31/PET XXVII. GP

Eingebracht am 10.08.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

Abgeordnete/r zum Nationalrat

Kollross Andreas

Selma Yildirim

 

An Herrn

Präsidenten des Nationalrates
Mag. Wolfgang Sobotka
Parlament

1017 Wien, Österreich

Trumau,  am 30.07.2020

Sehr geehrter Herr Präsident!

In der Anlage überreiche ich/ überreichen wir Ihnen gem. §100 (1) GOG-NR die Petition betreffend

Corona-Generalamnestie

Seitens der Einbringerlnnen wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender Hinsicht angenommen: Verwaltungsstrafgesetz Amnestiegesetz

Dieses Anliegen wurde bis zur Einbringung im Nationalrat von          /            BürgerInnen unterstützt.

Mit der Bitte um geschäftsordnungsmäßige Behandlung dieser Petition verbleibe ich/verbleiben wir mit freundlichen Grüßen

Anlage

Hinweis: Ggf. vorgelegte Unterschriftenlisten werden nach dem Ende der parlamentarischen Behandlung datenschutzkonform vernichtet bzw. gelöscht, soweit diese nicht nach den Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes zu archivieren sind.

PETITION

Corona-Generalamnestie

Infolge der COVID-19 Pandemie ist in Österreich ein umfangreiches rechtliches Regelwerk geschaffen worden, um die Weiterverbreitung dieser Pandemie möglichst einzuschränken bzw. zu verhindern. Dazu zählt das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahrnengesetz), in dessen Paragraph 2 festgelegt ist, dass beim Auftreten von COVID-19 durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden kann, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Aufgrund von § 2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes BGBl. 11 98/2020 wurde vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz verordnet:

§ 1. Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist das Betreten öffentlicher Orte verboten.

§ 2. Ausgenommen vom Verbot gemäß § 1 sind Betretungen,

1.    die zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum erforderlich sind;

2.     die zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen dienen;

3.     die zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der Deckung des Bedarfs zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann;

4.     die für berufliche Zwecke erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann;

5.     wenn öffentliche Orte im Freien alleine, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren betreten werden sollen, gegenüber anderen Personen ist dabei ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.

Das gesetzliche Verbot, bestimmte Orte zu betreten, wurde vom Gesundheitsminister mit einer Verordnung konkretisiert und von Mitgliedern der Bundesregierung - insbesondere im aufgrund der hohen Zuschauerzahl meinungsbildenden ORF - wiederholend kommuniziert. Insbesondere wurde die rechtsunrichtige Meinung verbreitet, dass eine Betretung des öffentlichen Raums im

Freien nur zum Spazieren und Sport zulässig wäre und der Besuch in Privaträumen verboten sei.

Am 14, Juli 2020 entschied der Verfassungsgerichtshof (VfGH), dass

„die gesetzliche Ermächtigung des § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz dahingehend begrenzt ist, dass das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden darf, nicht aber, dass Menschen auf Grundlage des § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz dazu verhalten werden können, an einem bestimmten Ort, insbesondere auch in ihrer Wohnung, zu verbleiben. “

Der VfGH hat daher ausgesprochen, dass diese Bestimmungen gesetzwidrig waren. Er hat auch ausgesprochen, dass diese Bestimmungen (etwa in einem laufenden Verwaltungsstrafverfahren) nicht mehr anzuwenden sind.

Es ist nicht auszuschließen, vielmehr sogar anzunehmen, dass sowohl die Sicherheits- als auch die Gesundheitsbehörden in der Vollziehung der Gesetze durch die öffentlichen Äußerungen von Regierungsmitgliedern beeinflusst wurden. Dadurch wurden in der Folge Menschen für Handlungen bestraft, die gar nicht gegen das Gesetz verstoßen haben.

Ein Beispiel dafür bietet ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 8. April 2020, durch welches Herr A. gemäß § 1 iVm § 2 der Verordnung gemäß § 2 Z1 des COVID-19- Maßnahmengesetzes, BGBl. 11 98/2020 iVm § 3 Abs. 3 COVID-19-Maßnahmengesetz BGBl, t 12/2020 idgF. zu einer Geldstrafe von insgesamt 660€ verurteilt wurde, im Uneinbringlichkeitsfall mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden. Herr A. hat gegen den gegenständlichen Bescheid Beschwerde erhoben und vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich Recht bekommen (Entscheidung vom 12. Mai 2020, GZ LVwG-S-891/001- 2020).

