Eingebracht von: Schmölzer, Andreas

Eingebracht am: 13.06.2021

 

1/SN-124/ME  Begutachtung LMSVG

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

bezugnehmend auf den gegenständlichen Gesetzesentwurf nehme ich wie folgt Stellung zu einigen überarbeitungsbedürftig erscheinenden Passagen.

 

Zu Z 32 (§ 39 Abs. 2):

Wie der VfGH unter G 257/2017 bereits im Zusammenhang mit dem FMABG erkannt hat, ist eine derartige Bestimmung zur Ausschaltung der aufschiebenden Wirkung bei Maßnahmenbescheiden in dieser Allgemeinheit nicht mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar. Da die Behörde gem. AVG bereits jetzt bei Gefahr in Verzug jederzeit eine a.W. ausschließen kann, besteht auch bei möglicher Gesundheitsschädlichkeit kein weiterer Regelungsbedarf hierzu. Die behauptete Lücke im Verbraucherschutz ist schlicht nicht vorhanden.

 

Zu Z 33 (§ 39 Abs. 3):

Die Vervierfachung (!) der Frist zur Nachreichung der Verschriftlichung von mündlichen Bescheiden auf 4 Wochen entbehrt jeder Grundlage, zumal die gesetzliche Begründung schon bei Erteilung des mündlichen Bescheides klar sein muss. Was die Vervierfachung der Frist zur Verschriftlichung mit der wirksamen Umsetzung von Maßnahmen zu tun haben soll, bleibt dabei völlig im Dunkeln, zumal der Unternehmer als Adressat und zur Maßnahme Verpflichteter die schriftliche Ausfertigung zur effizienten Umsetzung benötigt. Im digitalen Zeitalter muss eine bloße Verschriftlichung einer bereits mündlich verkündeten Maßnahme auch in 7 Tagen möglich sein, was der Behörde (seit der Pandemie) auch regelmäßig schneller gelingt. Die nun geplante Ausdehnung der Frist auf 4 Wochen hat den Anschein, der Behörde allein die Schaffung von Fakten auf rechtswidriger Basis ohne Rechtsschutzmöglichkeit der Betroffenen innerhalb der begrenzten Haltbarkeit von Lebensmitteln zu ermöglichen.

Zu Z 56 (§ 66 Abs. 1) iVm Z 73 (§ 94):

Die Agentur ist das von der Behörde exklusiv zu beauftragende Sachverständigeninstitut. Für das als GmbH organisierte Wirtschaftsunternehmen sind die nur bei Beanstandungen begehrbaren Kosten ein wesentlicher und auch der einzige bedeutsam ausbaubare Umsatzbringer. Die weitere Optimierung dieses „Businessmodells“ soll nun durch die vorgeschlagenen Änderungen zu von der GmbH selbst bestimmbaren Preisen und Parteienstellung im Strafverfahren gegen Unternehmer vorangetrieben werden. Dies alles ist mit den verfassungsmäßig garantierten Rechten zu den Grundsätzen eines fairen Verfahrens und der Unabhängigkeit des Sachverständigen völlig unvereinbar, wo doch schon der bloße Anschein einer Befangenheit tunlichst zu vermeiden ist. Das Gegenteil ist hier der Fall. Als Begründung wird eine „Vereinfachung des verwaltungsbehördlichen Handelns" vorgeschoben, mit dem jedoch einzig das Tor für Willkürmöglichkeit und finanziell motivierte Befundungen noch weiter geöffnet wird. Zudem dient das Vorhaben keinesfalls der objektiven Rechtmäßigkeit, da im Falle einer erfolgreichen Revision durch die AGES nur die Kostenentscheidung behoben werden kann. So verkommt das Institut der Amtsrevision zur rechtssystematischen Fehlkonstruktion, die allein dem Bestreben nach Gebührensteigerung untergeordnet wird.

 

Weiters zu Z 73 (§ 94):

Bei der umfangreichen Ausdehnung der Parteienstellungen vergessen wurde der Hersteller (bzw. der auf der Verpackung angegebene Lebensmittelunternehmer), der im Falle von Beanstandungen „seiner“ Lebensmittel in der nachfolgenden Lebensmittelkette mangels Parteistellung ohnmächtig geschehen lassen muss, nicht zu seiner Ware einstehen darf, wohl aber die Rechtsfolgen einer möglichen Fehlentscheidung tragen muss.

 

Ich bitte um Berücksichtigung und verbleibe

mit herzlichen Grüßen

 

Andreas Schmölzer

Mag. Dipl.-HTL-Ing.

Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger

36.01 Lebensmitteltechnologie, 36.45 Fleisch, Fleischwaren,

36.94 Ernährungsforschung, 36.96 Lebensmittelhygiene