48/PET XXVII. GP

Eingebracht am 12.11.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

MARTINA KÜNSBERG SARRE

Abgeordnete/r zum Nationalrat

An Herrn

Präsidenten des Nationalrates

Mag. Wolfgang Sobotka

Parlament

1017 Wien, Österreich

                 Wien , am   31. Oktober 2020

Sehr geehrter Herr Präsident!

In der Anlage überreiche ich/ überreichen wir Ihnen gem. §100 (1) GOG-NR die Petition betreffend

Rette das Wintersemester

Seitens der EinbringerInnen wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender Hinsicht angenommen:

Universitätsgesetz 2002

Hochschulgesetz 2005

Fachhochschulgesetz

Bundesgesetz über Privathochschulen

Epidemiegesetz 1950

COVID-19-Maßnahmengesetz und dazugehörige Verordnungen

Dieses Anliegen wurde bis zur Einbringung im Nationalrat von     2.060      BürgerInnen unterstützt.

Mit der Bitte um geschäftsordnungsmäßige Behandlung dieser Petition verbleibe ich/verbleiben wir

mit freundlichen Grüßen

Anlage

1.    Forderungen der Petition

2.    Unterschriftenliste

Hinweis: Ggf. vorgelegte Unterschriftenlisten werden nach dem Ende der parlamentarischen Behandlung datenschutzkonform vernichtet bzw. gelöscht, soweit diese nicht nach den Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes zu archivieren sind.

Petition „Rette das Wintersemester“

Letztes Semester war für viele Studierende ein verlorenes Semester. Es gibt noch immer keine Konzepte für einen qualitativen Lehrbetrieb nächstes Semester auf den Hochschulen. Studierende brauchen jetzt rasch Klarheit und die Sicherheit, dass das nächste Semester kein weiteres verlorenes Semester wird. Deswegen haben wir ein umfangreiches Konzept mit 10 Punkten für hochwertige Lehre während COVID-19 ausgearbeitet.

Folgende Punkte erachten wir als essentiell, um den Studierenden ein geordnetes und qualitatives Studium im nächsten Semester zu ermöglichen:

1.       Geordneter Lehr- und Prüfbetrieb - kein Verschieben oder Absagen

Den Studierenden darf im WS 2020/21 kein Nachteil entstehen. Prüfungen und Übungen dürfen keinesfalls abgesagt oder nach hinten verschoben werden, wie dies im SS 2020 bedauerlicherweise zu oft geschehen ist. Dies führt unweigerlich zu Verzögerungen im Studium und ist unter allen Umständen zu vermeiden. Es müssen die Mindestanzahl an Prüfungsterminen pro Vorlesung sowie sämtliche Lehrveranstaltungen inklusive Prüfungen abgehalten werden. Zwischen der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses und der nächsten Prüfung sollen außerdem mindestens zwei Wochen liegen.

Es braucht klare Richtlinien, bis wann es Klarheit über die in Folge von COVID-19 geänderten Prüfungsmethoden, Beurteilungskriterien, sowie die technischen Voraussetzungen für die Teilnahme und die bei der Prüfung erlaubten Hilfsmittel geben muss. Anzustreben wäre hier eine Frist bis Ende August, damit Studierende informiert ihr nächstes Semester planen können. In jedem Fall muss dies aber bis zum Beginn der Anmeldefrist für die jeweilige Lehrveranstaltung bekannt gegeben werden.

Bei Studien, die im Sommersemester 2020 oder im Wintersemester 2020/21 auslaufen, muss die Frist bis zum Ende des Sommersemesters 2021 verlängert werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass den betroffenen Studierenden kein Nachteil erwächst, sollten sie ihre Lehrveranstaltungen oder Prüfungen aufgrund von COVID-19 nicht rechtzeitig ablegen.

2.       Flächendeckendes Angebot von online Prüfungen und Übungen

Damit ein ordentlicher Lehrbetrieb aufrechterhalten werden kann, müssen Vorlesungen von Anfang des Semesters an flächendeckend gestreamt und Übungen und Seminare online abgehalten werden können. Sollte es den Hochschulen hierfür an der technischen Infrastruktur fehlen, müssen diese Defizite bis zu Beginn des WS 2020/21 behoben werden. Letztes Semester gab es bei der Qualität von online Übungen drastische Unterschiede. Während Lehrveranstaltungen teils gar nicht stattgefunden haben, teils nur Literatur zum Lesen angegeben oder PowerPoint Folien hochgeladen wurden, haben andere Lehrende top online Kurse geboten - zum Beispiel mit gemeinsamen Videocalls. Da die Lehre während Corona nicht zum Selbststudium werden darf, braucht es hier einheitliche Mindeststandards für Lehrveranstaltungen der einzelnen Hochschulen. Es muss die Möglichkeit geben, dass Studierende in direktem Kontakt mit ihren Lehrenden stehen und diesen auch direkt Fragen stellen können. Natürlich sind hier die Hochschulen gefragt den Lehrenden das nötige technische Knowhow und Equipment zu vermitteln.

