15/PET XXVII. GP
Eingebracht am 22.04.2020
Dieser Text ist elektronisch
textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Petition
Abgeordnete zum Nationalrat Gabriele Heinisch-Hosek
Petra Bayr, MA MLS, Mag.a Ruth Becher, Cornelia Ecker, Mag.a Karin Greiner,
Mag.a Dr.in Sonja Hammerschmid, Julia Herr, Eva Maria Holzleitner, BSc, Katharina Kucharowits,
Mag.a Andrea Kuntzl, Mag.a Verena Nussbaum, Mag.a Dr.in Petra Oberrauner,
Dr.in Pamela Rendi-Wagner, MSc, Sabine Schatz, Petra Vorderwinkler,
Petra Wimmer und Mag.a Selma Yildirim
An Herrn
Präsidenten des Nationalrates
Mag. Wolfgang Sobotka
Parlament
1017 Wien, Österreich
Wien, am 22. April 2020
Sehr geehrter Herr Präsident!
In der Anlage überreichen wir Ihnen gem. §100 (1) GOG-NR die Petition betreffend
„Die Corona-Krise darf nicht auf Kosten von Frauen gehen“
Eine Petition für geschlechtergerechte Maßnahmen in und nach der Krise
Eine Initiative vom Salzburger Frauenrat (Birgit Buchinger, Ines Grössenberger) und dem Österreichischen Frauenring (Klaudia Frieben)
Seitens der Einbringerinnen wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender Hinsicht angenommen:
Gleichstellung von Frauen und Männern (Art. 7 Abs. 2 B-VG)
Dieses Anliegen wurde bis zur Einbringung im Nationalrat von 2.505 BürgerInnen unterstützt.
Mit der Bitte um geschäftsordnungsmäßige Behandlung dieser Petition verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
Anlage
Hinweis: Ggf. vorgelegte Unterschriftenlisten werden nach dem Ende der parlamentarischen Behandlung datenschutzkonform vernichtet bzw. gelöscht, soweit diese nicht nach den Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes zu archivieren sind.
Abgeordnete zum Nationalrat
Gabriele Heinisch-Hosek
Petra Bayr, MA MLS
Mag.a Ruth Becher
Cornelia Ecker
Mag.a Karin Greiner
Mag.a Dr.in Sonja Hammerschmid
Julia Herr
Eva Maria Holzleitner, BSc
Katharina Kucharowits
Mag.a Andrea Kuntzl
Mag.a Verena Nussbaum
Mag.a Dr.in Petra Oberrauner,
Dr.in Pamela Rendi-Wagner MSc,
Sabine Schatz,
Petra Vorderwinkler Petra Wimmer Mag.a Selma Yildirim
„Die Corona-Krise darf nicht auf Kosten von Frauen gehen“ - Eine Petition für geschlechtergerechte Maßnahmen in und nach der Krise
Eine Initiative vom Salzburger Frauenrat (Birgit Buchinger, Ines Grössenberger) und dem Österreichischen Frauenring (Klaudia Frieben)
Es ist höchste Wachsamkeit gefordert, dass die Corona-Krise und vor allem die Wege aus dieser Krise heraus nicht zu einem Fiasko für Frauen werden.1 Die gesellschaftspolitischen Ziele in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit müssen auf Basis der internationalen und nationalen Verpflichtungen gerade jetzt fundamental berücksichtigt werden. Die aus grundlegenden Menschenrechten abgeleiteten allgemeinen Gleichstellungsziele2 gelten für Frauen, Männer und Diverse in allen Lebenslagen und Lebensphasen - also unabhängig von Alter, etwaiger Krankheit oder Behinderung, ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung, Religionsbekenntnis oder Migrationshintergrund.
_______________________________
1
Bereits
vor der Corona-Krise war weltweit ein Vormarsch rückwärtsgewandter
rechter Ideologien zu beobachten: Sexismen, Rassismen, Homophobie und alle
anderen Ausgrenzungstendenzen wurden wieder gesellschaftsfähig (gemacht).
