42/PET XXVII. GP

Eingebracht am 23.09.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

Abgeordnete/r zum Nationalrat

Abg. Christian RIES

An Herrn

Präsidenten des Nationalrates
Mag. Wolfgang Sobotka
Parlament

1017 Wien, Österreich

Wien, am 22. September2020

Sehr geehrter Herr Präsident!

In der Anlage überreiche ich/ überreichen wir Ihnen gem. §100 (1) GOG-NR die Petition betreffend „Zukunft der Pflege jetzt gestalten - Daheim statt Heim"

Seitens der Einbringerlnnen wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender Hinsicht angenommen:

Pflegepolitik

Dieses Anliegen wurde bis zur Einbringung im Nationalrat von  _________  BürgerInnen unterstützt.

Mit der Bitte um geschäftsordnungsmäßige Behandlung dieser Petition verbleibe ich/verbleiben wir mit freundlichen Grüßen

Anlage

Hinweis: Ggf. vorgelegte Unterschriftenlisten werden nach dem Ende der parlamentarischen Behandlung datenschutzkonform vernichtet bzw. gelöscht, soweit diese nicht nach den Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes zu archivieren sind.

Petition „Zukunft der Pflege jetzt gestalten - Daheim statt Heim“

Die Sicherung der Pflege und Betreuung pflegebedürftiger Personen gehört zu den zentralen sozialpolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte. Infolge der demografischen Entwicklung, aber auch der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, ist davon auszugehen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen langfristig deutlich ansteigen und die Zahl der potenziell pflegenden Familienangehörigen hingegen eher rückläufig sein werden. Da gleichzeitig ein starker Wunsch der Pflegebedürftigen besteht, möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben zu können (Stichwort „Daheim statt Heim“), müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die dies ermöglichen bzw. begünstigen.[1]

Bisher gab es ein Grundvertrauen, dass die Familie die Betreuung der älteren und/oder beeinträchtigten Generation übernimmt. Meistens geschieht dies durch die Töchter oder Schwiegertöchter. Aufgrund der demografischen Entwicklung und des Umstands, dass Frauen in Hinkunft länger im Arbeitsprozess stehen werden, soll dieses System entweder besser unterstützt oder mit anderen Strukturen neu aufgebaut werden.

„Jeder neunte Mensch wird 2050 über 80 sein.... Wifo-Berechnungen gehen von einer Steigerung der Nachfrage nach Pflegedienstleistungen (vor allem mobile und stationäre Pflege) im Ausmaß von gut 80 % bis 2030 und über 300 % bis 2050 aus. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt: Heute geben wir rund 0,6 % des BIPs für Pflegedienstleistungen aus, 2030 werden das in etwa 0,8 % sein und im Jahr 2050 1,4%[2]

Diese Herausforderung wird aus heutiger Sicht unmöglich durch das bestehende Angebot der Pflegedienstleistungen gedeckt werden können.

„Die Politik muss also möglichst rasch ein ganzheitliches Pflegepaket schnüren, das die offenen Organisations-, Finanzierungs- und Personalbaustellen geleichermaßen berücksichtigt. Sonst wird das System im demografischen Wandel bald selbst zum Pflegefall.“[3]

Dieser logische Schluss wird durch Daten der Statistik Austria bestätigt, denn die Zahl der Beschäftigten im Sozialwesen ist zwischen 2008 und 2016 um 37 %, in den Pflegeheimen sogar um 49 % gestiegen. Gleichzeitig ist aber die Nachfrage nach Pflegeplätzen noch schneller gestiegen. Laut einer Studie der „Gesundheit Österreich GmbH“ im Auftrag des BM f. Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz vom 25.11.2019, werden bis 2030 zusätzliche 75.700 Pflegekräfte gebraucht.

Studienautor Herwig Ostermann spricht von einem prognostizierten Bedarf von 41.800 diplomierten Pflegekräften. 25.200 werden im Bereich Pflegeassistenz und 8.700 im Bereich Heimhilfen benötigt. Verstärkt wird dieser Trend auch aufgrund der Pensionierungen der Pflege- und Betreuungspersonen, da hier rund ein Drittel über 50 Jahre alt sind.

Zusätzlich wäre die Dauer der gesetzlich möglichen Pflegekarenz zu überdenken. „Wenn es die Möglichkeit gäbe, sich ganz aus der Erwerbstätigkeit zurückzuziehen und sich zum selben Bezug wie dem PK-Geld dauerhaft der Pflege Ihres/r Angehörigen zu widmen, hätten Sie diese in Anspruch genommen?" Diese Frage wurde in der unter 1 zitierten Studie (S. 66) von 61 % der Befragten mit „Ja, ganz sicher“ beantwortet. Daher ergibt sich für uns auch hier ein Handlungsbedarf.

Um den Senioren ein Altem in Würde zu ermöglichen, muss eine optimale Versorgung in Gesundheit und Pflege sichergestellt werden. Dies gilt sowohl für den stationären Bereich, wie auch für den mobilen Bereich der Pflege daheim.

Aus diesen Gründen fordern die Unterzeichner:

-       eine Bundesgenossenschaft für Pflege und Betreuung, um Pfleger und Pflege­bedürftige von der Last der Administration zu befreien, die vielfach mit der Pflege daheim verbunden ist

-       die Schaffung eines österreichwetten „verpflichtenden“ Pflege-Gütesiegels, um einen transparenten Preisleistungsvergleich der Anbieter zu ermöglichen

-       die finanzielle Entlastung durch höheres Pflegegeld (50 % des Höchstsatzes ab Stufe 3), zur Unterstützung der pflegenden Angehörigen

-       die Überarbeitung der Kriterien bei der Pflegegeld-Einstufung mit mehr Transparenz und die Schaffung eines 4-Augen-Prtnzips mit Qualitätssicherung durch die Sozialversicherungen sowie die höhere Einstufung von Demenzerkrankten im Rahmen des Pflegegeldes

-       eine Erhöhung der Angebote zur mobilen Übergangspflege, statt teurer Kurzzeitpflegebetten in Seniorenheimen und die die Übernahme der Kosten für Kurzzeitpflege während eines Kuraufenthaltes von pflegenden Angehörigen

-       es soll die Möglichkeit einer dauerhaften Pflegekarenz geschaffen werden, um pflegende Angehörige pensionsrechtlich abzusichern

-       Bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege, um den Pflegeberuf grundsätzlich attraktiver zu machen. Weiters ist der Personaischlüssel an die realen Pflege­Herausforderungen in den jeweiligen Stationen anzupassen und für eine weitgehende Entlastung des Pflegepersonals von administrativen Tätigkeiten zu sorgen



[1] Johannes Klotz, Robert Scharf, Sozialpol. Studienreihe Bd 27, AG BMSGPK 2020, S 17

[2] Ulrike Famira-Mühlberger, Die Presse, 6. März 2020, S. 26

[3] Ulrike Famira-Mühlberger, Die Presse, 6. März 2020, S. 26