Für uns ist aber gleichzeitig klar, dass die Präsenzlehre auch Vorteile gegenüber der online Lehre hat. Lehrveranstaltungen vor Ort können nie vollkommen durch online Lehre substituiert werden. Vor allem zu Beginn des Studiums braucht es einen Bezug zur Hochschule, der durch Distance Learning nicht gegeben ist. Deshalb sollten Lehrveranstaltungen für Erstsemestrige unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften und kleinen Teilnehmerzahlen an der Hochschule stattfinden können. Für den Fall, dass Präsenzunterricht in keiner Form möglich sein wird, braucht es jedenfalls eine besondere Betreuung der Erstsemestrigen durch die Hochschulen - bspw. durch vermehrte Info Veranstaltungen.

Bei allen Lehrveranstaltungen, die direkt an der Hochschule stattfinden, muss aber die Möglichkeit einer Online Prüfung gegeben sein für Studierende, die die Prüfung oder Übung sonst nicht ablegen bzw. besuchen könnten. Das betrifft jene Studierende, die an COVID-19 erkrankt sind, zur COVID-19 Risikogruppe gehören, mit einem Risikogruppenmitglied den Haushalt teilen, Studierende in Quarantäne, Studierende mit Beeinträchtigungen, sowie Studierenden, denen die Prüfungsteilnahme aufgrund der Reisebeschränkungen nicht möglich ist. Bei Lehrveranstaltungen, die man nicht online abhalten kann, wie beispielsweise Laboreinheiten, sollte es für diese Studierende die Möglichkeit geben unter Einhaltung besonderer Sicherheitsmaßnahmen teilzunehmen.

3.       Faire online Prüfungen

Einerseits ist es essentiell die Studierenden rechtzeitig über den Ablauf von Prüfungen zu informieren, andererseits dürfen die Prüfungs- und Beurteilungsmodalitäten nicht zu Lasten der Studierenden erschwert werden. Dies ist letztes Semester leider häufig passiert - Verkürzungen der Prüfungszeit, eine Anhebung des Notenschemas oder wesentlich kompliziertere bzw. längere Angaben lehnen wir klar ab. Weiters darf es während schriftlicher Prüfungen keine Überwachung der Studierenden geben, dies wäre ein unverhältnismäßiger Eingriff in deren Privatsphäre.

Für den Fall technischer Schwierigkeiten, sollte der oder die Prüfer_in oder eine beauftragte Person für die Studierenden erreichbar sein. Es muss auch ein Kommunikationskanal zur Verfügung gestellt werden, der ohne Internetverbindung benutzt werden kann. Ein Prüfungsabbruch aufgrund von technischen Schwierigkeiten, sowie ein Fernbleiben von der Prüfung aufgrund dieser, darf weder negativ gewertet noch auf die Anzahl der  Prüfungsantritte angerechnet werden.

4.       Festlegung von Gründen für den Erlass und die Rückerstattung von Studienbeiträgen

Wenn kein vollständig geordneter Lehr- und Prüfungsbetrieb im Wintersemester 2020/21 gewährleistet wird, d.h. die Mindestanzahl an Prüfungsterminen pro Lehrveranstaltung sowie die Abhaltung sämtlicher Lehrveranstaltungen nicht gegeben sind, führt dies unweigerlich zu Verzögerungen im Studienfortgang. Dies rechtfertigt aus unserer Sicht den Erlass vom Studienbeitrag für das laufende Semester und bildet die Grundlage für die Rückerstattung von bereits bezahlten Studienbeiträgen. Ebenso sollte all jenen, die derzeit einen Dienst an der Gesellschaft leisten, sei es im außerordentlichen Zivildienst, im Präsenzdienst oder für ähnliche Tätigkeiten, unbedingt diese Leistung honoriert und der Studienbeitrag erlassen werden. Dies soll österreichweit einheitlich geregelt und vom BMBWF festgelegt werden.

5.       Faire Lösungen bei Familienbeihilfe und Studienbeihilfe

Viele Studierende sind auf Familien- und Studienbeihilfen angewiesen. Durch die Lehr- und Prüfungsbedingungen während COVID-19 konnten aber viele letztes Semester nicht die nötigen ECTS machen, um diese Beihilfen zu beziehen. Daher begrüßen wir die verlängerte Frist für den Nachweis des Studienerfolges. Sollte im WS 2020 außerdem auch kein geordneter Lehr- und Prüfbetrieb gegeben sein, braucht es auch hier eine Verlängerung der Frist. Darüber hinaus kann es zu Verzögerungen im Studium gekommen sein, wodurch man länger auf diese Beihilfen angewiesen ist. Deshalb fordern wir eine entsprechende Verlängerung der Bezugsdauer dieser Beihilfen für jedes Semester ohne ordentlichen Lehr- und Prüfbetrieb. Nur so kann sichergestellt werden, dass sich die Studierenden ihr Studium weiterhin finanzieren können und ihnen jetzt kein Nachteil entsteht.