Begleitet bzw. fundiert wurden diese Entwicklungen mit einer ideologischen
Aufrüstung gegen Gleichstellung und gegen Geschlechter- und
Vielfaltsgerechtigkeit. Maßnahmen (geplant oder realisiert) wie etwa die
Kürzung bzw. Streichung der Fördermittel für Frauenvereine, die
Verunmöglichung einer guten Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch die
Einführung des 12-Stunden-Tages etc. betrafen Frauen direkt oder indirekt.
Im Windschatten der Corona
Krise werden frauenpolitische Forderungen auf einen Schlag vom Tisch gefegt.
Die bisherigen Maßnahmen zeichnen
sich durch Geschlechtsblindheit aus und berücksichtigen daher die
mannigfaltigen kritischen Auswirkungen auf Frauen und ihre diversen Lebensrealitäten
nicht. Am deutlichsten wird dies etwa in Zusammenhang mit dem völligen
Alleinlassen von Alleinerziehenden (überwiegend Frauen), die in
dieser Krise bereits jetzt massiv überfordert sind, psy-
chisch, physisch und finanziell.
2 Diese allgemeinen Gleichstellungsziele müssen Grundlage der politischen Arbeit in und nach der Krise sein:
1) Selbstbestimmte Lebensgestaltung für Frauen und Männer, 2) Leben frei von jeder Form von Gewalt für Frauen und Männer, 3) Gleiche Möglichkeiten für Frauen und Männer zur Entwicklung ihrer persönlichen Fähigkeiten und Potenziale, 4) Gleiche Teilhabemöglichkeiten (ökonomische, gesellschaftliche und politische Partizipation) für Frauen und Männer, 5) Gleiche Verteilung von Macht und Einfluss zwischen Frauen und Männern hinsichtlich politischer und ökonomischer Entscheidungen und Prozesse,6) Eigenständiger und gleicher Zugang zu den Sozialleistungen des Landes in allen Lebensphasen (insbesondere auch Elternschaft, Kinderbetreuung und -erziehung, Bildung, Arbeitslosigkeit, Pflege, Krankheit, Alter) für Frauen und Männer,
7) Gleicher Zugang zu öffentlichen Leistungen für Frauen und Männer, 8) Autonomie über die eigene Lebensgestal-tung und Zeitverwendung für Frauen und Männer, 9) Gleiche Möglichkeiten für Frauen und Männer zu ökonomischer Unabhängigkeit durch Erwerbsarbeit.
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http://www.frauenrat-salzburg.at/, www.frauenring.at, April 2020
Ein
Zwischenresümee nach nur knapp drei Wochen Covid-19-Pandemie zeigt sehr
klar auf, in wel-
che Richtung künftig politische Entscheidungen zu setzen sind:
• Stärkung des Sozialstaates in Verbindung mit dem Ausbau öffentlicher, qualitativ hochwer-tiger und leistbarer Infrastruktur für die Bereiche Pflege sowie Gesundheit, Kinder- und Jugendbildung.
• Gleichzeitig braucht es eine grundlegende Aufwertung und Neubewertung der in diesen gesellschaftlichen Feldern geleisteten bezahlten Arbeit sowie auch in den weiteren systemrelevanten Branchen und Berufen (Lebensmittelproduktion und -handel, Reinigung, öffentlicher Verkehr) durch verstärkte Anhebung der Kollektivvertragslöhne. Dadurch werden Frauen ermächtigt, existenzsichernde Einkommen zu erzielen und gleichzeitig von unbezahlter Arbeit entlastet.
• Stärkung sozialer Dienstleistungen in Form von Ausbau und deutlicher Erhöhung der Finanzmittel an die psychosozialen Beratungseinrichtungen im frauen-, arbeitsmarkt-, gesundheitsoder gewaltschutzpolitischen Bereich
• Wiedereinführung des 50 Prozent-Ziels für Frauen im Rahmen des arbeitsmarktpolitischen Förderbudgets
• Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent und Verlängerung der Bezugsdauer sowie Erhöhung der Notstandshilfe
•
Unterstützende
Sofortmaßnahmen für Alleinerzieher*innen und sonstige besonders be-
troffene Gruppen (etwa
Prostituierte, Asylwerber*innen und -berechtigte, von Armut betroffene,
obdachlose Menschen, 24-Stunden-Betreuerinnen), die von der Corona-Krise existenzbedrohend
betroffen sind
• Ausgleichszahlungen (Härtefonds!) für niedrige Einkommen, die durch die Kurzarbeit noch-mals reduziert werden!
• Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen während der Krise sowie künftige Konjunktur- und Sparmaßnahmen müssen einer Geschlechtergerechtigkeitsprüfung sowie einer gleichstellungspolitischen Folgenabschätzung unterzogen werden. Dies ist Grundbedingung dafür, dass Frauen nicht überproportional von Einsparungen betroffen sein werden sowie nicht unterproportional von Konjunkturmaßnahmen profitieren können.
• Der Retraditionalisierung von Rollenbildern muss durch verstärkte Sensibilisierungs- und Bewusstseinsarbeit entschieden entgegengewirkt werden. Gleichzeitig müssen Empower- mentmaßnahmen für Frauen ausgebaut werden.
Bei allen zu treffenden Maßnahmen müssen Genderexpert*innen und zivilgesell- schaftliche Organisationen eingebunden werden!
Von der Umsetzung all dieser vorgeschlagenen
Maßnahmen würden Frauen (und auch Männer
und Diverse) umfänglich profitieren, sind die Wirkungen doch die Grundlage
für ein unabhängiges, selbstständiges und existenziell
abgesichertes Leben für alle. Zugleich stellen eine Gleichstellung der
Geschlechter und die eigenständige Existenzsicherung von Frauen die
wirkungsvollste Prävention von Gewalt in der Familie und im privaten
Nahraum dar.
Quellen
Frey, Regina (2020), Corona und Gender - ein geschlechtsbezogener Blick auf die Pandemie und ihre (möglichen) Folgen
http://www.gender.de/cms-gender/wp-content/uploads/gender_corona.pdf
Koebe, Josefine/Samtleben, Claire/Schrenker,
Annekatrin/Zucco, Aline (2020), Systemrelevant und den-
noch kaum anerkannt: Das Lohn- und Prestigeniveau unverzichtbarer Berufe in
Zeiten von Corona, DIW ak-
tuell 28 https://www.diw.de/de/diw _01.c.743872.de/publikationen/diw_aktuell/2020_0028/systemrele-
vant_und_dennoch_kaum anerkannt_das lohn und
prestigeniveau_unverzichtbarer_berufe_in_zei-
ten_von_corona.html
Mara Kuhl (2012a), Wem werden Konjunkturpakete gerecht? Eine budgetorientierte Gender-Analyse der Konjunkturpakete I und II, im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin
http://library.fes.de/pdf-files/wiso/07230.pdf
Mara Kuhl (2012a), Krisenpolitik als
Zukunftsaufgabe - Vorschläge zur gleichstellungspolitischen Qualität
von Konjunkturpolitik, im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin
http://library.fes.de/pdf-files/dialog/09519.pdf
Lewis, Helen (2020), Das weibliche Desaster - Frauen sind weniger von Corona betroffen? Von wegen. Die wirtschaftlichen und sozialen Kosten treffen sie wesentlich stärker, IPG, Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin
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chlechter%20%7C%20IPG%20Journal.html
Sauer, Birgit (2020), Sparpakete treffen Frauen, Hilfspakete helfen Männern
https://www.moment.at/story/politologin-birgit-sauer-ueber-die-zeit-nach-corona-sparpakete-treffen-
frauen
„Mit Corona zurück in die 1950er Jahre", Weitergedacht: der Blog von Barbara Tóth, 25. März 2020-04-03 https://cms.falter.at/blogs/btoth/2020/03/25/mit-corona-zurueck-in-die-1950er-jahre/?ref=homepage
https://www.moment.at/story/politologin-birgit-sauer-ueber-die-zeit-nach-corona-sparpakete-treffen- frauen?fbclid=lwAR0fG0o_byB6yyO0uY73Y-m4fKn_s5iJdYSKr6zfrxAbDKSL-EnZ110kqxU