Das Landesverwaltungsgericht hat in seiner Begründung unter anderem ausgeführt:

"Der Beschwerdeführer hat mit seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehefrau den öffentlichen Ort betreten, um Freunde zu besuchen. Die Verordnung sieht keine Beschränkung des Zweckes für ein Betreten des öffentlichen Ortes nach der Ausnahmebestimmung des § 2 Z5 vor, auch wenn medial immer nur das, Luftschnappen ' oder, Sport' als zulässig dargestellt wurden. Der Aufenthalt in privaten Räumen unterlag zu keinem Zeitpunkt einem Verbot durch die gegenständliche Verordnung. Der Beschwerdeführer hat daher die ihm zu Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen. "

Ähnliche Fehlentscheidungen sind in einer Vielzahl an Fällen zu befürchten, weil laut Medienberichten auf der gleichen gesetzlichen Grundlage zehntausende polizeiliche Anzeigen gegen Menschen in ganz Österreich erhoben worden sein sollen. Die Entscheidungen sind vielfach auch bereits rechtskräftig und zwingend, wenn Fristen versäumt wurden, oder Menschen sich - auch aufgrund der finanziell angespannten Lage aufgrund der Covid 19 -Krise - eine Rechtsberatung hinsichtlich der Bescheide nicht leisten konnten.

Mitglieder der Bundesregierung aus ÖVP und Grünen haben nicht nur bewusst Angst verbreitet, sondern auch Verwirrung über die wahre Bedeutung der Gesetze. Die Tatsache, dass zahlreiche Personen in Österreich zum Teil ohne schuldhaftes Verhalten, zum Teil auch aufgrund sehr geringen Unrechtsgehaltes aufgrund der geschilderten fragwürdigen Vollziehung der gegenständlichen COVID-19 Normen hohe Strafen erhalten haben, macht die Forderung nach einer geeigneten Amnestie oder einem sonst geeigneten Vorgehen zwingend erforderlich. Ein koordiniertes einheitliches Vorgehen schafft Rechtssicherheit und Effizienz in der Verwaltung. Die Verwaltungsgerichte haben ohnehin Corona-bedingt zahlreiche Rückstände und könnten somit ihre Kräfte darauf konzentrieren, dass die Bürgerinnen in anderen wichtigen Rechtsmaterien - Baurecht, Gewerberecht, Betriebsanlageverfahren uvm. - rasch zu ihrem Recht kommen.

Zu bedenken ist hierbei auch, dass die Verwaltungsbehörden auch in Vollziehung der Covid 19- Maßnahmen von Amtswegen eine Aufhebung selbst von rechtskräftigen Bescheiden nach § 52a VStG verfügen können , wenn das Gesetz zum Nachteil des Bestraften offenkundig verletzt worden ist. Auch hierfür wäre aber ein klarstellender Erlass des zuständigen Bundesministers notwendig, der die Unrichtigkeit der von Regierungsmitgliedern zuvor geäußerten Rechtsansichten verlässlich feststellt. Von der Regelung sind alle Sachverhaltskonstellationen zu umfassen, in welchen Personen nach der VO BGBl. 11 98/2020 vom anzeigenden Organ oder der anzeigenden Person lediglich im privaten Raum und nicht im öffentlichen Raum angetroffen wurden und sich der Vorwurf in der angeblich zweckwidrigen Benützung des öffentlichen Raums im Freien zur An- oder Abreise beschränkt. Überdies sind vergleichbare Sachverhaltskonstellationen zu beheben, in welchen eine Unterschreitung des Mindestabstandes ohne nähere Nachweise im Verfahren lediglich aufgrund der Behauptungen der Anzeiger pauschal behauptet wurde.

Wir fordern daher:

       Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, als vorläufige Maßnahme umgehend durch Erlass gegenüber den zuständigen Vollziehungsbehörden die Unrichtigkeit der in der Einleitung dargelegten vormaligen Rechtsmeinung der Regierung zur Betretung im Freien nach der 98. Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz idgF. gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes zu bestätigen und diese Behörden aufzufordern, die Verfolgung in allen betroffenen Fällen einzustellen oder nach § 52a VStG vorzugehen.

       Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich, nach einem ordentlichen Begutachtungsverfahren, eine Regierungsvorlage für ein Amnestiegesetz vorzulegen, nach welchem unter Berücksichtigung der in der Einleitung dargelegten Maßstäbe der von rechtlichen Fehlinformationen durch Regierungsmitglieder erfassten Sachverhaltskonstellationen:

o Verwaltungsstrafverfahren im Zusammenhang mit der 98. Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz in der jeweils geltenden Fassung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19- Maßnahmengesetzes einzustellen sind und

o Strafnachsicht gegenüber diesbezüglich bereits rechtskräftigen Verwaltungsstrafen verfügt wird (d.h. bereits verhängte Strafen nachgesehen werden).