6.       Voraussetzungsketten außer Kraft setzen

Um flexibel auf verschiedene Entwicklungen reagieren zu können, müssen die StEOP Vorziehregelung sowie andere Voraussetzungsketten flächendeckend außer Kraft gesetzt werden. Sollten Lehrveranstaltungen im SS 2020 nicht oder verspätet stattgefunden haben, darf dies nicht den Studierenden zur Last werden. Selbiges gilt für den Fall, dass zukünftig Übungen, zum Beispiel weil man sie man nicht online abhalten kann (bspw. Laboreinheiten), aufgrund von COVID-19 im WS 2020/21 nicht stattfinden können. Auch hier muss den Studierenden eine flexible Lösung geboten werden - zum Beispiel indem sie andere Kurse oder Prüfungen vorziehen können.

7.       Faire Aufnahmeverfahren

Für den Fall, dass Aufnahmeverfahren nicht wie gewohnt ablaufen, da keine Präsenzprüfungen abgehalten werden können, braucht es faire Alternativen. Ziel eines fairen Aufnahmeverfahrens muss es sein, die Eignung der Bewerber_innen für das jeweilige Studium festzustellen. Eine Studienplatzvergabe durch Numerus Clausus oder gar durch Losentscheidung ist keine Alternative. Stattdessen braucht es mehrstufige Aufnahmeverfahren bestehend aus Motivationsschreiben, online Self-Assessments und  online Eignungstests. Die Aufnahme darf keinesfalls von einem allgemeinen Notenschnitt  oder purem Glück abhängen.

8.       Bibliotheken, online Materialien und technische Infrastruktur

Der Ausleihbetrieb der Universitäts- und Hochschulbibliotheken soll unter Einhaltung der nötigen Sicherheitsvorschriften aufrechterhalten werden. Gleichzeitig braucht es einen Ausbau an online verfügbaren Materialien, sowie Fernzugriff zu online Datenbanken. Außerdem sollen den Studierenden - bei grüner oder gelber Ampelstufe und unter Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen - auch die Lesesäle zum Lernen offenstehen. Dies ist vor allem für jene Studierende, die zu Hause keine guten Lernbedingungen haben, essentiell, um im Studium voranzukommen.

Wir sehen die Hochschulvertretungen in der Pflicht für Studierende, die nicht die  nötige technische Ausrüstung haben, um Lehrveranstaltungen online zu absolvieren, Lösungen zu finden. Dies sollte zum Beispiel durch einen Laptopverleih gelöst werden.

9.       Flexible Lösungen und Alternativen für Erasmus

Auslandserfahrungen durch Erasmus oder andere Mobilitätsprogramme sind für viele ein wichtiger Teil des Studiums, in erster Linie braucht es hier sowohl für Incoming und Outgoing Students Klarheit, ob und unter welchen Bedingungen ein Auslandssemester überhaupt möglich sein wird. Da dies natürlich auch von Faktoren abhängt, die von den Hochschulen nicht beeinflusst werden können, sind regelmäßige Updates zum Stand der Lage dringend notwendig.

Weiters braucht es Alternativen für den Fall, dass ein Auslandssemester nicht möglich sein wird. Den Studierenden muss es jedenfalls ermöglicht werden sich für Lehrveranstaltungen anzumelden, auch wenn der Auslandsaufenthalt erst nach den Anmeldefristen abgesagt wird. Zusätzlich muss den Studierenden ermöglicht werden ihren Auslandsaufenthalt nachzuholen.

Sollten Erasmus Auslandssemester möglich sein, der Hochschulbetrieb aber nicht geordnet ablaufen, kann die Gewährung von finanziellen Mitteln nicht an die Mindestleistung von 3 ECTS pro Monat gekoppelt werden.

10.   Langfristige Sicherstellung eines geordneten Lehr- und Prüfungsbetriebs

Die Hochschulen waren letztes Semester sichtlich überfordert ihren Lehr- und Prüfbetrieb auf Distance Learning umzustellen. Hier sehen wir zwei große Punkte, in denen man bereits vor COVID-19 wesentlich besser aufgestellt hätte sein müssen: Digitalisierung und Freiheit bzw. Flexibilität im Studium. Wäre die Infrastruktur, um Vorlesungen zu streamen, sowie das  nötige Knowhow der Lehrenden schon früher da gewesen, hätte die Fernlehre viele Hochschulen nicht so überfordert. Hätte es gleichzeitig flexiblere Studienpläne gegeben, also weniger Voraussetzungsketten und mehr Wahlfreiheiten, hätten Studierende leichter auf Lehrveranstaltungen sowie Prüfungen ausweichen können, die auch online gut funktionieren. Die aktuelle Situation sollte für die Hochschulen und das BMBWF ein Weckruf sein. Die Lehre muss langfristig flexibler gestaltet werden und Hochschulen müssen auf Digitalisierung setzen.