. Ihre Kompetenz und ihre unterschiedlichen Perspektiven sind in die­se Reform eingeflossen und haben diesen Entwurf erst möglich gemacht. Ein ganz be­sonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Justizressorts, allen voran Sektionschef Dr. Kathrein und Abteilungsleiter Dr. Barth, die mit ihren Teams intensiv und umsichtig an der vorliegenden Regierungsvorlage gearbeitet haben. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Lassen Sie mich noch eine Sache hervorheben: Diese wichtige, große und umfassende Reform ist leider die letzte Reform, die Sektionschef Dr. Georg Kathrein erarbeitet hat, er wird leider mit Ende des Monats in Pension gehen. Ich bin mir sicher, er schaut jetzt zu: Lieber Georg, deine Umsicht, deine grenzenlose Fachkompetenz, dein Engagement, dein Verhandlungsgeschick und auch insbesondere dein Tiroler Schmäh waren für uns alle eine unglaubliche Bereicherung. Es war mir eine besondere Ehre und eine besonde­re Freude, mit dir gemeinsam arbeiten zu dürfen. Ich möchte dir im Namen des gesamten Justizministeriums herzlich danken, dass du die letzten Jahrzehnte das Justizministe­rium und die Justizpolitik geformt hast. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

18.05

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Heike Grebien. – Bitte.